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Kommentar: Staatliche Parteienfinanzierung. Echte oder imitierte Reform? | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Staatliche Parteienfinanzierung. Echte oder imitierte Reform?

Miriam Kosmehl Andreas Umland Kiew) Kiew) und Andreas Umland (Institut für Euro-Atlantische Kooperation Von Miriam Kosmehl (Büro der Naumann Stiftung

/ 15 Minuten zu lesen

Im Juli wurde in der Ukraine ein neues Gesetz zur Parteienfinanzierung verabschiedet. Das Reformprojekt sollte der Parteienlandschaft des Landes neues Leben einhauchen, bleibt jedoch umstritten. Für Miriam Kosmehl und Andreas Umland steht es sinnbildlich für den weiterhin steinigen Weg zu einer funktionierenden Demokratie.

Blick in den Sitzungssaal des ukrainischen Parlaments. Das neue Gesetz zur staatlichen Parteienfinanzierung soll vor allem kleine Parteien stärken. (© picture alliance/ ZUMA Press)

Zusammenfassung

Finanzstarke Parteiprojekte dominieren die ukrainische Politik und werden von ihren Initiatoren je nach Interessenlage eingesetzt oder, bei Misserfolg, aus dem Verkehr gezogen. Neue, reformorientierte politische Kräfte, die Interessen von Bürgern vertreten möchten, denen aber das Geld fehlt, haben es – wegen der teuren ukrainischen Wahlkämpfe – schwer sich zu etablieren. Seit dem 1.7.2016 ist in der Ukraine ein neues Gesetz in Kraft, das staatliche Parteienfinanzierung regelt und insbesondere neuen politischen Bürgerparteien mit einem finanziellen Grundstock die Basisarbeit ermöglichen soll. Im letzten Moment vor der Abstimmung wurde es jedoch verwässert: Bis nach der nächsten landesweiten Parlamentswahl erhalten zunächst nur jene Parteien finanzielle staatliche Unterstützung, die es bei der letzten Wahl 2014 über die Fünfprozenthürde geschafft haben. Diese Übergangsregelung sorgt dafür, dass kleine und neu gegründete Oppositionsparteien zunächst nicht von staatlicher Parteienfinanzierung profitieren – sondern erst, wenn und nachdem sie bei der nächsten Wahl mehr als zwei Prozent der Stimmen erhalten. So verschafft das Gesetz nun, anders als ursprünglich beabsichtigt, hauptsächlich ohnehin finanzstarken Parteiprojekten nicht nur Aufschub vor neuer politischer Konkurrenz, die sich nach der Revolution der Würde zunehmend formiert, sondern bringt ihnen gar zusätzliches Geld aus der Staatskasse. Parteien neuer Bürgervertreter mit ernsthaften Reformabsichten brauchen deshalb einen langen Atem und die Unterstützung internationaler Partner.

Einleitung

Seit dem Sieg der sogenannten Revolution der Würde 2014 befindet sich die Ukraine in einem schwierigen Transformationsprozess. Die ehemalige Sowjetrepublik versucht, fundamentale Reformprogramme parallel in den verschiedensten Bereichen durchzuführen – und das, nachdem Russland die Krim besetzt hat und gleichzeitig an der Ostgrenze ein hybrider, aber blutiger Krieg nicht aufhört. Mit bislang unterschiedlichen Erfolgsbilanzen wurden Reformen in Angriff genommen in den Bereichen: Streitkräfte und Militär, Recht und Justiz, Gesundheitswesen, Hochschulbildung, Außenwirtschaftsbeziehungen, im Bankensektor und Sicherheitsapparat sowie in der öffentlichen Verwaltung und lokalen Selbstverwaltungsorganen. Ein zentraler Bereich ist auch die Neuordnung des Parteiensystems – eine Veränderung, die darauf abzielt, an die Stelle des spezifisch postsowjetischen neopatrimonialen Regierungssystems der Ukraine ein nationales Parlament und regionale sowie lokale Repräsentativorgane mit funktionsgerecht organisierten und transparent finanzierten Volksvertretern zu setzen.

