Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Interview-Statements | Medienpolitik | bpb.de

Medienpolitik Medienpolitik und Medienrecht Grundlagen: Medienpolitik Rundfunk- und Medienrecht Europäische Medienpolitik Interaktive Grafik: Medienpolitik Medien, Meinungsvielfalt und Meinungsmacht Meinungsbildung und Kontrolle der Medien Unabhängigkeit und Staatsferne - ein Mythos? Migration, Integration und Medien Inszenierung von Protest Medien und Inklusion Die Transformation des DDR-Fernsehens 1989 Veränderungen in Gesellschaft und Medien Internet der Dinge Medien und Gesellschaft im Wandel Bürgerbeteiligung im Kontext des Internets Leitmedium Fernsehen? Besser Fernsehen – mit dem Internet? Aspekte von Berichterstattung und Information Bildungsauftrag und Informationspflicht der Medien Medienwandel und Journalismus Gewalttaten in den Medien Katastrophen und ihre Bilder Debatte 2012: öffentlich-rechtlicher Rundfunk im digitalen Zeitalter Einführung in die Debatte Standpunkt: C. Albert Standpunkt: R. Amlung Standpunkt: J. Beermann Standpunkt: C. Grewenig Standpunkt: L. Marmor Standpunkt: T. Schmid Grafiken Quizze Quiz - Medienpolitik I Quiz – Medienpolitik II Redaktion

Interview-Statements

/ 20 Minuten zu lesen

Zur Frage der Zukunft des Rundfunks in der digitalen Medienwelt hat Christian Meier sechs Personen des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks sowie der Medienpolitik interviewt:

Bitte Autoren vor Freischalten über externe Links verlinken!!!

Conrad Albert, Vorstand Legal, Distribution & Regulatory Affairs ProSiebenSat.1 Media AG Robert Amlung, ZDF, Beauftragter für digitale Strategien Dr. Johannes Beermann, Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei Claus Grewenig, Geschäftsführer VPRT (Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V.) Lutz Marmor, NDR-Intendant, ARD-Vorsitzender Dr. Tobias Schmid, Bereichsleiter Medienpolitik Mediengruppe RTL Deutschland

Conrad Albert, Vorstand Legal, Distribution & Regulatory Affairs ProSiebenSat.1 Media AG

Conrad Albert, Vorstand Legal, Distribution & Regulatory Affairs der ProSiebenSat.1 Media AG (© ProSiebenSat.1 Media AG)

Was ist "Rundfunk" in der digitalen Welt?

Der Begriff "Rundfunk" ist im Grunde ein Anachronismus. Er stammt aus dem Zeitalter der analogen Massenmedien. Wir kennen das Problem der knappen Sendefrequenzen nicht mehr. Warum hält dann der Staat daran fest, Sendelizenzen zu erteilen und damit die Meinungsvielfalt schützen zu wollen? Die Vielfalt der audiovisuellen Angebote ist heute größer als je zuvor, das ist eine bedeutende Errungenschaft des digitalen Zeitalters.

Was ist Ihre Position zur neuen Rolle der Öffentlich-Rechtlichen in der digitalen Medienwelt?

Bedauerlicherweise scheinen ARD und ZDF ihre Rollen in der digitalen Medienwelt vor allem so zu definieren, dass sie viele privatwirtschaftlich angebotene Konzepte duplizieren – trotz der Freiheit, die sie durch die Gebührenfinanzierung genießen. Hier fehlt ein klares Konzept bzw. ein klarer Auftrag, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk – analog oder digital – für den Gebührenzahler leisten soll und was nicht. Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegt meiner Meinung nach im Qualitätsjournalismus. Ich verstehe nicht, warum die Öffentlich-Rechtlichen gerade bei dieser Kernkompetenz knausern. Auf diesem Gebiet haben sie ihre größte Stärke und Berechtigung.

Welche Rolle sollen die Öffentlich-Rechtlichen im Internet spielen?

Die Öffentlich-Rechtlichen sollten sich in der digitalen Welt ein klares Profil zulegen und auch im Netz originär öffentlich-rechtliche Inhalte bieten. Neben klassischen programmbegleitenden Angeboten könnten dies zum Beispiel Plattformen sein, die sich dem Thema Nachwuchsförderung widmen und auf denen junge Talente mit innovativen Konzepten experimentieren können. Das machen wir auf unserem Onlineportal MyVideo bereits seit zwei Jahren so.

Haben die Öffentlich-Rechtlichen "Grenzen" bei der Expansion ins Internet überschritten – und wenn ja, in welchen Fällen?

Die Frage ist weniger, ob einige Internetangebote der Öffentlich-Rechtlichen überflüssig oder gar marktschädigend sind, sondern ob die grundsätzliche Richtung stimmt. Hier ist aber kein klares Konzept erkennbar: ARD und ZDF experimentieren auf zig Webseiten und gründen einen digitalen Sender nach dem anderen, um auch junge Menschen zu erreichen. Am Ende kommt dann sicherheitshalber aber doch wieder Rosamunde Pilcher dabei heraus. Gerne fahren ARD und ZDF auch in doppelter Besetzung zu Königshochzeiten oder den Olympischen Spielen, um dann identische Bilder zu liefern. Eigentlich müssten sich die privaten Anbieter darüber freuen. Ein wenig origineller und kreativer könnten die öffentlich-rechtlichen Gebühren-Giganten im Netz aber schon sein. Die Expansion der Öffentlich-Rechtlichen zeigt, dass sie im Geld schwimmen. Sie erhalten über 8 Mrd. Euro Gebührengelder pro Jahr. Darum haben sie, anders als zum Beispiel die BBC, keinen Anreiz, konsequent auf Qualität und Effizienz zu setzen. Die Einführung des Rundfunkbeitrages sollte nach dem Willen seines Erfinders Professor Kirchhof mit einem Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einhergehen. Das käme keineswegs komplett den Privaten zugute, weil wir ganz andere Zielgruppen ansprechen. Aber es würde ARD und ZDF von dem Quotendruck abkoppeln, mit dem sie sich so schwer tun.

