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Unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Deutschland

Livia Giuliani

/ 9 Minuten zu lesen

Mehrere zehntausend geflüchtete Kinder und Jugendliche leben ohne ihre Eltern in Deutschland. Warum ist das so, welche Rechte haben sie und wie werden sie versorgt? Ein Überblick.

Bilder der Kinder und Jugendlichen im Speisesaal der Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Ausländer auf dem Schaumberger Hof im Saarland. (© picture-alliance/dpa, Oliver Dietze)

In Deutschland leben mehrere zehntausend Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern(-teile) in Deutschland angekommen sind. Sie sind eine besonders schutzbedürftige Gruppe und brauchen in ihren Lebenslagen als unbegleitete minderjährige Geflüchtete besondere Hilfe- und Unterstützung. Aber auch begleitete Minderjährige können erzieherischen Bedarf haben.

Der Beitrag erläutert, wer zu dieser Gruppe gehört, warum Kinder und Jugendliche unbegleitet fliehen, wie sie in Deutschland aufgenommen werden und welche Rechte und Herausforderungen sie haben.

Wer sind unbegleitete minderjährige Geflüchtete und wie viele von ihnen leben in Deutschland?

Weltweit sind Millionen Kinder auf der Flucht vor Krieg, Konflikten und Verfolgung. Ende 2024 waren rund 40 Prozent der insgesamt weltweit 123 Millionen Menschen auf der Flucht Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren – insgesamt etwa 49 Millionen. Obwohl sie nur knapp 30 Prozent der Bevölkerung unseres Planeten ausmachen, sind sie überproportional von Flucht und Vertreibung betroffen. Zwischen 2018 und 2024 wurden mehr als zwei Millionen Kinder auf der Flucht geboren.

Als unbegleitete minderjährige Geflüchtete gelten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die ohne Eltern(-teil) oder gesetzliche Sorgeberechtigte nach Deutschland einreisen und hier Schutz suchen.

Im Jahr 2024 wurde für 13.344 unbegleitete Minderjährige in Deutschland ein Asylerstantrag gestellt. Im Asylverfahren wird geprüft, ob die antragstellende Person einen Schutzstatus erhält – also ob sie als Interner Link: „asylberechtigt“ nach dem Grundgesetz oder als Interner Link: „Flüchtling“ im Sinne der Interner Link: Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wird oder Interner Link: subsidiären Schutz bekommt, weil ihr im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht (z. B. durch Krieg, Folter oder Todesstrafe). In bestimmten Fällen kann, auch wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ein Abschiebungsverbot aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen vorliegen. Jugendliche aus sogenannten Interner Link: sicheren Herkunftsstaaten haben kaum eine Chance auf einen Schutzstatus, weil die Asylanträge von Menschen aus diesen Staaten in der Regel abgelehnt werden. Sie können aber eine zum Beispiel im Falle einer Ausbildung eine aufenthaltsrechtliche Perspektive in Deutschland haben.

In der Kinder- und Jugendhilfe befanden sich Ende 2024 rund 45.800 junge Geflüchtete in stationären Hilfen oder betreuten Wohnformen. Dazu gehören sowohl unbegleitete Minderjährige als auch junge Volljährige, die weiterhin Unterstützung nach dem Kinder- und Jugendhilferecht (§ 41 SGB VIII) erhalten.

Warum sind Kinder und Jugendliche unbegleitet auf der Flucht?

Die Gründe, warum Minderjährige ohne ihre Eltern oder Sorgeberechtigten nach Deutschland kommen, sind vielfältig. Viele von ihnen wachsen in Regionen auf, die von Krieg, bewaffneten Konflikten, staatlicher Verfolgung oder politischer Instabilität geprägt sind. Andere leben in Ländern, in denen Diskriminierung, Zwangsrekrutierung, fehlender Zugang zu Bildung oder extreme Armut und Perspektivlosigkeit zum Alltag gehören.

