Welche Narrative streut Russland über den Krieg in der Ukraine in Deutschland? Und welche Ziele verfolgt er damit? Die Osteuropa-Historikerin und Politologin Susanne Spahn stellt zentrale Kommunikationsstrategien der russischen Führung vor.
In den russischen Staatsmedien ist die "Militärische Spezialoperation", wie der russische Angriffskrieg in der Ukraine genannt wird, das wichtigste Thema. Die Berichterstattung soll den Krieg legitimieren und die Ukraine als faschistischen Staat diskreditieren. An das Publikum in Deutschland wendet sich Russland mit verschiedenen Medien: die Auslandsmedien RT DE (vormals Russia Today) und SNA (Sputnik News Agency) adressieren die Bevölkerung in deutscher Sprache. Teile der etwa drei Millionen Menschen umfassenden russischsprachigen Community nutzen auch die russischen staatlichen und staatsnahen TV-Sender in russischer Sprache. Dabei sendet Russland über seine Medien verschiedene Botschaften: Die russischsprachigen Sender zeichnen das Bild einer von Feinden umzingelten Festung Russland und nähren den Patriotismus der Bürgerinnen und Bürger. Beim deutschsprachigen Publikum schüren die Auslandsmedien hingegen Ängste und versuchen, die Menschen zu Protesten zu mobilisieren. Basierend auf einer Analyse der Berichterstattung der Auslandsmedien RT DE und SNA sowie der russischsprachigen Sender Rossija 1, Rossija 24, Perwyj Kanal (Erster Kanal) und TV Zentr im Berichtzeitraum von Februar bis September 2022 zeichnet der vorliegende Beitrag relevante Narrative nach.
Sanktionen der EU gegen russische Medien
Nach Beginn des zweiten russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat die Europäische Union Anfang März die Verbreitung von Inhalten der russischen Auslandsmedien Sputnik und RT, einschließlich seiner Tochtergesellschaften, im Rahmen von Sanktionen verboten. In Deutschland sind das Webportal und der TV-Sender RT DE sowie die Nachrichtenplattform SNA (zuvor Sputnik) mit ihren Angeboten in deutscher Sprache vertreten. Im Juni wurden die Sanktionen auf die Sender Rossija RTR/RTR Planeta, Rossija 24 und TV Centre International ausgeweitet. Diese Kanäle senden auf Russisch und haben teilweise eigene für das Ausland bestimmte Programme. "Russland nutzt diese staatseigenen Medien, um gezielt Propaganda zu verbreiten und Desinformationskampagnen durchzuführen, unter anderem über seine militärische Aggression gegen die Ukraine", begründete der Rat der EU sein Vorgehen.
Die russischsprachigen Sender sind in Teilen der russischsprachigen Community in Deutschland populär. Nach dem "Integrationsbarometer 2020" des Sachverständigenrats für Integration und Migration vertrauen etwa ein Viertel der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion – das ist die größte Gruppe der Russischsprachigen in Deutschland - den Medien ihrer früheren Heimat.
"Eine beachtliche Minderheit von einem Viertel der deutsch-russischen Zugewanderten scheint für antieuropäische Berichterstattung durchaus erreichbar zu sein; die Mehrheit ist es aber offensichtlich nicht", heißt es in der Studie des Sachverständigenrats. Jedoch: "Dies schließt freilich nicht aus, dass es erfolgreiche Kampagnen in russischen Medien gibt." Gerade die Berichterstattung zum Krieg gegen die Ukraine kann die russischsprachige Community spalten, wie Medienberichte gezeigt haben.