Welche Funktion erfüllt der Drei-Stufen-Test, hat sich das Modell als praktikabel und effizient erwiesen?

Rückblickend muss man sagen, dass die Interner Link: Drei-Stufen-Tests – denn es waren ja Dutzende – eine Farce waren. Sowohl die Öffentlich-Rechtlichen als auch die betroffenen privaten Marktteilnehmer haben unzählige Seiten Papier produziert, die von den entsprechenden Gremien dann einfach abgenickt wurden. Das ist ineffizient und stellt die Glaubwürdigkeit der Politik und Gremien in Frage. Keiner denkt heute noch, dass die digitalen Pläne der Öffentlich-Rechtlichen dort ernsthaft und neutral geprüft würden.

Welche Rolle werden in Zukunft die Mediatheken der Sender haben?

Interner Link: Video-on-Demand-Portale werden für alle Anbieter von Bewegtbild-Inhalten an Bedeutung gewinnen. Jeder Marktteilnehmer muss jedoch für sich selbst entscheiden, welche Strategie er fährt. ProSiebenSat.1 zeigt beispielsweise ausgewählte TV-Serien zuerst auf seinem kostenlosen Video-on-Demand-Portal MyVideo, das wir zu einem Online-TV-Sender ausbauen. Für MyVideo produzieren wir zudem auch immer mehr exklusive Inhalte, so genannten Web-only-Content. Gleichzeitig werten wir unsere Lizenzrechte natürlich über unser Pay-VoD-Portal maxdome aus, Deutschlands größter Online-Videothek.

Wie bewerten Sie den langanhaltenden Konflikt um die Tagesschau-App?

Es macht keinen Sinn, ARD und ZDF jedwedes Engagement in den neuen Medien zu untersagen. Die Auseinandersetzung um die Tagesschau-Interner Link: App zeigt vielmehr, dass Naturschutzgebiete für einzelne Marktteilnehmer in einer konvergenten Medienwelt keinen Sinn mehr ergeben. Natürlich kann die Tagesschau-App als presseähnlich eingestuft werden. Genauso gut kann man aber auch die Portale der Verlage mit ihren unzähligen Stunden an Bewegtbildmaterial als "rundfunkähnlich" bewerten, die damit natürlich auch der Rundfunkregulierung unterliegen müssten. Es ist Zuschauern und Nutzern kaum vermittelbar, warum es zwar eine Nachrichten-App der BBC, des ORF oder von CNN auf dem Smartphone geben darf, eine App der Tagesschau aber nicht.

Wie bewerten Sie die Rolle von Internet-Playern wie Google/YouTube und Facebook? Werden diese selber zu "Sendern"? Und was bedeutet das für die Medienordnung?

Für den Medienstandort Deutschland ist entscheidend, dass wir unsere Chancen für Wachstum und Innovation konsequent nutzen. Dafür brauchen wir gleiche Wettbewerbsbedingungen mit den globalen Internet-Giganten. Sie machen in Deutschland große Geschäfte, nutzen aber ausländisches Recht, um sich Wettbewerbsvorteile beim Datenschutz und den Unternehmenssteuern zu verschaffen. Die deutsche Medienaufsicht tangiert sie nicht. YouTube ist mit seinen zahllosen Channels bereits ein "Sender". Nur gelten für die YouTube-Channels nicht die deutschen oder europäischen Gesetze hinsichtlich Werberegulierung, Jugendschutz oder Datenschutz, da sie aus den USA veranstaltet werden. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder müssen wir in Deutschland neue, digitale Mauern aufziehen, um diese nicht regulierten Inhalte abzublocken. Damit handeln wir aber sicher nicht im Interesse der Nutzer. Oder wir lockern das Regulierungskorsett für deutsche bzw. europäische Anbieter und verpflichten gleichzeitig die nicht-europäischen Anbieter zu einer Mindestkonformität bezüglich Jugend- und Datenschutz. Passiert dies nicht, verkommt die deutsche bzw. europäische Rundfunk- und Internetregulierung immer stärker zur Farce. Denn bei deutschen Inhalten wird jede Werbeminute akribisch gezählt. Einen Klick weiter bei YouTube ist hingegen alles erlaubt.

Robert Amlung, ZDF, Beauftragter für digitale Strategien

Robert Amlung (© picture-alliance/dpa)

Was ist "Rundfunk" in der digitalen Welt?

