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Die muslimische Jugendszene

Claudia Dantschke

/ 20 Minuten zu lesen

Welchen Einfluss haben zum Teil radikale Jugendorganisationen auf muslimische Jugendliche? Wie sind muslimische Jugendliche in Deutschland organisiert?

Proteste gegen die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen vor der dänischen Botschaft in Berlin, Samstag, 11. Februar 2006. (© AP)

Einblicke in einige sunnitisch-panislamische Jugendszenen

Für viele Jugendliche, die unter dem Label "muslimische Jugendliche" gefasst werden, ist die Religion zwar ein wichtiger Teil ihrer Identität, aber nur eine Minderheit definiert sich selbst primär religiös. Dieses Segment der sich primär religiös definierenden muslimischen Jugendlichen teilt sich in zahlreiche Gruppen und subkulturelle Milieus auf, da sich die religiösen Orientierungen entsprechend der Konfessionen, der verinnerlichten religiösen Dogmatik und auch der politischen oder ideologischen Positionierung sehr unterscheiden. Diese Jugendszenen sind zum Teil klar voneinander abgegrenzt, zum Teil überschneiden sie sich aber auch.

Für die Komplexität muslimischer Jugendkulturen spielt neben den unterschiedlichen religiösen Interpretationen auch die soziale Schichtung eine Rolle sowie die Anbindung an islamische Organisationen. So werden ethnische/nationale Bezüge am stärksten in einem eher mittelständischen, sozial integrierten und bildungsnahen Milieu von religiösen Bekenntnissen verdrängt, während es in den bildungsferneren Milieus oft zu einer Mischung von Religion und nationaler Herkunft kommt. Auch politische Konflikte in den Herkunftsländern der Familien prägen nationale Orientierungen der Jugendlichen. Das ist besonders bei Jugendlichen aus arabischen Ländern zu beobachten, quer durch alle sozialen Milieus. Bei den Jugendlichen türkischer Herkunft resultiert die Kombination aus ethnischer/nationaler und religiöser Orientierung aus einem von verschiedenen islamischen Organisationen oder dem Elternhaus geprägten Religionsverständnis, das als "türkisch-islamische Synthese" bezeichnet wird. Herkunft, türkische Sprache und Kultur erhalten dabei eine quasi religiöse Bedeutung.

Innerhalb dieses heterogenen Spektrums gibt es gezielte Bestrebungen, die internen Abgrenzungen und Segmentierungen zu überwinden und zu einer tatsächlichen und nicht nur nach außen dargestellten "Einheitlichkeit" zu gelangen. Die Grundlage dafür bildet eine panislamisch ausgerichtete, also von Nationalität, Sprache und Kultur losgelöste Islaminterpretation (1). Das Verbindende ist allein die Religion, Herkunft und Sprache sind sekundär, weshalb diese Gruppen sehr pragmatisch die jeweilige Verkehrssprache, hierzulande also Deutsch, zur Kommunikation nutzen. Die sunnitisch-panislamischen Gruppierungen werden zwar von Jugendlichen türkischer oder arabischer Herkunft dominiert, insgesamt sind sie aber sehr multinational zusammengesetzt und üben auch auf junge deutsche Konvertiten beiderlei Geschlechts eine gewissen Anziehungskraft aus. Doch auch dieses Milieu ist wieder unterteilt in verschiedene Szenen.

Milli-Görüs-Jugend

Die größte Jugendszene der sunnitisch-panislamischen Strömung dürfte die Milli-Görüs-Jugend sein, allein aufgrund der seit über 30 Jahren in Europa und speziell in Deutschland etablierten dichten Infrastruktur und intensiven Kinder- und Jugendarbeit der Milli-Görüs-Organisation. Die Anzahl der Mitglieder des Jugendverbandes (Milli Görüs Jugend) beläuft sich auf sieben- bis achttausend aktive und noch einmal so viel weniger aktive Mädchen und Jungen, also insgesamt etwa 15.000 Jugendliche in Europa (etwa 80% davon in Deutschland). Zwar ist diese Szene in der gelebten Mitgliedschaft noch sehr stark sprachlich und kulturell türkisch orientiert und geprägt, die zugrunde liegende Milli-Görüs-Ideologie des inzwischen über 80jährigen Milli-Görüs-Führers Necmettin Erbakan ist in ihrer Theorie jedoch auf einen Panislamismus ausgerichtet und in ihrem Kern eine türkische Spielart der arabischen Muslimbruder-Ideologie. Vor allem in den bildungsnahen Kreisen der Milli-Görüs-Jugend (IGMG-Genclik) treten die tradierten türkisch-kulturellen Elemente immer stärker zugunsten der panislamischen Orientierung in den Hintergrund.

Als der IGMG-Jugendverband im April 2005 zur 10. Jugendkonferenz ins belgische Genk einlud, kamen etwa 5.000 Besucher, gut die Hälfte waren Frauen und ein gutes Drittel war unter 18 Jahren. Wie immer bei den IGMG-Großveranstaltungen wurde der greise Erbakan per Telefon zugeschaltet. In seiner Rede an die Jugendlichen betonte Erbakan die Erwartungen der Organisation an die junge Generation. Er forderte sie auf, als gute Muslime aktiv zu werden, da sie das Bild der Muslime prägen und dieses Bild müsse ein positives, ein perfektes sein.

