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Analyse: Der Konflikt um den Transit ukrainischer Exporte durch Russland | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Der Konflikt um den Transit ukrainischer Exporte durch Russland

Vera Belaya

/ 7 Minuten zu lesen

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland liegen auf Eis. Grund dafür ist unter anderem der Streit um das ukrainische Freihandelsabkommen mit der EU. Die Analyse blickt auf aktuelle Handelsbeschränkungen und ihre Wirkungen.

Viele Waren aus der Ukraine können durch das russische Handelsembargo nur noch über den Seeweg in den Osten transportiert werden. (© picture alliance/ Arco Images GmbH)

Ausgangslage

Am 1. Januar 2016 setzte Russland das Freihandelsabkommen zwischen Russland und der Ukraine außer Kraft und erließ ein Handelsembargo gegen ukrainische Agrargüter. Zunächst unterband Russland den Transit ukrainischer Güter nach Kasachstan über sein Territorium vom 1. Januar bis zum 1. Juli 2016 – nach eigenen Angaben aus Gründen der wirtschaftlichen Sicherheit und zur Förderung seiner nationalen Interessen. Am 3. Juli 2016 verkündete das offizielle Webportal der russischen Rechtstexte eine Verlängerung des Transitverbots für ukrainische Lieferungen bis zum 31. Dezember 2017 und erweiterte es auf Kirgistan.

Die Vizepräsidentin des russischen Clubs der Finanzdirektoren, Tamara Kasjanowa, erklärte, Kirgistan sei von dem Verbot betroffen, obwohl es keine direkte Grenze mit Russland hat, weil ukrainische Spediteure den Transit ihrer Waren durch Russland häufig mit der Behauptung ermöglicht hätten, ihr eigentliches Ziel sei Kirgistan.

Die ukrainische Regierung wiederum verhängte am 10. Januar 2016 ein Handelsembargo gegen Russland, das ursprünglich bis zum 5. August 2016 gelten sollte. Es erstreckte sich auf Fleisch, Fleischprodukte, Fisch, Milchprodukte, Schmelzkäse, Kaffee, Tee, Getreide, Süßwaren, Babynahrung, Nudeln, Bier, Alkohol, Wodka, Zigaretten, Zwiebeln, Ketchup, Kekse und andere russische Produkte. Am 6. Juli 2016 wurde es um anderthalb Jahre bis zum 31. Dezember 2017 verlängert. Dies war eine Reaktion auf die entsprechende Verlängerung des russischen Lebensmittelembargos.

Der Transitkonflikt

Der aktuelle Handelskrieg zwischen Russland und der Ukraine begann, als die russische Regierung am 1. Januar 2016 den Warentransit aus der Ukraine nach Kasachstan über ihr Territorium einschränkte. Anfang Februar 2016 entspannte sich der Konflikt etwas. Nach langwierigen Verhandlungen gestattete Russland der Ukraine, in von russischen Beamten begleiteten Lastwagen Transitlieferungen über russisches Gebiet durchzuführen, wobei beide Länder sich auf Quoten für diesen Transitverkehr einigten.

Als Reaktion auf Drangsalierungen ukrainischer Spediteure in Russland verbot die ukrainische Regierung Mitte Februar 2016 die Weiterfahrt russischer Lastwagen in der Ukraine. Nach Angaben des ukrainischen Ministeriums für Verkehr wurden am 14. Februar über 100 russische Lastwagen auf dem Weg nach Moldawien blockiert. Auch etwa 500 weitere Lastwagen, die aus der EU kamen und auf dem Weg nach Russland waren, konnten das Territorium der Ukraine nicht mehr nutzen.

Daraufhin verbot Russland am 1. Juli den Transit ukrainischer Lastwagen durch Russland. Am 14. Juli standen deshalb fast 130 Lastwagen mit Waren, die aus der Ukraine nach Kasachstan und Kirgistan transportiert werden sollten, an der ukrainisch-weißrussischen Staatsgrenze und konnten diese nicht passieren. Als Alternative empfahl die russische Seite eine Route über Georgien und Aserbaidschan einschließlich zweier Schiffstransporte über das Schwarze und das Kaspische Meer.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Transitbeschränkung

Von dem Transitverbot sind eigentlich nur Kasachstan und Kirgistan direkt betroffen. Über diese beiden Länder werden allerdings weitere zentralasiatische Länder (Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan) sowie die Mongolei und das zu China gehörige Autonome Gebiet Xinjiang beliefert. Zusätzlich blockierte Russland auch an der Grenze zu Georgien ukrainische Waren, was den Handel mit dem Südkaukasus (Georgien, Armenien und Aserbaidschan) erschwert.