Die Digitalisierung führt dazu, dass in einer konvergenten Welt alle technischen Definitionen des Rundfunks an Bedeutung verlieren. Die Rundfunkstaatsverträge der letzten Jahre haben dies Schritt für Schritt nachvollzogen und sprechen heute von einem "linearen Informations- und Kommunikationsdienst", der "für die Allgemeinheit" und zum "zeitgleichen Empfang" bestimmt ist. Der Schwerpunkt liegt bei Bewegtbild- und Audiodiensten. Ergänzt wird "Rundfunk" durch Interner Link: Telemedien, die sich vor allem durch zeitsouveräne Nutzbarkeit auszeichnen. Wir gehen davon aus, dass der Unterschied zwischen Rundfunk und Telemedien nach und nach immer mehr verschwimmen wird. Am Ende dieser Entwicklung wird Rundfunk linear und nicht-linear nutzbar sein und sich dabei weiterhin an viele Menschen richten – was ihn weiterhin von der Gruppen- und Individualkommunikation vieler Internet-Dienste unterscheiden wird. Technisch wird Rundfunk langfristig mit dem Internet verschmelzen.

Wie hat die Digitalisierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verändert? Welche Konsequenzen mussten die Öffentlich-Rechtlichen ziehen, damit sie weiterhin in der digitalen Medienwelt ihren Programmauftrag erfüllen können?

Wie für alle anderen Medien auch erweitert die Digitalisierung die Märkte, in denen wir uns bewegen. Der Fernsehmarkt hat im Internet plötzlich Überschneidungen mit dem Markt für Zeitungen, und Internetdienste wie beispielsweise YouTube sind ganz neue Konkurrenten im so erweiterten Medienmarkt. In diesem viel komplexeren Markt muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk sinnvoll und angemessen positionieren. Dies kann das ZDF allein mit seinem Hauptprogramm nicht leisten. Deshalb haben wir unser Angebotsportfolio erweitert: mit Kanälen wie ZDFneo und ZDFinfo und mit Portalen wie der Mediathek und den ZDF-Websites. Nur so können wir weiterhin alle wesentlichen Gruppen der Bevölkerung erreichen.

Wie sieht – in aller Kürze – die digitale Strategie der Öffentlich-Rechtlichen aus?

Von den eigenen, inhaltlichen Stärken ausgehend soll das ZDF überall dort zu finden sein, wo die Beitragszahler es erwarten.

Wie werden die Mediatheken der Sender genutzt? Welche Bedürfnisse haben die Konsumenten an nicht-lineares TV?

Die ZDFmediathek ergänzt das lineare Angebot des ZDF. Sie schafft zusätzliche Reichweite für unsere Inhalte. Wir glauben allerdings nicht, dass die linearen Angebote komplett verdrängt werden. Lineares Fernsehen wird langfristig erhalten bleiben. Die Nutzung wird sich nach und nach auf die beiden Nutzungsarten aufteilen – in welchem genauen Verhältnis lässt sich heute aber nicht seriös voraussehen.

Gehört der Aufbau beispielsweise einer App-Strategie zu den Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen?

Ja. Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind nicht an bestimmte Techniken gebunden. Wenn eine App eine von den Beitragszahlern gern genutzte und auch erwartete Möglichkeit darstellt, unsere Inhalte zu verbreiten, dann gehört es zu unserem Auftrag, eine solche App anzubieten.

Wie bewerten Sie die Rolle von Internet-Playern wie Google/YouTube und Facebook? Werden diese selber zu "Sendern"? Und was bedeutet das für die Medienordnung?

YouTube und Facebook werden perspektivisch vermutlich zur digitalen Rundfunklandschaft in Deutschland dazugehören – zumindest wenn, wie eingangs beschrieben, klassischer Rundfunk und Telemedien zusammenwachsen. Der Begriff des "Senders" passt nicht wirklich. Aber es könnte durchaus sein, dass YouTube und Facebook und viele andere Dienste anbieten werden, die vom Rundfunk nicht mehr zu trennen sind. Dies rechtlich neu zu fassen, ist eine enorme Herausforderung an die Medienpolitik. Hier wird sich noch viel tun müssen.

Dr. Johannes Beermann, Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei

Dr. Johannes Beermann, Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei (© Sächsische Staatskanzlei/Jörg Lange)

Was ist "Rundfunk" in der digitalen Welt?

In der digitalen Welt ist der bisherige lineare und analog verbreitete Rundfunk durch nicht-lineare Angebote (z. B. Mediatheken) ergänzt, und er kann digital verbreitet werden (z. B. Internet, DVB-T, DAB). Wie hat die Digitalisierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Ihrer Wahrnehmung verändert? Die neuen Telemedien ermöglichen eine zeitsouveräne Nutzung der Programmangebote, weitergehende Hintergrundinformationen und ein direktes Feedback der Zuschauer durch Chats, Kommentare etc. Die digitale Verbreitung hat die Empfangsqualität deutlich verbessert. Sie ermöglicht durch eine effektive Frequenzausnutzung außerdem eine größere Programmvielfalt als bisher.

Welche Rolle sollen die öffentlich-rechtlichen Anstalten im Internet spielen?

Die Rolle der öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote im Internet ist im Rundfunkstaatsvertrag im sogenannten Telemedienauftrag festgeschrieben. Die Sender haben im Netz den gleichen Auftrag zur Mitwirkung an der Meinungsbildung wie in Hörfunk und Fernsehen. Vor allem sollen die öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglichen. Insbesondere jüngere Menschen sprechen sie an, weil sie deren Mediennutzungsverhalten entsprechen. Im Kern sollen die Telemedienangebote der Sendeanstalten Information, Kultur und Unterhaltung enthalten.

