Islamismus in Südostasien
Die Jemaah Islamiyah ist seit den Anschlägen auf Bali 2002 der Öffentlichkeit bekannt. Neben ihr sind in Südostasien viele islamistische Gruppierungen aktiv. Sie unterscheiden sich in ihrer Struktur, ihren Zielen und ihren Mitteln. Wie sind die Organisationen entstanden und welche Rolle spielen sie in der Region?
Allgemeine Verortung
Islamismus ist in Südostasien kein gesellschaftlich dominierendes Phänomen. Selbst in Ländern mit einem hohen muslimischen Anteil der Bevölkerung (z.B. Indonesien und Malaysia) überwiegt ein Islamverständnis, das keine Züge von Islamismus aufweist. Robert Hefner (2000) hat daher die Verwendung des Begriffs "civil Islam" vorgeschlagen. In Indonesien beispielsweise, dem größten überwiegend von Muslimen bewohnten Land der Welt, findet seit 1998 ein insgesamt erfolgreicher Demokratisierungsprozess statt. Dies verdeutlicht, dass die von Samuel P. Huntington (1996, 29) postulierte Allgemeinthese, die islamische Kultur sei für die problematische Demokratieetablierung in großen Teilen der muslimischen verantwortlich, nicht aufrecht erhalten werden kann.Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass islamistische Gruppierungen in vielen Staaten Südostasiens über eine lange Tradition verfügen, die sich mitunter bis in die Kolonialzeit zurückverfolgen lässt. So gab es beispielsweise in Indonesien zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Tendenz zur Islamisierung. Die Muslime wollten sich hiermit, etwa durch Gründung der Organisation Sarekat Islam, ökonomisch wie kulturell von den nicht-muslimischen Händlern und Kolonialherren abgrenzen (vgl. Schwarz 2000, 167). Der Islamismus nahm während der Kolonialzeit auch die Funktion wahr, die verschiedenen muslimischen Bevölkerungsgruppen des zukünftigen Indonesiens zu einen. Dies brach erst mit Beginn der Phase auseinander, in der Überlegungen konkreter wurden, wie ein unabhängiges Indonesien ordnungspolitisch ausgerichtet werden sollte. Dabei konnten sich die Anhänger eines auf den Gesetzen des Islams basierten Staates nicht durchsetzen. Dennoch opponierten diese seit der Unabhängigkeit – mit unterschiedlicher Intensität – kontinuierlich gegen das nach ihrer Vorstellung zu säkulare Staatssystem.
Mit dem Wissen, dass sich in Südostasien historisch gewachsene Islamismusstrukturen mit neueren Entwicklungen verbinden, werden im Folgenden in exemplarischer Auswahl islamistische Akteure der Region besprochen. In Anlehnung an das an anderer Stelle vorgelegte Islamismuskonzept (Schuck 2008, 30-57) wird auch hier eine Islamismusdefinition zugrunde gelegt, die sich nicht über die eingesetzten Mittel, sondern über Ziele erfassen lässt – konkret: das spezifische Verständnis der gottbasierten Herrschaftslegitimation (vgl. Schuck 2007). Deshalb werden auch solche Akteure berücksichtigt, die Gewalt ablehnen aber trotzdem die Einführung der Shari´ah propagieren – anders als bei Riexingers Begriffsbestimmung sind zudem auch traditionalistische oder apolitische Gruppierungen eingeschlossen.