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Der verunsicherte Riese

Finn Mayer-Kuckuk

/ 9 Minuten zu lesen

China war einer der größten Gewinner der Globalisierung. Die neue Skepsis gegenüber dem Freihandel ist daher für viele Chinesen ein Schock – auch wenn sie sogar den Aufstieg zur Weltmacht beschleunigen könnte, schreibt der China-Experte Finn Mayer-Kuckuk.

Junge Chinesen passieren im Juni 2018 ein Werbedisplay in der Pekinger Innenstadt. Gezeigt wird der chinesische Staatspräsident Xi Jinping, der sagt, China werde "seine Türen zur Welt nicht schließen." (© picture-alliance, newscom)

Frau Cen versendet ihre Jaspis-Edelsteine jetzt auch ins Ausland. Auf ihrem kleinen Bauernhof in der südchinesischen Provinz Guangxi stapeln sich die Boxen. Acht Jahren lang verkauft sie über das Netz selbstgemachte Deko-Artikel im chinesischen Inland. Seit diesem Sommer ist ihr Geschäft an die zum Alibaba-Konzern gehörende Online-Handelsplattform Taobao Global angeschlossen. Jetzt kommen Aufträge auch aus Südkorea, Japan und Indonesien. "Das bringt einen ordentlichen Zusatzverdienst", sagt sie. Als Bäuerin wurde sie geboren. Jetzt ist Frau Cen Exporteurin von Schmuckgegenständen.

Finn Mayer-Kuckuk (© Privat)

So wie sie profitieren Millionen von Chinesen von einem vergleichsweise ungehinderten Welthandel – vom Großkonzern bis zur Kleinunternehmerin. Entsprechend groß ist die Verunsicherung gegenüber den neuen Gegnern der Globalisierung. Vor allem die hohen Zölle, die US-Präsident Donald Trump auf immer mehr chinesische Waren erhebt, sorgen für Unruhe. Was passiert, wenn das lukrative Geschäft mit den US-Verbrauchern wegbricht? Was, wenn die Globalisierung insgesamt in den Rückwärtsgang schaltet? "China hat der Weltordnung der vergangenen Jahrzehnte einen gewaltigen Entwicklungsschub zu verdanken", sagt der Ökonom Richard Duncan, Autor mehrerer Bücher zu Handelsfragen und Wirtschafts-Blogger. "Die Verantwortlichen sehen die Bewegung gegen die Globalisierung mit erheblicher Sorge", so Duncan weiter.

Nach der Wahl Trumps sah es erst so aus, als würde China enorm profitieren. Die USA zogen sich getreu dem Motto "America first" von der Weltbühne zurück. Trump kippte sogar einen Handelsvertrag mit Japan und anderen Ländern, der China ausgrenzen sollte. Chinas internationaler Einfluss stieg noch einmal deutlich an.

Doch als Trump im Sommer 2018 einen Handelskrieg mit China begann, war die Führung in Peking schockiert. Langfristig wollte das Land zwar ohnehin weg von der Exportabhängigkeit – doch nun droht die Umstellung viel zu schnell zu kommen. Der Welthandel ist für China immer noch ein wichtiger Wachstumstreiber – obwohl das Land dem Namen nach immer noch kommunistisch regiert ist.

China war von 1949 an für drei Jahrzehnte sozialistisch organisiert. Alle Betriebe gehörten dem Staat. Sowohl die Fabriken als auch die Bauernhöfe wurden von Beamten geleitet. Es gab keine Märkte für Produkte und kaum Privatbesitz, stattdessen gab die Regierung die Preise vor. China entwickelte sich in dieser Zeit nur sehr langsam, die Leute blieben arm. Die Wirtschaft des Landes fiel weit hinter die von Japan, den USA und Europa zurück.

China profitiert vom Beitritt zur WTO

Das änderte sich ab 1979. Die Regierung erlaubte damals wieder am Markt gebildete Preise – und schuf so Anreize für sinnvolle Arbeit. Wichtiger noch: Ausländische Unternehmen durften sich ansiedeln. Sie produzierten in China für den Weltmarkt, schufen Arbeitsplätze und spülten Kapital ins Land. Der Wohlstand stieg rapide an. "Nach dem Jahr 2001 hat die chinesische Wirtschaft wirklich in den Turbogang geschaltet", sagt Duncan. "Das war das Jahr des Beitritts zur Welthandelsorganisation."