Interessengruppen als inoffizielle Vetomächte

Für Beobachter der postkommunistischen "virtuellen Politik" (so Andrew Wilson in seinem wegweisenden Buch mit gleichem Titel), ist ein Kernproblem im öffentlichen Leben der Ukraine die Abhängigkeit politischer Parteien von den berüchtigten "Oligarchen". Organisationen, die eher Lobby-Arbeit für verschiedene Finanz- oder Industriegruppen machen, nehmen als sog. "Parteien" oder "Vereinigungen" an Wahlen teil. Politische Positionen und Weltanschauungen sind häufig auf Schlagwörter reduziert. "Liberalismus" oder "Konservatismus" und "Sozialismus" oder "Patriotismus" werden meist beliebig benutzt. Die gewählten Volksvertreter nutzen den Zugang zu nationalen, regionalen oder lokalen Parlamenten, um Partikularinteressen einzelner Mächtiger durchzusetzen. Ihr Einfluss ist nicht auf die Parlamente begrenzt. Sie schleusen Gefolgsleute ihrer "Sponsoren" in Staatsbetriebe und sonstige Machtpositionen des Staates ein. Der Versuch, dies im nach dem Euromaidan neubesetzten Wirtschaftsministerium zu tun, führte Anfang 2016 zum Protest des reformorientierten, aus Litauen stammenden Minister Aivaras Abromavičius und zu seinem Rücktritt – samt anschließender Regierungskrise.

In der Konsequenz dienen viele ukrainische Gesetze nicht dem Gemeinwohl, sondern der Sicherung dieser oder jener Interessen der ukrainischen Wirtschaftselite. Die Besetzung von Ämtern in Ministerien und anderen staatlichen Agenturen basiert häufig weder auf Professionalität noch auf der ideologischen Provenienz der Kandidaten, sondern hängt mit wechselseitigen persönlichen Abhängigkeiten zusammen oder folgt gar simplem Nepotismus. Die regionalen wie auch die nationalen Regierungen der Ukraine formieren sich nicht als Koalitionen sich ideologisch nahestehender Programmparteien, sondern sind im Kern zeitlich begrenzte Zweckbündnisse verschiedener finanzstarker Interessensgruppen. Tausende bestochene Parteifunktionäre, korrupte Politiker und Bürokraten, Pseudo-Journalisten, sogenannte "Polittechnologen", Scheinaktivisten und gekaufte Experten werden landesweit von Oligarchen unterhalten, um dieses spezifische Regierungssystem am Leben zu erhalten und es bei Bedarf an nationale und internationale Veränderungen anzupassen – so auch unter den neuen Bedingungen nach dem Euromaidan.

Volatilität bei ukrainischen Parteien

Eine besonders augenfällige Folge dieses problematischen Zustandes ist, dass die ukrainische Parteienlandschaft sich permanent verändert. Parteien werden häufig neu gegründet und dann wieder aufgegeben, steigen heute auf und verschwinden morgen spurlos. Eine Partei mag über ein, zwei oder drei Legislaturperioden prominent im Parlament und öffentlichen Leben vertreten sein, wird dann jedoch, wenn sie Zuspruch verliert, durch gänzlich neue oder alte wiederbelebte Projekte ersetzt. Einzige Ausnahme dieser Regel bildete bis vor kurzem die Kommunistische Partei der Ukraine, welche über 20 Jahre permanent im Parlament präsent war. Allerdings ist inzwischen auch die KPU in Folge ihres Misserfolgs bei den letzten Wahlen 2014 und im Zuge der anschließenden "Dekommunisierung" womöglich auf Dauer von der politischen Landkarte verschwunden.