Nach Angaben des Staatlichen Statistikamts sind die ukrainischen Ausfuhren in GUS-Länder in der ersten Hälfte 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30 % auf 2,6 Mrd. USD zurückgegangen. Die Einfuhren aus den GUS-Ländern verringerten sich in der ersten Hälfte 2016 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum ebenfalls um etwa 30 % auf 3,6 Mrd. USD. In den ersten fünf Monaten 2016 verringerten sich die ukrainischen Ausfuhren nach Russland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 36 %.

2015 betrugen die ukrainischen Gesamtexporte 38 Mrd. USD. Das entspricht einem Rückgang von 44 % gegenüber 2011 und von 29 % gegenüber 2014. Die ukrainischen Exporte in die vom Transitverbot betroffenen Länder (inklusive Russland) betrugen 2015 nur noch knapp 7 Mrd. USD, was einem Rückgang von 72 % im Vergleich zu 2011 und von 48 % im Vergleich zu 2014 entspricht. Ohne Russland betrug der Wert der aus der Ukraine in die von dem Handelskonflikt betroffenen Länder gelieferten Waren 2015 gerade einmal 2 Mrd. USD und in den ersten acht Monaten von 2016 ca. 1 Mrd USD.

Russland ist mit 4,8 Mrd. USD Handelsvolumen (2015) der wichtigste ukrainische Handelspartner in der post-sowjetischen Region. Von den vom russischen Transitverbot betroffenen Ländern war Kasachstan 2015 mit 713 Mio. USD Handelsvolumen der wichtigste Abnehmer ukrainischer Güter. Nach Informationen des kasachischen Statistikkomitees sind die kasachischen Importe aus der Ukraine im ersten Halbjahr 2016 um 34 % und die Exporte in die Ukraine um 49 % eingebrochen.

Neben dem russischen Transitverbot können aber auch andere Faktoren für den Rückgang des ukrainischen Außenhandels verantwortlich gemacht werden. Zentral ist dabei die Wirtschaftskrise mit einem Einbruch des Wechselkurses der nationalen Währung, hohen Inflationsraten und ein Rückgang der Kaufkraft sowohl in der Ukraine als auch in der post-sowjetischen Region insgesamt. Wegen der zahlreichen externen Faktoren, die für den Exportrückgang relevant sein können, lässt sich der wirtschaftliche Effekt des Konflikts um den Gütertransit nicht separat berechnen. Expertenmeinungen können allerdings eine Vorstellung von den wirtschaftlichen Folgen des Konflikts geben.



Expertenmeinungen

Laut Aivaras Abromavičius, dem ehemaligen Wirtschaftsminister der Ukraine, ist die Alternativroute zur Vermeidung des russischen Territoriums 500 Kilometer länger und generiert durch zusätzliche Warenversiegelung, Ruhepausen und Benzinverbrauch um 23 % bis 50 % höhere Transportkosten. Das steigert die Preise der Endprodukte, die mit den lokalen Produkten nicht mehr konkurrieren könnten, so dass die Märkte verloren gingen.

Nach Meinung des Präsidenten des Vereins "Ukrkondprom" der Ukraine, Alexander Baldynyuk, war die Ukraine auf die Maßnahmen der Russischen Föderation nicht vorbereitet und ist nun überfordert. Es gibt zwar eine alternative Transitroute, diese sei jedoch nicht effektiv genug. Er sieht in dieser Hinsicht vor allem zwei Probleme:

Das erste sind die hohen Transportkosten für Fährpassagen, aufgrund derer ein erheblicher Teil der ukrainischen Exportprodukte nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Die Kosten für die Fähre über das Schwarze Meer, die momentan "Ukrferry" betreibt, wurden zum 1. August um 300 USD erhöht, damit kostet die Auslieferung eines Waggons nach Almaty den ukrainischen Absender fast 12.000 USD. Ein weiteres Beispiel sind die Transitkosten für eine Waggonladung, die aus der Ukraine nach Aserbaidschan geht. Für den Transit durch Russland liegen sie bei 4.800 USD. Die Überfahrt mit der Fähre kostet 7.300 USD. Unter diesen Bedingungen liegt z. B. der Transportkostenanteil am Preis von Süßwaren bei 30 % bis 35 %. Mit entsprechend höheren Preisen sind ukrainische Produkte nicht mehr konkurrenzfähig. Die Marktlücke schließen kostengünstigere Produkte russischer Süßwarenproduzenten. Andere für den zentralasiatischen Markt bestimmte Exportprodukte stehen vor ähnlichen Problemen.

Das zweite Problem an der alternativen Transitroute ist die mit ihr verbundene lange Lieferzeit. Momentan beträgt die Lieferzeit von Waren über die Alternativroute 30 Tage, während die Fahrt durch Russland nur 15 Tage gedauert hat.