Viele nehmen – weil es kaum legale und sichere Wege gibt, in die Europäische Union zu gelangen – gefährliche Fluchtrouten über Land und Meer auf sich, auf denen sie häufig Gewalt, Ausbeutung und schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Manche Minderjährigen verlieren ihre Angehörigen auf der Flucht oder werden unterwegs von ihnen getrennt. Andere schließen sich unterwegs vertrauten Erwachsenen oder Gruppen an, um so ihre eigene Sicherheit etwas zu erhöhen. Viele sind sehr lange auf der Flucht, bevor sie Deutschland erreichen.

Unbegleitete Minderjährige kommen aus unterschiedlichen Herkunftsregionen und -ländern. Die größten Gruppen stammten 2025 aus Interner Link: Syrien, Interner Link: Afghanistan, Interner Link: Somalia und der Türkei. Vergleichbar sind die Geschichten dieser Menschen kaum: Hinter jeder Ankunft steht eine individuelle Biografie – mit eigenen familiären, kulturellen und gesellschaftlichen Bezügen.

Zugang zur Kinder- und Jugendhilfe

Ob ein junger geflüchteter Mensch als minderjährig identifiziert wird, ist entscheidend für den Zugang zu Schutz-, Förderung- und Beteiligungsrechten im Hilfe- und Unterstützungssystem. Unbegleitete Kinder und Jugendliche fallen unter die Zuständigkeit der Interner Link: Kinder- und Jugendhilfe, die im achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) geregelt ist. Diese umfasst Hilfen bedingt durch einen erzieherischen Bedarf wegen der Abwesenheit der Eltern, aber auch damit verbundene Leistungen zum Unterhalt (§ 39 SGB VIII) sowie Leistungen zur Gesundheitsversorgung (§ 40 SGB VIII). Minderjährige Kinder und Jugendliche in Begleitung hingegen erhalten regelmäßig Leistungen nach dem Interner Link: Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), welche aber deutlich niedriger ausfallen als die SGB VIII-Leistungen. So schränkt das Asylbewerberleistungsgesetz beispielsweise den Zugang zur Gesundheitsversorgung ein (§ 4 AsylbLG). Auch wird in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften häufig keine Unterstützung durch Sozialarbeitende, Sozialpädagog*innen und Erzieher*innen angeboten.

Allerdings können auch begleitete Kinder und Jugendliche, die hinsichtlich der Existenzsicherung über das AsylbLG, SGB XII (Interner Link: Sozialhilfe) oder SGB II (Interner Link: Bürgergeld) versorgt werden, Leistungen nach SGB VIII erhalten, wenn es um die Förderung der Kindesentwicklung und die Unterstützung oder Ergänzung der Erziehung in der Familie geht. Diese Leistungen werden aber selten in Anspruch genommen. Häufig fehlt den geflüchteten Kindern und ihren Familien das Wissen, dass es diese zusätzlichen Hilfen gibt.

Alterseinschätzung

Grundsätzlich gilt: Es gibt keine wissenschaftlich verlässliche Methode, um das Alter eines Menschen exakt festzustellen. Die körperliche und seelische Entwicklung verläuft individuell und wird von vielen Faktoren beeinflusst – etwa von Herkunft, Ernährung oder Lebenserfahrungen. Jugendliche, die aufgrund von Flucht und Belastungserfahrungen „älter“ wirken, zeigen oft erst in einem sicheren Umfeld ihre Kindlichkeit.

Nach den Richtlinien des UN-Kinderrechtsausschusses – der die Einhaltung der Rechte der Interner Link: UN-Kinderrechtskonvention überwacht – darf eine Person niemals allein aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds als volljährig eingeschätzt werden. Der Zweifelsgrundsatz besagt: Wenn die Volljährigkeit nicht zweifelsfrei feststeht, ist von Minderjährigkeit auszugehen. Dieser Grundsatz folgt dem Schutzgedanken des Kindes.