Um das Publikum in Deutschland trotz der Sanktionen weiter zu erreichen, haben die russischen Medien vielfältige Umgehungswege erschlossen. RT DE hat eine Reihe von Webseiten unter neuen Domains geschaffen. Dort ist auch das TV-Programm im Live-Stream mit VPN zu sehen. Auf der Plattform odysee.com sind RT-Videos abzurufen. SNA ist ebenfalls auf die Plattform odysee.com ausgewichen, und ist dort gleich unter zwei Bezeichnungen verfügbar: SNA und "Satellit" (deutsche Übersetzung von Sputnik). "Satellit" ist auch bei Telegram und YouTube aktiv. RT DE hatte im September 2021 bei den wichtigsten sozialen Medien und der eigenen Webseite insgesamt 1,4 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten. SNA kam auf knapp 327.000. Trotz der Sanktionen wird RT DE weiterhin aktiv genutzt, im September 2022 wurden insgesamt 1,8 Millionen Zugriffe auf die verschiedenen alternativen Webseiten registriert. Hinzu kamen 46.000 Abonnenten bei Social Media-Portalen. Dass die russischen Narrative zum Krieg gegen die Ukraine in Deutschland teilweise unterstützt werden, belegte eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage des Berliner Institutes CeMAS von November 2022. Demnach stimmten 19 Prozent der befragten Personen der Aussage zu, dass der russische Angriffskrieg eine alternativlose Reaktion Russlands auf die Provokation der Nato sei, 21 Prozent stimmten teilweise zu. Insgesamt waren 40 Prozent mit diesem Narrativ ganz oder teilweise einverstanden. Diese Umfrage kann die Wirkung der russischen Staatsmedien nicht direkt messen, sie zeigt jedoch, dass Russlands Desinformation in Deutschland auf fruchtbaren Boden fällt.
Russlands Narrative in Deutschland
Die russischen Staatsmedien im Ausland dienen als Sprachrohre des Kremls. Der Auslandssender RT sieht sich selbst als eine "Informationswaffe", wie die Chefredakteurin von RT Margarita Simonjan im Interview mit dem Nachrichtenportal Lenta.ru am 7.3.2013 sagte. Die Strategie ihres Senders im Ausland sei es, eine alternative Gegenöffentlichkeit zum Mainstream zu schaffen und "Kämpfer gegen das System" zu gewinnen, die Russland als Ressource "im nächsten Informationskrieg" nutzen kann.
Seit Beginn ihrer Tätigkeit in Berlin 2014 nutzen die russischen Auslandsmedien RT und Sputnik Krisen, um die Demokratie in Deutschland in Frage zu stellen und die Regierung als unfähig darzustellen. Dabei gilt es, den Unmut der Nutzerinnen und Nutzer mit übertriebenen Krisenszenarien und Falschdarstellungen zu schüren und sie zu Protesten zu mobilisieren.
Während der Corona-Krise agitierten RT DE und Sputnik/SNA gegen die Maßnahmen und westliche Impfstoffe und verbreiteten systematisch Desinformation. Diese Medien berichteten darüber hinaus wohlwollend über Proteste der Kritikerinnen und Kritiker wie beispielsweise der Querdenken-Bewegung.
Seit Kriegsbeginn 2022 zeigt sich ein ähnliches Vorgehen: Es geht darum, den Widerstand der deutschen Regierung gegen Russlands Aggression in Form von Sanktionen und Waffenlieferungen zu brechen, den eigenen Angriffskrieg zu legitimieren und die Solidarität mit der Ukraine in Frage zu stellen.
Narrativ 1: Russland kämpft gegen Faschisten
Der Krieg in der Ukraine – in Russland Spezialoperation genannt – ist das dominierende Thema in den Nachrichten und Talk Shows Russlands. Dabei ist das Narrativ von der "faschistischen Ukraine" eine der am häufigsten wiederholten Falschdarstellungen in den Sendungen. Bereits seit der Annexion der Krim 2014 behaupten die russischen Staatsmedien, Faschisten oder Nazis beherrschten die Ukraine. Dies geschieht ungeachtet der Tatsache, dass Rechtsextreme seit Mai 2014 weder mit einer Partei im Kiewer Parlament vertreten sind, noch der Regierung angehören. Es gibt rechtsextreme Gruppen, sie sind aber keine das ganze Land beherrschende politische Kraft , wie RT DE regelmäßig dem Publikum in Deutschland unterbreitet, um die Ukraine international zu diskreditieren. Die Begriffe "Faschisten" und "Nazis" werden synonym verwendet, sie sind von ihrer ursprünglichen Bedeutung losgelöst und bezeichnen politische Gegner. Das Narrativ hat zum einen die Funktion, die Verantwortung für die militärische Aggression dem Gegner anzulasten. Zum anderen dient es der Legitimation für Russlands Krieg und soll die internationale Solidarität mit der Ukraine schwächen.