Haben die Öffentlich-Rechtlichen "Grenzen" bei ihrer Expansion ins Internet überschritten, wie Verleger und Privatsender sagen, und wenn ja, welche?

Die Grenzen der öffentlich-rechtlichen Angebote im Internet sind im Rundfunkstaatsvertrag geregelt. Nicht erlaubt sind zum Beispiel Werbung und Sponsoring, das Angebot von angekauften Filmen und Serien oder andere kommerziell interessante Aktivitäten, wie z. B. Musikdownloads, Anzeigenportale, Partnerbörsen etc. Diese Verbote dienen dem Schutz von privatwirtschaftlichen Internetangeboten. Sie nehmen schließlich keine Beiträge ein, sondern müssen sich am Markt refinanzieren. Um Einzelfallstreitigkeiten wie bei der Tagesschau-App vorzubeugen, benötigen Private und Öffentlich-Rechtliche aber auch gemeinsame Vereinbarungen, die generell das Terrain abstecken, auf dem sich jeder bewegen kann, ohne dem anderen ins Gehege zu kommen. Dabei ist ein fairer Wettbewerb zu beachten. Keinesfalls darf es zur Quersubventionierung printähnlicher Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet durch den Rundfunkbeitrag kommen.

Welche Inhalte sollten die öffentlich-rechtlichen Mediatheken zeigen dürfen – und welche nicht?

In den auf der Grundlage des Rundfunkstaatsvertrages genehmigten Telemedienkonzepten sind die zulässigen Inhalte öffentlich-rechtlicher Mediatheken genau definiert. Allgemein gesagt handelt es sich dabei um strukturierte Angebote für Abrufmedien, Livestreams, Bilderserien und Multimedia-Anwendungen. Die Angebote beinhalten Sendungen und Sendungsausschnitte auf Abruf, auf eine Sendung bezogene Elemente sowie nicht sendungsbezogene Bestandteile und Archive. Angekaufte Spielfilme und Folgen von Fernsehserien, insbesondere Lizenzerwerbe aus dem Ausland, werden aufgrund des Rundfunkstaatsvertrages nicht angeboten. Der Rundfunkstaatsvertrag verlangt auch, den Jugendschutz zu beachten. Außerdem müssen die Angebote journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet sein.

Welche Funktionen erfüllt der Drei-Stufen-Test, hat sich das Modell als praktikabel und effizient erwiesen?

Der Drei-Stufen-Test ist das Genehmigungsverfahren für neue oder veränderte öffentlich-rechtliche Telemedienkonzepte. Unter Einbeziehung externen Sachverstandes untersuchen die Rundfunkgremien dabei den Beitrag des Angebots zum publizistischen Wettbewerb und die möglichen Auswirkungen auf andere Marktteilnehmer. Die Rechtsaufsicht hat die Aufgabe, das Ergebnis zu prüfen und zu genehmigen. Danach darf das Angebot online gehen. Der Drei-Stufen-Test musste nach Inkrafttreten des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Jahr 2009 auch für den gesamten Bestand der öffentlich-rechtlichen Onlineangebote und für Teletextangebote durchgeführt werden. Es ist noch zu früh für eine abschließenden Meinung.

Wie bewerten sie den langanhaltenden Konflikt um die Tagesschau-App?

Die Einzelfallentscheidung des Kölner Landgerichts aus dem vergangenen Jahr ist nicht das, was die Parteien brauchen. Davor hatte das Gericht sie bereits gewarnt. Die Parteien benötigen hingegen Planungssicherheit. Deshalb muss mit einer Regelung das Terrain abgesteckt werden, auf dem sich jede Seite bewegen kann, ohne dem anderen ins Gehege zu kommen. ARD, ZDF und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger hatten bereits einen Entwurf für eine derartige Vereinbarung ausgehandelt. Leider ist dieser Weg dann nicht weiter beschritten worden, wobei sich die Beteiligten gegenseitig die Schuld für die gescheiterten Verhandlungen zuwiesen. Soll dauerhaft Rechtsfrieden einkehren, bleibt den Parteien nur die Rückkehr an den Verhandlungstisch. Ansonsten mutiert die App-Frage zu einer ressourcenbindenden Dauerbeschäftigungsmaßnahme für Justitiariate und Anwaltskanzleien. Der Schwerpunkt der Tätigkeit von Verlagen und Sendeanstalten sollte aber in anderen Bereichen liegen. Im Übrigen hat das Gericht ein generelles Verbot der App abgelehnt, weil sie – entgegen der Auffassung der Verlage – das Genehmigungsverfahren nach dem Rundfunkstaatsvertrag durchlaufen habe.

Gehört der Aufbau beispielsweise einer App-Strategie zu den Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen?

Die Nutzung der öffentlich-rechtlichen Telemedieninhalte über Apps entspricht dem Grundsatz der Technologieneutralität, der auch von der Europäischen Kommission in der Beihilfe-Entscheidung betont wurde. Danach sollten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Lage sein, die sich ihnen im Zuge der Digitalisierung und Diversifizierung bietenden Möglichkeiten zu nutzen. Damit die fundamentale Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in dem neuen, digitalen Umfeld gesichert wird, dürfen sie staatliche Beihilfen einsetzen, um über neue Verbreitungsplattformen audiovisuelle Dienste bereitzustellen. Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner ständigen Rechtsprechung festgestellt, dass das Programmangebot auch für neue Inhalte, Formate und Genres sowie für neue Verbreitungsformen offen bleiben muss. Deshalb darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auf einen bestimmten programmlichen, finanziellen oder technischen Entwicklungsstand beschränkt werden.

