Bis zur Jahrtausendwende konnte die Migrationspolitik der Niederlande als pragmatisch bezeichnet werden. Die Politisierung des Themas Migration im Parlament war minimal und Versuche in diese Richtung kamen eher vonseiten der extremen Rechten. Gleichzeitig mehrten sich in der Politik Stimmen, dass die Ankunft von Asylsuchenden die Einwanderungsbehörden, die Aufnahmeeinrichtungen und die Justiz belasten würden. Dies führte zu einem neuen Einwanderungsgesetz (Vreemdelingenwet 2000), das 2001 in Kraft trat. Die Neuerung dieses Gesetzes bestand darin, alle Schutzstatus zu einem einzigen zu vereinheitlichen und allen Geflüchteten die gleichen Rechte zu gewähren. Die Begünstigten wurden nun als Statusinhaber bezeichnet. Dies straffte das Entscheidungsverfahren, da durch die Ja/Nein-Entscheidungen nur wenig Spielraum für Rechtsmittel gelassen wurden.
Alle Statusinhaber sind niederländischen Staatsbürger:innen rechtlich weitgehend gleichgestellt, mit Ausnahme des nationalen Wahlrechts. Sie haben zudem seither Anspruch auf Wohnraum. Zu diesem Zweck sind alle Gemeinden gesetzlich verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihres Sozialwohnungsbestands zu reservieren. In dieser Hinsicht sind die Niederlande einzigartig in Europa.
Rechtspopulistische Entwicklungen und die Politisierung der Migration
In den 1990er Jahren fand sich die niederländische Politik in einer unbekannten Situation wieder: Zwischen 1994 und 2002 waren die Christdemokraten zum ersten Mal seit Jahrzehnten nicht an der Regierung beteiligt. Der Publizist Pim Fortuyn, der ab 2001 als rechtspopulistischer Politiker in Erscheinung trat, äußerte sich lautstark gegen Einwanderung und koppelte das Thema an teils islamophobe Kritik gegen den Islam und zugewanderte Muslime. Fortuyns Doppelstrategie für weniger Einwanderung lautete: einerseits geschlossene Grenzen und andererseits eine Amnestie für bereits anwesende Migranten ohne Papiere. Fortuyn wurde im Mai 2002 kurz vor den Parlamentswahlen ermordet. Neun Tage später gewann seine Partei, die Lijst Pim Fortuyn (LPF), 26 Sitze (von 150) im Parlament. Ein solcher Erdrutschsieg für eine neue Partei war beispiellos. Seine Partei trat der neuen Koalition bei, doch die Regierung war nur von kurzer Dauer. Bei den darauffolgenden Neuwahlen verlor die LPF an Bedeutung und wurde schließlich 2008 offiziell aufgelöst . Die
In die politische Lücke, die der Niedergang der LPF hinterließ, stieß ab 2006 Geert Wilders mit seiner Freiheitspartei (Partij voor de Vrijheid, PVV), die bei den Parlamentswahlen im selben Jahr aus dem Stand heraus neun Parlamentssitze erringen konnte. Fortan gewann die Partei an Zuspruch und damit zunehmend Einfluss auf die Politik. So wurde etwa die 2010 gebildete Minderheitsregierung aus Christdemokraten (CDA) und der konservativ-liberalen VVD von der PVV geduldet und war auf ihre Mitwirkung angewiesen. Im Gegenzug erwartete Wilders von der Regierung, dass sie die EU-Richtlinien zur Familienzusammenführung und zur Qualifikation, die die Voraussetzungen für einen Schutzstatus definiert, neu verhandelte. Diese Forderung blieb jedoch unerfüllt. So kündigte Wilders im April 2012 der Regierung seine Gefolgschaft auf, wodurch Neuwahlen notwendig geworden waren. Die aus den 2010er-Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangene VVD hielt sich bis 2023 unter Ministerpräsident Mark Rutte an der Regierung. Dann aber zerbrach die Regierungskoalition über eine Reform des Asylrechts, die unter anderem zur Wiedereinführung unterschiedlicher Schutzstatus (Flüchtlingsschutz und subsidiärem Schutz) und der Einschränkung des Familiennachzugs geführt hätte. Um das Aufnahmesystem zu entlasten, wollte die Regierung Rutte den Familiennachzug einschränken: Es sollten nur noch Statusinhaber, denen eine Sozialwohnung zugewiesen wurde, Familienmitglieder nachholen können. Das höchste Gericht des Landes (Staatsrat) entschied jedoch im Februar 2023 , dass dies diskriminierend und nicht mit dem EU-Recht vereinbar sei.
