Was bedeutet Trumps America-first-Handelspolitik für den globalen Süden?
Die Handelspolitik der aktuellen US-Regierung verstärkt die Krise des Multilateralismus aus der Perspektive der Entwicklungsländer erheblich. Clara Brandi und Axel Berger diskutieren, wie der neue Protektionismus insbesondere diese Staaten trifft.
Die USA waren der zentrale Protagonist, der den Aufbau einer liberalen und regelbasierten Handelsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg vorangetrieben hat. Seinen Höhepunkt fand dieser Aufbau in der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) Mitte der 1990er Jahre. Die Amtsübernahme von Donald Trump als 45. US-Präsident markiert einen Wendepunkt, der nicht nur die isolationistischen Tendenzen in der Handelspolitik der USA stärkt, sondern das internationale Handelssystem in Frage stellt.
Schon im Wahlkampf hatte Trump versprochen, die Interessen der USA und insbesondere des vom Abstieg bedrohten US-Mittelstandes an vorderste Stelle ("America First") zu setzen. In der Handelspolitik bedeutet dies Abschottung gegenüber Importen, Restriktion von Auslandsinvestitionen amerikanischer Unternehmen und Skepsis gegenüber regionalen und multilateralen Handelsabkommen. [1]
Bereits an seinem ersten Amtstag verkündete der Präsident den Rückzug der USA aus der kurz vor dem Abschluss stehenden Transpacific Partnership (TPP), eines zwölf Staaten umfassenden Freihandelsabkommens im asiatisch-pazifischen Raum. Zudem legte er die Verhandlungen mit der Europäischen Union (EU) über die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) auf Eis und zwang Südkorea, Mexiko und Kanada in Neuverhandlungen bestehender Handelsabkommen. Die amerikanische Regierung kritisiert das multilaterale System und blockiert die Neubesetzung vakanter Richterposten beim Streitschlichtungsgremium der WTO. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt verhängte Präsident Trump Schutzzölle auf Solarmodule und Waschmaschinen, im März 2018 folgten Schutzzölle auf Stahl und Aluminiumprodukte, und im Sommer 2018 wurden chinesische Produkte im Wert von zunächst 50 Milliarden US-Dollar mit einem Zoll von 25 Prozent belegt. Diese Zollerhöhungen führten zu Vergeltungsmaßnahmen der betroffenen Länder. Parallel wurden eine Reihe von Streitbeilegungsverfahren bei der WTO initiiert. Hiervon unbeeindruckt droht Donald Trump mit weiteren Zöllen gegenüber China und der EU und mit dem Austritt der USA aus der WTO.
Im Fokus der amerikanischen Handelspolitik und der Debatte über den neuen amerikanischen Protektionismus stehen große Handelsmächte wie China und die EU sowie Länder, die eng mit den USA verbunden sind wie Kanada und Mexiko. Die Konzentration auf diese Handelskonflikte verstellt vielen den Blick auf die möglichen Auswirkungen auf die Länder des globalen Südens. Laut einem Sprichwort der Suaheli ziehen kämpfende Elefanten das Gras in Mitleidenschaft. Übertragen bedeutet das, dass der heraufziehende Handelskonflikt zwischen den USA und seinen wichtigsten Handelspartnern auch kleinere und ärmere Länder negativ treffen wird.
Ein Zollkrieg auf Kosten der Entwicklungsländer?
