Politische Ideen der Unabhängigkeitsbewegung
Philosophie der Négritude
Stellvertretend für die politischen Ideen der Dekolonisation von ehemals französischen Kolonien in Afrika steht die Philosophie der Négritude von Léopold S. Senghor. Der 1906 im Senegal geborene Dichter und Politiker blieb nach seiner Ausbildung zum Studienrat für Griechisch, Latein und Französisch zunächst in Frankreich und war von 1945 bis 1958 Abgeordneter in der französischen Nationalversammlung. Die von ihm gegründete Partei Bloc Démocratique Sénégalais bemühte sich um einen Dialog mit der Kolonialmacht Frankreich. Nach seiner Tätigkeit als beratender Minister für kulturelle Kolonialangelegenheiten unter Präsident Charles de Gaulle wurde Senghor erster Staatspräsident von Senegal, als das Land 1960 unabhängig wurde.Die Philosophie der Négritude unternimmt den Versuch, das durch den Kolonialismus geprägte Verhältnis der afrikanischen zur europäischen Kultur zu klären. Senghor betont hierbei die Eigenart und die Würde der Afrikaner und plädiert für eine Rückbesinnung auf die Werte der afrikanischen Kultur. Der Verweis auf die "Gesamtheit der kulturellen Werte der schwarzen Welt" sollte einerseits zur Abgrenzung im Sinne einer Emanzipation dienen. Andererseits unterstreicht Senghor jedoch mit seinen Ideen auch gerade die Gleichheit zwischen Europäern und Afrikanern und verfällt somit nicht in einen "umgekehrten Rassismus".
Die Négritude beeinflußte das Selbstverständnis afrikanischer Intellektueller, die die kulturelle Identitätsfindung als befreiend empfanden und somit in ihrem Selbstbewußtsein gestärkt wurden. Die enge Bindung an die Frankophonie, also an die Gemeinschaft französischer Sprache und Kultur, blieb jedoch nach wie vor bestehen – nicht zuletzt deswegen, weil das französische Kolonialsystem mittels seiner Assimilationspolitik auf eine kulturelle Anpassung an das Mutterland einen sehr hohen Wert gelegt hatte.