Die Einschätzung des Alters hat eine Schlüsselfunktion für die Wahrnehmung von Interner Link: Kinderrechten. Sie entscheidet darüber, ob junge Menschen Zugang zu den entsprechenden Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechten erhalten – oder nicht. Bei der Alterseinschätzung besteht das Risiko, dass Minderjährige als volljährig eingestuft werden. Wird eine Person als volljährig eingestuft, erhält sie meist keinen Zugang zu Hilfe und Unterstützung durch Jugendhilfeeinrichtungen. Stattdessen muss sie dann häufig in großen Erstaufnahmeeinrichtungen oder in Gemeinschaftsunterkünften für Erwachsene leben. Diese Form der Unterbringung ist oft mit weniger Sicherheit, Entwicklungs- und Bildungschancen verbunden.

Bei der Alterseinschätzung zählt zunächst die Selbstauskunft der betroffenen Person. Viele junge Geflüchtete können ihr Alter nicht mit Dokumenten belegen – wenn sie etwa ihre Papiere auf der Flucht verloren haben oder sie nie offizielle Ausweispapiere besaßen, weil z. B. in bestimmten Regionen der Welt keine Geburtsurkunden ausgestellt werden. Manche Jugendämter erkennen mitunter vorhandene Dokumente nicht an. Es gibt keine bundesweit einheitlichen Regeln, wie in solchen Fällen vorzugehen ist.

Liegt kein Ausweispapier vor oder wird dessen Echtheit angezweifelt, führt das Jugendamt zur Alterseinschätzung hilfsweise eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch. Diese soll „ganzheitlich“ erfolgen – also auf der Grundlage von Gesprächen, Dokumenten und einer persönlichen Einschätzung durch zwei Fachkräfte (Vieraugenprinzip). Medizinische Untersuchungen, etwa durch Röntgen oder Zahnanalysen, sind nur erlaubt, wenn nach dieser Inaugenscheinnahme weiter Zweifel am Alter bestehen und die betroffene Person nach einer umfassenden Aufklärung zustimmt. Genitaluntersuchungen sind unzulässig. In der Praxis gehen die verschiedenen Jugendämter sehr unterschiedlich vor. Einer Umfrage des Bundesfachverbands Minderjährigkeit und Flucht e.V. zufolge, finden viele Alterseinschätzungen unter Zeitdruck und ohne echte Beteiligung der Jugendlichen statt.

Aufnahme, Verteilung und Unterbringung

Nach ihrer Einreise werden unbegleitete Minderjährige zunächst vorläufig in Obhut durch ein Jugendamt genommen (§ 42a SGB VIII). Hier müssen einige von ihnen das beschriebene Verfahren der Alterseinschätzung durchlaufen, im Anschluss erfolgt gegebenenfalls die Verteilung auf Jugendämter in ganz Deutschland.

Die Kinder und Jugendlichen leben anschließend in Einrichtungen der Jugendhilfe, etwa in Wohngruppen, kleinen ambulant betreuten Wohneinheiten oder (selten) in Pflegefamilien. Ziel ist eine stabile Umgebung, in der der Besuch einer Schule, psychosoziale Begleitung und alltagspraktische Unterstützung, die die individuellen Bedarfe der minderjährigen Person deckt, möglich sind.

In der Praxis kann die Jugendhilfe diesen Ansprüchen jedoch nicht immer gerecht werden. In vielen Einrichtungen fehlt es an Kapazitäten. Oft übernehmen Quereinsteiger*innen ohne sozialarbeiterische/sozialpädagogische Ausbildung komplexe und verantwortungsvolle Aufgaben in der Betreuung der jungen Menschen. Entscheidungen orientieren sich häufig stärker an verfügbaren Plätzen als an individuellen Bedürfnissen, Bindungen oder Sicherheitsaspekten der Kinder und Jugendlichen. Aus Sicht vieler Fachkräfte steht dies im Widerspruch zum Primat des Kindeswohls und zum Auftrag der Jugendhilfe, Schutz, Stabilität und Entwicklung zu gewährleisten.