Wie bewerten Sie die Rolle von Internet-Playern wie Google/YouTube und Facebook? Werden diese selber zu "Sendern"? Und was bedeutet das für unsere Medienordnung?

Es gibt weltweit einen starken Boom von Plattformen für Abrufvideos. Dieser Markt besteht aus vielen kleinen Anbietern. Ein einheitliches Angebot der deutschen Sender und Produzenten wurde bisher vom Bundeskartellamt verhindert. Insbesondere US-amerikanische Plattformgiganten werden die so vom nationalen Wettbewerbsrecht geschaffenen Lücken schließen. Letztlich werden dadurch auch die Bemühungen um einen europäischen Medienpluralismus erschwert. Auch das Ziel, europäische Produktionen und damit auch die publizistische Vielfalt zu stärken, wird derzeit konterkariert.

Claus Grewenig, Geschäftsführer VPRT (Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V.)

Claus Grewenig (© picture-alliance/Sven Simon)

Was ist "Rundfunk" in der digitalen Welt?

Die Debatte über den Rundfunkbegriff ist gerade angesichts der technischen Entwicklungen und ihrer Folgen – Rundfunk und Internetangebote verschmelzen auf einem Bildschirm – aktueller denn je. Der Rundfunk, öffentlich-rechtlich wie privat, muss auf allen Übertragungswegen seinen auch verfassungsrechtlich besonderen Aufgaben nachkommen können. Entscheidend ist dabei mit Blick auf ARD und ZDF, wie genau ihr Auftrag definiert wird. Es muss gelten: Erst der Auftrag, dann die Angebotspalette.

Wie hat die Digitalisierung den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk verändert?

Die Veränderungen treffen den Medienmarkt und auch den Rundfunk insgesamt. Der bereits konvergenten Technik und der veränderten Nutzung wird der bestehende Regulierungsrahmen nicht mehr gerecht. Eine enge Vernetzung der Regulierungszuständigkeiten von Bund und Ländern ist dafür unabdingbar. Es muss sichergestellt werden, dass Rundfunkangebote und deren Inhalte auch im digitalen Umfeld präsent sind und gefunden werden können.

Was ist die Position der privatfinanzierten Medienunternehmen zur (neuen) Rolle der Öffentlich-Rechtlichen in der digitalen Medienwelt?

Um Missverständnisse zu vermeiden: Dem VPRT ging es bei der Debatte um die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet nie um das "Ob", sondern stets um das "Wie" – also den Umfang des Angebots im Netz. Deshalb haben wir in Brüssel mit unserer Beihilfebeschwerde ein Verfahren angestoßen, als dessen Ergebnis klar festgehalten wurde, dass gebührenfinanzierte – und damit nur vermeintlich kostenlose – Angebote von ARD und ZDF die private Vielfalt nicht bedrohen dürfen. Deshalb benötigen sie entweder eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung wie sie z. B. für die Digitalkanäle im Rundfunkstaatsvertrag geschaffen wurde oder die Marktauswirkungen öffentlich-rechtlicher Angebote im Netz müssen umfassend vorab überprüft werden, z. B. durch einen Drei-Stufen-Test.

Welche Rolle sollen die Öffentlich-Rechtlichen im Internet spielen?

Entscheidend ist, dass die Politik den gesetzlichen Auftrag konkretisiert und damit deutlich macht, welches Angebot durch den Rundfunkbeitrag ermöglicht werden soll. Und das kann im Lichte der Brüsseler Ausführungen kein Angebot sein, das überwiegend ohnehin vom privatwirtschaftlichen Markt bereitgehalten wird, sondern es muss seinen Mehrwert gegenüber dem Beitragszahler rechtfertigen. Die Umstellung von Gebühr auf Beitrag hat deutlich gemacht, dass die Legitimationsbasis schwindet.

Haben die Öffentlich-Rechtlichen "Grenzen" bei der Expansion ins Internet überschritten – und wenn ja, in welchen Fällen?

Wir sehen bestehende Tendenzen zu einer schleichenden Ausdehnung von Angeboten. Hinzu kommt eine Kommerzialisierung bei den Digitalkanälen, die mit immer mehr US-Serien, Spielfilmen, Musikangeboten etc. in einen direkten Wettbewerb gerade mit Pay- und Spartenkanälen treten und ihre Inhalte zudem im Netz duplizieren. Das ist eine klare Abkehr von der ursprünglichen Ermächtigung. In den ARD-Radios ist zu erkennen, dass trotz fehlender Ermächtigung für bundesweite Angebote immer mehr themenbezogene Programme entstehen, die online zusammengeführt werden. Trotz Programmzahlbeschränkungen werden zahlreiche Webstreams gestartet, ohne dass die Politik einschreitet. Dies sind nur einige Beispiele der Entwicklungen, die wir beobachten können.

Welche Inhalte sollten die Öffentlich-Rechtlichen in ihren Mediatheken zeigen dürfen – und welche nicht?