Die Welthandelsorganisation WTO wurde Mitte der Neunzigerjahre gegründet. Ihr Ziel ist freier Handel, aber sie setzt der Globalisierung auch Regeln, die für die 164 Mitgliedsstaaten verbindlich sind. China war seinerzeit nur mit Vorbehalten aufgenommen worden: Der Staat kontrollierte immer noch viele Betriebe. Doch als eine der größten Volkswirtschaften sollte die Industrienation nicht außen vor bleiben.

Unter dem Dach der WTO konnten chinesische Firmen ihre Waren leichter in anderen Ländern verkaufen als zuvor – vor allem in den Vereinigten Staaten. Die chinesische Ausfuhr nach Amerika stieg seit dem Beitritt von einem Warenwert von rund 100 Milliarden Dollar auf heute etwa 500 Milliarden Dollar. "Der Zufluss von so viel Mitteln aus dem Ausland wirkte, als hätte China einen Eimer mit Energydrink getrunken", sagt Duncan. Tatsächlich überholte das Land in dieser Zeit Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Japan bei der Wirtschaftsleistung und liegt heute weltweit auf Platz zwei hinter den USA.

Die Markenhersteller der entwickelten Länder verlagerten mehr und mehr Produktion ins preiswertere China. Sinnbild dafür ist die Firma Foxconn, bei der rund eine halbe Million Industriearbeiter beschäftigt sind. Sie stellen Smartphones, Drucker, Spielkonsolen und andere hochwertige Elektronik für den Weltmarkt her.

800 Millionen Chinesen konnten in den letzten drei Jahrzehnten die Armut hinter sich lassen. Bauarbeiter während ihrer Mittagspause auf einer Baustelle in Peking. (© picture-alliance/AP)

Die Einkommen in China stiegen kräftig. In den vergangenen drei Jahrzehnten konnten 800 Millionen Menschen in China die Armut hinter sich lassen und zu bescheidenem Wohlstand gelangen. Eine gigantische Zahl. "Fast jeder hat profitiert, von den politischen Eliten bis zu Fabrikarbeitern", sagt Duncan. Und auch viele Amerikaner profitierten: Der Durchschnittspreis für viele in China produzierte Waren wie Turnschuhe oder Fernseher sank. Das erhöhte letztlich auch in den USA den Lebensstandard.

Der chinesische Ökonom Yu Yongding von der Chinese Academy of Social Sciences hält den chinesischen Handelsüberschuss zudem für geringer als die Statistik ihn ausweist – schließlich kommen viele Waren nur zur Weiterverarbeitung nach China. Er weist zudem darauf hin, dass China im Gegenzug viel Kapital in die USA exportiert. Vor allem profitieren die Amerikaner von dem Strom preiswerter Waren, für den sie nur mit reichlich vorhandenen Dollar und Wertpapieren bezahlen. "Insgesamt bedeutet das nicht, dass China die USA ausnutzen", so Yu.

Die Entwicklung hatte jedoch auch negative Folgen für die USA, wie auch Yu zugibt: „Es ist anzumerken, dass einfache Arbeiter in den USA nicht von den Vorteilen der Globalisierung und des Freihandels profitiert haben." Er verstehe ihren Ärger über die Verhältnisse. Auch andere Ökonomen finden an dieser Stelle bei Donald Trump ein Körnchen Wahrheit. "Chinas Handelsüberschuss von 350 Milliarden Dollar mit den USA ist ungesund hoch", sagt Duncan. Handelsungleichgewichte seien im Prinzip völlig in Ordnung – sie sollten bloß nicht aus dem Ruder laufen und das Volumen der Wirtschaftsleistung eines kleineren Landes wie Israel oder Südafrika erreichen. China baut heute gewaltige Währungsreserven aus den Handelseinnahmen auf – aus neu gedruckten Dollar, die China wiederum in US-Staatsanleihen anlegt. Mit anderen Worten: Die Chinesen leihen der Regierung in Washington viel Geld. Damit steigt die finanzielle Abhängigkeit der Amerikaner von Peking Jahr für Jahr an.