Russland kämpft nach eigener Darstellung aber nicht nur in der Ukraine gegen Faschisten oder Nazis, sondern wirft auch all jenen Staaten Faschismus vor, die die Ukraine im Krieg gegen Russland unterstützen. Dies trifft auch auf Deutschland zu, insbesondere wenn es um Waffenlieferungen an die Ukraine geht.
Am 5. August 2022 waren in der Sendung "60 Minuten" des Staatssenders Rossija 1 beispielsweise die Waffenlieferungen an die Ukraine das bestimmende Thema. Der Moderator Ewgenij Popow hielt dort eine lange Rede an die Bild-Zeitung und die deutsche Bundesregierung: "Mit den Haubitzen ist alles vollkommen klar: Ihr Scholz, Sie und Ihre Gefährten sind Kriegsverbrecher. Unsere Vorväter zerstörten die Technik Ihrer Vorväter und gaben Ihnen reichlich Ohrfeigen. Dasselbe machen jetzt unsere Nachbarn und Freunde, die besten Leute aus Russland. Das Ergebnis wird dasselbe sein, haben Sie keine Zweifel. Sie sind arische Propagandisten und Kriegshetzer." Es folgten weitere Beschimpfungen wie "Nachfolger von Göbbels", "Studio-Ratten". Dann schaltete sich der Abgeordnete der Duma von der nationalistischen Partei LDPR Aleksej Schurawljow ein und sagte an die Adresse des Bild-Reporters: "Ich will diesem Nazi sagen: Wir kommen alle und bringen euch alle um." Die Partei LDPR veröffentlichte daraufhin eine Erklärung, dass es sich hier um die private Meinung des Abgeordneten handle, die nicht mit der Position der Parteiführung übereinstimme. Deutlich wird, dass der Begriff des Faschisten sich in den Debatten des russischen TV nicht nur auf Vertreter rechtsextremer und rassistischer Gedanken bezieht, sondern auch als Synonym für politische Feinde verwendet wird.
Ein wichtiges Narrativ der russischen Staatsmedien hat das Ziel, der Ukraine ihr Existenzrecht als souveräner Staat abzusprechen. Zu diesem Zweck wird die Darstellung propagiert, dass es sich um "ein Volk" handle und die Ukraine als Teil Russlands keine eigene Nation mit eigener Geschichte sei. Dieser Interpretation stehen allerdings die ukrainische Historiographie und der Prozess der Entkolonialisierung vom Russischen Reich und der Sowjetunion gegenüber. Die im Krieg von Russland vorgeblich angestrebte "Entnazifizierung" bedeutet deshalb eigentlich die "Befreiung" der Ukraine nicht wie behauptet vom Faschismus, sondern von ihrer eigenen, von Russland unabhängigen Geschichte und ihrem eigenen Staat – also de facto die Vernichtung ihrer Unabhängigkeit. Die Rückkehr in den russisch dominierten Herrschaftsbereich wird durch den Krieg erzwungen. Dementsprechend ist in den Staatsmedien von der "Rückkehr in die kulturelle Heimat" die Rede.
Die Ukrainerinnen und Ukrainer werden von russischen Propagandisten als vom Westen verwirrte Landsleute dargestellt. So behauptete beispielsweise der Moderator Dimitrij Kisseljow in den "Nachrichten der Woche" beim TV-Sender Rossija 1 am 24. Juli 2022: "Die radikalen Nationalisten und Nazis haben sich immer an der traditionellen Kirche und am Glauben gestört, sie werden hin und her gerissen (…). Da ist die Mode von LGTB, Drogen, jeder Abschaum." Die Ukraine sei ein Schlachtfeld der Zivilisationen: "Der Westen hat das Land nicht nur mit Waffen zugemüllt, sondern auch noch allen möglichen Quatsch in die Köpfe gepflanzt." Kisseljow wurde bereits 2014 als erster russischer Journalist auf die Sanktionsliste der EU gesetzt, da er die Annexion der Krim propagandistisch begleitete.
Nicht Russland habe die Ukraine angegriffen, sondern der Westen führe in der Ukraine einen Krieg gegen Russland, so das Narrativ in den russischen Staatsmedien. Das dient zum einen der Legitimierung des Krieges: Russland wird so vom Täter zum Opfer und muss sich gegen den Westen verteidigen. Zum anderen soll bei der Bevölkerung im Ausland Zweifel an dem vorgeblich aggressiven Kurs der westlichen Regierungen gegenüber Russland geweckt und damit die Unterstützung der Ukraine in Frage gestellt werden.