Mit der Ende 2006 gestarteten Jugendoffensive wendet sich die IGMG jedoch primär an die Erwachsenen, die sich stärker um die Jugendlichen kümmern sollen, denn "schließlich gibt es noch zehntausend Jugendliche, die wir noch erreichen müssen und die vielen Problemen ausgesetzt sind. ... Es ist nicht genug, sie zu organisieren; wir müssen sie in unsere Gemeinschaft aufnehmen und sie für die Zukunft und für die Gesellschaft erziehen. Unser größter Wunsch ist, dass diese Jugendlichen im Sinne des Islams als gläubige, fleißige, ehrliche und erfolgreiche Personen in der Gesellschaft einen bedeutenden Platz einnehmen." (2)

Das dazugehörige Projekt, welches der IGMG - Jugendausschuss nun starten wolle, wird als "zeitgenössische Dar-ul Erkam Schule" ("Gesprächskreise 2000") bezeichnet und soll gleichzeitig überall in Europa stattfinden. Es ist ein Projekt, das auf Nachbarschaft und Bekannte im Haus, in der Straße usw. abzielt, die zum Gespräch auf lokaler Ebene eingeladen werden sollen. Eingeladen sind dabei vor allem Jugendliche, "und alle, die sich jung fühlen". In diesem Programm, so die Planung, "werden Themen über den Glauben und das Gebet angesprochen. Vor allem aber werden wir die islamische Geschichte und das beispielhafte Leben unseres Propheten (saw) und seiner jungen Gefährten kennen lernen. Somit werden wir das Gemeinschafts- und Brüderlichkeitsbewusstsein stärken." Die Mütter und Väter sollen die Jugendlichen ermutigen, an diesem Programm teilzunehmen und ihre Wohnungen als Ort der Gesprächsrunden zur Verfügung stellen. "Wir als Milli Görüs möchten die Jugendlichen in aller Hinsicht fördern. Wir sehen es als unsere Pflicht, ihnen jugendgerechte Begegnungsorte anzubieten. Es ist unsere größte Aufgabe, sie zu fleißigen, zielstrebigen und mit gutem Benehmen ausgestatteten Menschen zu erziehen." Dazu brauche man die Zusammenarbeit mit den Eltern, erklärt die IGMG.

Neben dieser eher traditionellen Jugendarbeit des Verbandes über die Eltern, laufen seit einiger Zeit Versuche einer Umstrukturierung der Jugendabteilung der IGMG zu einem IGMG-Jugendverband mit dem Ziel, den Jugendlichen auf Bundes-, Regional-, Landes- und Lokalebene mehr Autonomie zu gewähren und damit die Mitbestimmung und Aktivierung der Jugendlichen zu erhöhen. Letztendlich ist es der Versuch, die Jugendlichen bei der Organisation zu halten und zu verhindern, dass sie in die zahlreichen alternativen muslimischen Jugend-Szenen abwandern, die wesentlich unabhängiger von den Direktiven der Erwachsenen sind.

Muslimische Jugend in Deutschland

Zu diesen Jugendszenen gehören die zwar arabisch dominierten aber multinational zusammengesetzten, islamisch konservativ orientierten sunnitischen "Pop-Muslime", wie z.B. die Muslimische Jugend in Deutschland (MJD). Die MJD ist eine bundesweit organisierte deutschsprachige Organisation für muslimische Jugendliche zwischen 13 und 30 Jahren aus eher bildungsorientierten und sozial integrierten Schichten, darunter auch zahlreiche Jugendliche bikultureller Herkunft sowie Konvertiten. Die MJD wurde 1994 nach dem Vorbild der britischen Young Muslims (3) unter Leitung des Vereins "Haus des Islam – HDI" (Lützelbach) gegründet. Der erste Amir und Vorsitzende der MJD war Muhammad Siddiq (Wolfgang Borgfeld), ein deutscher Konvertit und Leiter des HDI. Offiziell gilt die MJD als unabhängiger Jugendverband, aber der Verein HDI ist bis heute Pate der MJD, u.a. bei der Veranstaltung der jährlichen MJD-Meetings oder der Brüder- und Schwestern-Lager. Personelle Verflechtungen zwischen der MJD und Organisationen der Muslimbruderschaft, das regelmäßige Auftreten verschiedener Autoritäten dieses Spektrums als Referenten auf MJD Veranstaltungen und die von der MJD über ihren Buchverlag Greenpalace verbreitete religiöse Literatur haben der MJD wohl nicht zu unrecht den Ruf einer inoffiziellen Jugend- und Eliteorganisation dieses politisch-islamischen Spektrums verschafft, deren Interessen in Deutschland, laut Verfassungsschutz, von der "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) vertreten werden, die unter dem Einfluss der ägyptischen Muslimbruderschaft steht". (4)

