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Die dunkle Bedrohung Hintergrund der gesetzgeberischen Tätigkeit seit dem 11. September 2001

Harald Weber Harald L. Weber

/ 9 Minuten zu lesen

Ob Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung oder Debatte ums Luftsicherheitsgesetz: Die Terrorgefahr stellt den Rechtsstaat vor neue Herausforderungen. Wie lassen sich Sicherheit und Freiheit in Zeiten terroristischer Bedrohungen austarieren?

Das Bild einer Ueberwachungskamera zeigt einen Verdächtigen am 31. Juli 2006 auf dem Kölner Hauptbahnhof. (© AP)

Die weltweite Bedrohung durch den global operierenden, islamistischen Terrorismus ist eine Tatsache, deren Auswirkungen jedermann zu spüren bekommt – wenn auch eine weit überwiegende Zahl von Menschen nicht unmittelbar von extremistischer Gewalt betroffen ist. Dennoch bestimmt der "Krieg gegen den Terrorismus" mittlerweile maßgeblich den Alltag der Bevölkerungen auf allen Kontinenten: durch eine allgemein erhöhte Wachsamkeit gegenüber "verdächtigen Bestrebungen" bestimmter Religionsgemeinschaften (insbesondere des Islams); verschärfte Sicherheitsmaßnahmen im Reise- und Luftverkehr; eine Vielzahl neuer und ergänzter Strafvorschriften; eine intensivierte Kontrolle des Warenverkehrs und des Außenhandels im Hinblick auf Waffenschmuggel und Komponenten zum Bombenbau; die Beobachtung internationaler Finanztransaktionen, um dem Verdacht auf Geldwäsche oder der Terrorfinanzierung nachzugehen; gelockertem Datenschutz, technische Überwachungsvorkehrungen im öffentlichen Raum und im Internet und vieles andere mehr.

Der "11. September" ist für Jedermann ein Begriff und zum historischen Paradigma für die Eskalation paramilitärischer terroristischer Gewalt geworden. Am 11.09.2001 wurden in den Vereinigten Staaten von Amerika vier Flugzeuge von insgesamt 19 Entführern gekidnappt und als Waffen verwendet. Zwei der Passagierjets wurden in das World Tra-de Center in New York gesteuert, eine Maschine flog in das Pentagon in Washington, D.C. und ein weiteres Flugzeug stürzte bei Pittsburgh, Pennsylvania auf ein Feld, bevor ein vermutlich drittes Anschlagsziel erreicht werden konnte. Bei diesen Verbrechen kamen allein über 3.000 Menschen ums Leben; weitere spektakuläre und grausame terroristische Attacken (z. B. in Madrid am 11.03.2004 und London am 07.07.2005) sorgten für Aktualisierungen der ansonsten latenten Bedrohungslage. Vergleichbare Verbrechen gab es in Deutschland bisher glücklicherweise nicht; ob dies allein der Wachsamkeit bundesdeutscher Sicherheitsorgane geschuldet ist, mag hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass auch die häufig genannte Hypothese vom "deutschen Rückzugs- und Erholungsraum" für islamistische Attentäter und sogenannte "Schläfer" eine Rolle spielt.

Dennoch konnten auch hier zu Lande seit dem Jahre 2002 diverse Terroranschläge vereitelt werden; als spektakulärste Fälle sind die folgenden zu nennen:

  • Im April 2004 werden nach Großrazzien mehrere mutmaßliche Mitglieder der islamistischen Organisation "Al Tawhid" gefasst. Die Männer, drei Palästinenser und ein Algerier, hatten im Auftrag des gesuchten Top-Terroristen Abu Musab al-Zarqawi Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Düsseldorf und Berlin geplant. Im Oktober 2005 werden sie zu Haftstrafen zwischen fünf und acht Jahren verurteilt.


  • Ende Juli 2006 scheitern zwei Anschläge auf Regionalzüge in Nordrhein-Westfalen aufgrund von technischen Fehlern bei der Umsetzung der Bombenanleitung zum Zündmechanismus. Zwei Sprengsätze, die am Kölner Hauptbahnhof in zwei Züge nach Koblenz und Hamm gelegt worden waren, sollten zahlreiche Menschen töten. Die Täter sind zwei junge Libanesen, die kurze Zeit später in Kiel und im Libanon gefasst wurden.


  • Im September 2007 vereiteln die Sicherheitsorgane durch frühzeitiges Eingreifen und Beobachtungen im Vorfeld mehrere schwere Bombenattentate, die auf US-Ziele in Deutschland erfolgen sollten. Die Täter, drei Mitglieder einer deutschen Zelle der "Islamischen Dschihad-Union" – zwei Deutsche und ein Türke – wollten laut Bundeskriminalamt an mehreren Orten gleichzeitig Autobomben zur Explosion bringen.