Die Grenzen der Beihilfeentscheidung aus Brüssel sind nach wie vor im Grundsatz richtig, indem bestimmte absolute Auswertungsgrenzen (Sport, Lizenzware etc.) bestehen und eine marktübliche 7-Tage-Regelung eingeführt wurde. Bei Eigenproduktionen gelten diese Grenzen nicht. Außerdem sehen nahezu alle Telemedienkonzepte vor, dass die 7 Tage unter bestimmten Voraussetzungen ausgeweitet werden können. Die derzeit geführte politische Diskussion zur Aufhebung dieser Grenzen ist daher eine Scheindebatte, zumal die Anstalten schon heute mögliche Auswertungsfristen gar nicht ausschöpfen.

Welche Funktion erfüllt der Drei-Stufen-Test, hat sich das Modell als praktikabel und effizient erwiesen? Und: Welche Angebote wurden in dem Test als nicht zulässig befunden?

Die Grundidee des Drei-Stufen-Tests ist die Vorabprüfung von Marktauswirkungen, bevor gebührenfinanzierte Online-Angebote gestartet werden. Es soll eine Abwägung stattfinden, ob ARD und ZDF-Onlineangebote Auswirkungen auf den privatwirtschaftlichen Markt haben und ob diese Nachteile für die privaten Wettbewerber durch einen gesellschaftlichen Mehrwert aufgewogen werden. Dieser grundsätzliche Abwägungsprozess (Balancing) ist nach wie vor sinnvoll. Er hat aber leider aufgrund sehr allgemeiner Angebotsbeschreibungen und mangels Kostentransparenz zu selten wirklich stattgefunden. Insgesamt ließe sich das Verfahren straffen und auf seine wesentlichen Bestandteile reduzieren. Der VPRT ist für solche Anpassungen offen und bewertet auch die Auswirkungen, die der Test in weiten Teilen auf das Selbstverständnis der öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien hatte, durchaus positiv. Im Einzelfall – wie z. B. beim MDR – wurden auch tatsächlich Anpassungen vorgenommen, bevor Angebote gestartet sind. In letzter Zeit beobachten wir allerdings zunehmend, dass die Anstalten die Durchführung von neuen Verfahren nach den sog. Bestandstests für nicht mehr für erforderlich halten. Neben den Drei-Stufen-Tests gelten unverändert bestimmte Auswertungsverbote sowie eine Negativliste von absolut unzulässigen Angeboten.

Gehört der Aufbau beispielsweise einer App-Strategie zu den Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen?

Nein, der Fokus sollte auf den Hauptprogrammen liegen. Eine Grundversorgung auch im Bereich der Apps wäre dann nicht ausgeschlossen, aber auch hier sind wieder Umfang und die konkrete Ausgestaltung des Auftrags entscheidend.

Wie bewerten Sie die Rolle von Internet-Playern wie Google/YouTube und Facebook? Werden diese selber zu "Sendern"? Und was bedeutet das für die Medienordnung?

Eine der Komplexität dieses Themas gerecht werdende Beantwortung dieser Frage würde wohl ein eigenständiges Interview erfordern. Wie bereits erwähnt, ist durch die technische Entwicklung eine Situation eingetreten, in der unterschiedliche Regulierungswelten aufeinander treffen. Diese Situation führt zu dem Ergebnis, dass für den stark regulierten Rundfunk kein fairer Wettbewerb auf Augenhöhe und unter gleichen Bedingungen mit den weitgehend unregulierten Playern mehr möglich ist. Zudem sind ehemalige Privilegien – wie etwa der Zugang zu knappen Frequenzen – heute entwertet. Gerade der diskriminierungsfreie Zugang sowie die Auffindbarkeit auf digitalen Plattformen sind für private wie für öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter – Radio und TV – jedoch künftig essentiell. Der VPRT beteiligt sich daher mit oberster Priorität und konstruktiv an der Debatte über eine neue Medienordnung, die bereits in vollem Gange ist.

Lutz Marmor, NDR-Intendant, ARD-Vorsitzender

Lutz Marmor (© picture-alliance/Geisler-Fotopress)

Was ist "Rundfunk" in der digitalen Welt?

Im klassischen Sinne ist Rundfunk die lineare Verbreitung von Fernseh- und Hörfunkangeboten. Allerdings hat sich die Medienwelt in den vergangenen Jahren rasant verändert. Es ist längst nicht mehr notwendig, dass Nutzer vor dem Radio oder Fernseher sitzen. Viele Angebote können im Internet zeitversetzt und mobil abgerufen werden. So sind die Nutzer unabhängig von Sendezeit, Empfangsgerät und Aufenthaltsort.

2007 hat das Bundesverfassungsgericht festgelegt, dass öffentlich-rechtliche Sender ihre Inhalte auch im Internet verbreiten dürfen. Dies ist im Rundfunkstaatsvertrag geregelt. De facto gibt es also in der digitalen Medienwelt keine Trennlinie mehr zwischen der klassischen Ausstrahlung von audiovisuellen Inhalten und ihrer Verbreitung im Internet. Allerdings schauen die meisten Menschen in Deutschland Fernsehen immer noch linear, und zwar 222 Minuten am Tag. Das Internet wird im Schnitt pro Tag 83 Minuten genutzt. Wenn man bedenkt, dass in dieser Zeit Reisen gebucht werden oder Onlinebanking stattfindet, liegt die lineare Fernsehnutzung mit sehr großem Abstand vorn.