Die MJD ist gegliedert in Lokalkreise, der Vorstand der MJD nennt sich Schura, Vorstandsvorsitzender ist der Amir. Zwar sind in der Schura auch junge Frauen vertreten, der Amir war aber bisher stets männlich. Alle zwei Jahre wird eine neue Schura gewählt. Die Mitgliederzahl der MJD bewegt sich zwischen 200 und 300, zu den Jahrestreffen kommen aber über 1.000 muslimische Jugendliche, darunter ein hoher Anteil junger Frauen. Obwohl männliche und weibliche Mitglieder der MJD auch gemeinsam zu regionalen Treffen reisen und religiöse Feste feiern, treffen sich die "Schwestern" und "Brüder" des Vereins an unterschiedlichen Wochentagen getrennt. Die konservativ-islamische Geschlechtertrennung wird bei der MJD eingehalten und praktiziert. So gibt es für Mädchen und Jungen jeweils eigene mehrtägige Jugendlager, bei denen das Gemeinschaftsgefühl und der Gruppenzusammenhalt gestärkt werden sollen. "Unter den Geschwistern der Muslimischen Jugend fühlen wir uns zu Hause, mit keiner anderen Gemeinschaft fühlen wir uns so sehr verbunden", resümiert ein langjähriger MJD-Funktionär seine Zeit bei der Organisation. Die Jugendarbeit der MJD ist hoch professionell, wie die Handbücher für die Lokalkreise mit ihren Hinweisen für eine erfolgreiche Organisation von Jugendgruppen zeigen. (5) Im Zentrum der MJD - Jugendarbeit steht das Bemühen, die religiöse Selbstdefinition als gläubige/r und praktizierende/r Muslimin oder Muslim mit dem Leben in Deutschland zu verbinden. Beides wird im Einklang und nicht im Widerspruch zueinander gesehen, definiert und den Jugendlichen vermittelt. Elemente urbaner, nichtreligiöser Jugendkulturen, wie Hip Hop oder Graffiti, werden adaptiert und mit den eigenen religiösen Inhalten gefüllt. Der heute bekannteste muslimische Hip Hopper, Ammar114 (Milkias Kedebe) (6), der im gesamten Spektrum der so genannten "Pop-Muslime" Beachtung und Anerkennung findet, fand über die MJD nicht nur zum Islam sondern auch zu dem inzwischen von weiteren Jugendlichen kopierten islamischen HipHop-Stil. Die Arbeit der MJD ist darauf ausgerichtet, "nichts gegen den Willen der Eltern zu machen, und dass die Eltern auch zufrieden sind mit dem, was wir leisten, damit es da keine Probleme gibt", so der aktuelle Vorsitzende der MJD, Mohammed Nabil Abdulazim (7). "Jüngere", so Abdulazim, "können in der Regel besser auf die Jugendlichen eingehen, sind flexibler, und die Jugendlichen fühlen sich von ihnen besser verstanden. Die Erfahrung der Älteren ist aber trotz allem nicht zu ersetzen. Wir können als Jugendliche immer nur einen gewissen Input geben, aber durch Lebenserfahrung und Weisheit können auch Ältere einen wichtigen Beitrag geben", so der MJD Vorsitzende. (8)

Diesen Generationenwechsel im Sinne der Elterngeneration brachte auch Riem Hawi zum Ausdruck, als sie am 21. September 2003 als Vertreterin der MJD die junge Generation auf der Jahrestagung der IGD im Berliner Tempodrom vertrat. Mit Verweis auf die Gefährten des Propheten Mohammad stellte sie fest, dass nur eine Jugend, die Teil der Gesellschaft ist und die sich einer Gesellschaft zugehörig fühlt, auch in der Lage ist, diese Gesellschaft zu verändern, und zwar "zum Besseren" (9). "Und auch das wollen wir", erklärte Hawi, denn "Integration heißt ja: Heile machen. Das kommt aus dem Lateinischen und heißt: heile, sauber. Integration heißt heile machen und das wollen wir und nichts anderes". Riem Hawi bezog sich in ihrer Rede auf den geistigen Mentor der Veranstaltung, den deutschen Konvertiten Ahmad von Denffer. In einem Grundsatzreferat zum Thema dieser IGD-Jahrestagung "Integration statt Ghetto?!!" hatte Ahmad von Denffer erklärt: "Die Muslime sollten Integration nicht als 'Teil werden' oder 'Teil sein' der Gesellschaft verstehen, sondern als 'sich beteiligen' an der Gesellschaft, also von einer passiven zu einer aktiven Rolle finden. Wenn die Muslime ihre eigentliche Aufgabe wahrnehmen, nämlich ihren Mitmenschen hierzulande das Wort Allahs nahe zu bringen und den Menschen zu nützen, dann wird all das, worum man sich ansonsten so sehr bemüht, sich eigentlich von selbst erledigen." (10) Die Tatsache, dass man in einer säkularen Demokratie lebe, schreibt Ahmad von Denffer, müsse für die Muslime nur ein Ansporn sein, "sich nach besten Kräften dafür einzusetzen, die Gesellschaft in eine islamgemäße umzuwandeln."

