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Analyse: Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Polen | Polen-Analysen | bpb.de

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Analyse: Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Polen Polen-Analysen Nr. 312

Dominik Owczarek

/ 15 Minuten zu lesen

Welche Vor- und Nachteile bietet die fortschreitende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Polen? Einschätzungen von Arbeitnehmern und Gewerkschaftsvertretern.

Computerarbeitsplatz im Großraumbüro. (© picture-alliance/dpa, Sebastian Gollnow)

Zusammenfassung

Polen verfolgt in der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ein ambitioniertes Programm. Das Ziel ist, mittels nur eines online-Verwaltungsportals alle von öffentlichen Behörden angebotenen elektronischen Dienstleistungen zugänglich zu machen. Der Stand der Digitalisierung ist dabei unterschiedlich stark entwickelt, von ausgeprägt in einigen zentralen Institutionen bis unzureichend in einigen Gemeinde- und Kommunalverwaltungen. Einen entscheidenden Schub erhielt die Digitalisierung in der Zeit der Corona-Pandemie, als viele Mitarbeiter das Homeoffice nutzten, was zu einer Erweiterung der digitalen Dienste für den Bürger führte. Für die Gewerkschaften stehen jedoch Digitalisierungsaspekte in der öffentlichen Verwaltung in Polen bislang nicht im Vordergrund.

Eine der Hauptprioritäten der Politik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten ist die Digitalisierung im weiten Sinne. Allerdings gab es bisher nur wenige Untersuchungen dazu, welchen Einfluss sie auf die Qualität des Arbeitsplatzes und die Arbeitsbedingungen hat und wie sie in Unternehmen und Institutionen eingeführt und umgesetzt wird. Dieser Text konzentriert sich auf die Reaktionen der Sozialpartner – v. a. der Gewerkschaften – auf die Digitalisierungspolitik des Staates im Bereich der öffentlichen Verwaltung in Polen. Er stützt sich auf Untersuchungen, die das Institut für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw PublicznychISP) im Rahmen des internationalen Projektes DIGIQU@LPUB – The impact of digitalisation on job quality and social dialogue in the public services durchgeführt hat. Die Untersuchungen umfassten individuelle Interviews mit Gewerkschaftsführern, Gespräche mit Fokusgruppen der zentralen und lokalen Verwaltung sowie eine Umfrage unter Angestellten der öffentlichen Verwaltung (siehe Informationen zum Projekt am Ende des Textes).

Mehr oder weniger digital

Das wichtigste Strategiepapier, das die Richtung der Digitalisierung des öffentlichen Dienstes in Polen formuliert, ist das „Programm der Integrierten Informatisierung des Staates“ (Program Zintegrowanej Informatyzacji Państwa) aus dem Jahr 2019 (siehe Dokumentation). Demnach soll das Ziel sein, dass die Bürger mittels eines einzigen online-Portals Informationen über das Angebot der betreffenden Institution der öffentlichen Verwaltung sowie Zugang zu allen angebotenen elektronischen Dienstleistungen im Land erhalten. Aktuell können die Einwohner Polens bereits einige Hundert digitale Angebote des öffentlichen Dienstes nutzen, die auf verschiedenen Regierungsplattformen und -portalen angesiedelt sind. Dazu gehören z. B. das Internetportal obywatel.gov.pl, wo man viele Behördenangelegenheiten (Personalausweis, Führerschein, Krankenversicherung, Registrierung des Familienstands usw.) erledigen kann, die online-Plattformen Platforma Usług Administracji Publicznej (ePUAP) und Platforma Usług Elektronicznych Zakładu Ubezpieczeń Społecznych (PUE ZUS) oder das Portal biznes.gov.pl. Abgesehen davon nutzen die zentrale und die lokalen öffentlichen Verwaltungen sowie Regierungsinstitutionen die elektronische Datenverarbeitung für ihre internen Arbeitsabläufe.