Gleichzeitig zeigen Beispiele gelingender Praxis, dass eine gute kinderrechtsbasierte Soziale Arbeit möglich ist, wenn Fachkräfte ausreichend Zeit, Handlungssicherheit und stabile Netzwerke haben und Jugendamt, Einrichtung, Vormund und Schule gut zusammenarbeiten.

UN-Kinderrechtskonvention, SGB VIII und rechtliche Vertretung

Die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten, das Wohl des Kindes in allen Entscheidungen vorrangig zu berücksichtigen und jedes Kind vor Gewalt, Ausbeutung und Diskriminierung zu schützen. Deutschland hatte die Kinderrechtskonvention 1992 zwar ratifiziert, aber zunächst einen Vorbehalt erklärt: Für ausländische Kinder sollten manche Rechte nur eingeschränkt gelten. Dieser Vorbehalt wurde 2010 zurückgenommen. Seitdem gilt die Konvention uneingeschränkt – auch für geflüchtete und migrierte Kinder und Jugendliche. In ihr ist völkerrechtlich festgelegt, dass jeder junger Mensch unter 18 Jahren – unabhängig von Herkunft, Religion oder Aufenthaltsstatus – Anspruch auf besonderen Schutz, Bildung, medizinische Versorgung, Teilhabe und rechtliches Gehör hat (UN-KRK Art. 2, 3, 12, 22).

Kinder und Jugendliche gelten im rechtlichen Sinne aufgrund ihrer Minderjährigkeit im Asylverfahren und im Aufenthaltsrecht als nicht „handlungsfähig“. Daher werden sie in diesen Verfahren, wenn sie nicht in Begleitung eines Elternteils angekommen sind, durch einen Vormund oder eine Vormundin oder eine Person mit Erziehungsberechtigung vertreten. Der Vormund trifft wichtige Entscheidungen – etwa zu Aufenthalt, Schule oder medizinischer Versorgung. In vielen Fällen übernehmen Mitarbeitende von Jugendämtern oder Vormundschaftsvereinen diese Aufgabe, zunehmend auch ehrenamtliche Vormundinnen und Vormünder.

Rechtliche Vertretungen werden allerdings häufig zu spät eingesetzt. Fehlende Rechtschutzmöglichkeiten durch Unklarheiten in der Interessensvertretung – etwa bei der Alterseinschätzung oder Asylantragstellung – können zu Verlusten von Rechten führen. Zudem ist es sowohl für begleitete als auch unbegleitete geflüchtete Kinder- und Jugendliche vor allem aus finanziellen Gründen kaum möglich, Rechtsanwält*innen zu beauftragen.

Bei Kindern und Jugendlichen, die zwar ohne Eltern(teil), aber in Begleitung erwachsener Bezugspersonen einreisen, gilt seit einer Änderung der Dienstanweisung Asyl (DA Asyl) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 12. Juni 2024, dass diese Begleitpersonen die Vertretung der Minderjährigen auch im Asylverfahren übernehmen können. In der Praxis werden die vorgelegten Vollmachten jedoch häufig inhaltlich nicht hinreichend überprüft bzw. lassen sie sich nicht immer zweifelsfrei überprüfen (eine Sorgerechtsvollmacht kann formlos, z.B. mündlich erteilt werden); auch wird nicht systematisch festgestellt, ob eine kontinuierliche Kommunikation zwischen den Minderjährigen und ihren Eltern besteht. Dadurch kommt es vor, dass Kinder und Jugendliche ohne eine fachkundige rechtliche Vertretung bleiben, obwohl sie komplexe asyl- und aufenthaltsrechtliche Verfahren durchlaufen.

Familiennachzug

Fachkräfte in der Jugendhilfe berichten, wie von ihren Familien getrennte Kinder und Jugendliche unter der ständigen Sorge um ihre Angehörigen leiden und sich hilflos fühlen. Das Recht, mit der eigenen Familie zusammenzuleben, ist in zahlreichen menschenrechtlichen Verträgen verankert, wie bspw. in der Interner Link: Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der UN-Kinderrechtskonvention; es ist ebenfalls als Grundrecht im deutschen Grundgesetz festgeschrieben.