Salafitische Missionare

Distanzierter zur nichtmuslimischen Umwelt und kompromissloser in ihrem Islamverständnis verhalten sich die an orthodoxen saudi-arabischen Gelehrten ausgerichteten, sehr spirituell auftretenden salafitischen Gruppen. Sie sind zwar inhaltlich radikal aber nicht gewaltorientiert, ihre Grundlage ist ein wahhabitisches (11) Islamverständnis mit einer extrem frommen, puritanischen und buchstabengetreu am Koran und an der Scharia orientierten Ausrichtung. Propagiert wird eine Rückkehr zum Vorbild der "lauteren Vorfahren" (al-salaf al-salih) und damit zu einem fiktiven "Urislam", einem vermeintlich reinen Islam zu Zeiten des Propheten Mohammad und der vier rechtgeleiteten Kalifen in Medina. Kennzeichnend für diese Strömung ist die Abwertung all derjenigen, die nicht ihrer dogmatischen Islaminterpretation folgen (12) sowie die extreme Ablehnung der Schiiten und des Schiitentums als "Sekte" und "Abweichung vom Islam". Die damit eingeleitete Spaltung des Islam soll überwunden und rückgängig gemacht werden.

Die männlichen Anhänger dieser Strömung (auch und gerade die Jugendlichen) fallen in der Öffentlichkeit durch Barttracht und orientalisch anmutende Kleidung auf. Es gibt zwei relevante Netzwerke in Deutschland, die den missionarischen Ansatz verkörpern und damit auch im Bereich der Jugendlichen bedingt erfolgreich sind. Das ist zum einen die syrisch-marokkanische Gruppe der vier Imame, gleitet von dem Leipziger Imam Hassan Dabbagh (Abu al-Hussain). Vor allem der Berliner Vertreter dieser Gruppe, der marokkanische Jugendimam Abdul Adhim, hat mit seinen charismatischen Auftritten in verschiedenen Berliner Gemeinden (13) und seinen wöchentlichen Gesprächszirkeln in der Berliner Al-Nur-Moschee vor allem bei Jugendlichen muslimischer Herkunft sowie jungen deutschen Konvertiten eine gewisse Popularität erreicht und eine feste Anhängerschaft sowohl männlicher als auch weiblicher Jugendlicher um sich scharen können. Dazu trägt auch das massive deutschsprachige Internetangebot dieser Strömung bei, ein ganzer Komplex von miteinander vernetzten Homepages bietet neben Informationen, Fatwas (islamische Rechtsgutachten), Diskussionsforen und Internet-Paltalk-Abenden auch die deutschsprachigen Vorträge und Predigten dieser vier Imame als kostenlose Audio- und Videodateien an. (14)

Die zweite, vor allem auch für Jugendliche attraktive Strömung wird von dem deutschen Konvertiten Pierre Vogel (Abu Hamza) verkörpert. Der ehemalige Profi-Boxer Pierre Vogel ist 29 Jahre alt und konvertierte vor sechs Jahren zum Islam. Vogel, der wie ein Wanderprediger in Deutschland unterwegs ist, erreicht mit seinen Botschaften vom "wahren Islam" junge Deutsche, die durch ihn zum Islam konvertieren, junge Migranten, die er zum Islam "zurückführt" sowie sich sunnitisch-panislamisch orientierende Jugendliche, die bei ihrer privaten Suche nach "korrektem" islamischem Wissen auf Islamveranstaltungen, in der Moschee oder im Internet auf Pierre Vogel stoßen und von ihm aufgrund seiner jugendlichen Ausstrahlung und seines großen Wissens angetan sind. Innerhalb bestehender Jugendszenen, wie z.b. dem Milieu von Milli Görüs, driften dabei die Meinungen über Pierre Vogel stark auseinander und es kommt zu sehr kontroversen Diskussionen über ihn. Während Vogel einerseits als gefährlich eingestuft und vor ihm gewarnt wird, weil er in Mekka studiert hat und eine salafitische Islaminterpretation verbreitet, stören sich andere Jugendliche nicht daran, denn das wäre kein Grund, "dass man gar nichts von ihnen nehmen kann." Die massive Internet-Präsenz von Videos mit Vorträgen von Pierre Vogel sowie "Erweckungsvideos" – Videos von männlichen Konvertiten und Audiodateien von weiblichen Konvertitinnen, in denen sie erklären, wieso sie Muslim geworden sind –hat zu einem hohen Bekanntheitsgrad Pierre Vogels (Abu Hamza) geführt und zu einer intensiven Debatte über ihn und seine Anschauungen, nicht nur in Kreisen muslimischer Jugendlicher. Aus dieser virtuellen Aufmerksamkeit können aber nur bedingt Rückschlüsse gezogen werden auf die reale Verbreitung dieser Bewegung innerhalb der muslimischen Jugendsubkulturen. Ein Teil der Jugendlichen wird sich aus dem Angebot Vogels bedienen und einzelne Aspekte in das eigene Weltbild integrieren, ohne sich Vogel oder seiner Strömung anzuschließen bzw. sich zugehörig zu fühlen. Unabhängig davon sind Pierre Vogel und auch Abdul Adhim aber ein zu beachtendes Phänomen in bezug auf die Entwicklung einer konservativen, streng religiös ausgerichteten muslimischen Jugendsubkultur in Deutschland mit sehr starken Abgrenzungstendenzen zu allem "nicht-islamischen". Die von beiden propagierte salafitische Islaminterpretation bildet aber auch die ideologische Grundlage der gewaltbereiten und terroristischen multinationalen Djihad-Gruppen, die ihre Anhängerschaft auch aus den nicht gewaltorientierten salafitischen Netzwerken rekrutieren.