Der Stand der Digitalisierung scheint in den hier untersuchten Regierungsbehörden – der Sozialversicherungsanstalt (Zakład Ubezpieczeń SpołecznychZUS), der Finanzaufsicht (Komisja Nadzoru FinansowegoKNF) und dem Staatlichen Rehabilitationsfonds für Menschen mit Behinderungen (Państwowy Fundusz Rehabilitacji Osób NiepełnosprawnychPFRON) – fortgeschrittener zu sein als in den Ministerien. Das Digitalisierungsniveau in den Kommunalbehörden dagegen ist deutlich differenziert: von Basislevel bis sehr fortgeschritten.

Die Digitalisierung der Sozialversicherungsanstalt setzte schon Ende der 1990er Jahre ein, zusammen mit der Einführung der wichtigsten Rentenreform in Polen 1999. Seitdem ist die Digitalisierung ein ständiger Prozess, der die Umwandlung der analogen Daten der Versicherten (Einzahler und Versicherungsnehmer) sowie die Einführung zahlreicher Programme zur Digitalisierung der Arbeitsabläufe in der ZUS umfasst. Nur noch sehr selten werden heute Vorgänge in Papierform dokumentiert. Eine dieser Ausnahmen ist das Verschicken von Renten- und Pensionsbescheiden an die Empfänger per Post, da hier von geringen Kenntnissen im digitalen Bereich und einem fehlenden Zugang zu einem Computer oder zum Internet ausgegangen wird. Bei der Finanzaufsicht werden ebenfalls fortgeschrittene und ausdifferenzierte digitale Anwendungen in vielen Tätigkeitsbereichen der Institution genutzt. Die Digitalisierung geht so weit, dass die Dokumentation in Papierform fast verschwunden ist. Ähnlich verhält es sich beim Staatlichen Rehabilitationsfonds für Menschen mit Behinderungen. Die interne Digitalisierung umfasst den elektronischen Dokumentenumlauf, ein System für Fehlermeldungen an die hauseigene IT-Abteilung, Personalangelegenheiten sowie die komplett digitale Buchhaltung. Im Kontakt mit den Klienten wird u. a. das Unterstützungsprogramm System Obsługi Wsparcia (SOW) eingesetzt. Es dient der Bearbeitung der von Individualklienten oder Institutionen (Arbeitsämter, Arbeitgeber, Sozialbehörde) eingereichten Anträge und ist mit den Systemen der Sozialversicherungsanstalt und des Nationalen Gesundheitsfonds (Narodowy Fundusz ZdrowiaNFZ) verknüpft.

Dagegen ist die Situation in der Kommunalverwaltung sehr uneinheitlich. Meistens ist das Digitalisierungslevel in den kleinen Gemeinden sehr niedrig, während Großstädte und wohlhabende Gemeinden hier deutlich weiter fortgeschritten sind. In kleinen ländlichen Gemeinden werden nur die Basiswerkzeuge der Digitalisierung eingesetzt, d. h. E-Mails und Computer, und das gesetzlich vorgeschriebene online-Portal Biuletyn Informacji Publicznej, das z. B. Informationen zu Rechtsstatus, Aufbau und Tätigkeitsbereich der betreffenden Institution umfasst. Die Dokumentation läuft weiterhin analog ab und eine eigene Internetseite haben auch nicht alle ländlichen Gemeinden. Großstädte nutzen dagegen in ihrer Verwaltung das Intranet für die Datenverarbeitung und -archivierung sowie teilweise für die interne Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen und ihren Angestellten. Darüber hinaus gibt es zahlreiche digitale Dienste für ihre Einwohner, z. B. die elektronische Registrierung in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen. Die größeren Gemeinden arbeiten auch mit den landesweiten Portalen für öffentliche Dienstleistungen wie mObywatel oder ePUAP zusammen.

Ursachen für das – insbesondere in den kleinen Gemeinden – geringe Digitalisierungsniveau sind vor allem die begrenzten finanziellen Möglichkeiten, die nicht ausreichenden Kompetenzen der kommunalen Leitungspersonen bei der Bestellung der technischen Ausrüstung sowie die unzureichenden digitalen Kenntnisse der Angestellten, um die neuen Werkzeuge anzuwenden. Die Teilnehmer der Fokusgruppe wiesen außerdem auf das veraltete und hierarchische System der öffentlichen Verwaltung hin, das nicht auf Vertrauen, Dialog und Teilhabe gründet.

