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Kommentar: Warum Minsk II nicht funktionieren wird | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Warum Minsk II nicht funktionieren wird

Stefan Meister

/ 4 Minuten zu lesen

Trotz all der Bemühungen der Europäer scheint das Scheitern von Minsk II gewiss. Für Moskau und die Seperatisten stellen die aktuellen Friedensverhandlungen sowieso nicht mehr und nicht weniger als eine Interimslösung dar.

Staatsoberhäupter (v.l.) von Russland (Putin), Frankreich (Hollande), Deutschland (Merkel) und Ukraine (Poroschenko) verhandeln in Minks über ein Friedensabkommen. (© picture-alliance/dpa)

Der Triumph von Minsk

Das zweite Minsker Abkommen markiert eine neue Stufe in den diplomatischen Bemühungen Deutschlands, Frankreichs und der EU zu einem Waffenstillstand in der Ostukraine. Die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident haben ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale gelegt, um die russische Führung und die Separatisten im Osten der Ukraine zu einem Waffenstillstand zu bewegen und eine weitere Eskalation des Konfliktes zu verhindern. Dabei wird deutlich, wie wenig Einflussmöglichkeiten die EU auf Russland und die Situation in der Ostukraine hat und wie stark sie bei der Stabilisierung der Region vom guten Willen Moskaus abhängt. Russland hat viel mehr Instrumente, um die Ukraine zu destabilisieren und ihre Entwicklung zu beeinflussen, und es nutzt diese Instrumente auch. Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich noch immer nicht entschieden, ob sie eine Integration und eine ernsthafte Stabilisierung der Ukraine wirklich wollen.

Für den russischen Präsidenten Putin war es ein Triumph, dass die derzeit mächtigste europäische Politikerin nach Moskau gereist ist, um mit ihm einen Waffenstillstand auszuhandeln. Dabei konnte sich der russische Präsident in einer Reihe von zentralen Punkten durchsetzen, ohne selbst echte Kompromisse machen zu müssen. Bei offenen Fragen konnte Putin jedoch nur verhindern, dass es zu klaren Vereinbarungen gekommen ist. So wurden die Separatistenführer durch ihre Anwesenheit in Minsk de facto Teil des Verhandlungsprozesses und damit indirekt anerkannt, es soll Wahlen zur Legitimierung der Führungen in den separatistischen Gebieten geben, Kiew soll für Sozialleistungen und den Zahlungsverkehr in den beiden separatistischen Regionen verantwortlich sein und diese sollen umfassende Rechte im Rahmen einer Dezentralisierung des ukrainischen Staates erhalten. Umgekehrt bleibt unklar, wo genau die zukünftige Grenze markiert werden wird, wie die Sicherung der ukrainisch-russischen Grenze aussehen wird, es ist offen, wie und mit welcher Besetzung die OSZE das Waffenstillstandsabkommen überwachen wird, und unter welchen Bedingungen die Wahlen in der Ostukraine durchgeführt werden.

Auf dem Weg zu Minsk 3?

Damit ist die russische Regierung ihrem Ziel in Bezug auf die Zukunft der Ukraine ein ganzes Stück näher gekommen, sie ist jedoch noch nicht da, wo sie hinwill. Minsk II ist aus russischer Sicht nur eine Interimslösung auf dem Weg zu einer umfassenden Regulierung im Sinne Russlands. Der Krieg in der Ostukraine schwächt das Reformpotential der ukrainischen Führung und verschärft die wirtschaftliche und soziale Situation des Landes. Damit wird die Integration in die EU und eine Angleichung an deren Standards vorerst verschoben und das Frustrationspotential in der ukrainischen Bevölkerung wächst. Jedoch fehlt bisher eine klare Absage an eine EU- oder NATO-Integration der Ukraine. In Putins Brief an den ukrainischen Präsidenten Poroschenko von Mitte Januar 2015 sind die Bedingungen für eine Befriedung der Ostukraine klar ausgeführt: vollständige Anerkennung der neuen Demarkationslinie, einseitiger Waffenstillstand und Abzug schwerer Waffen von ukrainischer Seite sowie eine Dezentralisierung des ukrainischen Staates mit einer weitgehenden Autonomie der Separatistengebiete und über diese Einflussmöglichkeiten Russlands auf die zukünftige Kiewer Politik. Ohne eine vollständige Einigung in diesen Punkten wird es keinen Waffenstillstand geben.