Auch andere Gruppierungen, wie die puritanische Missionsbewegung Tablighi Jamaat (Gemeinschaft der Verkündigung) oder die radikal-islamistisch auftretende Hizb ut-Tahrir (Partei der Befreiung), konnten im Jugendbereich Fuß fassen. Die Tablighi Jamaat (TJ) propagiert eine am Wortlaut ausgerichtete Auslegung des Koran und damit die Wiederbelebung des klassischen Islam als Grundlage für eine starke islamische Identität. Gepredigt wird der Rückzug auf die eigene Gemeinschaft, eine strikte Geschlechtertrennung und eine totale Abschottung von der Umwelt auch in Form von Kleidung sowie Haar- und Barttracht der Männer, ohne dass aber der umgebende Staat aktiv geändert werden soll. Gewalt wird grundsätzlich abgelehnt. Die Bewegung beschreibt sich selbst als unpolitisch, teilt aber die Vision einer puritanischen islamischen Idealgesellschaft mit vielen Islamisten. Im Zentrum der missionarischen Aufmerksamkeit stehen sozial benachteiligte junge Muslime, aber auch junge männliche Nicht-Muslime, die sich bereits für den Islam beginnen zu interessieren. Die TJ-Anhänger suchen diese Jugendlichen auch in kommunalen Jugendfreizeiteinrichtungen auf, um sie aus dieser "sündhaften" Umgebung "herauszuholen". Typisch sind intensive Schulungen im kleinen Kreis und eine starke Indoktrination. Im Unterschied dazu agiert die Hizb ut-Tahrir extrem politisch und agitiert eher in bildungsnahen Kreisen. Zwar wurde der Partei 2003 die Betätigung in Deutschland verboten, sie ist aber nach wie vor aktiv, vor allem im Bereich des Ideologietransfers in Kreise von Oberschülern und Studenten, wie z.B. in Hamburg oder Berlin. Gewalt zur Erlangung der Macht wird nicht ausgeschlossen, richtet sich aber auf die "islamischen" Länder, wo ein Kalifat errichtet werden soll. Die Strategie der Hizb ut-Tahrir (HT) besteht darin, vorhandene muslimische Organisationen und Gruppen ideologisch zu unterwandern. Bei den intellektuellen Jugendlichen und Studenten beeindrucken sie mit rhetorischer Brillanz und theologischer Belesenheit. Sie versuchen, ein Milieu zu schaffen, eine ideologische Aufrüstung, mit der die Anhänger (männliche aber auch weibliche Jugendliche) dann selbstständig ausschwärmen. Inspiriert, aber unabhängig von der Hizb ut-Tahrir, agitieren diese Jugendlichen unermüdlich ihre Altersgenossen auf lokaler und überregionaler Ebene und bemühen sich um eine Vernetzung Gleichgesinnter, wobei das Internet eine wichtige Rolle spielt. Mit ihrer radikalen Ablehnung jeglicher politischen Integration in Deutschland stößt die Hizb ut-Tahrir aber auch auf heftige Kritik in ihrer jugendlichen Zielgruppe, denn diese Haltung mache es unmöglich, die Lebenssituation der Muslime entsprechend den eigenen Vorstellungen zu beeinflussen.

Zwischen Ohnmacht und Aktivität

Im Unterschied zu den bildungsnahen und sozial integrierten muslimischen Jugendlichen, die ihren gesamten Lebensalltag entsprechend ihrer politisch-ideologischen oder dogmatisch religiösen Orientierung gestalten, ihre Überzeugung leben und dafür auch aktiv werden, gestaltet sich die Affirmität gegenüber radikalen islamistischen Gruppierungen in Kreisen eher bildungsferner und sozial desintegrierter muslimischer Jugendlicher eher rhetorisch. Sie begreifen sich aufgrund ihres muslimischen Familienhintergrundes als Teil einer Weltgemeinschaft und leiten aus dem positiven Bezug auf die radikalen und terroristisch agierenden Djihad-Gruppen, deren Führungspersonen und "Märtyrer" für sich selbst ein Überlegenheitsgefühl und ein übersteigertes Selbstwertgefühl ab. Es ist eher eine Kompensation erlebter eigener Ohnmacht, Unzulänglichkeit und Schwäche, Perspektivlosigkeit und eine Flucht aus dem Alltag. Die Selbstaufwertung erfolgt größtenteils über das Internet und die dort veröffentlichten Gewaltvideos mit Szenen aus den zahlreichen aktuellen Konflikten. Die Bildersprache ist simpel, mit Aufnahmen hochgerüsteter amerikanischer oder israelischer Militärs wird die "Überlegenheit und Grausamkeit der Nicht-Muslime" dem "heroischen Agieren der Muslime", ihrem Widerstand und Durchhaltevermögen, ihrer Kampf- und ihrer Opferbereitschaft gegenübergestellt. Im Alltag äußern sich diese Bezüge bei den Jugendlichen nicht durch religiöses Verhalten oder Praktizieren der Religion sondern eher in Form von Sprüchen, aggressiven verbalen Abgrenzungen entlang der Linie "Muslim" – "Nichtmuslim" und einem das Männliche, das Starke betonenden Habitus und Outfit. Eine sehr wohl kleinere, schwer zu schätzende Anzahl von Jugendlichen geht über diese formale und eher rhetorische Identifikation hinaus. Sie beziehen über das Internet nicht nur die audiovisuellen Propagandamaterialien sondern auch die zahlreichen religiös verbrämten ideologischen Schriften, Bücher, Aufsätze, Statements, Analysen und Anweisungen und machen sie sich zu eigen. Gleichzeitig vernetzen sie sich über Diskussionsforen und es entsteht eine virtuelle Gemeinschaft, die den Beteiligten das Gefühl gibt, einer weltweiten starken Gemeinschaft anzugehören, auch wenn sie im Alltag recht einsam sind.