Wo liegen die wichtigsten Herausforderungen an die ARD, um den Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden? Wo muss investiert werden?

Eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahre ist die Veränderung der Medienwelt und des Mediennutzungsverhaltens durch das Internet. Darauf zu reagieren und allen Menschen weiterhin gute öffentlich-rechtliche Angebote in allen Medien zu bieten, ist wahrscheinlich die größte Aufgabe für alle Anbieter, auch für die ARD. Manchmal denken wir zu sehr getrennt nach den Medien Fernsehen, Radio und Internet. Die medienübergreifende Berichterstattung aber ist wichtig für die Zukunft.

Da die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender wegen des gleichbleibenden Rundfunkbeitrags (2009 – 2014) nicht gestiegen sind, müssen alle programmlichen und technologischen Entscheidungen genauestens geprüft und abgewogen werden.

Außerdem muss die ARD auf allen relevanten Plattformen und Verbreitungswegen in der digitalen Welt frei und unverschlüsselt empfangbar sein. Hybride und konvergente Angebote wie zum Beispiel HbbTV verbinden lineares Fernsehen mit dem Internet. Zwar sind diese Angebote noch nicht sehr verbreitet: 14 % der Menschen besitzen ein internetfähiges Gerät, nur 8 % haben ihre Geräte tatsächlich ans Internet angeschlossen, nur 6 % nutzen HbbTV. Diese Angebote werden aber zunehmend wichtiger.

Wie werden die Mediatheken der Sender genutzt? Welche Bedürfnisse haben die Konsumenten an nicht-lineares TV? Wird das lineare Fernsehen zugunsten individueller, selbst zusammengestellter Inhalte verschwinden oder zumindest in den Hintergrund treten?

Schon jetzt bieten wir große Teile unseres Angebotes auch nichtlinear an, sowohl in unseren eigenen Mediatheken als auch auf anderen Plattformen und viele Menschen nutzen sie gerne. Das hat den Vorteil, dass unsere Programme je nach Wunsch überall und jederzeit abgerufen werden können. Im Durchschnitt sind diese Angebote bei deutlich jüngeren Menschen beliebt: Das Durchschnittsalter beträgt beim NDR-Fernsehen 63 Jahre und bei NDR.de 44 Jahre. Somit haben wir hier also auch eine weitere gute Möglichkeit, die jüngere Zielgruppe zu erreichen. Denn schließlich ist es nicht entscheidend, wann unsere Inhalte genutzt werden, sondern dass die Menschen sie nutzen, egal ob linear oder nicht linear. Dass "klassisches" Fernsehen auf absehbare Zeit verschwindet, kann ich im Moment nicht sehen. Prognosen sind in diesem Bereich sehr schwer. Sicher aber ist, dass das Internet wichtiger wird: Im NDR beispielsweise gilt: "online first". Wir veröffentlichen immer mehr Inhalte zuerst im Netz. Alles andere wäre nicht zeitgemäß und nicht im Sinne unseres Publikums.

Welche Funktion erfüllt der Drei-Stufen-Test, hat sich das Modell als praktikabel und effizient erwiesen? Und: Welche Angebote wurden in dem Test als nicht zulässig befunden?

Mit dem Drei-Stufen-Test prüfen die Rundfunkräte der Rundfunkanstalten neue oder wesentlich veränderte Telemedienangebote. Ein Aspekt des Drei-Stufen-Test ist zum Beispiel die Frage, ob das Onlineangebot "demokratische, soziale und kulturelle Bedürfnisse der Gesellschaft" erfüllt. Generell hat sich gezeigt, dass das Testverfahren komplex, kostenintensiv und verwaltungsaufwändig ist. Wegen des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens kann sich eine Prüfung über mehrere Monate erstrecken, was gerade im dynamischen Onlinebereich sehr unpraktisch sein kann. Die bislang geprüften Onlineangebote entsprachen dem öffentlich-rechtlichen Auftrag. Allerdings haben wir weit mehr als die Hälfte der vorhandenen Inhalte gelöscht, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen. Nur wenige Angebote dürfen für eine unbegrenzte Zeit online stehen.

Wie bewerten Sie die Rolle von Internet-Playern wie Google/YouTube und Facebook? Werden diese selber zu "Sendern"? Und was bedeutet das für die Medienordnung?

Konzerne wie Google/YouTube oder Apple haben sich ja zunächst eher darauf konzentriert, Plattformen für die Inhalte Dritter anzubieten und diese Plattformen dann auf alle Endgeräte zu bringen, auch auf den Fernseher (s. AppleTV, Chromecast). Nun zeigt sich aber, dass Plattformanbieter auch verstärkt in Inhalte investieren – nicht im Sinne eines linearen Programms, sondern Video on Demand oder bei Events auch live. Beispiele dafür sind Netflix, die auch eigene Serien für ihre Plattform produzieren, YouTube, das professionelle Channels fördert, oder in der Vergangenheit die Telekom mit ihrem Bundesliga-Angebot. Insofern entstehen zwar keine neuen Sender im klassischen Sinne, aber es entstehen neue Programmanbieter, die auch größere Zielgruppen erreichen. Für sie stellen sich im Hinblick auf die Medienordnung wichtige Fragen: Wie werden sie reguliert? Und wie wird sichergestellt, dass sie ihre Kontrolle über Plattformen nicht dazu nutzen, den Zugang zu anderen Inhalten zu erschweren.