Dazu kommt der Vorwurf, dass China die Welthandelsorganisation geschickt zum eigenen Vorteil nutze. "Es herrschen immer noch keine gleichen Bedingungen", klagt Jörg Wuttke, ehemaliger Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking. Während chinesische Firmen in der EU frei investieren und Geschäfte machen dürfen, hat China der internationalen Konkurrenz laufend Steine in den Weg gelegt. So mussten ausländische Autohersteller ihre Baupläne mit chinesischen Konkurrenten teilen, um überhaupt im Land produzieren zu dürfen. Versicherungsfirmen erhalten nur nach jahrelangem Kampf mit der Bürokratie Geschäftslizenzen – und die gelten dann immer nur für eine Provinz. Nicht zuletzt wurde eine Reihe von Technologieunternehmen von Chinas Behörden von seinem wachsenden Internetmarkt entweder durch direkte Verbote oder indirekt über Zensurbestimmungen ausgeschlossen. Einheimische Unternehmen erhalten stattdessen bevorzugt den Zuschlag für öffentliche Aufträge wie Kraftwerke. Auch dann, wenn das Angebot eines ausländischen Anbieters besser war. Umgekehrt überschwemmten chinesische Anbieter den europäischen Markt mit Solarzellen, bis sie ihn nahezu beherrschten.

Kritiker werfen Staatspräsident Xi Jinping deshalb Scheinheiligkeit vor, wenn er auf internationalen Veranstaltungen den Freihandel und die Globalisierung lobt. Er stellt China sogar als Vorreiter der Marktöffnung dar. Umfragen der Handelskammern vor Ort sprechen eine andere Sprache. Die Firmen schenken demnach den Ankündigungen von faireren Bedingungen kaum noch Glauben. "Es lässt sich sagen, dass im Hinblick auf Marktöffnung gegenüber ausländischen Unternehmen nicht viel Fortschritte zu verzeichnen sind", sagte Michael Clauß, der ehemalige deutsche Botschafter in Peking.

Die EU, China und die USA sind damit in ein seltsames Beziehungsdreieck geraten, seit Trump seinen Angriff auf den Freihandel gestartet hat. Deutschland sitzt einerseits mit China in einem Boot: Trump prangert beide Länder als Exportsünder an. Andererseits sehen viele Diplomaten und Wirtschaftsvertreter Deutschland auch in einem Boot mit den USA gegen China. Für sie stehen die unfairen Handelspraktiken der Chinesen im Vordergrund.

Mit Erstaunen nehmen die Beobachter zur Kenntnis, dass Trumps harter Kurs im Jahr 2018 in China durchaus etwas bewirkt hat. Die Regierung senkte einseitig Zölle für viele Waren. Als Zeichen des guten Willens senkte sie auch sonst die Barrieren. So schaffte sie die Pflicht der Autofirmen zu Produktionspartnerschaften ab. Nun sind viele enttäuscht, dass Trump auf diese Friedensangebote nicht eingeht. Stattdessen beschimpft er die Chinesen weiterhin auf Twitter. "Die USA sollen endlich klare Forderungen stellen", sagt Yu Yongding. "Doch ich fürchte, das können sie gar nicht" – schließlich habe Trump keine außenpolitische Strategie. "Er ist wohl nur mit sich selbst beschäftigt." Auch Chinas Strategen haben keine Ahnung, wie sie mit dem US-Präsidenten umgehen sollen.

Peking will Handelskonflikt mit USA entschärfen

Das bringt Präsident Xi in eine schwierige Lage. Er will gegenüber den Amerikanern nicht schwach dastehen, aber gleichzeitig auch den Handelskrieg entschärfen. Ein Wirtschaftsabschwung wäre für ihn nicht akzeptabel: Die regierende Kommunistische Partei rechtfertigt ihre Herrschaft mit den immer besseren Lebensverhältnissen. Wenn der Außenhandel einbricht, müsste die Regierung daher mit neuem Geld die Konjunktur ankurbeln. Doch die Förderinstrumente haben sich nach der Krise von 2008 abgenutzt. Die damalige Regierung hatte über die Staatsbanken vier Billionen Yuan (500 Milliarden Euro) an günstigen Krediten zur Konjunkturförderung bereitstellen lassen. Die expansionshungrige Wirtschaft des Landes griff begeistert zu, mit dem Ergebnis, dass die Wirtschaft ausgerechnet 2010 um elf Prozent wuchs – für eine große Volkswirtschaft ist das ein enorm hoher Wert.