Das ideelle Netzwerk der Lifemakers

Jugendlichen, die diese Abschottung ablehnen und sich mit ihrer islamischen Identität am Leben in Europa beteiligen wollen, bot der TV-Prediger Amr Khaled mit der von ihm ins Leben gerufenen muslimischen Jugendinitiative Lifemakers eine progressive Alternative. Mit seiner seit April 2004 im arabischen Satelliten-TV-Sender Iqra ausgestrahlten Fernseh-Show ("Sunna Al-Hajat" - Lifemakers) wurde Khaled schnell zum bekanntesten arabischen TV-Imam. In dieser Show, die den Sendungen amerikanischer evangelikaler Erweckungsprediger ähnelt, richtet sich Amr Khaled gezielt an bildungsnahe muslimische Mittelstands-Jugendliche in der arabischen Welt aber auch in Europa. Zusätzlich verfügt er über eine Webseite mit Forum (15). In Deutschland nahm diese muslimische Jugendbewegung im Winter 2005 ihren Anfang und umfasste in kürzester Zeit etwa 400 aktive muslimische Jugendliche zwischen 16 und 30 Jahren, darunter ein hoher Anteil Mädchen und junge Frauen. Zunächst bestand diese Szene aus der im Februar 2005 eingerichteten Internetplattform (16), die als eine Art Schwarzes Brett für die einzelnen Lokalgruppen fungierte. Diese Lokalgruppen bildeten sich in verschiedenen Städten, entsprechend der religiös begründeten Geschlechtertrennung aufgeteilt in Mädchen- und Jungengruppen. Im Jahr 2006 gab es einen Wechsel des Internetauftrittes (17), die Anzahl aktiver Teilnehmer sowie der vorgeschlagenen Projekte hatte rapide abgenommen. Inzwischen finden sich gar keine Inhalte mehr auf dieser Seite, während die ursprüngliche Internetseite lifemakers von Gegnern dieser Jugendbewegung genutzt und umgeleitet wird zu einer salafitischen Homepage, auf der in arabischer Sprache die Autoritäten der Muslimbruderschaft von Sayyid Qutb über Yusuf al-Qaradawi bis hin zu Amr Khaled als "Fitne (Verführung) islamischer Gruppen" (18) an den Pranger gestellt werden. Auch sonst ist von der Lifemakers-Bewegung nur noch wenig zu hören. Zwar gibt es einige Lokalgruppen, wie in Köln-Bonn, Darmstadt und Hamburg. In Berlin hatte sich 2005 nur eine aus etwa 15 Mädchen bestehende Lokalgruppe gebildet und auch in anderen Regionen war feststellbar, dass sich eher junge Frauen als junge Männer engagieren. Insgesamt krankt die Bewegung wohl am fehlenden persönlichen Engagement der Jugendlichen vor Ort, was auch als Zeichen dafür gewertet werden kann, dass es sich hier tatsächlich um eine unabhängige, ideell am Ideengeber, dem Prediger Amr Khaled, ausgerichtete Jugendszene handelt, hinter der keine Organisationen oder Netzwerke Erwachsener stehen, die durch aktive Jugendarbeit ihr Fortbestehen sichern wollen oder ein Outsourcing der Jugendarbeit betreiben. Zu den Ideen und Vorstellungen Amr Khaleds gehört allerdings auch, dass er den Islam und die Demokratie jeweils als ein eigenes System begreift, und lediglich für eine gegenseitige Annäherung dieser beiden Systeme plädiert. "Jeder Versuch, die arabische Gesellschaft zu entwickeln und zu optimieren, bei dem der Glaube nicht im Mittelpunkt steht, ist zum Scheitern verurteilt; denn der Glaube ist das stärkste und schönste Element im arabischen Wesen. Solche Experimente können vielleicht eine Weile gut gehen, aber der Kollaps ist vorprogrammiert. Denn die entscheidende Wirkungsmacht fehlt." (19) Die Annäherung an die "westliche Demokratie" sieht er vor allem in der Übernahme demokratischer Strukturen, wie Meinungs- und Religionsfreiheit, Pluralismus und demokratischen Parlamentarismus.