In Deutschland werden deshalb besonders die vermeintlichen Fehler des Westens thematisiert. Der RT DE Autor Ulrich Heyden schrieb in seinem Beitrag vom 27.2.2022: "Putin sieht die Ukraine als Aufmarschgebiet der Nato. Deren Raketen werden auch ohne Nato-Mitgliedschaft der Ukraine näher an Russland heranrücken. Wer spielt also mit dem 3. Weltkrieg, der Westen oder Putin?", fragte er rhetorisch. Diese Argumentation suggeriert, dass Russland keine andere Wahl gehabt habe, als die Ukraine anzugreifen. Häufig unterstellen die Beiträge "dem Westen" pauschal "Russophobie", also Ressentiments gegenüber Russinnen und Russen. Ebenfalls in einem Meinungsbeitrag auf RT DE sah der US-Amerikaner Robert Bridge, den Grund für die "Hysterie, als Moskau seine Offensive gegen Kiew startete" in einem "tiefsitzenden Rassismus gegenüber dem russischen Volk" begründet. Grund für die "Hysterie, als Moskau seine Offensive gegen Kiew startete" in einem "tiefsitzenden Rassismus gegenüber dem russischen Volk" begründet.
Narrativ 4: Die Unterstützung der Ukraine führt zu Deutschlands Niedergang
Die Berichterstattung des Auslandssenders RT DE greift gezielt Ängste der Menschen vor wirtschaftlichem Abstieg oder einer militärischen Konfrontation mit Russland auf, um sie für politische Ziele zu instrumentalisieren und die Unterstützung für die Russland-Politik der deutschen Regierung zu schwächen. RT DE warnte in mehreren Beiträgen davor, die deutsche Regierung riskiere mit ihrer Politik einen Atomkrieg mit Russland. Der russische Präsident Putin selbst drohte dem Westen im September 2022 mit dem Einsatz von Atomwaffen und löste damit Ängste in der deutschen Gesellschaft aus. Auch wirtschaftlich wird der Zusammenbruch prophezeit: Die Bundesregierung wolle die "Komplettzerstörung der deutschen Wirtschaft", warnte etwa der Ökonom Eike Hamer. Er befürchtete in einem Experten-Interview vom 6.9.2022 auf RT DE die schlimmste Wirtschaftskrise, "die Europa in den letzten 200 Jahren gesehen hat".
Ein anderer Beitrag sieht Europa "am Abgrund" und in der größten Krise "seit dem Zeiten Weltkrieg". Der langjährige RT-Autor und ehemalige DDR-Spion Rainer Rupp prognostizierte am 2.9.2022 Unruhen im Winter, "wenn der Großteil der Bevölkerung friert, teilweise hungert, und wegen Massenarbeitslosigkeit verarmt." Rupp kritisierte insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck mit seinen Bemühungen, neue Energiequellen für Deutschland zu erschließen und die Abhängigkeit von russischem Gas zu beseitigen. Als Reaktion darauf polemisierte er gegen den "grüne(n) Russenhasser" und "grüne(n) Klima-Ideologe(n)" Habeck. Seine Reise nach Katar sei ein "Riesen-Flop", der Besuch in Kanada eine "ähnliche Luftnummer", schrieb Rupp.
Die Preissteigerungen insbesondere für Energie werden oft in den Beiträgen thematisiert, wobei der Eindruck erweckt wird, dass Deutschland ohne russisches Gas der wirtschaftliche Abstieg drohe. Den Politikerinnen und Politikern, die dieses Narrativ unterstützen, werden häufig eigene Beiträge gewidmet, wie der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht mit ihrer Rede im Bundestag vom 8. September. Wagenknecht warf der "Bundesregierung vor, dass diese sehenden Auges dafür sorge, dass Millionen Bürger Deutschlands in die Armut gestürzt werden, weil diese einfach nicht erkennen wolle, dass Deutschlands Wohlstand und Industrie ohne die günstige russische Energie nicht haltbar ist", zitierte RT DE Wagenknecht.
