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Kommentar: Perspektiven des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine – wenig Aussichten auf Veränderung | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Perspektiven des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine – wenig Aussichten auf Veränderung

Stefan Meister

/ 5 Minuten zu lesen

Im bewaffneten Konflikt in der Ostukraine besteht derzeit kaum Aussicht auf Besserung. Warum hat Russland wenig Interesse an einer Veränderung des Status quo? Und inwieweit wirken sich innerukrainische Konflikte negativ auf einen möglichen Friedensprozess aus?

Vor dem Gebäude der Werchowna Rada fordern Regierungsgegner umfassende staatliche Reformen. (© picture-alliance, ZUMA Press)

Diskussion um eine UN-Friedensmission

Der Krieg in der Ostukraine geht in sein viertes Jahr, weiterhin sterben wöchentlich Menschen, der bewaffnete Konflikt und die Minsker Abkommen, zu dessen Lösung, sind in der Sackgasse. Der Vorschlag des russischen Präsidenten Wladimir Putin, eine UN-Friedensmission zum Schutz der OSZE Beobachter in die besetzten Gebiete zu schicken, kommt auf Grund der unterschiedlichen Vorstellungen über die Konditionen bisher nicht zu Stande. Während die russische Regierung diese UN-Schutztruppe an der Kontaktlinie zwischen dem ukrainischen Mutterland und den selbsternannten Volksrepubliken stationieren und als "Bodyguards" für die OSZE-Beobachter nur an bestimmten Orten bewegen lassen möchte, fordern die ukrainische Führung und der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel eine UN-Truppe auf dem gesamten besetzten Gebiet sowie insbesondere an der russisch-ukrainischen Staatsgrenze. Sigmar Gabriels Reise nach Kiew Anfang des Jahres 2018 war ein wichtiges Signal der deutschen Unterstützung für die Ukraine. Jedoch nur ein halber Schritt, um tatsächlich Bewegung in den Konflikt zu bringen und damit in erster Linie Symbolpolitik. Wenn er etwas bewegen wollte, hätte er weiter nach Moskau reisen müssen, um hier tatsächlich zu verhandeln. Gleichzeitig macht das nur Sinn, wenn Deutschland mit Frankreich in den UN Sicherheitsrat einen abgestimmten Vorschlag für die UN–Schutztruppe einbringen würden, umso Moskau und Kiew zu Reaktionen zu zwingen.

Jedoch stellt sich die Frage, gibt es im Moment überhaupt ein Interesse an einer Veränderung des Status quo? Russland steht vor Präsidentschaftswahlen und wird als Austragungsland der Fußball Weltmeisterschaft in diesem Jahr, in den nächsten Monaten kein Interesse an einer Veränderung der Situation haben. Gleichzeitig hat Putin erfolgreich über seinen Militäreinsatz in Syrien und internationale diplomatische Initiativen Anerkennung und Prestige gewonnen. Warum sollte er seine Position ändern? Moskau hat kein Interesse, die besetzten Gebiete zu annektieren und will sie weiterhin im Rahmen einer Föderalisierung der Ukraine als Einflussinstrumente auf gesamtstaatliche Entscheidungen im Nachbarland in Stellung bringen. Das macht den Vorschlag für eine UN-Schutztruppe nicht zu einem strategischen, sondern nur zu einem taktischen Manöver, ohne Kernziele dabei aufzugeben.

Die Ukraine und der Westen

Gleichzeitig beobachtet die russische Führung, wie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und die ukrainischen Eliten Schlüsselinstitutionen zur Bekämpfung von Korruption und für den Reformprozess insgesamt schwächen. Das wird den Konflikt Kiews mit der EU und den USA weiter verstärken und gibt Moskau Möglichkeiten, sich in die innerukrainischen Konflikte einzumischen bzw. die Frustration in den europäischen Hauptstädten über die Entwicklungen in der Ukraine zu schüren. Ukrainische Oligarchen machen weiterhin Geschäfte mit Russland und den besetzten Gebieten, sie können mit dem Status quo leben. Poroschenko hat zwar das Gefühl, dass er durch die (fragile) Stabilisierung der Wirtschaft mehr Freiraum gegenüber Washington und Brüssel bekommen hat, gleichzeitig ist er innenpolitisch angeschlagen und hat wenig Handlungsspielraum, um Flexibilität gegenüber Moskau oder gar den Separatisten zu zeigen. Der Krieg in der Ostukraine dient Poroschenko weiterhin als Rechtfertigung, den Reformprozess zu verlangsamen und in einigen Bereichen zurückzudrehen.