Den muslimischen Jugendlichen in Europa vermittelt Khaled die Botschaft: "Wirkt in der westlichen Gesellschaft mit, integriert Euch und bietet ihr Dienstleistungen an; nicht um zu sagen, dass wir besser sind als sie, das ist kein Ziel! Das Ziel ist der Respekt Muslimen gegenüber. ... Ich denke, das Ziel eines jeden jungen Muslims im Westen sollte die Respektierung der eigenen Religion durch die Umwelt sein. Wie lässt sich das bewerkstelligen? Mit unserer Umgangsart, mit unserem Charakter, mit sozialem Engagement für die Menschen, durch unsere Mitwirkung und durch das Erlernen ihrer Sprachen. ... Von den muslimischen Jugendlichen müssen drei Dinge verlangt werden: Vorbildlicher Charakter, überdurchschnittliche Leistung und Erfolg im Leben, damit sie respektiert werden. Das hier ist eine Gesellschaft, die auf Erfolg aufgebaut ist. Außerdem müssen dieser Gesellschaft Dienstleistungen angeboten werden." (20)

Und so sehen sich die aktiven Jugendlichen der Lifemakers gefordert, Jugendliche zu motivieren und zu zeigen, "dass wir als muslimische Jugendliche sehr wohl etwas drauf haben und sehr wohl etwas tun können. Uns liegt der Islam und die Gesellschaft sehr am Herzen. Wir möchten die guten Eigenschaften, die uns der Prophet, Allahs Segen und Friede seien auf ihm, vermittelt hat, wieder in der Realität verwirklichen." (21) Die Stärkung des Selbstbewusstseins der Jugendlichen erfolgt durch die Religion. "Wir müssen einfach nur vertrauen in Allahs Kraft, in seine Liebe uns gegenüber und in seine Gnade!... Mach die Augen auf, du willst wissen, was Stärke ist? Mach den Koran auf und lies! Dort findest du mehr als Hölle und Paradies! ... Nehmen wir uns doch vor, Allahs Nähe zu spüren, indem wir nicht NUR im Ramadan beten, nicht NUR im Ramadan Kopftuch tragen, nicht NUR im Ramadan Koran lesen." (22)

Auch die IGD hat die Kraft dieser Erweckungs-Botschaft erkannt und den Spiritus rector dieser Bewegung, Amr Khaled, seit 2003 jedes Jahr als Stargast auf ihren Jahrestreffen präsentiert. Allein durch den Auftritt Amr Khaleds gelang es der IGD 2003 und 2004 jeweils etwa 10.000 Teilnehmer, darunter viele Jugendliche, zu mobilisieren. 2005 sank die Zahl jedoch auf etwa 4.000 Teilnehmer und im Dezember 2006 kamen nur noch insgesamt 2.000 Muslime zum IGD Treff nach Hamburg. Der anfängliche Zuwachs dieser Szene, die Mobilisierungsfähigkeit in breite Kreise muslimischer Jugendlicher hinein, scheint ihren Höhepunkt erreicht zu haben und sich spätestens 2006 wieder zu relativieren. Wie groß aktuell die Anzahl der wirklich aktiven Jugendlichen ist, die sich in der Lifemakers-Szene engagieren, kann nicht gesagt werden, sie dürfte sich aber eher verringert als vergrößert haben. Auch wenn die Jugendlichen die Anregungen Amr Khaleds nicht in größerer Zahl durch organisierte Lokalgruppen umsetzen, so kann man aber wohl von einer mit den Ideen Amr Khaleds sympathisierenden muslimischen Jugendszene sprechen.

