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Kommentar: "Keine Kompromisse mit dem neofaschistischen Russland" | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Wie schnell bewegt sich die Ukraine auf die EU zu, in welchen Bereichen gibt es große Fortschritte und in welchen nicht? Statistik: Stand der Ukraine im EU-Beitrittsprozess Umfragen: Öffentliche Meinung in der Ukraine und in ausgewählten EU-Ländern zum EU-Beitritt der Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Beziehungen zu Polen / Beziehungen zur Slowakei (26.06.2024) Analyse: Die Entwicklung der ukrainisch-polnischen Beziehungen seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Pragmatisch, indifferent, gut? Über den Zustand der ukrainisch-slowakischen Beziehungen Statistik: Handel der Ukraine mit ihren Nachbarländern Statistik: Ukrainische Geflüchtete in den Nachbarstaaten der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu den Nachbarländern der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der polnischen Bevölkerung zu Geflüchteten aus der Ukraine Chronik: 21. bis 31. Mai 2024 Exekutiv-legislative Beziehungen und die Zentralisierung der Macht im Krieg (30.05.2024) Analyse: Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Zeiten des Krieges: Die Ukraine seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Wie schnell werden Gesetzentwürfe von der Werchowna Rada verabschiedet? Wie kann der Prozess effizienter gestaltet werden? Chronik: 1. bis 30. April 2024 Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. 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Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Kommentar: "Keine Kompromisse mit dem neofaschistischen Russland" Ukraine-Analyse Nr. 265

Kateryna Zarembo Ukraine) Kateryna Zarembo (New Europe Center

/ 8 Minuten zu lesen

Russland entwickelt sich immer stärker zu einem neofaschistischen Staat. Auf einen Kompromiss mit Russland zu setzen wäre daher aus mehreren Gründen nicht ratsam, meint die ukrainische Politikwissenschaftlerin Kateryna Zarembo.

Ein zerstörter russischer Panzer mit dem "Z"-Symbol steht am 31. März 2022 im Dorf Mala Rohan in der Nähe der Stadt Kharkiv. (© picture-alliance, EPA | ROMAN PILIPEY)

Zusammenfassung

Auf einen Kompromiss mit Putins faschistischem Russland zu setzen, wäre ähnlich, wie auf einen Kompromiss mit Nazi-Deutschland zu setzen. Der einzige Ausgang des Krieges, den der Westen anstreben sollte, ist eine Niederlage Russlands. Sollte hingegen die Ukraine im Gegenzug für einen zeitweiligen Waffenstillstand aufhören sich zu verteidigen, werden die Folgen nur noch schwerwiegender sein, sowohl für die Ukraine wie für den Rest der Welt.

Es ist unglaublich zynisch und dennoch wahr: Im Laufe der großangelegten russischen Invasion hören Ukrainer immer wieder aus einigen Ländern des Westens, und insbesondere auch aus Deutschland, die Frage: "Warum ergebt ihre euch nicht?". Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, wurde in der Fernsehtalkshow Maybrit Illner sogar Externer Link: gefragt, wie viele zivile Opfer die Ukraine bereit sei Externer Link: "in Kauf zu nehmen" (als ob die Ukraine und nicht Russland für Tausende ziviler Opfer auf ukrainischem Boden verantwortlich sei). Andere Varianten des gleichen Narrativs lauten: "Die Ukraine will keinen Waffenstillstand/Kompromiss mit Russland".

Das verdeutlicht lediglich die Tatsache, dass Menschen, die diese Ansicht teilen, Russland und dessen wahre Absichten nicht begreifen. Das ist umso ironischer, als dass das heutige Russland viele Ähnlichkeiten mit faschistischen Regimen wie dem Nazi-Regime seinerzeit in Deutschland aufweist – besonders Deutschland sollte das erkennen.