Doch nach der Party kam der Kater: Die Firmen mussten das geliehene Geld wieder zurückzahlen, und nicht alle Investitionen erwiesen sich als erfolgreich. Der chinesische Staat musste also einerseits einen Rückgang des Wachstums auf rund sechseinhalb Prozent hinnehmen, andererseits laufend neues Geld nachschießen, um die Konjunktur am Laufen zu halten. Zudem bringt jeder neu eingesetzte Yuan längst nicht mehr so viel für das Wachstum wie früher: Die erste Brücke über einen Fluss bringt dem Verkehr einer Stadt riesige Vereinfachungen, die sich in mehr Produktion niederschlagen. Die siebte Brücke hat dagegen nur noch einen geringen Effekt. Inzwischen baut auch China die berüchtigten "Brücken ins Nichts", gewaltige Betonbauten in ländlichen Gegenden, die am Ende kaum einer nutzt – das alles, um den Arbeitsmarkt zu stützen. Antizyklische Maßnahmen wie ein staatliches Investitionsprogramm würden also das Wachstum nicht mehr so stark anschieben wie früher, dafür aber die jetzt schon hohe Verschuldung chinesischer Firmen weiter in die Höhe treiben.

Die Sonderkonjunktur während der Finanzkrise vor zehn Jahren hat allerdings auch gezeigt, wie eigenständig und stark die chinesische Wirtschaft inzwischen ist. Chinesische Experten wie Yu warnen zugleich vor Machtphantasien. Sie erwarten erhebliche Turbulenzen und schmerzhafte Einschnitte, wenn der Handelskrieg sich lange hinzieht. Die historische Erfahrung zeigt zudem, dass die Überschussländer anfälliger sind für die Folgen plötzlicher Zollerhöhungen. Deshalb bleibt die chinesische Politik gesprächsbereit und antwortet auf Trumps Anwürfe mit Gesprächsangeboten.

Das Phänomen Trump bringt daher für China zweierlei: auf der einen Seite einen Gewinn an internationalem Einfluss – auf der anderen Seite jedoch Konjunktursorgen, die kurzfristig deutlich schwerer wiegen. Die Führung des Landes versucht, das Beste aus der Lage zu machen. Sie fährt eine Strategie, die beides zugleich berücksichtigt: Während sich Amerika nach innen zurückzieht, stößt China in die Räume vor, die dabei frei werden. Es bindet so vor allem die Länder Zentral- und Südasiens sowie Afrikas in ein eigenes Handelssystem ein. Xi nennt das etwas romantisierend die "neue Seidenstraße". Dabei handelt es sich um einen langfristigen Rahmen für Investitionsprojekte im Wert von rund einer Billion Euro, die vor allem in Form zinsgünstiger Kredite in 65 teilnehmende Länder vergeben werden. Das Konstrukt hat mit dem alten Karawanenweg nur wenig zu tun: Mit dabei sind osteuropäische Länder wie Ungarn, aber auch Nigeria, Malaysia oder Chile. Es soll sogar eine "arktische Seidenstraße" um den Nordpol geben. Die chinesischen Strategen nutzen damit vor allem die Abwesenheit der USA in Regionen wie Afrika und Zentralasien, um neue Märkte für die eigenen Produkte zu schaffen. Zugleich gewinnen sie Verbündete.

Aus deutscher Sicht ist China vor allem ein wichtiger Markt für eine ganze Reihe von Produkten, allen voran Autos. Trotz des Zoffs um die Details sind sich die deutsche und die chinesische Regierung in einem einig: "Wir sind interessiert an einem multilateralen Handelssystem mit fairen und freien Zugängen", wie es Premier Li Keqiang und Kanzlerin Angela Merkel im Juli 2018 bei einem Treffen in Berlin ausdrückten.

Bäuerin Cen hört so etwas gerne. Sie hofft, ihre Jaspis-Steine künftig in noch mehr Länder verschicken zu können. Sie persönlich würde sich daher Freihandel der EU mit China wünschen. Doch selbst die Bewohnerin des abgelegenen Guangxi weiß, dass es bis dahin ein sehr weiter Weg wäre.

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Finn Mayer-Kuckuk ist Ostasien-Korrespondent mit Schwerpunkt Wirtschaft und Technik für verschiedenen Zeitungen. Er ist studierter Sinologe und Japanologe und lebt in Peking.