Dem Präsidenten des Verbands der internationalen Spediteure der Ukraine Leonid Kostyuchenko zufolge bedeutet die Sperrung des Transportkorridors durch Russland für die ukrainischen Spediteure Zusatzkosten von 4,2 Mrd. Griwna (etwa 150 Mio. USD) jährlich.

Igor Ostapchuk, ein Agrarmarktexperte des Ukrainian Agribusiness Club (ICAB), schätzt die Lieferungen von Agrargütern in die vom Konflikt betroffenen Länder auf ca. 4 % der gesamten ukrainischen Agrarexporte bzw. auf 700 Mio. USD pro Jahr. Entsprechend veranschlagt er auch die Verluste der Ukraine infolge des Gütertransitverbots in dieser Höhe.

Als besonders kritisch sieht Ostapchuk die möglichen Folgen für die ukrainische Zuckerindustrie an, denn 59 % der ukrainischen Zuckerexporte gehen in vom Transitkonflikt betroffene Länder. Von den ukrainischen Exporten erhalten diese Länder außerdem 51 % der Zuckerprodukte, 50 % des Getreides, 47 % der Schokolade, 35 % der tierischen Fette und 29 % der Fleisch- und Fischprodukte. Angesichts der starken Ausrichtung der ukrainischen Hersteller auf diese Länder wird es ausgesprochen schwierig werden, alternative Abnehmer zu finden.

Die stellvertretende Ministerin für Wirtschaftsentwicklung und Handel der Ukraine, Natalia Mykolskiy, schätzt den Verlust der ukrainischen Wirtschaft für das Jahr 2016 auf 1 Mrd. USD, wobei diese Schätzung alle vom Handelskonflikt direkt und indirekt betroffenen Länder berücksichtigt. Den Schaden durch den Verlust der beiden direkt betroffenen Märkte Kasachstan und Kirgistan beziffert sie auf 400 Mio. USD jährlich.

Alexander Kava, Berater des Ministers für Infrastruktur, meint, die durch den Konflikt entstehenden Verluste würden hauptsächlich von privaten Speditions- und Logistikfirmen und von Exportunternehmen getragen, die wegen der verspäteten Lieferungen mit höheren Gebühren rechnen müssten. Das Volumen der betroffenen Transitlieferungen aus der Ukraine über Russland schätzt er auf 1,5 Mrd. USD.



Lösungsmöglichkeiten

Der Pressedienst des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung und Handel der Ukraine teilte am 3. Juli mit, die Einschränkungen des Warenexports aus der Ukraine würden die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) sowie das Abkommen über die Freihandelszone verletzen und seien wirtschaftlich und rechtlich nicht gerechtfertigt und diskriminierend. Am 4. Juli erklärte der Minister für Infrastruktur der Ukraine Vladimir Jemeljan in einem Fernsehinterview, die ukrainische Regierung habe bereits einen Aktionsplan ausgearbeitet, um auf die Sanktionen zu reagieren ohne dabei gegen WTO-Regeln zu verstoßen.

Um eine Aufhebung des Warentransitverbots zu erwirken, gibt es möglicherweise zwei Wege. Zum einen kann versucht werden, den Konflikt im Rahmen direkter Verhandlungen zu lösen. Insbesondere könnten Kasachstan und Kirgistan um Unterstützung gebeten werden, da sie selbst von dem Verbot betroffen sind und finanziellen Schaden nehmen. Die Nationale Unternehmerkammer der Republik Kasachstan "Atameken" hat sich bereits Anfang Juli 2016 mit der Bitte an die russische Regierung gewandt, die Transitmöglichkeiten für eine Reihe von für Kasachstan strategisch wichtigen Rohstoffen zu prüfen. Es geht dabei um Waren, die der technologischen Entwicklung des Landes dienen und die nicht in der Liste der sanktionierten Agrarprodukte enthalten sind.

Zum anderen könnte ein neutraler Partner zur Schlichtung der Streitigkeiten hinzugezogen werden. Das könnte ein im Zuge der offiziellen Beschwerde durch die WTO berufener Vertreter dieser Organisation sein. Am 27. Juli berichtete die Ukraine auf der Sitzung des Allgemeinen Rats der WTO über den Fall und forderte die unverzügliche Aufhebung der rechtswidrigen Transitbeschränkungen. Allerdings könnte eine Lösung des Problems mithilfe der WTO bis zu zwei Jahre dauern, ohne dass es dabei eine Erfolgsgarantie gäbe.

Fussnoten

Dr. Vera Belaya studierte Betriebswirtschaft an der Kasachischen Agraruniversität in Astana sowie Agrarmanagement an der Hochschule Weihenstephan in Triesdorf. Nach dem erfolgreichen Abschluss als "Master of Business Administration in Agriculture" in Triesdorf wurde sie am Leibnitz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien(IAMO) zur Doktorin der Agrarwissenschaften promoviert.