Digitalisierung und Arbeitsorganisation – schneller, intensiver, routinierter

Übereinstimmung bestand unter den Befragten darin, dass die Digitalisierung die Arbeit der Angestellten verbessert und beschleunigt hat. In der Umfrage antworteten alle Teilnehmer, dass sie regelmäßig Informations- und Kommunikationsmedien (z. B. Internet, E-Mail) nutzen. Hauptzweck ist der Informationsaustausch per E-Mail (35 Prozent), während die Nutzung verschiedener Arten von Apps geringer war (15–27 Prozent). Nur die Hälfte der Befragten nutzte regelmäßig mobile Endgeräte (Laptops, Smartphones, Tablets), die Mehrheit von ihnen (30 Prozent), um mit Mitarbeitern und internen oder externen Diensten zu kommunizieren.

Nach Meinung der Untersuchungsteilnehmer fand unter dem Einfluss der Digitalisierung eine stärkere Vereinheitlichung der Verwaltungsabläufe statt und sie wurden transparenter, da die Dokumente digital archiviert werden und leicht zugänglich sind. Es wird keine Zeit verloren, sie an verschiedenen Orten der Archivierung in Papierform zu suchen. 46 Prozent sagten in der Umfrage, dass die Digitalisierung es ihnen erlaube, sich stärker auf die wesentlichen Aspekte ihrer Tätigkeit zu konzentrieren. Außerdem verbessern nach Meinung der Gesprächspartner und in Übereinstimmung mit den Umfrageergebnissen die digitalen Medien die Kommunikation und den Informationsaustausch. Im Ergebnis ist die Arbeit weniger zeitaufwendig und besser organisiert. Die Qualität der Interaktion mit den Klienten des öffentlichen Dienstes wurde von 47 Prozent der Befragten als positiv bewertet.

Allerdings stiegen mit der Einführung digitaler Medien in der öffentlichen Verwaltung sowohl auf kommunaler als auch zentraler Ebene auch das Tempo und die Intensität der Arbeit, was 54 Prozent in der Umfrage bestätigten. In manchen Fällen erfordert die Tätigkeit, dass eine Dokumentation sowohl in Papierform als auch digital angelegt wird, was den Arbeitsaufwand erhöht.

Abgesehen davon stellte sich eine größere Routine infolge der Einführung digitaler Techniken und der damit einhergehenden Vereinheitlichung von Verwaltungsabläufen ein. Dies hatte den Befragten zufolge keinen Einfluss auf die Autonomie der Tätigkeit in der lokalen oder zentralen Verwaltung, da diese vor allem von der Arbeitsorganisation im Team und dem Grad der Selbständigkeit, der vom Vorgesetzten eingeräumt wird, abhängt. Das betrifft insbesondere die Kommunalverwaltung, die in hohem Maße nicht digitalisiert ist.

Homeoffice und das Recht, nicht erreichbar zu sein

Ein Schlüsselereignis für die öffentliche Verwaltung in Polen war die Zeit der COVID-19-Pandemie, als zum ersten Mal in weiten Teilen das Homeoffice eingeführt wurde. Das war u. a. möglich, weil zuvor bereits intern digitale Arbeitsabläufe und Kommunikation eingeführt worden waren. Allerdings waren nicht alle Institutionen in der Lage, im Homeoffice zu arbeiten; manche waren überhaupt nicht darauf vorbereitet, andere mussten ihre Tätigkeit stark umorganisieren und ihre Geräte modernisieren. Die Angestellten der Finanzaufsicht, die schon vor der Pandemie im Homeoffice gearbeitet hatten, nahmen dagegen keine größeren Veränderungen wahr. Hinzu kommt, dass nicht in allen Bereichen im Homeoffice gearbeitet werden kann: Wenn es die Tätigkeit erfordert, dass Dokumente in analoger Form angelegt werden, oder es sich um geheime Dokumente handelt, bestand die Verpflichtung zur Präsenz im Büro, ebenso wie für die Angestellten an vorderster Stelle in der Lokalverwaltung. So sagte einer der Teilnehmer der Fokusgruppe: „Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, hängt von der Organisation ab. Die Angestellten am Schalter können sich das nicht erlauben, während es die in den Leitungspositionen können. Das ist eine grundsätzliche Ungleichheit zwischen diesen beiden Gruppen.“