Die Anregungen und Sichtweisen, die der Lifemakers-Szene zugrunde liegen, haben auch in anderen islamischen Strömungen ihre Umsetzung gefunden, wie z.B. im Bereich der türkischen Nurculuk der Berliner Verein "Lichtjugend e.V.", die libanesischen Schiiten der Vereine al-Hiwar und Mahdi in Berlin, der marokkanisch-sunnitische Kulturverein Interface e.V. in Düsseldorfer usw. Immer zahlreicher werden die lokalen Initiativen muslimischer Jugendlicher, die sich verantwortlich fühlen für ihre muslimischen Altersgenossen beiderlei Geschlechts. Ihr soziales Rüstzeug gegen Langeweile und Herumlungern auf den Straßen, Partykultur und sexuelle Freizügigkeit, Bildungsverweigerung und Perspektivlosigkeit, Alkohol- oder Drogenkonsum, Gewalt und Kriminalität ist die Religion, die daraus abgeleiteten Werte und Normen. Ihre persönlichen Erfahrungen mit der Religion, aus der sie ihre Kraft schöpfen, die ihnen Orientierung, Halt und Selbstwertgefühl gibt, die sie zum Teil einer Gemeinschaft gemacht hat, in der sie sich geborgen fühlen, sind die Grundlage ihres Sendungsbewusstseins. Sie fühlen sich verpflichtet, für ihre Gemeinschaft und ihre Religion etwas zu tun, auch und gerade weil die Altersgenossen durch ihr Verhalten das Antlitz dieser Gemeinschaft und auch der Religion beschmutzen. Die jungen Sozialarbeiter sind Missionare im Dienste des Islam, den sie zwar entsprechend ihrer konfessionellen Orientierungen verschieden auslegen von konservativ-religiös bis moderat-islamistisch, dessen Kernbotschaft für sie alle aber in der Gerechtigkeit liegt. Sie fühlen sich als Teil dieser Gesellschaft und wollen auch an dieser Gesellschaft Teil haben. Diskriminierungen und Ablehnungen durch diese Gesellschaft spornt sie eher an, als dass sie sich entmutigen lassen. Elemente der Popkultur, ein konservatives Religionsverständnis und soziales und politisches Engagement kennzeichnet diese muslimischen Jugendgruppen. Abgrenzung und kritische Hinterfragung erfahren sie einerseits von extrem spirituellen bzw. religiös fundamentalistischen Gruppen, wie den Salafiten oder der Tablighi Jamaat sowie von radikal islamistischen Gruppen wie der Hizb ut-Tahrir. Hier entsteht eine kleine, aber recht selbstbewusste Elite, die entweder den traditionellen islamischen und islamistischen Verbänden neuen Schwung geben wird, so man sie denn lässt, oder "dem Islam" in Deutschland in all seinen Ausprägungen ein eigenes Gesicht verleiht, dem sich diese Verbände werden stellen müssen.

Quellen

1) Bei den einzelnen Szenen klaffen hier Theorie und Praxis noch stark auseinander, was aber nichts am anvisierten Ziel ändert. 2) 24.11.2006 unter: www.igmg.de/index.php?module=ContentExpress &func=print&ceid=2704 3) Jugendabteilung der Islamic Society of Britain, siehe: www.isb.org.uk/pages06/home.asp# 4)www.berlin.de/imperia/md/content/seninn/ verfassungsschutz/stand2005/vsb_2006.pdf. 5) siehe: www.mj-net.de 6) Der 29-jährige Frankfurter Hip Hopper Ammar 114 (114 steht für die 114 Suren des Koran) kam über die MJD zum Islam, er selbst ist deutsch-äthiopischer Herkunft. Ammars Texte sind eine Mischung aus Religion, Alltags- und Diskriminierungserfahrungen, politischer Analyse und latent islamistischer Propaganda. Für ihn ist der Musik-Stil (Hip Hop) Mittel zum Zweck. Mit den Texten will er Jugendliche erreichen, "die Brüder, die kriminell sind und Drogen nehmen" zurück auf den Weg des Islam führen, denn "du kannst mir Millionen bieten, doch eine Sache ist klar - das beste Angebot kommt immer noch von Allah". 7) zitiert nach. Islamische Zeitung: Hintergrund: Wie sich gegenüber den Älteren verhalten?, von Yasin Alder, 03.01.2007 8) Inzwischen haben mehrere ehemalige Mitglieder des MJD-Vorstandes (Schura), wie z.B. Imran Sagir, Gründer und ehemaliger Amir der MJD, Leitungsfunktionen in den Organisationen des Netzwerkes übernommen. 9) Video-Mitschnitt der Rede bei der Autorin 10) www.i-g-d.com/html/jahrestreff2.htm Abgelesen am 20.22004 11) Die moderne Salafiyya ab dem späten 19. Jahrhundert ist eine wesentlich heterogenere Bewegung als die Wahhabiyya, die auf das Engste mit dem modernen saudischen Staat verbunden ist. In der Gegenwart existiert eine Vielzahl von Bewegungen, die sich ideologisch aus den Quellen der klassischen und der modernen Salafiyya sowie der Wahhabiyya speisen, dazu zählen auch die Muslimbruderschaft und die Milli Görüs. 12) takfir - jemanden zum Ungläubigen erklären. 13) Vor allem Einrichtungen, die der Ideologie der Muslimbruderschaft nahe stehen. 14) Siehe z.B. die Homepage von Abdul Adhim www.islamvoice.de. 15) www.amrkhaled.net 16) www.lifemakers.de 17) www.dielifemakers.de 18) www.dawa-salafiya.de/Dalal/fahras.htm 19) zitiert nach Neue Zürcher Zeitung, 07.11.2005, "Mit Fatwas gegen die Hydra des Terrors" von Tarek Atia. 20) zitiert nach Islamische Zeitung, 14.10.2003, "Bezug zur Gesellschaft herstellen - Gespräch mit Amr Khaled" 21) zitiert nach Islamische Zeitung, 04.05.2005, Interview mit Saloua Oulad, Pressesprecherin Lifemakers-Deutschland 22) zitiert nach Saloua Oulad, 24.09.2005, Protokoll des Lifemakers-Treffens

Claudia Dantschke studierte Arabistik an der Universität Leipzig. Sie schreibt zu den Themen Antisemitismus, Migration, Islam und Islamismus. Seit Dezember 2001 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Zentrum Demokratische Kultur (ZDK) in Berlin.