Die symptomatische Instabilität und fortgesetzte Diskontinuität der ukrainischen Parteienlandschaft zeigte sich auch bei der letzten Parlamentswahl im Oktober 2014. Mit der Vaterlandspartei Julia Timoschenkos ("Batkiwschtschyna") zog nur eine mehr oder weniger etablierte Partei in das nationale Parlament der Ukraine ein. Alle anderen Parteien, die in der Verhältniswahl über die Fünf-Prozent-Hürde kamen, sind mehr oder minder neue politische Projekte – manche erst wenige Monate vor der Wahl gestartet oder wiederbelebt. Auch die beiden Gewinner der Parlamentswahl 2014, die Partei "Solidarität" – Block Petro Poroschenko und Arsenij Jazenjuks "Volksfront", wurden u. a. von Politikern bzw. sog. "Politiktechnologen" der älteren Parteien "Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen" (UDAR) und "Front des Wandels" erst kurz vor der Wahl ins Leben gerufen. Die Organisation neuer Parteien unmittelbar vor Wahlen wird durch große und überwiegend intransparente Geldtransfers der berüchtigten "Oligarchen" oder anderer Sponsoren ermöglicht, die über großangelegte Wahlkampagnen die neuen Parteiprojekte in der Öffentlichkeit bekannt machen.

Repräsentiert das postrevolutionäre Parlament die neue Ukraine?

Trotz der an und für sich erfolgreichen Revolution der Würde weist daher das erste postrevolutionäre Parlament – ungeachtet seiner scheinbar neuen Fraktionen – auffällige strukturelle Ähnlichkeiten mit der ukrainischen Parteienlandschaft vor dem Euromaidan auf. Einen gewissen positiven Unterschied machen bisher vor allem jene meist relativ jungen Abgeordneten aus der ukrainischen Zivilgesellschaft, die neu im politischen Geschäft sind, noch nicht politisch organisiert antraten und nun zum Großteil in der interfraktionellen Vereinigung "Euro-Optimisten" vereint sind. Sie zogen meist über Listen unterschiedlicher Parteien im Rahmen eines spezifischen post-Maidan "trade-off" mit den alten Eliten ins Parlament ein. Der postrevolutionäre Deal von 2014 bestand darin, dass die Aktivisten ihr positives Image der jeweiligen Partei im Austausch gegen einen sicheren Listenplatz zur Verfügung stellten. Die daran anschließende begrüßenswerte Veränderung in der Zusammensetzung des heutigen ukrainischen Parlaments hatte jedoch bislang keine größeren Konsequenzen für das immer noch neopatrimoniale politische System der Ukraine, da die Jungparlamentarier erst beginnen sich parteipolitisch zu organisieren.

Neu in Kraft: Staatliche Parteienfinanzierung seit 1.7.2016

Vor diesem ernüchternden Hintergrund führte nun das Parlament die staatliche Parteienfinanzierung ein – eine seit vielen Jahren diskutierte Reform, deren Umsetzung jedoch erst nach der Revolution der Würde ernsthaft begonnen wurde. Mit dieser Reform verbindet sich die Hoffnung auf transparentere und gerechtere Bedingungen für den Wettbewerb ukrainischer Politiker und Parteien. Allerdings ist die ukrainische öffentliche Meinung zu staatlicher Parteienfinanzierung gespalten. Nicht nur die Parteifunktionäre undurchsichtig finanzierter politischer Projekte sind gegen die Reform der Parteienfinanzierung. Auch viele einfache Bürger kritisieren, dass ohnehin schon zu viele Finanzmittel in der ukrainischen Politik zirkulieren und finden den Ansatz, dass der Staat weitere Steuergelder hinzufügt, absurd.

In einer landesweiten Umfrage vom November 2015 wurden Bürger vom Razumkow-Zentrum befragt, wer ihrer Meinung nach politische Parteien finanzieren solle. Nur 13 % der Befragten sprachen sich für eine staatlich geregelte Parteienfinanzierung aus, während die meisten Befragten einer Finanzierung durch die Parteiführung (40 %), Parteimitglieder (40 %) oder "Unterstützer" (31 %) den Vorzug gaben. 14 % sagten gar, dass Geschäftsleute Parteien finanzieren sollten. Bei der Frage, ob der Staat künftig diese Rolle übernehmen solle, widersprachen 76 % gegenüber nur 15 %, die dafür waren.