Für die, die im Homeoffice arbeiten konnten, war es nicht notwendig, aufgrund der Pandemie neue digitale Systeme einzuführen, denn sie waren in der Mehrheit der untersuchten Institutionen bereits etabliert. Als Herausforderung erwies sich aber die Verfügbarkeit entsprechend sicherer Computer. In der Sozialversicherungsanstalt sowie den kommunalen Behörden in Warschau und Stettin (Szczecin) war der Arbeitgeber zu Beginn der Pandemie skeptisch gegenüber dem Homeoffice eingestellt, insbesondere mit Blick auf die Datensicherheit. Mit der Zeit fasste der Arbeitgeber jedoch Vertrauen zu den Angestellten und erlaubte ihnen die Arbeit im Homeoffice. Andernfalls wäre es, so die Einschätzung der Gesprächspartner, zu einer Lähmung der Tätigkeit der Institution gekommen. Im Ergebnis war ein großer Teil der Arbeitnehmer gezwungen, den eigenen, privaten Computer zu benutzen, der aber nicht immer an die im Büro eingesetzten Programme angepasst war. In manchen Institutionen, z. B. in der Stettiner Kommunalverwaltung, wurde ein rotierendes Arbeitssystem eingeführt: Ein Teil der Arbeitnehmer arbeitete im Homeoffice und der andere Teil konnte eine größere räumliche Distanz bei der Arbeit im Büro einhalten, anschließend wurde für eine bestimmte Zeit gewechselt.

Der Umfrage zufolge, die in der bereits abklingenden COVID-19-Pandemie Mitte 2022 durchgeführt wurde, arbeiteten nur fünf Prozent vollständig von zu Hause aus. 30 Prozent gaben an, dass sie die hybride Form (Wechsel zwischen Büro und Homeoffice) praktizieren, und weitere 30 Prozent, dass die Arbeit im Homeoffice nur während der Pandemie möglich war. 34 Prozent sagten, dass in ihrer Institution die Arbeit im Homeoffice nicht möglich ist. Hybride Arbeitszeitpläne wurden zum ersten Mal infolge der pandemiebedingten Lockdowns in der öffentlichen Verwaltung eingeführt. 55 Prozent gaben in der Umfrage an, dass sie einen Tag pro Woche oder weniger von zu Hause aus arbeiten. Über 35 Prozent der Befragten hatte Schwierigkeiten mit der Beantwortung, wie viele Tage in der Woche sie im Homeoffice arbeiten. In manchen Behörden, z. B. der Sozialversicherungsanstalt, kehrten die Angestellten vollständig ins Büro zurück. In manchen Institutionen wird die Möglichkeit des Homeoffice als Auszeichnung für den Arbeitnehmer betrachtet, die man sich erarbeiten muss, und nicht als reguläre Organisation der Arbeit. Das ist insbesondere in den Institutionen der Fall, wo immer noch ein paternalistisches Verwaltungsmodell herrscht. Einer der Teilnehmer der Fokusgruppe erläuterte: „Die Mehrheit der Angestellten will im Homeoffice arbeiten, weil es einfacher ist, die beruflichen und die häuslichen Pflichten zu verbinden. Leider wird in unserer Institution das Homeoffice als Auszeichnung bewertet – das sollte es aber nicht sein.“