Narrativ 5: Russland steht an der Seite der Proteste
Während in Russland Proteste und Demonstrationen von der Polizei niedergeschlagen werden, berichtet RT DE positiv über Demonstrationen gegen die Regierung in Deutschland und solidarisiert sich in der Berichterstattung mit den Unzufriedenen. RT DE und SNA nutzen seit ihrem Start in Deutschland im Jahr 2014 Krisen, um die Demokratie anzugreifen und das politische System als dysfunktional darzustellen. Unzufriedene werden angesprochen und im Sinne der von RT-Chefin Simonjan erläuterten Strategie als "Ressource im Informationskrieg" gegen den Westen genutzt. Waren es zuvor die Corona-Demonstrationen und Querdenker, stehen jetzt die Proteste gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung im Fokus.
In dem Beitrag mit dem Titel: "Leipzig: "Schließt euch an!" – Energiekrise treibt alle Lager auf die Straße" wurde am 6.9.2022 beispielsweise suggeriert, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Maßnahmen der Regierung protestierte, obwohl es sich bei der besagten Demonstration in Leipzig vor allem um Anhängerinnen und Anhänger von Parteien des politischen Randes handelte. Proteste in Deutschland und anderen EU-Ländern werden häufig und meist in Livestreams thematisiert. Dabei verfolgt RT DE das Ziel, die Wut der Menschen über Preiserhöhungen auf die Regierung und die Sanktionen zu lenken, denn als Ursache der Krise werden in der Darstellung die Sanktionen, nicht aber Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, präsentiert.
Zusammenfassung
Die vorgestellten Narrative zeigen, dass RT DE und die russischsprachigen TV-Sender – wie von RT-Chefin Simonjan erläutert - Waffen im Informationskrieg sind: Sie schaffen eine alternative Realität, um im Ausland Russlands politische Agenda zu verbreiten, vermeintliche Gegner der Staatsführung zu schwächen und Russlands Einfluss in Europa zu stärken. Im Inland dient das Feindbild des Westens und der Kampf gegen "Faschisten" in der Ukraine und in der EU dazu, den Patriotismus der Menschen zu nähren und die Macht des nationalen Führers Putin zu konsolidieren. Dass diese Narrative zum Teil auch in Deutschland verfangen, zeigte die CeMAS-Umfrage.
In Deutschland sollen Unzufriedene zu Protesten mobilisiert werden, indem Ängste mit überzogenen Krisenszenarien geschürt und die Wut der Bürgerinnen und Bürger über Preiserhöhungen auf die EU-Sanktionen gelenkt werden. Russland als der eigentliche Verursacher der Krise stilisiert sich zum Opfer eines angeblichen westlichen Wirtschaftskrieges und der Aggression der Nato. Diese Art der Berichterstattung wird sich noch verstärken, sowohl in Russland als auch in Deutschland. Die Putin-Führung hat offensichtlich ein Problem, die Unterstützung der Bevölkerung zu sichern, dies hat die Anordnung der Teilmobilisierung deutlich gezeigt: Zahlreiche Männer verlassen das Land, um der Einberufung zu entgehen.
In Deutschland wird die Mobilisierung zu Protesten fortgesetzt, in Kooperation mit der Querdenken-Bewegung und Rechtsextremisten nutzt RT DE den "Wutwinter", um gegen die Sanktionen und die Waffenlieferungen zu agitieren. Da die Unterstützung des Westens entscheidend ist für die Selbstverteidigung der Ukraine, ist das Ziel, die Solidarität mit der Ukraine in Frage zu stellen.
Die medialen Wortgefechte um angebliche Faschisten sollten die Nutzer von RT, Rossija u.a. nicht von den eigentlichen Zielen der russischen Führung ablenken: die Ukraine im russisch dominierten Herrschaftsbereich zu halten und eine Demokratisierung der Nachbarstaaten zu verhindern. Die Putin-Führung sieht darin eine Gefahr für Russlands autoritäres Regime. Putin und seinen medialen "Waffen im Informationskrieg" geht es um den Erhalt der eigenen Macht.
Dr. Susanne Spahn lebt als Osteuropa-Historikerin und Politologin in Berlin. Ihre Dissertation über die Außenpolitik Russlands gegenüber der Ukraine und Belarus seit 1991 wurde als Buch veröffentlicht. Dr. Spahn arbeitete in Projekten der London School of Economics und des Vilnius Institute for Policy Analysis. Sie verfasste sechs Studien zu Russlands Informationspolitik und Medien.