Rechtsstaatliche Maßnahmen zur Terrorabwehr

Aus diesen Umständen einer dramatisch veränderten Sicherheitslage ergibt sich für den Rechtsstaat, der grundgesetzlich zum Schutz seiner Bürger verpflichtet ist, als primäres Ziel die möglichst umfassende Vereitelung von terroristischen Anschlagsplänen bereits im Vorfeld. Die Verantwortlichen aus Politik und Gesellschaft stehen hier jedoch vor einer großen Herausforderung und zahlreichen entscheidenden Fragen, deren Beantwortung über die künftige Grundverfassung unseres demokratischen Gemeinwesens entscheidet: Wie kann man den Rechtsstaat bewahren, ohne die grund- und einfachgesetzlich garantierten Freiheitsrechte des Einzelnen gesteigerten Sicherheitsinteressen zu opfern? Wie sollen terroristische Angriffe bekämpft werden? Wie müssen im Rahmen des Katastrophenschutzes die spezifischen Notfallpläne beschaffen sein? Wie wird die Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe gewahrt und wie die Balance zwischen Prävention und Repression gehalten?

Diese Fragen können hier nicht sämtlich beantwortet werden; sie dienen aber dazu, das ganze Ausmaß des eminent politisch-sozialen Terrains abzustecken, auf dem sich die derzeitigen und künftigen Diskussionen abspielen werden. Außerdem richtet sich in ihnen gewissermaßen auch ein Appell an die bundesrepublikanische Bürgerschaft: Nicht tatenloses Zusehen ist die "erste Bürgerpflicht", sondern zivilgesellschaftliches Engagement und die Auseinandersetzung mit den Problemen, die sich aus der Realität administrativ-legislativer Reaktionen auf die terroristische Bedrohung für den Fortbestand des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats ergeben.

Die Losung vom "Krieg gegen den Terror" ("war on terrorism") führte zumal am Ursprungsort dieser neuen Art "asymmetrischer Kriegsführung" (Herfried Münkler) in den USA zu einer Vielzahl von Gesetzen und Maßnahmen auf dem Gebiet der Terrorbekämpfung; man kann sogar sagen, dass eine völlig neue Sicherheitsarchitektur etabliert wurde (hier sei an die Gründung des "Department for Homeland Security" – DHS im Jahre 2002 erinnert). Weitgehende Einblicke in das Privatleben erlaubte beispielsweise der "Patriot Act", der den Geheimdiensten etwa Zugriffe auf die Datenbestände von Bibliotheken erlaubt, um die Lesegewohnheiten potentieller Terroristen auszuforschen.

Eine der weiteren, in den USA angesichts des für die Anschläge vom 11. September verwendeten Angriffsmittels für die Bekämpfung des Terrorismus als sachdienlich erachteten Maßnahmen, war die zunehmend schärfere Überwachung des nationalen und internationalen Flugverkehrs sowie eine massive Verschärfung der Einreisebestimmungen.

Die Debatte um das Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG)

Um die Problematik für die bundesdeutsche Rechtssphäre exemplarisch zu verdeutlichen, lässt sich die Debatte um das Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) heranziehen. Um terroristische Bedrohungen des Luftverkehrs im Zuge der Geiselnahme von Flugzeugpassagieren abzuwehren, entsann man sich - nicht zuletzt wegen einiger Zwischenfälle auf deutschem und europäischem Territorium (vgl. die Fälle eines verwirrten Kleinflugzeug-Piloten in Frankfurt/Main, der über das dortige Bankenviertel flog und diverse symbolträchtige Hochhäuser der Frankfurter Skyline umkurvte sowie des "Schuhbombers" Richard Reid) – auch in Deutschland der schadensträchtigen Konsequenzen des "airborne kidnapping": Das LuftSiG trat am 15.01.2005 in Kraft. Nachdem schon Bundespräsident Horst Köhler schwere Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geäußert, es aber im Hinblick auf eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dennoch unterzeichnet hatte, wurden im Laufe des Jahres 2005 bei dem für solche Fragen zuständigen Ersten Senat des BVerfG durch vier Rechtsanwälte, einen Patentanwalt und einen Flugkapitän Verfassungsbeschwerden gegen das LuftSiG erhoben.

Am 15.02.2006 erließen die obersten Richter der Bundesrepublik schließlich ihr Urteil: Die Abschussermächtigung im Luftsicherheitsgesetz ist nichtig. Die spezialgesetzliche Norm, an der sich die meisten Bedenken entzündet hatten, war § 14 Abs. 3 LuftSiG:

"(3) Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist."
Verfassungsrechtlich ist mit der diffizilen Regelung insbesondere das Grundrecht auf Leben betroffen, Art. 2 Abs. 2 S. 1, 1. Fall Grundgesetz (GG), aber auch das Prinzip der Unantastbarkeit der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf Leben besteht primär als Abwehrrecht gegen den Staat (vertikal), der das Leben seiner Bürger zu schützen hat; darf er es aber auch opfern?

