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Ein Land im Wandel: Rumänien und sein Umgang mit Migration

Dr. Mălina Voicu

/ 9 Minuten zu lesen

Migration ist kein Thema, mit dem politische Parteien in Rumänien Wahlen gewinnen können. Wie steht das Land, das einst isoliert war und dann zu einem Auswanderungsland wurde, zur Einwanderung?

Vintage-Briefmarke aus Rumänien (© picture-alliance, imageBROKER | Allexxandar)

Vor 1990, unter der Diktatur von Nicolae Interner Link: Ceaușescu, war Migration für rumänische Staatsangehörige fast unbekannt. Die Beschaffung eines Reisepasses für die Ausreise war schwierig und wurde von den Behörden kontrolliert, während die wenigen Ausländer:innen, die das Land besuchten, ebenfalls streng überwacht wurden. Die quasi vollständige Isolation des Landes prägte die grundsätzlich positive Einstellung der Menschen gegenüber Ausländer:innen: Sie standen für eine ersehnte Bewegungsfreiheit und Kontakt nach außen, den viele Menschen begrüßten. So verstärkte sich in der Breite der Bevölkerung ein Selbstbild der Rumän:innen als sehr gastfreundlich, in deren Land Besucher:innen willkommen seien. Allerdings war es für die meisten im Alltag fast undenkbar, dass jemand aus dem Ausland das Land besuchte.

Der lange und schwierige postkommunistische Übergang nach dem Sturz Ceaușescus ab 1990 von einer Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft führte zu Inflation, Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Not. Das veranlasste viele dazu, ein besseres Leben im Ausland zu suchen, was Rumänien schließlich zu einem Auswanderungsland machte. Nach Angaben der OECD gehörte die rumänische Diaspora 2017 zu den größten der Welt, mit etwa 6 Millionen im Ausland lebenden Rumän:innen (Schätzung des Außenministeriums).

Diese Massenauswanderung führte in Verbindung mit dem Rückgang der Geburtenrate und der beschleunigten Alterung der Bevölkerung zu einem Rückgang des Umfangs der Erwerbsbevölkerung und veranlasste Arbeitgebende, neue Arbeitskräfte im Ausland zu suchen. Vor diesem Hintergrund muss daher bei jedem Versuch, die Einwanderung nach Rumänien und die allgemeine Einstellung gegenüber Einwander:innen zu verstehen, Folgendes berücksichtigt werden: Während die Zuwanderung eine Lücke auf dem Arbeitsmarkt füllt, machen die Rumän:innen aufgrund der vielen Ausgewanderten ihre Erfahrungen mit Migration hauptsächlich über Verwandte und Freund:innen im Ausland.

Arbeits- und Asylmigration: Außereuropäische Einwanderung

Die Zahl der Drittstaatsangehörigen, die sich auf rumänischem Gebiet aufhalten, ist zwar nicht sehr groß, hat aber eine komplexe Zusammensetzung. Ende 2023 waren etwa 40 Prozent der in Rumänien lebenden Einwander:innen Staatsangehörige aus folgenden Drittstaaten: Nepal, Türkei, Sri Lanka, Indien, China, Bangladesch, Pakistan, Syrien und Iran. Menschen der beiden letztgenannten Länder kamen als Schutzsuchende nach Rumänien, alle anderen als Arbeitsmigrant:innen.

Die Arbeitsmigration war seit 2018 der Hauptgrund für die Einwanderung. Davor zogen Menschen vor allem für ein Studium nach Rumänien. Wie in Abbildung 1 dargestellt, übersteigt die Zahl der für eine Beschäftigung erteilten Aufenthaltsgenehmigungen seit 2019 die Zahl der für Bildungszwecke erteilten Genehmigungen. Dabei war das Wachstum mit einem Anstieg von 10.000 Arbeitsgenehmigungen im Jahr 2019 auf über 80.000 im Jahr 2024 sehr hoch. Das Ergebnis ist ein exponentieller Anstieg der Zahl der Migrant:innen von weniger als 70.000 im Jahr 2018 auf rund 240.000 im Jahr 2024, wie aus den Daten in Abbildung 2 hervorgeht. Somit hat sich in weniger als einem Jahrzehnt die Zahl der Einwander:innen verdreifacht. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Geschwindigkeit in den kommenden Jahren fortsetzen wird, da die Regierung die Quote für Arbeitsgenehmigungen seit 2021 auf 100.000 pro Jahr festgelegt hat.

Die überwiegende Mehrheit derjenigen, die nach Rumänien kommen, sind Männer im erwerbsfähigen Alter (zwischen 20 und 50 Jahren), die bereits mit einem Zweijahresarbeitsvertrag nach Rumänien kommen. Die meisten von ihnen sind in den Bereichen Bauwesen, Logistik und Dienstleistungen beschäftigt und leben in den am stärksten entwickelten städtischen Gebieten wie Bukarest, Cluj und Timișoara. Obwohl es sich um regulierte Migration handelt, die keine Probleme mit wirtschaftlicher Ausgrenzung und sozialen Marginalisierung aufwerfen sollte, erhöht die hohe Konzentration der Einwanderungsbevölkerung in nur wenigen städtischen Zentren ihre Sichtbarkeit. In Verbindung mit der Vorstellung von kulturellen Unterschieden zur einheimischen Bevölkerung macht diese erhöhte Sichtbarkeit sie zu leichten Zielen für rassistisch argumentierende Akteure und Bewegungen.