Gleichwohl leben viele geflüchtete Kinder und Jugendliche in Deutschland lange – manche sogar dauerhaft – getrennt von ihren Familien. Ob die Kernfamilie, also Eltern und Geschwister, nachgeholt werden können, ist abhängig vom Aufenthaltsstatus.

Erhält eine unbegleitete minderjährige Person (Referenzperson) die Asylanerkennung oder Flüchtlingseigenschaft, darf sie ihre Eltern nach Deutschland nachholen. Dies gilt auch dann, wenn die Referenzperson während des laufenden Asyl- oder Familiennachzugsverfahrens volljährig wird. Entscheidend ist allein, dass sie zum Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig war. Geschwister dürfen mangels expliziter gesetzlicher Regelung meist nicht direkt mitziehen – sie müssen in der Regel zunächst zurückbleiben und dürfen erst später zu den Eltern nachziehen.

Nach aktueller Gesetzeslage (seit Juli 2025) ist der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte erneut für die Dauer von zwei Jahren ausgesetzt worden. Subsidiären Schutz erhalten Menschen, die Schutz vor Krieg oder unmenschlicher Behandlung bekommen. Dies betrifft in Deutschland überwiegend Menschen aus Eritrea, Syrien, Irak und Afghanistan. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten war bereits von 2016 bis 2018 ausgesetzt und danach auf bundesweit 1.000 Personen pro Monat begrenzt worden. Anders als bei der damaligen Aussetzung wurde in der aktuellen Regelung darauf verzichtet, bereits bei den deutschen Botschaften oder bei den Gerichten anhängige Verfahren auszunehmen. Das bedeutet, dass nun viele Eltern keine Einreiseerlaubnis erhalten und die Trennung weiter andauern wird. Für manche Jugendlichen ist ungewiss, wann und ob sie ihre Eltern wiedersehen werden, insbesondere, da viele von ihnen während der Aussetzung volljährig werden und ein Nachzug danach praktisch ausgeschlossen ist.

Minderjährige, für die ein Abschiebungsverbot erteilt wird oder die ein Bleiberecht wegen besonders guter „Integration“ von jungen Menschen (§ 25a AufenthG) erhalten, haben keinen Anspruch auf Familiennachzug.

Der UN-Sozialausschuss (Committee on Economic, Social and Cultural Rights) hatte Deutschland bereits 2018 aufgefordert, die Beschränkung des Familiennachzugs aufzuheben und Verfahren kindgerechter zu gestalten.

Übergang in die Volljährigkeit

Mit dem 18. Geburtstag enden Vormundschaften und viele Unterstützungsleistungen laufen aus. Gesetzlich besteht zwar ein Anspruch auf Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII), doch werden diese in der Praxis nicht immer gewährt. Während einige Jugendämter Hilfen routinemäßig verlängern, berichten Erzieher*innen und Sozialarbeitende andernorts von abrupten Beendigungen.

Der Übergang in die Volljährigkeit ist häufig mit mehreren anstehenden Herausforderungen verbunden, wie etwa schulische Prüfungen, Ausbildung und aufenthaltsrechtliche Entscheidungen. Gleichzeitig müssen viele junge Menschen einen sogenannten Rechtskreiswechsel bewältigen – also den Wechsel von der Jugendhilfe in andere Leistungssysteme wie das Bürgergeld. Diese Übergänge sind bürokratisch anspruchsvoll und mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.

Fazit

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete gehören zu den am stärksten schutzbedürftigen Gruppen in Deutschland. Sie haben gemäß der seit 2010 auch in Deutschland vollumfänglich geltenden UN-Kinderrechtskonvention Anspruch auf besonderen Schutz, Förderung und Beteiligung – unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Aktuelle Entwicklungen zeigen jedoch, dass in der Praxis Überlastung, Deprofessionalisierung und politische Restriktionen diese Rechte gefährden.

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Livia Giuliani ist Volljuristin und arbeitet als Referentin beim Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht e.V.