In diesem Zusammenhang wurde auch nach der Meinung zum derzeit diskutierten „Recht, nicht erreichbar zu sein“, gefragt: 70 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass das Recht auf Nichterreichbarkeit unentbehrlich ist und dass es klar aufgeführt werden sollte – in den Arbeitsbestimmungen (78 Prozent), in Betriebsvereinbarungen (64 Prozent) oder in Branchen- und branchenübergreifenden Vereinbarungen (64 Prozent). Die Frage des Rechtes, nicht erreichbar zu sein, ist besonders für die Gewerkschaften interessant, die ihre Bereitschaft erklärt haben, die Vorschriften auf EU- und auf Landesebene zu thematisieren. Die Gewerkschaften haben auch auf den Bedarf hingewiesen, die Rahmenvereinbarung der Europäischen Sozialpartner im Bereich Digitalisierung (European Social Partners Framework Agreement on Digitalisation, 2020) umzusetzen.

Am Bildschirm festgeklebt

Nach Einschätzung aller Gesprächspartner hatte die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung Einfluss auf gesunde und sichere Arbeitsbedingungen. Zwar sinkt die Zahl der Arbeitsunfälle, doch die Notwendigkeit der digitalen Arbeitsabläufe zwingt die Arbeitnehmer zu einer längeren sitzenden Tätigkeit vor dem Bildschirm. Im Ergebnis bewegen sie sich deutlich weniger und kommt es zu mehr Muskel- und Gelenkbeschwerden. Die erhöhte Arbeitsintensität verursacht Stress, die zunehmende Eintönigkeit der Arbeit hat Ermüdung zur Folge und langfristig können beide Faktoren zum Burn out führen. Nach Meinung der Untersuchungsteilnehmer kann die digitale Arbeit am Computer zu einer größeren Entfremdung unter den Kollegen und zum Gefühl der sozialen Isolation führen. Auch die Kommunikation werde unpersönlicher, anonymer. In der Folge kann das Gefühl entstehen, man arbeite „ohne Team“.

In der Befragung gaben 34 Prozent an, dass die Digitalisierung neue schmerzhafte Beschwerden hervorgerufen oder bestehende Beschwerden verstärkt hat (28 Prozent). Ebenfalls 28 Prozent haben keinen negativen Einfluss auf ihre körperliche Gesundheit wahrgenommen. Genannt wurden folgende gesundheitliche Probleme: Probleme mit den Augen – 20 Prozent, Rückenschmerzen – 18 Prozent, Nackenschmerzen – 15 Prozent, Kopfschmerzen – zwölf Prozent, physische Ermüdung – zwölf Prozent, Schmerzen in der Hand – neun Prozent und andere gesundheitliche Probleme – 13 Prozent. Die Befragten erklärten auch, dass die Digitalisierung psychologische Probleme bei ihnen verursacht (20 Prozent) oder ihren psychischen Zustand verschlechtert hat (sieben Prozent). Dazu gehören: psychische Ermüdung – 23 Prozent, Stress – 21 Prozent, Burn out – 15 Prozent, mangelnde Motivation – 14 Prozent, erdrückende emotionale Herausforderungen – acht Prozent, Ängste – acht Prozent, Depressionen – sechs Prozent, das Gefühl der Isolation und Unruhe – fünf Prozent. Gut 60 Prozent der Befragten haben keine Veränderungen ihrer psychischen Gesundheit festgestellt.

Digitale Qualifikationen und Weiterbildung – wenig, fast nirgendwo, selten

Die Mehrheit der Untersuchungsgruppe gab an, dass die Entwicklung der digitalen Kompetenz und das Weiterbildungssystem im Bereich Digitalisierung im öffentlichen Dienst nicht zufriedenstellend sind. Schulungen finden selten statt und sind häufig nicht ausreichend. Den Befragungen zufolge nahmen 45 Prozent der Arbeitnehmer an Schulungen teil (Nutzung konkreter Programme – 26 Prozent, allgemeine digitale Fertigkeiten – elf Prozent, sowohl allgemeine als auch konkrete Kompetenzen – neun Prozent). Ca. 20 Prozent gaben an, dass sie an keiner Schulung für digitale Fertigkeiten teilgenommen haben, und 22 Prozent, dass sie informell am Arbeitsplatz lernen.