Wie in anderen postsowjetischen Staaten gibt es auch in der Ukraine wenig Verständnis dafür, dass finanzielle Unabhängigkeit politischer Parteien notwendig ist, um der gängigen Praxis des "state capture" Herr zu werden und zu verhindern, dass große Teile des Staates von privaten Interessengruppen kontrolliert bzw. instrumentalisiert und staatliche Ressourcen auf der Basis klientelistischer Netzwerke verteilt werden. Nur wenn Parteien finanziell unabhängig sind, können sich neue politische Kräfte herausbilden, welche glaubwürdig das Gemeinwohl im Auge haben.

Im Oktober 2015 verabschiedete das ukrainische Parlament das Gesetz Nr. 731-19 "Über die Einführung bestimmter Veränderungen in legislative Akte der Ukraine zur Verhinderung und Abstellung von politischer Korruption". In seiner ursprünglichen Fassung sah der Gesetzentwurf staatliche Finanzierung für Parteien vor, die bei der jeweils letzten Wahl mehr als 3 % Zustimmung im Rahmen des Verhältniswahlrechts erhielten. Zu diesen im Oktober 2014 erfolglosen, aber dennoch etablierten Parteien, die es bei der letzten Parlamentswahl mit Ergebnissen zwischen 3 % und 5 % der Stimmen nicht ins Parlament geschafft haben, zählen radikale Organisationen wie die Kommunistische Partei und die ultra-nationalistische "Freiheit", aber auch Anatolij Hryzenkos pro-demokratische "Bürgerposition", die in einem (inoffiziellen, weil offiziell verbotenen) Bündnis mit der ebenfalls angesehenen "Demokratischen Allianz" angetreten war. Beide Organisationen priorisieren weit glaubhafter als die Establishment-Parteien den Kampf mit der Korruption und werben um Unterstützung des schwachen ukrainischen Mittelstandes.

Verzögerte Anpassung zugunsten großer Parteiprojekte des alten Systems

Der Gesetzesentwurf wurde jedoch in letzter Minute wesentlich verändert – entweder auf Druck der Regierung bzw. der Präsidialverwaltung und/oder aufgrund innerparlamentarischer Manipulationen. Das nun gültige Gesetz sieht im Rahmen einer bis zur nächsten Parlamentswahl geltenden Übergangsregel vor, dass nur Parteien, die 2014 bei der Parlamentswahl den Einzug ins Parlament geschafft haben (also mindestens 5 % der Stimmen erhielten), ab Juli 2016 von staatlicher Finanzierung profitieren. Sie erhalten einen nach folgender Formel errechneten Betrag: der aktuelle ukrainische Mindestlohn, multipliziert mit dem Faktor 2, mal dem Anteil der Listenstimmen nach Verhältniswahlrecht. Alle Parteien, die weniger als 5 % nach Verhältniswahlrecht erzielten, erhalten bis zur nächsten Wahl keinerlei staatliche Unterstützung. Erst wenn sie bei der nächsten Parlamentswahl mehr als 2 % Zustimmung erzielen, erhalten sie im Anschluss an diese Wahl staatliche Unterstützung nach der angeführten Formel.

So werden alle Parteien, welche bei der nächsten, regulär für 2019 angesetzten Wahl, mehr als 2 % erzielen, staatliche Finanzierung erhalten. Zusätzlich kann eine Partei einen Teil der Wahlkampfkosten für die Parlamentswahl erstattet bekommen, wenn sie mindestens 2 % der Stimmen nach Verhältniswahlrecht erhält. Parteien, die bei der nächsten Rada-Wahl auf mindestens 2 % der Stimmen nach Verhältniswahlrecht kommen, werden demnach von beiden Formen staatlicher Bezuschussung profitieren können.

Bis zu den nächsten Wahlen gilt jedoch die Übergangsregelung, nach welcher nur Parteien, welche 2014 über 5 % erhielten, von staatlichen Zuschüssen profitieren. Demnach erhält Jazenjuks "Volksfront" 84.970.457 Ukrainische Griwna (etwa 3 Mio. Euro) reguläre staatliche Finanzierung, da sie 2014 über 20 % der Stimmen nach Verhältniswahlrecht erhielt. Dass die Umfragewerte der Partei inzwischen nur noch bei 1–2 % liegen, Jazenjuk als Regierungschef im Frühjahr 2016 zurücktreten musste und die Partei womöglich bei den nächsten Wahlen von der politischen Bühne verschwinden wird, bleibt dabei unberücksichtigt. Auch die neue Partei des derzeitigen ukrainischen Präsidenten, "Solidarität" – Block Petro Poroschenko, erzielt in Meinungsumfragen nur noch einstellige Ergebnisse – profitiert aber nun mit 83.738.022 Ukrainischen Griwna (ebenfalls etwa 3 Mio. Euro) von erheblicher staatlicher Finanzierung.