Die US-Regierung plant mit Unterstützung des Kongresses, die Ukraine mit moderner Verteidigungstechnik auszustatten. Gleichzeitig hat der Kongress die Sanktionen gegenüber Moskau im Kontext des Ukraine-Konfliktes und der Einmischung Russlands in die US-Präsidentschaftswahlen verschärft. All diese Aktionen werden nicht dazu führen, dass der Kreml zu echten Verhandlungen um die Ostukraine bereit ist. Die EU hat ihre Sanktionen gegenüber Russland erneut Ende des Jahres verlängert, aber der Konsens darüber bleibt fragil, vor allem auch mit Blick auf die problematischen Entwicklungen in der Ukraine. Die Verzögerung der Entscheidung über eine zukünftige Bundesregierung macht Deutschland nicht handlungsunfähig, führt aber auch nicht dazu, dass Berlin im Moment besonders aktiv ist oder gar neue Initiativen starten wird. Jede neue Bundesregierung wird weniger Zeit für die Ostukraine haben und mehr mit innenpolitischen Fragen und der Zukunft Europas beschäftigt sein. Sollte Angela Merkel erneut Bundeskanzlerin werden, geht sie politisch geschwächt in ihre letzte Amtsperiode, konfrontiert mit einem Bundestag, der Putin freundlicher geworden ist, mit Parteien (AfD, Die Linke), die Moskau und die Separatisten gegenüber der Ukraine unterstützen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in der Warteschleife hat sich bisher wenig mit ostpolitischen Initiativen profiliert und wird, sollte Deutschland dann bereit sein, sich auf die Zukunft der EU und Reformen in Frankreich konzentrieren.

Reformbedarf in der Ukraine

All das sind keine guten Nachrichten für die Menschen in der Ostukraine. Dieser Krieg begrenzter Intensität bleibt gefährlich. Waffenstillstände halten nicht lange, Vertrauen fehlt auf beiden Seiten völlig. Aufgrund der wachsenden Polarisierung in der Ukraine, dem begrenzten Engagement des Staates in den befreiten Gebieten, einer Kontinuität lokaler Eliten im Süden und Osten des Landes und wirtschaftlichen Austausches zwischen befreiten und besetzten Gebiete, sind die Gefahren für spill over Effekte auf die gesamte Ukraine nicht gebannt. Die ukrainische Armee ist moderner, professioneller und kampfstärker geworden. Jedoch ersetzt diese militärische Modernisierung nicht die Rolle des Staates bei der Entwicklung der südlichen und östlichen Gebiete des Landes. Nur wenn die Ukraine den Schritt zu strukturellen Reformen im Bereich Rechtswesen, Staatsanwaltschaft, öffentliche Verwaltung und Bekämpfung von Korruption schafft, kann sie zu einem modernen, funktionierenden Staat werden. Kiew muss Präsenz zeigen in den befreiten Gebieten und den Menschen das Gefühl geben, sich zu kümmern. Solange jedoch weiterhin lokale und nationale Oligarchen die Regeln bestimmten und zentrale Ansprechpartner für die lokale Bevölkerung sind, wird die Ukraine ein fragiler Staat bleiben, der externe Akteure einlädt, sich in innere Angelegenheiten einzumischen.

Die Herausforderung

Die Politik der kontrollierten Destabilisierung und des Erhalts nichtstaatlicher Räume ist zu einem wichtigen Einflussinstrument Russlands zur Kontrolle seiner postsowjetischen Nachbarschaft geworden. Die besetzten Gebiete in der Ostukraine sind ein Musterbeispiel für diese Politik, bei der russische Eliten gar kein Interesse haben, sie zu ändern, solange sie nicht ihre Maximalinteressen durchgesetzt haben. Weder die betroffenen Staaten selbst, mit ihren zumeist oligarchischen Strukturen und eigennützigen Eliten noch die EU oder NATO haben dem bisher etwas entgegensetzten können. Kurzfristiges Konfliktmanagement reicht nicht aus, um diese Krise zu lösen. Hierfür braucht es eine langfristige Vision der ukrainischen Eliten und Gesellschaft sowie der EU für die Zukunft der Ukraine. Je stabiler die Ukraine ist, je moderner und leistungsfähiger ihr Staat auftritt, desto größer wird der Druck auf die besetzten Gebiete und Moskau steigen, etwas am Status quo zu verändern. Das zu erreichen, ist eine ukrainische und gesamteuropäische Aufgabe.

Fussnoten

Stefan Meister ist seit Januar 2017 Leiter des Robert Bosch-Zentrums für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Berlin.