Ja, sagen zumindest implizit das Gesetz und seine Befürworter. Nein, sagen seine Gegner. Denn: Die todgeweihten Passagiere dürfen unter dem Aspekt der Menschenwürde nicht zum Objekt staatlichen Handelns gemacht werden, wenn man sie lediglich als "Teil einer Waffe" betrachtet. Schon Kant sage schließlich, dass ein Mensch nie Mittel zum Zweck sein dürfe, sondern immer nur der Zweck an sich. Ein Circulus vitiosus: Was ist, wenn genau diese Zwecke kollidieren und, erst recht, konkurrieren? Gibt es hier eine gesetzliche Lösung oder gilt der Satz des FDP-Bundestagsabgeordneten und Parlamentarischen Geschäftsführers Ernst Burgbacher: "Es gibt Güterkollisionen, die sich einer exakten legislatorischen Beschreibung entziehen"?

Der Spruch aus Karlsruhe hat jedenfalls erneut klargestellt: Leben darf grundsätzlich nicht gegen Leben abgewogen werden; es sei "schlechterdings unvorstellbar", unschuldige Menschen auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung vorsätzlich zu töten bzw. so über ihr Leben staatlicherseits "einseitig zu verfügen". Es fehlt sogar an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, denn dieser darf zwar Regelungen zum Hilfseinsatz der Streitkräfte im Falle von Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen treffen, nicht aber zur Verwendung spezifisch militärischer Mittel auf dem Territorium der Bundesländer. Die allgemeine Gefahrenabwehr – eine genuine Aufgabe der Länder – auch unter Zuhilfenahme der Bundeswehr dürfe nur mit qualitativ gleichwertigen Werkzeugen erfolgen, wie sie etwa auch den Polizeikräften der Länder zur Verfügung stünden. Der Abschuss eines Flugzeugs gehört dazu nicht. Auch werde vom GG in überregionalen Katastrophenfällen eine Entscheidung der Bundesregierung zum Einsatz von Militärkräften verlangt (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GG); das LuftSiG sehe für den genannten Eilfall jedoch nur die Instanzen Verteidigungs- und Innenminister vor.

Der Gesetzgebungsprozess in Bezug auf eine Regelung der Bekämpfung von Angriffen auf den Luft- und Seeverkehr ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Weiterhin sehen maßgebliche Sicherheitsorgane und das deutsche Innenministerium eine dringende Notwendigkeit, die Reaktion auf existentielle Not- und Gefahrensituationen wie das Hijacking von Flugzeugen, mit denen Attacken auf Menschen (Abwägung Leben gegen Leben) und Ziele von bedeutendem Wert (Wahrzeichen, Denkmäler, Hochhäuser etc.) oder mit großem Schadens-/Gefahrenpotential (z. B. Atomkraftwerke, Wasserversorgungsanlagen) begangen werden sollen, verfahrenstechnisch abzusichern.

Sicherheitspakete I und II

Natürlich hat sich die Anti-Terror-Gesetzgebung von Anfang an nicht auf den Fall einer Regelung zur Abwehr von Konstellationen beschränkt, wie sie am 11. September Wirklichkeit geworden sind. Es sind eine Vielzahl legislatorischer Maßnahmen getroffen worden, eine beeindruckende Übersicht dazu findet sich im Internet bei Externer Link: www.cilip.de. Die wichtigsten Neuregelungen, an denen sich denn auch unmittelbare Kritik entzündete, waren die sogenannten "Sicherheitspakete I und II" (beschlossen im November und Dezember 2001). Der zentrale Kern der Sicherheitspakete ist das "Terrorismusbekämpfungsgesetz", das am 01. Januar 2002 in Kraft trat. Die Gesetzesvorlagen des damaligen Innenministers Otto Schily enthalten eine große Zahl an Gesetzesänderungen und neuen Bestimmungen. Dazu gehörten zunächst etwa die Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz oder der neue § 129 b des Strafgesetzbuchs (StGB), mit dem terroristische Vereinigungen auch im Ausland bekämpft und ihre Finanzquellen ausgetrocknet werden sollen.