Manche digitalen Programme werden in den Behörden ohne Schulung eingeführt und der Arbeitgeber setzt voraus, dass die Arbeitnehmer von Anfang an mit den Programmen umgehen. Von den bereits dort arbeitenden Kollegen wird häufig erwartet, dass sie die Neuen in die Bedienung der digitalen Programme einführen. Allerdings wird dafür zu wenig Zeit eingeräumt, was in der Situation der wachsenden Arbeitsanforderungen und der größeren Zahl neuer Pflichten eine Herausforderung ist. Die neuen Arbeitnehmer fühlen sich in der Anfangsphase häufig desorientiert und nicht ausreichend in ihr Arbeitsfeld eingeführt, was mehr Fehler, sich verlängernde Arbeitsabläufe und Frust bei den Arbeitnehmern zur Folge hat. Einer der Gesprächspartner schildert: „Die Arbeitnehmer sind nicht immer darauf vorbereitet, digitale Programme zu nutzen. Eine Schulung reicht nicht aus. Die Arbeitnehmer lernen, indem sie das Programm anwenden – Schulung direkt am Arbeitsplatz. Die einen lernen schneller, andere langsamer. Die Schulungen sollten breiter und stärker an die Bedarfe der Arbeitnehmer angepasst sein. Die jüngeren Arbeitnehmer lernen schneller, den älteren fällt es schwerer. Die interne Schulung findet auf Kosten der anderen beruflichen Verpflichtungen statt.“

Laut Umfrage waren nur 24 Prozent mit den angebotenen Schulungen vollkommen zufrieden und 56 Prozent waren nur teilweise zufrieden. Gleichzeitig sagten 60 Prozent, dass die Entwicklung der Fähigkeiten auch ihre persönlichen Kompetenzen erweitert und andere Möglichkeiten der Tätigkeit oder des beruflichen Weges in derselben Institution (35 Prozent) oder woanders (45 Prozent) eröffnet hätte.

Der soziale Dialog – die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Digitalisierungsprozesse – ihre Planung und Umsetzung – waren bisher noch nicht Gegenstand kollektiver Verhandlungen und umso weniger von Tarifverträgen in der öffentlichen Verwaltung. Das liegt nicht nur an dem sehr geringen Anteil von Tarifverträgen in diesem Sektor (weniger als ein Prozent), sondern auch an der Einstellung der Gewerkschaften, die dem Thema Digitalisierung eine geringe Bedeutung beimessen; oberste Priorität hat auf ihrer Agenda nach wie vor die Erhöhung der Löhne und Gehälter.

Allerdings finden einzelne Aspekte der Digitalisierung Eingang in den sozialen Dialog. In der Sozialversicherungsanstalt, wo die Digitalisierung fortgeschritten ist und seit mehr als zwei Jahrzehnten vorangetrieben wird, sind die Gewerkschaften an den Konsultationen im Bereich der Entwicklung neuer digitaler Programme für die Klienten und die internen Arbeitsabläufe beteiligt und geben auch Hinweise zu den bereits eingesetzten Programmen. Da die digitalen Werkzeuge eine wesentliche Rolle für die Arbeitsbedingungen spielen, führen die Gewerkschaften ein ständiges Qualitätsmonitoring durch und sind in den Digitalisierungsprozess der Sozialversicherungsanstalt eingebunden. Häufig werden die Hinweise der Gewerkschaften vom Arbeitgeber (und den Programmierern) berücksichtigt. So werden die geringe Kompatibilität der angewendeten Programme untereinander, die unvollständige digitale Aufbereitung der Daten, die fehlende Berücksichtigung von Gesetzesänderungen in manchen Programmen usw. als Mängel benannt. Ein Problem ist auch, dass es keine Schulungen für die Arbeitnehmer gibt oder sie nicht ausreichen, insbesondere für die neu eingestellten. Den älteren Kollegen wird die Verantwortung für die Schulung der neuen aufgebürdet.