Ein weiterer Neuling im Parlament ist die Partei "Selbsthilfe" des Oberbürgermeisters von Lwiw, Andrij Sadowij. Sie entwickelte sich aus einer gleichnamigen galizischen Nichtregierungsorganisation und gilt für viele reformorientierte Ukrainer als unabhängigere Alternative zu den neuen Parteiprojekten der Altpolitiker Jazenjuk und Poroschenko. Bei den Wahlen 2014 erzielte "Selbsthilfe" nach dem Verhältniswahlrecht 11 % und erhält somit 42.125.0141 Griwna (ca. 1,5 Mio. Euro). Maximal kann eine Partei den für das Wahljahr festgelegten Mindestlohn multipliziert mit 100.000 bekommen, was derzeit etwa 145.000.000 Griwna oder 5,3 Millionen Euro entspricht.

Reformabsicht ja, Reformziel aber zunächst verfehlt

Anatolij Hryzenkos anti-oligarchische "Bürgerposition" erzielte hingegen 3,1 % und schaffte es damit nicht ins Parlament. Nach dem neuen Gesetz bekommt die Partei so bis zur nächsten Wahl keine finanziellen Mittel vom ukrainischen Staat. Und das ungeachtet dessen, dass Hryzenko bei einer Meinungsumfrage im Auftrag des International Republican Institute im Juni 2016 mehr Zustimmung erhielt (25 %) als Poroshenko (19 %) oder Jazenjuk (6 %). Seine Partei "Bürgerposition" unterstützten in derselben Umfrage 2 % aller Befragten und 3 % aller wahrscheinlichen Wähler. Der Poroschenko-Block kam auf 7 % aller Befragten bzw. 11 % aller wahrscheinlichen Wähler. Für Jazenjuks Volksfront, die nach den neuen gesetzlichen Regelungen ab 1.7.2016 den größten Anteil an der Staatsfinanzierung erhält, sprachen sich jeweils nur noch 1 % von allen bzw. den wahrscheinlichen Wählern aus.

Die politische Wirkung der jetzigen Übergangsregelung des an und für sich guten neuen Gesetzes ist deshalb höchst ambivalent. Bis zur nächsten Parlamentswahl erhalten gerade jene alten politischen Kräfte finanzielle Unterstützung vom Staat, denen Einflussnahme seitens der Oligarchen vorgeworfen wird und die staatliche Hilfe kaum benötigen, während weit weniger finanzstarke Oppositionsparteien bzw. neue politische Bündnisse zunächst außen vor bleiben. Bezeichnenderweise hat der – aus der "Partei der Regionen" von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch hervorgegangene und besonders stark oligarchisch geprägte – "Oppositionsblock" auf die ihm eigentlich zustehende staatliche Unterstützung verzichtet.

Bis zu den nächsten Wahlen wird somit der überwiegende Teil der staatlichen Finanzierung nach der neuen Gesetzeslage an die politischen Projekte vorrevolutionärer politischer Kräfte unter Leitung der Alt-Politiker Poroschenko und Jazenjuk gehen. Der ukrainische Staat wird zudem vor allem politische Gruppierungen unterstützen, die innerhalb der letzten zwei Jahre den Rückhalt in der Bevölkerung verloren haben. Das neue Gesetz wirkt daher zumindest derzeit dem ursprünglich anvisierten Ziel entgegen, sinnvollen politischen Wettbewerb zu ermöglichen, der weniger als bislang von unbotmäßiger Einflussnahme privater Interessen geprägt ist. Die komfortable finanzielle Lage der Parteiprojekte der alten politischen Klasse steht in starkem Kontrast zu jener der neuen politischen Organisationen, die nicht oder weit weniger von privaten Geschäftsinteressen gesteuert werden, etwa die erwähnte "Bürgerposition", die "Demokratische Allianz" oder eine ähnliche Postmaidan-Partei mit guter Reputation namens "Kraft des Volkes" (Syla Ljudei).