Das Terrorismusbekämpfungsgesetz (Sicherheitspaket II) schließlich brachte Änderungen zu mehr als 100 Gesetzen und Verordnungen, mit denen insbesondere die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden (Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst etc.) sowie der interbehördliche Datenaustausch gestärkt und erweitert wurden. Zu den Präventions- und Strafverfolgungsmaßnahmen gehörten eine Ausweitung der Rasterfahndung, Änderungen des Ausländer- und Passrechts ("um bereits die Einreise terroristischer Straftäter nach Deutschland zu verhindern, identitätssichernde Maßnahmen im Visumverfahren und Grenzkontrollmöglichkeiten zu verbessern und bereits im Inland befindliche Extremisten besser zu erkennen" – so die Gesetzesbegründung) sowie umfangreiche Ergänzungen zur Sicherung der Verkehrsinfrastruktur und Energieversorgung.

Im Zuge dieser Gesetzgebung sind von Anfang an vielfältige kritische Aspekte aufgetaucht, welche die Freiheitssphäre der Bürger betreffen. Die Gesetzesänderungen bringen es naturgemäß mit sich, dass auch bestimmte Freiheitsrechte eingeschränkt werden und damit der Schutzbereich solcher Grundrechte wie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem Post- und Fernmeldegeheimnis, der allgemeinen Handlungsfreiheit oder des Asylrechts betroffen ist. Obwohl die Gesetze teilweise nur befristet in Kraft traten, um eine spätere Evaluation im Hinblick auf ihre Auswirkungen zu ermöglichen, gelten die wesentlichen Regelungen unverändert fort.

Schon wegen der aktuellen Bedrohungslage, die sich auch in den vereitelten Anschlägen in Deutschland dokumentiert, ist nicht abzusehen, dass die sicherheitspolitische Debatte zu einem Ende kommen könnte. Geplante Gesetzesänderungen und Neuregelungen wie auch die laufenden Maßnahmen zur Sicherung der sozialen Infrastruktur halten die Bürger weiter in Atem. Stichworte, welche die Auseinandersetzungen über zulässige rechts-staatliche Maßnahmen dominieren, sind die ständig verschärften Fluggastkontrollen, das jüngste EU-USA-Abkommen zur Weitergabe von Flugpassagierdaten aus dem Jahr 2007, der Einsatz der Bundeswehr im Innern, die Online-Durchsuchung, der "Bundes-Trojaner", Lockerung des Datenschutzes (die ab dem 01.01.2008 in Kraft tretende massive "Vorratsdatenspeicherung" von Telekommunikationsanbietern), die Einführung von mit biometrischen Erkennungsmerkmalen versehenen, nun (angeblich) fälschungssicheren Identifikationspapiere etc.

Man ist sich in Politik und Öffentlichkeit letztlich einig, dass die Bundesrepublik Deutschland kein totaler Überwachungs- und Präventionsstaat werden soll – es bleibt aber die Frage danach, wie sich Sicherheit und Freiheit in Zeiten terroristischer Bedrohungen austarieren lassen. Eine endgültige Antwort hierauf bleibt dem öffentlichen Diskurs unserer demokratischen Gesellschaft überlassen; es ist aber zu hoffen, dass die Wirklichkeit in Form neuer terroristischer Anschläge diese Diskussion nicht überholt.

Literatur

Karsten Baumann, Das Urteil des BVerfG zum Luftsicherheitseinsatz der Streitkräfte, in: JURA 2006, S. 447 ff.

Lothar Fritze, Die Tötung Unschuldiger, Berlin – New York 2004

Michael Ignatieff, Das kleinere Übel, Politische Moral in einem Zeitalter des Terrors, Hamburg – Berlin 2005

Josef Franz Lindner, Die Würde des Menschen und sein Leben – Zum Verhältnis von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG – in: DÖV 2006, S. 577 ff.

Gerd Roellecke, Der Rechtsstaat im Kampf gegen den Terror, in: JZ 2006, S. 265 ff.

Wolfgang Schäuble, Aktuelle Sicherheitspolitik im Lichte des Verfassungsrechts, in: ZRP 2007, S. 210 ff.

Lawrence Wright, Der Tod wird Euch finden, Al-Qaida und der Weg zum 11. September, München 2007-12-18

Schriften der Bundeszentrale:

Interner Link: Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft 36/2006: "Folter und Rechtsstaat"

Interner Link: Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft 12/2007: "Innere Sicherheit im Wandel"

Geb. 1968, LL.M. (Informationsrecht), Jura-Studium in Bonn und Konstanz, danach Rechtsreferendariat in Bonn, u.a. Wahlstation bei der AHK Chicago, Illinois. Mitglied in der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung und dem Deutschen Anwaltverein. Rechtsanwalt seit 2002, daneben Tätigkeit als freier Journalist. LL.M.-Studium in Düsseldorf 2004/2005, zur Zeit Master-Studium "Philosophie-Politik-Wirtschaft" (M.A.) an der LMU München.