Auch die Zahl der Asylanträge stieg laut Daten der Generalinspektion für Einwanderung von 1.620 im Jahr 2014 auf 10.157 im Jahr 2023. Der größte Anteil der Asylsuchenden im Jahr 2023 stammte aus Bangladesch (27 Prozent), Syrien (19 Prozent), Pakistan (12 Prozent), Nepal (8 Prozent) und Sri Lanka (5 Prozent). Die Nationalität der Asylsuchenden entspricht weitgehend derjenigen der Wirtschaftsmigrant:innen, was darauf hindeutet, dass die meisten Antragstellenden mit einem Arbeitsvertrag und einem regulären Visum nach Rumänien kamen und später Asyl beantragten, um einer Ausweisung wegen illegalen Aufenthalts zu entgehen. Der Anteil der genehmigten Asylanträge aber ist gering (16,7 Prozent im Jahr 2023).

Was die Asylmigration betrifft, so bleibt Rumänien ein Transitland für diejenigen, die nach Westeuropa gelangen wollen – daher ist die Zahl derjenigen, die sich im Land aufhalten, nicht sehr hoch. Darüber hinaus gingen die Versuche, die Grenze von Serbien nach Rumänien im Rahmen der sogenannten Balkanroute unerlaubt zu überqueren, nach Angaben des European Council on Refugees and Exiles im Jahr 2024 um 67 Prozent gegenüber 2023 zurück. Grund hierfür ist, dass Kroatien 2023 in den Schengen-Raum aufgenommen worden war und damit ein kürzerer Weg in die EU und nach Westeuropa möglich wurde. Im Jahr 2024 meldete Rumänien nur 259 unerlaubte Grenzübertritte aus Serbien, während insgesamt etwa 2.400 Drittstaatsangehörige bei dem Versuch, unerlaubt die Landesgrenze zu überqueren, festgenommen wurden.

Asylsuchende werden in speziellen Zentren untergebracht, die von der Generalinspektion für Einwanderung verwaltet werden. Sie haben während der Prüfung ihres Antrags Anspruch auf finanzielle Unterstützung, Zugang zu Gesundheitsversorgung und einen Rechtsbeistand. Asylanträge können bei der Generalinspektion für Einwanderung oder anderen Behörden, wie der Grenzpolizei oder der örtlichen Polizei, eingereicht werden, die den Antrag innerhalb von drei Tagen registrieren müssen. Der erste Schritt der Asylprüfung besteht aus einer Identitätsprüfung und einem Gespräch mit einer Sachbearbeitung. Eine Entscheidung sollte innerhalb von 30 Tagen getroffen werden. Die Antragstellenden haben daraufhin 10 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Eine Ablehnung des Antrags geht mit einer Rückführungsentscheidung einher.

Durch Arbeitsmigration, Asylsuchende und irreguläre Migration – wobei letztere laut der Interner Link: Internationalen Organisation für Migration (IOM) „undokumentierte“ oder „unbefugte“ Migration bezeichnet – kamen nicht-europäische Menschen ins Land. Obwohl sie im öffentlichen Raum sichtbar sind, stellen sie für den Großteil der Bevölkerung (noch) kein Problem dar. Im Gegenteil, sie werden angesichts des Arbeitskräftemangels meist als Gewinn angesehen. Im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten war Einwanderung nie ein umstrittenes oder polarisierendes Thema im öffentlichen und politischen Diskurs. Im April 2025 betrachteten nur acht Prozent der Rumän:innen die Einwanderung als ein großes Problem für die EU, verglichen mit einem europäischen Durchschnittswert von 18 Prozent in der Stichprobe. Ebenso stuften nur fünf Prozent die Einwanderung als eine der nationalen Prioritäten ein, während der Durchschnittswert für die EU in der Stichprobe bei 14 Prozent lag. In ähnlicher Weise stand die Interner Link: Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nie auf der politischen Agenda, nicht einmal während des Wahlkampfs für die Europawahlen 2024. Trotz der geringen Bedeutung der Migration auf der öffentlichen Agenda begannen rechtsextreme Parteien, nicht-europäische Einwanderung als Teil ihrer ultranationalistischen Ideologie ins Visier zu nehmen. Mehrere 2025 in Medien gemeldete Vorfälle deuten auf eine aktive Anstiftung zu Hassverbrechen hin, angeheizt von der Allianz für die Union der Rumänen (AUR), der wichtigsten politischen Kraft am rechten Rand des politischen Spektrums. So wurde etwa im August 2025 ein Einwanderer aus Bangladesch in Bukarest von einem 20-jährigen Mann körperlich angegriffen. Im November 2025 ereignete sich dasselbe Szenario in der Nähe von Bukarest, als eine Frau einen Drittstaatsangehörigen angriff.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine

Seit dem 24. Februar 2022 haben über drei Millionen ukrainische Kriegsflüchtlinge die rumänische Grenze überquert. Allerdings haben sich aufgrund der Sprachbarriere und der größeren Attraktivität westeuropäischer Länder nur etwa 197.000 von ihnen dazu entschlossen, sich vorübergehend in Rumänien niederzulassen. Auch wenn ihre Zahl je nach Jahreszeit und Kriegsverlauf schwankt, bleiben sie 2025 die größte Gruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich im Land aufhalten. Ihre Zahl entspricht fast der Gesamtzahl aller anderen Drittstaatsangehörigen zusammen. Darüber hinaus macht der anhaltende Krieg ihre Präsenz für die rumänische Bevölkerung deutlich sichtbar und spielt eine wichtige Rolle bei der Meinungsbildung in der Öffentlichkeit.

Trotz der zunächst sehr positiven Reaktion der Rumän:innen auf die starke Zuwanderung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen verschob sich die Stimmung im Laufe der Zeit von Solidarität und Hilfsbereitschaft hin zu einer neutralen Haltung und sogar Feindseligkeit, wie Umfragedaten zeigen. Laut den EuroBarometer-Umfragen, die regelmäßig die öffentliche Meinung der EU-Bürger:innen zum Krieg in der Ukraine erfassen, unterschieden sich die Rumän:innen im April 2022 nicht vom EU-Durchschnitt, was ihre Unterstützung für humanitäre, finanzielle und militärische Hilfe für das Nachbarland und seine Menschen angeht, die aufgrund des Krieges aus ihrer Heimat fliehen. Während 2022 über 80 Prozent der Rumän:innen eine positive Einstellung gegenüber finanzieller und humanitärer Hilfe für die Flüchtlinge bekundeten, waren es nach drei Jahren nur noch 63 Prozent. Auf EU-Ebene sank die Unterstützung für ukrainische Flüchtlinge lediglich von 80 Prozent auf 76 Prozent.

Die zunehmende Ablehnung gegenüber ukrainischen Flüchtlingen hat mehrere Ursachen. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2025 verzeichnete Rumänien einen Anstieg des Haushaltsdefizits, was die Regierung dazu veranlasste, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen, einige Beamt:innen zu entlassen und die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Die schwierige wirtschaftliche Lage verstärkte die Überzeugung, dass Flüchtlinge mehr Leistungen erhielten als rumänische Staatsangehörige in Not. Zudem trägt der deutliche Aufstieg rechtsextremer Parteien in den letzten Jahren zur Verstärkung von Vorurteilen gegenüber dieser Gruppe bei. Da die Parteien zudem offen pro-russisch ausgerichtet sind, geraten die Flüchtlinge ins Visier extremistischer Bewegungen und werden so zu einer leichten Zielscheibe für anti-westliche und EU-feindliche Propaganda.

Gute Einwanderung, schlechte Einwanderung?

Die beiden hier vorgestellten Fälle – Ukrainer:innen und andere Drittstaatsangehörige – zeigen, wie die rumänische Öffentlichkeit ausländische Gruppen sieht, die nach Rumänien kommen. In beiden Fällen wird die Haltung der Bevölkerung durch eine rationale Abwägung ihrer eigenen Interessen geprägt. Während Drittstaatsangehörige wie Arbeitsmigrant:innen aus Südostasien und teilweise Asylsuchende als Lösung für den Arbeitskräftemangel angesehen und daher willkommen sind, verloren die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine einen erheblichen Teil der Unterstützung, als wirtschaftliche Probleme sich negativ auf die Haushalte auswirkten.

Nur Extremist:innen sind offen gegen beide Gruppen. Die öffentliche Meinung schenkt der Einwanderung keine große Beachtung, da Armut und der Mangel an wirtschaftlichen Ressourcen für die nationale Agenda relevanter sind, wie das EuroBarometer 2025 zeigt. Der Rückgang der Unterstützung für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zeigt, dass Aufnahmebereitschaft und Akzeptanz, wie überall auf der Welt, mit der wirtschaftlichen Lage im Land zusammenhängen. Nach mehr als drei Jahren Krieg sind jedoch immer noch über 60 Prozent der rumänischen Staatsangehörigen damit einverstanden, die ukrainischen Flüchtlinge zu unterstützen, während sich die Flüchtlinge selbst laut einer Studie der IOM nicht diskriminiert fühlen. Bislang lehnt die Mehrheit der Bevölkerung Einwanderung nicht ab, unabhängig davon, woher die Menschen kommen oder aus welchen Gründen sie einwandern, aber die Gefahr einer Anti-Migrationsstimmung ist nach wie vor vorhanden.

Weitere Inhalte

Dr. Mălina Voicu ist Professorin am Institut für Politik und Gesellschaft der Universität der Vereinigten Arabischen Emirate. Bis Herbst 2025 war sie Koordinatorin der Forschungsabteilung der Migrationsagentur der Vereinten Nationen/Internationalen Organisation für Migration in Rumänien und außerordentliche Professorin für Soziologie an der Universität Bukarest.