Der russische Präsident wird bereit sein, in weiteren Verhandlungen in Minsk 3 oder 4 am Ende das zu bekommen, was er sich vorstellt. Die EU hat wenig Möglichkeiten, ihm etwas entgegenzusetzen, da sie weder den ökonomischen noch den militärischen Druck auf Russland erhöhen möchte und bisher auch nicht dazu bereit ist, eine klare Entscheidung für eine umfassende Stabilisierung der Ukraine zu treffen. Gleichzeitig hat Moskau erkannt, dass das Thema Waffenlieferungen an die Ukraine ein enormes Spaltungspotential für die transatlantischen Beziehungen birgt, das weiter zu befördern sich aus russischer Sicht lohnen könnte. Darauf könnte auch einer der nächsten russischen Schachzüge abzielen: neben der weiteren Spaltung der EU über Kreditangebote an die griechische Regierung und günstige Gaslieferungen an Ungarn über einen schwelenden Konflikt unterhalb der offenen Auseinandersetzung auch die Entfremdung zwischen Washington und Berlin weiter zu befördern. Putin hätte mit US-amerikanischen Waffenlieferungen das erreicht, was er die ganze Zeit propagiert: eine offizielle Einmischung der USA und die Möglichkeit, bei einer weiteren Eskalation mit Obama auf Augenhöhe über die Zukunft der Ukraine zu verhandeln.

Was tun?

Die Ukraine und die EU werden den Verlust der beiden separatistischen Regionen ebenso akzeptieren müssen wie den der Krim. Dies wird nötig sein, um den Rest der Ukraine zu retten und eine weitere Destabilisierung des Staates zu verhindern. Kiew ist vollständig abhängig vom Verhandlungsgeschick und Druck der EU auf Russland sowie der Zahlungsbereitschaft des Westens. Weder härtere Sanktionen werden die russische Führung aufhalten noch US-amerikanische Waffenlieferungen. Putin wird immer dafür sorgen, dass ein militärisches Gleichgewicht oder eine Überlegenheit der Separatisten herrscht und die Kosten von Wirtschaftssanktionen tragen. Die fehlende Entscheidung der EU für eine Integration der Ukraine und einen Marshall-Plan zu deren Wiederaufbau gibt Moskau die Möglichkeit, die Kiewer Regierung weiter zu schwächen und vielleicht doch noch in den eigenen Einflussbereich zurückzuholen. Europäische Politiker scheuen die Konsequenzen dieser Realitäten, was die russische Verhandlungsposition weiter stärkt. Nur eine klare Entscheidung für eine Integration der Ukraine mit allen finanziellen und politischen Konsequenzen könnte die Verhandlungsposition der EU verbessern. Wird diese Entscheidung nicht getroffen, wird Moskau die nächsten Schritte und Kompromisse weitgehend diktieren. Damit entsteht in der Nachbarschaft der EU auf Dauer ein schwacher oder zerfallender Staat mit allen sozialen, ökonomischen und sicherheitspolitischen Konsequenzen.

Der vorliegende Text ist eine gekürzte Version des DGAP Standpunkts, "Eskalation erwünscht. Warum Minsk II nicht funktionieren wird".

Fussnoten

Dr. Stefan Meister (DGAP) ist seit August 2014 Programmleiter für Osteuropa, Russland und Zentralasien am Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa der DGAP. Von August 2013 bis Juli 2014 war er Senior Policy Fellow im Wider Europe Team des European Council on Foreign Relations sowie von Januar 2008 bis Juli 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter der DGAP im Bereich Russland und Östliche Partnerschaft.