Diese jungen, überwiegend von der Bürgergesellschaft unterstützten Parteien, haben begonnen, die etablierten politischen Eliten herauszufordern, zuletzt etwa bei den landesweiten Kommunalwahlen Ende 2015. Bereits 2014 hatte die "Bürgerposition" in Umfragen vor der Parlamentswahl im zweistelligen Bereich gelegen. Ein oligarchenkontrolliertes TV-Programm sendete jedoch im Wahlkampf massiv Korruptionsvorwürfe gegen ihren Vorsitzenden Hryzenko, so dass das Wahlergebnis der "Bürgerposition" letztlich nur 3,1 % betrug. Zwar konnte Hryzenko etwa eineinhalb Jahre später die Vorwürfe gerichtlich entkräften. Das änderte aber nichts mehr am Wahlergebnis.

Die alte Garde spielt auf Zeit

Die das nach-revolutionäre Parlament dominierenden alten politischen Kräfte der Parteien "Solidarität" – Block Petro Poroschenko, "Volksfront" und "Oppositionsblock" repräsentieren das vorrevolutionäre Pseudo-Parteiensystem, welches eigentlich durch das neue Gesetz verdrängt werden sollte, nun jedoch durch die heutige Verteilung der Staatsfinanzierung fortgeführt wird. Geld ist und wird zudem gar kein Problem für diese politischen Projekte alten Stils sein, da sie von Oligarchen traditionell unterstützt werden. Zukünftige Anwärter für das staatliche Unterstützungssystem müssen vielmehr bei der regulär für 2019 angesetzten Parlamentswahl zunächst ohne jedwede Staatshilfe eine Wählerunterstützung von 2 % erreichen, um im Anschluss Staatsfinanzierung zu erhalten. Und sie müssen bei diesen Wahlen mit den bereits teils staatlich subventionierten und von Oligarchen kofinanzierten alten Establishment-Parteien konkurrieren. Nur wenn die neuen Postmaidan-Parteien in diesem Wettbewerb bestehen und zumindest die 2%-Hürde überwinden, haben sie eine Chance, sich mit Hilfe anschließender staatlicher Unterstützung nachhaltig zu organisieren sowie substantiell zu vergrößern. Sie könnten sich dann auf die darauffolgende Parlamentswahl, derzeit für 2024 angesetzt, adäquat vorbereiten.

Intransparente Wahlkampffinanzierung als weitere Herausforderung

Ein weiterer Kritikpunkt an der Reform ist, dass das neue Gesetz nur regelt, dass und in welcher Höhe Parteien staatliche Mittel erhalten. Nicht thematisiert werden Strafen für den Fall, dass zusätzliche Geldquellen verschwiegen oder Parteiausgaben nicht vollständig offengelegt werden. Das Gesetz trägt so nicht dem in den postsowjetischen Ländern besonders gravierende Problem der mangelnden Transparenz der Quellen und genauen Beträge privater Wahlkampfinanzierung Rechnung. Nationale Wahlkampagnen in der Ukraine gehören, trotz der Armut des Landes, zu den kostspieligsten der Welt. Zudem stammen die Gelder zu einem großen Teil aus der Schattenwirtschaft.