Aus den
Im Mai 2025 legte Wilders dann eine Liste mit zehn Forderungen zur Migrationspolitik vor, die etwa die sofortige Schließung der Grenzen für alle Asylbewerber „wie in Deutschland“ umfasste. Wilders drohte, die Forderungen müssten umgehend erfüllt werden, andernfalls würde er „seine Minister“ aus dem Kabinett abziehen. Unter anderem deshalb und der erneuten Forderung nach Aussetzung des Familiennachzugs zerbrach die niederländische Regierung erneut. Am
Die Niederlande und die sogenannte Asylkrise
Im Zeitraum 2015/2016 führte die Ankunft von Asylsuchenden aus Syrien und anderen Ländern erstmals zu einer sichtbaren Überlastung des Aufnahmesystems. Es gab Proteste an Orten, an denen provisorische Einrichtungen zu ihrer Unterbringung geschaffen wurden und unerwartet viele Menschen ankamen. Entsprechend bemüht war die niederländische Regierung unter Mark Rutte, die Ankunftszahlen zu reduzieren: Unter niederländischer EU-Ratspräsidentschaft wurde zum Beispiel der sogenannte
Das System zur Unterbringung von Asylsuchenden stößt in den Niederlanden regelmäßig an seine Grenzen. Asylsuchende, die nicht am Flughafen Schiphol in Amsterdam ankommen, müssen sich in einem Aufnahmezentrum nahe der deutschen Grenze in Ter Apel melden. Im Mai 2022 waren die Kapazitäten der Einrichtung so überlastet, dass Asylsuchende auf dem Rasen schlafen mussten. Die Bilder davon sorgten für Schlagzeilen. Es wurde immer deutlicher, dass auch anderswo im Aufnahmesystem die Kapazitäten stark belastet waren. Ein sichtbares Symptom war, dass viele Statusinhaber aufgrund des allgemeinen Mangels an Sozialwohnungen nicht auf die Gemeinden verteilt werden konnten und weiterhin in den Aufnahmezentren lebten, was zu deren Überlastung beitrug.
Im Februar 2025 befanden sich Externer Link: fast 120.000 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in den Niederlanden, sie spielten bei der Frage der Überlastung aber nur eine untergeordnete Rolle. Sie haben Anspruch auf einen temporären Aufenthaltsstatus gemäß der für sie geltenden EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz und dürfen kein Asylverfahren durchlaufen. Ihre Aufnahme ist dezentral organisiert. Die Kommunen sind in den Niederlanden dazu verpflichtet, separate Notunterkünfte für diese Geflüchteten einzurichten und sie nicht in Sozialwohnungen unterzubringen. Der Auszug aus den Notunterkünften in eigenen Wohnraum ist allerdings herausfordernd.
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum betrifft nicht nur Geflüchtete, sondern ist ein allgemeines Problem in den Niederlanden, unter dem auch viele junge Erwachsene und Menschen mit niedrigem Einkommen leiden, die sich keine eigene Wohnung leisten können und daher weiterhin bei ihren Eltern leben. Umfragedaten zeigen, dass 71 Prozent der niederländischen Bevölkerung der Meinung sind, dass die Aufnahme von Flüchtlingen die Wohnungssuche erschwere. Auch bei den jüngsten Wahlen gehörte der Wohnungsmarkt zu einem zentralen Wahlkampfthema.
Insgesamt ist die Zahl der Asylanträge im Jahr 2025 – u.a. auch seit dem