Man sollte gut auf die Wortwahl achten. Russland behauptet, es wolle die Ukraine "entnazifizieren". Allerdings wird dieser Begriff pervertiert. Während Russland sein Kriegsziel, die Ukraine, als nazistisch bezeichnet, ist das Land selbst zum Inbegriff des Neofaschismus geworden – in seiner aktualisierten, russischen Form, mit vielen Parallelen zu Hitlers Drittem Reich: Wladimir Putin hat die endgültige "Lösung der ukrainischen Frage" angekündigt, ganz wie Hitler die Lösung der Judenfrage verkündet hatte. Das Volk der Ukrainer:innen wird in Russland als Untermenschen ("Kleinrussen") betrachtet. Und was Russland mit der Ukraine vorhat, ist ein Vernichtungskrieg, mit Gefängnis und vermutlichen Todeslisten für jene, die abweichender Meinung sind. Der Krieg gegen die Ukraine hat auch seine eigenen Symbole hervorgebracht: Das "Z" wird zu einem neuen, hakenkreuzartigen Symbol in Russland.

Die Philosophie dieses Krieges ist von Wolodymyr Jermolenko treffend erfasst worden, der Externer Link: beobachtete, dass wenn man für Russland ein Nazi ist, dies einfach bedeutet, dass man eine eigenständige ukrainische Identität hat (in Bezug auf Sprache, Kultur usw.). Gleichzeitig Externer Link: ist Ivan Krastev der Ansicht, dass für Putin diejenigen Nazis sind, die sich dem "ewigen Russland" entgegenstellen. Also haben die Ukrainer:innen aus Sicht Putins keine Wahl: Sie sollen entweder wie Russen sein (und somit aufhören als eigene Nation zu existieren), oder sie sind Nazis und gehören vernichtet.

In Wirklichkeit ist es Russland, und nicht die Ukraine, das keinen Kompromiss sucht. Russland will die gesamte Ukraine kontrollieren (und wird womöglich nicht an der ukrainischen Grenze haltmachen). Russlands Ziel gegenüber der Ukraine besteht in einer "Entmilitarisierung" (also einem Ausschluss jeder Möglichkeit, sich selbst zu verteidigen), einer "Entnazifizierung" (also wie erwähnt einer Beraubung des Landes jeglicher Identität), einer "Neutralität" (also einer Einschränkung seiner Souveränität bei außenpolitischen Entscheidungen) und in einer Anerkennung der Annexion der Krim sowie der "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk in der Ostukraine (wodurch die Verletzung der territorialen Integrität des Landes zementiert würde). Russland wird also jeden halben Schritt lediglich als provisorisch betrachten, als eine Pause, die es dazu nutzen kann, sich neu aufzustellen, um dann erneut angreifen zu können.

Wir haben das bereits acht Jahre lang beobachten können. Seit der russischen Aggression 2014 hat Russland keine stabile Feuerpause eingerichtet, ganz zu schweigen von einer Entflechtung oder einer Entwaffnung der Truppen im Donbas, was eine der zentralen Bestimmungen der Minsker Abkommen darstellt. Also wird jede Art von Waffenstillstand, falls sich gleichzeitig noch russische Truppen auf ukrainischem Territorium befinden, von Russland dazu genutzt werden, seine Stellungen in den besetzten Gebieten zu festigen und sich auf die nächste, noch heftigere und brutalere Runde des Krieges vorzubereiten. Darüber hinaus könnte Russland versuchen, dem Westen einen solchen "Waffenstillstand" als einen Grund zu verkaufen, die Sanktionen zu lockern. Das ist etwas, was Russland verzweifelt benötigt, um seine siechende Wirtschaft aufrecht zu erhalten

Das ist auch der Grund, warum es keine Option sein kann, die euroatlantische Integration der Ukraine bei Verhandlungen zur Disposition zu stellen. Die Neutralität, die Russland von der Ukraine fordert, ist ein wichtiger Schritt, um die Hörigkeit der Ukraine sicherzustellen. Sobald die Ukraine ihr Streben nach euroatlantischer Integration auf Verlangen eines anderen Staates aufgibt, würde dies eine Beschränkung der eigenen Souveränität bedeuten. Es geht nicht um die Frage, ob die NATO bereit ist, die Ukraine aufzunehmen. Es geht um eine unabhängige Entscheidung über die Richtung einer Integration – um den freien Willen der Ukraine, ihre Außenpolitik selbst zu gestalten. Es sei daran erinnert, dass Russland die Ukraine 2014 angriff, als diese neutral war. Somit ist Russlands "Furcht", dass die NATO auf ukrainisches Territorium vorrücken könnte, nichts weiter als ein Vorwand für den jetzigen Angriff, nicht aber dessen wahre Ursache.