Zwar wurde schon versucht, das Problem der Parteispenden in einem früheren Gesetz aus dem Jahr 2001 "Über die politischen Parteien in der Ukraine" zu lösen. Aber das Gesetz spielte in der politischen und rechtlichen Praxis des Landes seither keine Rolle. Wie in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens postsowjetischer Staaten, klafft eine große Lücke zwischen den offiziellen Gesetzestexten und ihrer tatsächlichen Umsetzung. Bis jetzt gab es keine nennenswerten Versuche, zweifelhafte Parteienfinanzierung aufzudecken oder gar strafrechtlich zu verfolgen. Das Problem wird dadurch verschlimmert, dass die Fernsehberichterstattung in der Ukraine traditionell viel Einfluss auf Wahlergebnisse ausübt sowie Wahlwerbung in Massenmedien nicht geregelt und für Geld in beliebigem Ausmaß erhältlich ist. Daher wäre es – wie es derzeit im Parlament zumindest diskutiert wird – von Vorteil, das neue Gesetz zur Parteienfinanzierung dahingehend zu ergänzen, den Umfang politischer Werbung im Fernsehen während der Wahlkampfperioden zu regulieren. Aufgrund der herrschenden Mehrheitsverhältnisse, wo eine Koalition aus dem Poroschenko-Block, der "Volksfront" und ihren Verbündeten den Kurs vorgibt, stehen die Chancen für eine solche zusätzliche gesetzliche Regelung allerdings bislang schlecht.

Wahlrechtsreform: Zwei Jahre Versprechen – und nichts ist passiert

Neben anderen führenden Politikern hat Poroschenko seit 2014 wiederholt die Einführung eines vollständig auf dem Verhältniswahlrecht basierenden Wahlsystems mit offenen Kandidatenlisten versprochen, die es dem Wähler ermöglichen würden, auf die personelle Zusammensetzung der Parteifraktionen im Parlament direkt Einfluss zu nehmen und damit die von Oligarchen unterwanderten Parteiapparate wenigstens teilweise zu entmachten. Die gegenwärtig noch zur Bestimmung der Hälfte der Abgeordneten stattfindenden Direktwahlen in Mehrheitswahlkreisen ist unter den spezifischen Bedingungen postsowjetischer Politik ein Einfallstor für Machtkonzentration und politische Korruption (wie jüngst auch die Duma-Wahlen in Russland demonstrierten).

Da Medien, Rechtsstaat und Zivilgesellschaft in der ukrainischen Provinz weniger entwickelt sind als in Kiew, gewinnen Wahlkreiskandidaten häufig mittels des Einsatzes sog. "administrativer Ressourcen" und verschiedener anderer Manipulationsinstrumente ihre Sitze. Infolgedessen sind sie mehr noch als die Listenkandidaten von Geldgebern und nicht von ihren Wählern abhängig. Die lokalen Sponsoren "unterstützen" die Wahl ihrer Favoriten nicht nur mit Geldspritzen, sondern auch mittels Steuerung lokaler Medienberichterstattung oder Drucks auf Arbeitnehmer bestimmter Unternehmen. Auch das Sammeln von kompromittierenden Informationen über die Wahlkreiskandidaten (sog. "Kompromat") und andere "politische Technologien" werden zur Kontrolle und Instrumentalisierung von Parlamentariern eingesetzt.

Einbettung in die Umsetzung weiterer wesentlicher Reformen

Zu guter Letzt hängt eine stabile und funktionstüchtige Parteienlandschaft in der Ukraine nicht nur von neuen Gesetzen zum Parteien- und Wahlsystem ab. Die Schaffung einer langfristig stabilen und nachhaltig funktionalen Parteienlandschaft ist mit dem Erfolg des gesamten Transformationsprozesses verknüpft. Sollte insbesondere die Rechts- und Justizreform nicht umgesetzt werden, wird es in den nächsten Jahren keine adäquaten Aufsichtsbehörden geben, die das Verhalten der Parteien kontrollieren. Von den neuen, speziell zur Korruptionsbekämpfung eingerichteten Strukturen, etwa dem Nationalen Antikorruptionsbüro und der Nationalen Agentur zur Prävention von Korruption, aber auch von der Tätigkeit des Rechnungshofes, wird abhängen, ob die neuen Regelungen zum Parteienwesen effektiv sein und dazu führen werden, dass aus Respekt vor möglicher Strafverfolgung unbotmäßige Einflussnahme der Oligarchen substantiell zurückgeht.