Die Arbeitsbedingungen im Homeoffice während der COVID-19-Pandemie waren ebenfalls Gegenstand der Diskussion zwischen den Gewerkschaften der öffentlichen Verwaltung und den Arbeitgebern, sowohl auf zentraler als auch auf kommunaler Ebene. Die größte Herausforderung war es, ausreichend viele Computer mit der erforderlichen Software bereitzustellen und die Datensicherheit zu gewährleisten. Die Gewerkschaften forderten auch einen Homeoffice-Zuschlag zur Deckung der damit verbundenen Kosten (Internet, Mehrverbrauch an Strom und Wasser usw.), was jedoch zunächst abgelehnt wurde. Erst im April 2023 wurde eine Ausgleichszahlung für den Mehraufwand im Homeoffice gesetzlich geregelt.

Fazit

Ziel des Regierungsprogramms der „Integrierten Digitalisierung des Staates“ ist ein ambitionierter Digitalisierungsprozess der öffentlichen Verwaltung. Bisher wurden einige Dutzend elektronischer Instrumente für die Ausführung öffentlicher Dienstleistungen eingeführt sowie auch viele Programme zur internen Anwendung für die Angestellten. Unter den untersuchten Institutionen erwiesen sich die Sozialversicherungsanstalt und die Finanzaufsicht als weit fortgeschritten im digitalen Bereich.

Den Gesprächspartnern aus den Gewerkschaften zufolge ist die Digitalisierung mit einem Anstieg der Intensität und der Arbeitsroutine verbunden, sie verändert jedoch nicht das Ausmaß der Autonomie der Arbeitnehmer bzw. vergrößert diese nur gering. Die Digitalisierung hat keinen Einfluss auf die Personalsituation im öffentlichen Sektor. Eine wichtige Phase war die Zeit der Pandemie, als es die digitalen Instrumente ermöglichten, die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung auch aus dem Homeoffice aufrechtzuerhalten. Allerdings führten fehlende Endgeräte und entsprechende Software verbunden mit unzureichender IT-Unterstützung zu zahlreichen Problemen. In der ersten Phase der Pandemie waren die Arbeitgeber dem Homeoffice gegenüber abgeneigt, in der zweiten Phase ermöglichten sie die Arbeit von zu Hause aus, um die öffentlichen Dienstleistungen weiter gewährleisten zu können.

Die Digitalisierung hat keinen grundlegenden Einfluss auf andere Aspekte der Tätigkeit wie etwa Arbeitszeit, die Work-Life-Balance, Aufstiegschancen, sicherer Arbeitsplatz oder Arbeitnehmerrechte. Eine wichtigere Rolle spielt sie im Zusammenhang mit Arbeitsüberlastung, niedrigem Gehalt oder Arbeitskräftemangel. Die Gewerkschaften wiesen auf ein erhöhtes psychosoziales Risiko und Muskel- und Gelenkbeschwerden infolge der häufigen Computernutzung hin sowie auf die unzureichende Vorbereitung und Schulung, um entsprechende digitale Kompetenzen zu erlangen. Die Teilnehmer der Fokusgruppen unterstrichen die Abneigung der Leitung, Arbeitskräfte für die Implementierung der in der täglichen Arbeit genutzten digitalen Instrumente zu engagieren, trotz der Tatsache, dass die öffentlichen Ausschreibungen einen flexiblen Einsatz von Programmierern erlauben. Die Ursache dafür sehen sie in den hierarchischen Verwaltungsstrukturen. Die Hauptforderung der Untersuchungsteilnehmer war, die Arbeitnehmer in den Planungs- und Umsetzungsprozess der digitalen Instrumente einzubeziehen.