Trump will mit Zollerhöhungen auf Importe heimische Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe schützen und bilaterale Handelsungleichgewichte abbauen. Aus ökonomischer Sicht sind Importzölle jedoch ein denkbar ungeeignetes Instrument, um Handelsungleichgewichte zu beeinflussen. Angesichts global stark vernetzter Produktionsprozesse könnten sich die implementierten oder angedrohten Importzölle als kurzsichtig erweisen, denn die USA sind eng in regionale und globale Wertschöpfungsketten eingebunden. Diese Verbundenheit ist wechselseitig: Die meisten amerikanischen Importe aus wichtigen US-Handelspartnerländern enthalten einen großen Anteil an Vorprodukten aus den USA. Dies gilt z.B. für in Mexiko hergestellte Autos, die für den amerikanischen Markt bestimmt sind. Gleichzeitig wäre die US-Wirtschaft längst nicht so wettbewerbsfähig ohne Vorprodukte, die in anderen Ländern hergestellt werden. Die Zollerhöhungen der USA treffen deshalb nicht nur deren Handelspartner, sie gehen letztlich auch auf Kosten vieler Amerikanerinnen und Amerikaner. Darüber hinaus provozieren diese Zollerhöhungen Vergeltungsmaßnahmen der Handelspartner, was sich wiederum negativ auf US-Produzenten und -Arbeiter auswirkt. Die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft insgesamt sinkt – und es kommt zu Preiserhöhungen, unter denen vor allem Einkommensschwache leiden. Insgesamt würde die protektionistische US-Handelspolitik also nicht nur viele andere Länder negativ treffen, sondern auch die USA selbst negativ belasten. [2]Auch für viele Entwicklungsländer sind die USA ein wichtiger Exportmarkt. Wenn ihre Waren höheren Zöllen ausgesetzt sind, untergräbt dies ihr exportorientiertes Wachstum. Kurzfristig sind die direkten Folgen von Trumps bisherigen Zollerhöhungen für Entwicklungsländer dennoch gering – sieht man von den großen Schwellenländern wie China oder Brasilien ab. Entwicklungsländer sind zum Beispiel von den US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte kaum betroffen, da ihr Anteil am weltweiten Handel von Stahl und Aluminium gering ist. So kommen 75 Prozent der amerikanischen Stahlimporte aus vier Ländern: China, Kanada, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Entwicklungsländer haben keine nennenswerten Anteile an diesem Handel mit Stahl- und Aluminiumprodukten. Allerdings können die international wenig wettbewerbsfähigen Stahl- und Aluminiumproduzenten vieler Entwicklungsländer negativ getroffen werden, wenn die großen Produzenten angesichts der US-Marktbarrieren ihre Produkte in anderen Ländern verkaufen müssen und damit dort die Preise für die Rohstoffe weiter drücken. [3]
Aktuell richten sich die meisten US-Zollerhöhungen gegen eine breite Palette chinesischer Produkte. Entwicklungsländer aus der asiatischen Region und darüber hinaus sind stark in chinesische Wertschöpfungsketten eingebunden. Mit anderen Worten stecken in den chinesischen Produkten, die von den US-Schutzzöllen betroffen sind, auch viele Vor- und Zwischenprodukte aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Würde der Handelskrieg zwischen den USA und China noch weiter eskalieren, dann sind es Länder wie Malaysia, Thailand, Vietnam, oder die Philippinen, die angesichts ihrer starken internationalen Verflechtung besonders stark betroffen wären. [4] Ähnliche negative, durch regionale und globale Wertschöpfungsketten übertragene Auswirkungen hätten die angedrohten Zölle auf europäische Autos, deren Produktion zu großen Teilen auf Vorprodukten aus osteuropäischen Ländern angewiesen ist.
Wie einschneidend der neue Protektionismus der US-Regierung für Entwicklungsländer sein wird, hängt letztlich stark davon ab, wie die anderen Handelsmächte reagieren, insbesondere die Europäische Union und China. Während direkte Gegenmaßnahmen von den US-Handelspartnern im Stahl- und Aluminiumsektor gerechtfertigt sein mögen, um Überkapazitäten zu vermeiden und Arbeitsplätze zu erhalten, sind darüber hinausgehende „Vergeltungsschläge“ sehr problematisch. Denn diese schaden nicht nur den USA, sondern auch europäischen Produzenten und vor allem Konsumentinnen und Konsumenten. Zudem bergen sie das Risiko, den nächsten Gegenschlag der US-Regierung zu provozieren. Das könnte eine gefährliche Eskalation in Gang setzen, die die gesamte Weltwirtschaft ins Stocken bringt. Eine solche Spirale muss abgewendet werden – nicht zuletzt im Interesse der Entwicklungsländer. [5]