Wie die Bürgergesellschaft Kurs in Richtung Demokratie halten kann

Trotz des bislang ambivalenten Charakters der Reform der Parteienfinanzierung sollte nicht vergessen werden, dass die Ukraine – neben Georgien – zu den beiden am weitesten entwickelten Demokratien unter den einstigen Gründungsrepubliken der UdSSR gehört. Während politischer Wettbewerb und Wahlen in vielen anderen postsowjetischen Ländern weitgehend politisches Theater darstellen, umfasst die ukrainische Politik ein Sammelsurium politischer Praktiken, in welchem sich verdeckte Lobbyarbeit und arglistige Reformverhinderung mit tatsächlichen Reformen und politischer Programmimplementierung mischen. Wahlen und Parteien sind in der Ukraine keine ausschließlich vorgetäuschten Institutionen und nehmen ihre sozialen Funktionen zumindest teilweise wahr.

Ukrainische Wahlen sind aufgrund der finanziellen Einflussnahme verschiedener Oligarchen zwar manipulierte politische Prozesse. Dennoch verleihen sie dem Wählerwillen zumindest in mancher Hinsicht Ausdruck, wenngleich er durch Korruption der Parteien und Medien fehlgeleitet wird. Der Ausgang ukrainischer Wahlen ist, im Unterschied zu vielen anderen postsowjetischen Staaten, nicht vorhersehbar. Anders als beispielsweise das vom Kreml arrangierte und weitgehend einflusslose Parteiensystem der russischen Staatsduma, bestimmen die zwar oligarchisch manipulierten, jedoch frei gewählten ukrainischen Parlamentsparteien den Verlauf der Gesetzgebung und nehmen auf die Tätigkeit der ausführenden Gewalt erheblichen Einfluss.

All dies bedeutet, dass die Zivilgesellschaft der Ukraine, unterstützt von ihren ausländischen Freunden, die nächsten Jahre wird hart kämpfen müssen, um die Mängel im Parteiensystem und in den Gesetzen zu kompensieren, bis sich die Lage nach 2019 (oder im Falle einer vorgezogenen Parlamentswahl vorher) graduell verbessert. Da die Mehrheit der jetzigen politischen Elite sich der Bestrebung, das Parteiensystem neu zu ordnen, widersetzt, sollten Bürgeraktivisten, investigative Journalisten, prodemokratische Stiftungen sowie westliche Geberorganisationen ihre Aktionen eng koordinieren. Wenn sie gemeinsam unrechtmäßiger Einflussnahme auf Parteien und Wahlen entgegenwirken und die gravierendsten Verstöße öffentlich anprangern, ihnen vorbeugen oder sie sogar verhindern, werden die Auswirkungen der Manipulation politischer Prozesse in der Ukraine durch Oligarchen, korrupte Bürokraten, verantwortungslose "Polittechnologen" und gekaufte Politiker beschränkt bleiben. In diesem Falle dürfte sich die Ukraine in etwa zehn Jahren auf ein mehr oder weniger funktionierendes Parteiensystem mit transparenten Wahlen stützen können.

Die Autoren bedanken sich bei Viktor Taran dafür, dass er sein profundes Hintergrundwissen mit ihnen geteilt hat. Taran ist Vorsitzender des Eidos-Zentrums, einer in Kiew ansässigen NRO, die die zivilgesellschaftliche Koalition "Parteienfinanzen unter Gemeinschaftskontrolle!" koordiniert.

Eine frühere Version des Beitrags ist auf Englisch erschienen: Ukraine Introduces State Financing for Political Parties. A Promising Reform or Cosmetic Change? In: Harvard International Review, 30. August 2016. Externer Link: http://hir.harvard.edu/ukraine-introduces-state-financing-political-parties-promising-reform-cosmetic-change/.

Lesetipps

Fussnoten

Miriam Kosmehl, LL. M. (Utrecht) sowie 1. / 2. Juristisches Staatsexamen (Freiburg & Düsseldorf), ist Leiterin des Büros der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit in der Ukraine und Belarus.

Dr. Andreas Umland ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Euro-Atlantische Kooperation Kiew und Herausgeberder Buchreihe »Soviet and Post-Soviet Politics and Society« des ibidem-Verlags, Stuttgart.