Die Digitalisierung ist eine Nebensache in der Agenda der Gewerkschaften der öffentlichen Verwaltung, sie ist nicht Gegenstand der Tarifverträge, doch in manchen Institutionen wie der Sozialversicherungsanstalt wird die Einführung digitaler Anwendungen einem ständigen Monitoring unterzogen. Die Gewerkschaften hatten auf Betriebsebene auch Einfluss auf die Arbeitsbedingungen des Homeoffice während der Pandemie und brachten die Bedarfe der Arbeitnehmer in den Bereichen Zugang zu Computern, Software und Schulungen zur Sprache. Zudem unterstreichen sie das Problem der niedrigen Entlohnung, der Arbeitsüberlastung und Überstunden, des Arbeitskräftemangels (insbesondere in größeren Städten) und nicht ausreichender Fortbildungen. Fragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung finden sich – abgesehen vom Thema Homeoffice – nicht auf ihrer Prioritätenliste.

Im polnischen Kontext ist die Beteiligung der Gewerkschaften im Rahmen des Rates des Sozialen Dialogs (Rada Dialogu Społecznego) praktisch die einzige Einflussmöglichkeit auf die Public Policy. Hier treffen unter dem Vorsitz der Regierung Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zusammen und nur hier können die Gewerkschaften auf Gesetzgebungsverfahren einwirken. Es handelt sich also um ein staatliches System des sozialen Dialogs, in dem die Regierung in vielen Fällen bestimmte Veränderungen initiiert – so auch die Digitalisierung in manchen Bereichen des öffentlichen Dienstes – und die Gewerkschaften eine reaktive Rolle spielen, indem sie auf die aktuelle Richtung des Regierungshandelns Bezug nehmen. Der Mangel eines solchen Systems ist, dass die Repräsentanz der Arbeitnehmer immer einen Schritt hinter den Entscheidungsträgern zurückbleibt und ihr Einfluss auf die eingeführten Veränderungen bezogen auf die Beschäftigten daher beschränkt bleibt. Das betrifft insbesondere so dynamische Entwicklungen wie die Digitalisierung. Und auch wenn manche Sozialpartner solche Entwicklungen ignorieren, können die Arbeitnehmer doch die negativen Folgen zu spüren bekommen, wenn neue Arbeitsweisen ohne angemessene Berücksichtigung der Stimmen der Arbeitnehmer und Konsultation eingeführt werden.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Über das Forschungsprojekt

Das Forschungsprojekt The impact of digitalisation on job quality and social dialogue in the public services – DIGIQU@LPUB wurde in den Jahren 2021 bis 2023 unter der Leitung des European Social Observatory (Belgien) von Forschungseinrichtungen in acht EU-Ländern – Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Polen, Spanien und Ungarn – durchgeführt. Untersucht wurden der Sektor der öffentlichen Verwaltung, das Gesundheitswesen und der Energiesektor. Im vorliegenden Text werden nur die Untersuchungsergebnisse zur öffentlichen Verwaltung in Polen vorgestellt. Das Projekt wurde aus Mitteln der Europäischen Kommission (Improving Expertise in the field of Industrial Relations) finanziert. Die individuellen Interviews wurden mit Vertretern verschiedener Gewerkschaften (Sekcja Krajowa Pracowników Administracji Rządowej; Samorządowa NSZZ „Solidarność”; Związek Zawodowy Pracowników Zakładu Ubezpieczeń Społecznych) geführt. Teilnehmer der Fokusgruppen waren Vertreter der zentralen öffentlichen Verwaltung (hier der Komisja Nadzoru Finansowegound des Państwowy Fundusz Rehabilitacji Osób Niepełnosprawnych), der kommunalen öffentlichen Verwaltung in Warschau und Stettin (Szczecin) sowie des Arbeitsamtes in Warschau. Die Umfrage wurde in Form einer Internetbefragung unter Arbeitnehmern der öffentlichen Verwaltung durchgeführt (Schneeballsystem, N=447).

Fussnoten

Weitere Inhalte

ist Direktor des Programms für Sozialpolitik des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten, Warschau (Program Polityki Społecznej, Instyut Spraw Publicznych – ISP, Warszawa). Seine Forschungsthemen sind der Arbeitsmarkt und der soziale Dialog. Seit 2020 ist er Mitglied des Ausschusses für Beschäftigung, Mobilität und Arbeitsmarkt des Europäischen Gewerkschaftsbunds.