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"Wir wollten eine demokratische DDR" Peter-Stefan Greiner

Peter-Stefan Greiner

/ 3 Minuten zu lesen

Dass im Kapitalismus nicht jeder, der sich als leistungsstark bewährt, auch einen Job bekommt, hätte Peter-Stefan Greiner nicht gedacht. Er verlangt gerade heute wieder mehr soziales Engagement, auch von der Wirtschaft.

1. Wie haben Sie den Herbst 1989 erlebt?
Die Wende habe ich im Studium erlebt. Damals war ich in Leipzig und habe noch mal studiert: Journalistik an der Fachschule für Journalismus. Nun, am 9. Oktober beginnt bei uns wieder das Studienjahr, und am 9. Oktober war die richtig erste große Demo in Leipzig, die habe ich dann miterlebt. Die Schule wurde geschlossen. Wir wurden hermetisch abgeriegelt. Aber wir sind dann getürmt und sind dort an den Ring gefahren. Und das war für mich eigentlich das Zeichen des Aufbruchs, weil es damals noch hieß: Wir wollen eine demokratische DDR. Damals ging es nicht darum: Wir wollen die Westmark, oder wir wollen Deutschland. Sondern es ging damals darum, und das war für mich damals das Erlebnis, dieses System DDR demokratisch zu machen. Über die Grenze gegangen bin ich, sicherlich wie Millionen andere, zum ersten Mal, das muss so Ende November, Anfang Dezember gewesen sein, in Berlin.

2. Was hat sich nach dem Ende der DDR für Sie verändert?
Verändert bis jetzt, rückblickend, hat sich für mich vieles. Vor allen Dingen im sozialen Bereich. Man hat immer auf die DDR geschaut und gesagt: Ja, okay, hier ist der Kommunismus und alles. Aber all das, was zwischenmenschlich war, was die soziale Bindung zwischen den Menschen auszeichnete, das war nicht durch die Parteidoktrin verordnet, sondern das haben sich die Menschen selber geschaffen. Sicherlich, sie hatten sich auch abgeschottet, vom System her, und haben sich untereinander gesucht und gefunden. Aber das Eigentliche, das Mitmenschliche, das ist mittlerweile nach den 14 Jahren etwas auf der Strecke geblieben.

3. Wie haben Sie sich 1989 die Zukunft vorgestellt?
Die größte Enttäuschung war beruflicherseits, für mich, der keine Westverwandten hatte und auch so fast keinen Kontakt rüber in die damalige Bundesrepublik. Ich habe mir gedacht: Gut, du bist in deinem Job gut und jetzt bist du in einem System drinn, im wirtschaftlichen System, wo der, der gut ist, auch die Chancen hat, gut zu sein und sich zu bewähren. Die größten Enttäuschungen waren für mich, dass, wir hatten in der DDR so ein Sprichwort: "Beziehungen sind das halbe Leben". Nun muss ich sagen: Beziehungen schaden nur dem, der keine hat. Auch und vor allen Dingen im wirtschaftlichen Bereich. Dass mitunter nach Position, dass nach Beziehungen Jobs vergeben werden und dass man eigentlich die mittlere Leistungsebene hat, aber die wirklich Leistungsfähigen mitunter auch am Rand liegen lässt.

4. Welche Erinnerung an die DDR ist für Sie die wichtigste?
Das ist für mich eigentlich meine Großmutter gewesen, bei der ich aufgewachsen bin. Die hat mir gesagt: 1902 wurde sie geboren, hat im ersten Weltkrieg ihren Bruder verloren und im zweiten Weltkrieg ihren Sohn verloren. Wir sind in ganz bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Sie hat zu mir gesagt: Also, Junge, so schlimm kann das mit dem Kommunismus ja gar nicht sein. Sie war übrigens nie in einer Partei organisiert. Denn hier kannst du, als mein Enkel, auf das Gymnasium gehen und hier kannst du studieren, ohne dass wir eine Mark zu zahlen haben. Und diese Frau mit diesen Aussagen hat mich eigentlich geprägt, zu DDR-Zeiten.

5. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir nicht hineinschlittern in ein mehr oder weniger amerikanisches System. Also, dass wir nicht wieder dort hinkehren, dass wir von Manchester-Kapitalismus sprechen, sondern, dass diese soziale Marktwirtschaft, wie sie mal existierte, vielleicht in der BRD bis zum Jahr 1989 oder auch bis in die Anfänge der 90er Jahre, dass das nicht verloren geht. Dass der Mensch nicht auf der Strecke bleibt. Denn eine Gesellschaft, die nicht auf die Belange der Menschen eingeht, die ist es nicht wert, Gesellschaft genannt zu werden. Es kann nicht nur Gewinnerzielung im Mittelpunkt stehen, sondern von den Unternehmen, von der Wirtschaft verlange ich einfach mehr soziales Engagement.

Juni 2004

Fussnoten

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Name: Peter-Stefan Greiner
Wohnort: Nordhausen
Beruf: Journalist/ Redakteur bei der NNZ (Neue Nordhauser Zeitung)