Dr. Tobias Schmid, Bereichsleiter Medienpolitik Mediengruppe RTL Deutschland

Dr. Tobias Schmid (© picture-alliance/Sven Simon)

Was ist "Rundfunk" in der digitalen Welt?

Soweit die Frage darauf zielt, was Fernsehen und Radio in der digitalen Welt sind, so ist die Antwort denkbar einfach, nämlich: Fernsehen und Radio. Unabhängig von der Infrastruktur ist es immer der professionelle Inhalt, der den eigentlichen Wert erzeugt und durch die Bevölkerung in Video- oder Audioform konsumiert wird.

Soweit die Frage auf den Begriff Rundfunk als juristische Definition zielt, ist sie mehr als berechtigt. Wesentliches Unterscheidungskriterium für den Rundfunk ist vor allen Dingen nach den Regelungen der EU das Element der Linearität seiner Ausstrahlung. Dieses Unterscheidungsmerkmal spielt in einerInterner Link: konvergenten Medienrealität jedoch eine stark abnehmende Rolle. Insoweit wird es hier zu einer Neudefinition kommen müssen, wenn Politik und Gesellschaft weiterhin wollen, dass Fernsehen und Radio, wie man es heute versteht, einem besonderen Regulierungsrahmen unterliegen. Ob der Begriff dafür dann noch Rundfunk sein wird, wird sich zeigen, ist aber letztlich nicht entscheidend.

Welche Rolle sollen die öffentlich-rechtlichen Sender nach Auffassung der Mediengruppe RTL Deutschland im Internet spielen?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stellt einen unverzichtbaren Teil einer dualen Medienordnung dar. Seine Existenz, sowie seine Entwicklungsgarantie werden von der Mediengruppe RTL nicht infrage gestellt. Eine Ausweitung der öffentlich-rechtlichen Aktivitäten kann jedoch nur dann und nur soweit erfolgen, als dass dies nicht die Versorgung entsprechender Nachfrage durch privatwirtschaftliche Angebote gefährdet. Die Finanzierung medialer Inhalte durch öffentliche Gelder darf nicht zu einer unnötigen Wettbewerbsverzerrung zulasten privater Medien führen. Dieser generelle Grundsatz gilt angesichts der ohnehin bestehenden Angebotsfülle vor allem für das Internet.

Haben die Öffentlich-Rechtlichen "Grenzen" bei der Expansion ins Internet überschritten – und wenn ja, in welchen Fällen? Die Grenze einer zulässigen Expansion im Netz definiert der Gesetzgeber einerseits durch den Auftragskatalog im Rundfunkstaatsvertrag und zum anderen durch die Anforderungen der sogenannten Drei-Stufen-Tests. Sollten diese Kriterien nicht eingehalten oder ausgehöhlt werden, läge eine Umgehung vor. Einen solchen Fall könnte unter Umständen die Umsetzung der geplanten Onlineplattform Germany's Gold und dort v.a. die Umgehung der Onlinewerbezeiten darstellen.

Gehört der Aufbau beispielsweise einer App-Strategie zu den Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen?

Die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine "App-Strategie" verfolgen darf, beantwortet der Rundfunkstaatsvertrag. Dieser enthält zwar keine ausdrückliche Beauftragung, bietet den öffentlich-rechtlichen Sendern aber die Möglichkeit einer Genehmigung weiterer Angebote über den Drei-Stufen-Test an. Von diesem Angebot hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits umfassend Gebrauch gemacht und wird dies vermutlich auch weiter tun. Problematisch ist dies insbesondere dann, wenn damit die Geschäftsmodelle privatwirtschaftlicher Medienunternehmen z. B. aus der Printindustrie unterminiert werden und damit beispielsweise die Finanzierung von Qualitätsjournalismus von Verlagshäusern gefährdet wird.

Wie bewerten Sie die Rolle von Internet-Playern wie Google/YouTube und Facebook? Werden diese selber zu "Sendern"? Und was bedeutet das für die Medienordnung?

Wir sind im digitalen Zeitalter mit der Herausforderung konfrontiert, dass wir uns nicht mehr nur mit den jeweiligen nationalen Konkurrenten aus dem Bereich Rundfunk, sondern auch mit ganz neuen Mediengattungen und international agierenden Unternehmen messen müssen. YouTube und Facebook bewegen sich im Geschäftsfeld der Vermarktung von Bewegtbildinhalten, die nicht nur von den Nutzern, sondern auch professionell hergestellt werden., so dass sie zwangsläufig die Rolle eines Konkurrenten einnehmen. Nun kann man Wettbewerb nicht verbieten, aber dieser stellt auch nicht das spezifische Problem der Digitalisierung dar. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, dass der ordnungsrechtliche Rahmen mit zweierlei Maß misst. So unterliegt die Regulierung der sogenannten Rundfunkangebote einem wesentlich strengeren Maßstab als die der Onlineangebote. Eine echte "Medienordnung" gibt es bis zum heutigen Tage noch nicht. Sie wäre jedoch dringend erforderlich um aus der technologischen Möglichkeit auch eine Chance für Qualität und Vielfalt entstehen zu lassen.