Erwähnt werden sollte hier auch, dass es bei der russischen Aggression im Donbas keineswegs nur um die Gebiete Donezk und Luhansk gegangen ist. In Wirklichkeit wollte Putin die besetzten Gebiete als Hebel zur Kontrolle der gesamten Ukraine einsetzen. Das ist auch der Grund, warum in den Minsker Abkommen eine de facto-Föderalisierung und Änderungen an der ukrainischen Verfassung vorgesehen sind.

Wer der Ansicht ist, ein Waffenstillstand würde weitere Opfer verhindern, liegt falsch. Die Geschichte hält einige Externer Link: Analogien parat: Polen ergab sich 1939 Nazi-Deutschland, nach dem die Zahl der Opfer 100.000 erreicht hatte. Danach kamen weitere 5 Millionen Pol:innen ums Leben. Auch in Dänemark, Belgien und den Niederlanden gab es nach der Kapitulation einen exponentiellen Anstieg der Todeszahlen. Wenn sich die Ukraine jetzt ergibt, würde ihr ein ähnliches Schicksal drohen. Die besetzten Gebiete würden mit Terror überzogen werden. Wer daran zweifelt, sollte sich die Berichte aus den belagerten Städten ansehen: Dem Externer Link: Bürgermeister von Mariupol zufolge sind Tausende Bewohner:innen aus der belagerten Stadt zuerst in Lager verbracht und dann zwangsweise nach Russland deportiert worden. In den besetzten Städten Berdjansk, Nowa Kachowka, Skadowsk, Wolnowacha und Melitopol werden bereits Angehörige des öffentlichen Dienstes, Journalist:innen und Aktivist:innen Externer Link: vermisst (siehe auch Erklärung der Kyjiwer Gespräche in dieser Ausgabe, Anm. d. Red.). Menschen, die die russische Besatzung überlebt haben, berichten von Menschen- und Kriegsverbrechen durch russische Soldaten, etwa von Externer Link: Vergewaltigungen und wahllosen Externer Link: Tötungen von Zivilisten, auch von Kindern. Die jüngste Geschichte der besetzten Teile der Gebiete Donezk und Luhansk ist ebenfalls voll von solchen Beispielen, wobei das Geheimgefängnis "Isolazija" in der "Volksrepublik" Donezk zu einem Symbol für diese Gräueltaten wurde. In dem gerade auf Deutsch erschienenen Buch "Heller Weg. Geschichte eines Konzentrationslagers im Donbas 2017–2019" ist mehr über diese Untaten zu lesen. Autor ist der preisgekrönte ukrainische Schriftsteller und ehemalige Insasse des Gefängnisses, Stanislaw Asejew.

Auch diejenigen, die Russlands militärische Macht fürchten und auf einen militärischen Sieg Russlands in diesem Krieg setzen, liegen falsch. Das Pentagon war bemerkenswert präzise bei der Vorhersage des Zeitpunktes der russischen Invasion, irrte sich jedoch hinsichtlich der Widerstandskraft der Ukraine. Die Hauptstadt Kyjiw hält immer noch stand und ist weit davon entfernt, eingeschlossen oder belagert zu sein, und Russland hat in 25 Tagen des Krieges nur eine Gebietshauptstadt einnehmen können. Dem Chef des Generalstabs der Ukrainischen Streitkräfte zufolge hat Russland in über drei Wochen mehr als 14.500 Militärangehörige verloren, was die russischen Verluste in den beiden Tschetschenienkriegen und die sowjetischen Verluste in dem zehnjährigen Krieg in Afghanistan (1979–1989) übersteigt. Das bedeutet zweierlei: Der Westen hat einerseits die russische Armee erheblich überschätzt und andererseits die ukrainischen Streitkräfte (und das, wozu sie mit westlichen Waffen in der Lage sind) unterschätzt. Auf eine Niederlage der Ukraine zu setzen, wäre also ein Fehler.

