Mauerbilder in Ost und West
Bilder von der Mauer erlangten schon bald nach deren Bau einen festen Platz im kollektiven Bild-Gedächtnis des Kalten Krieges in Ost und West. Es etablierte sich ein "Set" von Motiven, die als Gegen-Bilder nicht nur semantisch aufeinander bezogen waren, sondern auch ikonografisch korrespondierten.Ein internationales Medienereignis

"Da hängt er nun im Klimmzug – harte Tatsachen für Mr. Clay, den Scharfmacher aus USA", "Berliner Zeitung", 13. August 1969.
"US-General Lucius D. Clay, 1948/49 als Blockadebrecher berühmt geworden, riskiert am Potsdamer Platz einen Blick über das erste Stück Mauer.", "Stern", 20. August 1981 (richtig hätte es indes heißen müssen: am Pariser Platz). (© Deutsches Historisches Museum, F 65/166)
Zwar hatte das Fernsehen im Westen seinen massenhaften Einzug in die Wohnzimmer angetreten, und in der DDR besaß immerhin jeder fünfte Haushalt einen Fernsehapparat; das Leitmedium der Verbreitung von Visualisierungen des Mauerbaus war jedoch die Fotografie. Mit ihren Mitteln wurde in West und Ost jeweils die Anklage bzw. Rechtfertigung des Mauerbaus visualisiert. Gelegentlich wurden dafür die gleichen Fotos mit entgegengesetzten Kommentaren versehen, in anderen Fällen zeugen unterschiedliche Aufnahmen ähnlicher Szenen davon, wie durch die Wahl von Perspektive und Ausschnitt gegensätzliche Botschaften fotografisch umgesetzt wurden. Vor allem jedoch etablierte sich jeweils ein typisches "Set" von Motiven, die nicht nur semantisch als Gegen-Bilder aufeinander bezogen waren, sondern auch hinsichtlich ikonografischer Elemente korrespondierten.
Im Folgenden werden solche Kontraste und Korrespondenzen anhand von Bildpaaren näher beleuchtet.
Bildprogramme:
Trennung versus Gemeinschaftsstiftung


Kontrastierende Bildikonen
und korrespondierende Gebrauchsweisen
In West und Ost avancierte jeweils ein Foto, das noch vor der Errichtung der Mauer aus Stein entstanden war, zur Bildikone des Mauerbaus: Einerseits der am 15. August an der Bernauer Straße über den Stacheldraht springende Grenzpolizist Conrad Schumann, und andererseits die vier Kampfgruppenmänner am Brandenburger Tor, die dieses am 14. August mit ihren Körpern verschließen und ihre bewaffnete Aufmerksamkeit gen Westen richten. Dem "Sprung in die Freiheit" stand visuell in der SED-Propaganda somit eine "menschliche Mauer" gegenüber; der durch die Desertion vom Waffendienst und Leben in der Diktatur verkörperten Illegitimität des SED-Regimes seine Legitimation als Generationen übergreifender, nur in der Schutzgeste bewaffneter Volkswille.