Ein anderer Fehler wäre es, wenn man glaubt, dass es allein "Putins Krieg" ist, wie Olaf Scholz kürzlich Externer Link: annahm. In Wirklichkeit unterstützt eine große Mehrheit in Russland vehement ihren Anführer beim Krieg gegen die Ukraine, von Universitätsrektoren bis zu olympischen Stars. Dem "Allrussischen Zentrum für die Erforschung der öffentlichen Meinung" (WZIOM) zufolge Externer Link: unterstützen 71 Prozent der Russ:innen den Krieg gegen die Ukraine, der als "Spezialoperation" bezeichnet wird (auch wenn, wie angenommen werden muss, einige Menschen in Russland Angst haben, sich gegen den Krieg auszusprechen, und deshalb lieber schweigen, was sie nichtsdestotrotz mitschuldig macht). Es ist eben nicht Putin, der im Moskauer Luschniki-Stadion russische Flaggen zur Feier des Jahrestages der Krim-Annexion schwenkt, sondern 200.000 Russ:innen. Es ist auch nicht Putin selbst, der die Bomben auf das Theater in Mariupol wirft, vor dem in großen Lettern "Kinder" geschrieben steht, sondern es sind russische Soldat:innen, die diesen Krieg möglich machen (Anm. der Red: Bei dem Angriff auf das Theater sollen mehr als 300 Menschen getötet worden sein).

Die Deutschen wissen sehr wohl, was kollektive Verantwortung bedeutet. Diese sollte allerdings klar von kollektiver Schuld unterschieden werden. Die Schuld wird individuell und vor Gericht festgestellt. Die kollektive Verantwortung für die russischen Verbrechen in der Ukraine jedoch muss vom ganzen Volk Russlands übernommen werden. Es wird Jahre brauchen, wie es in Deutschland Jahrzehnte brauchte (und es erfolgte zu großen Teilen durch eine erzwungene "Umerziehung" durch die Alliierten…). Allerdings ist es höchste Zeit, dass Deutschland aufhört, sich von seiner Schuld gegenüber Russland blenden zu lassen. Das heutige Russland könnte an Bösartigkeit womöglich weitergehen als Nazi-Deutschland, wenn man es ließe.

Schließlich ist es höchste Zeit, dass die NATO die russischen Drohungen gegenüber dem Bündnis selbst ernstnimmt. Putin hat gefordert, dass sich die NATO auf ihre Grenzen von 1997 zurückzieht. Einer Umfrage der Active Group zufolge würden 86,6 Prozent der Russ:innen eine bewaffnete Invasion in andere europäische Länder unterstützen, und 75,5 Prozent meinen, Polen sollte als nächstes dran sein.

Während sich der Krieg im restlichen Europa vor allem in steigenden Lebensmittel- und Heizungspreisen manifestiert, fühlt er sich in der Ukraine bereits wie ein Dritter Weltkrieg an, mit permanentem Beschuss ganzer Städte und Dörfer, Tausenden zivilen Opfern und mehr als zehn Millionen Flüchtlingen. Es gibt nur einen Weg zu verhindern, dass der Krieg in andere europäische Länder überschwappt, nämlich die Ukraine mit allen Mitteln zu unterstützen: Die Ukraine sollte mit modernen Systemen zur Luft- und Raketenabwehr ausgestattet werden, mit Drohnen, Kampfjets, Panzerabwehrraketen und Schiffsabwehrwaffen.

Der Ukraine sollte auch den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten, mit einem Eilverfahren für eine Mitgliedschaft. Das würde nicht nur das Signal aussenden, dass die Ukraine kein Teil der Russischen Welt sein wird, es wäre auch ein klares Signal an die ganze Welt, von wem die EU denkt, dass der Krieg gewonnen wird. Wieso sollte man schließlich einem Land einen Kandidatenstatus für die EU verleihen, das alsbald aufhören könnte zu existieren? Weitere Argumente für eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine sind in einer Serie von Externer Link: Infografiken des New Europe Centers aufgeführt.

Auf einen Kompromiss mit Putins faschistischem Russland zu setzen, wäre ähnlich, wie auf einen Kompromiss mit Nazi-Deutschland zu setzen. Der einzige Ausgang des Krieges, den der Westen anstreben sollte, ist eine Niederlage Russlands. Sollte hingegen die Ukraine im Gegenzug für einen zeitweiligen Waffenstillstand aufhören sich zu verteidigen, werden die Folgen nur noch schwerwiegender sein, sowohl für die Ukraine wie für den Rest der Welt.

Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder

Weitere Inhalte

Dr. Kateryna Zarembo ist Associate Fellow am New Europe Center und Lektorin an der Nationalen Universität Kyjiw-Mohyla-Akademie in der Ukraine.