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Analyse: Die ukrainisch-belarusischen Beziehungen im Kontext des russisch-ukrainischen Krieges | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Die ukrainisch-belarusischen Beziehungen im Kontext des russisch-ukrainischen Krieges Ukraine-Analysen Nr. 302

Pawlo Rad

/ 5 Minuten zu lesen

Der russische Angriff auf die Ukraine von belarussischem Territorium aus führte zu einer erheblichen Verschlechterung der ukrainisch-belarusischen Beziehungen

Im März 2022 fanden russisch-ukrainische Friedensverhandlungen unter Vermittlung des belarusischen Machthabers Lukaschenko in Belarus statt, scheiterten aber. (© picture-alliance, inhua News Agency | Belta news agency)

Zusammenfassung

Im Februar 2022 startete die Russische Föderation die groß angelegte Invasion der Ukraine auch von belarusischem Territorium aus. Dies führte zu einer erheblichen Verschlechterung der ukrainisch-belarusischen Beziehungen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sicherheit. Obwohl Kyjiw das Minsker Regime als bedrohlich empfindet, führt es gegenwärtig einen begrenzten Dialog über praktische Fragen und hat eine eher verhaltene Haltung, was die Zusammenarbeit mit den demokratischen Kräften in Belarus anbelangt. Dieser zurückhaltende Ansatz ist sowohl durch die Sicherheitsbedenken der Ukraine als auch durch das Fehlen einer strategischen Vision Kyjiws in Bezug auf Belarus begründet.

Herausgeber der Länderanalysen

Die Ukraine-Analysen werden von der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V., dem Deutschen Polen-Institut, dem Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, dem Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung und dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) gGmbH gemeinsam herausgegeben. Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb veröffentlicht die Analysen als Lizenzausgabe.

Die Erosion der wirtschaftlichen Zusammenarbeit

Vor 2022 zielte die außenpolitische Strategie der Ukraine gegenüber Belarus zunächst darauf ab, den bilateralen Handel zu nutzen, um zu verhindern, dass Russland die belarussische Souveränität einschränkt. Als die EU Mitte 2021 sektorale Sanktionen gegen Belarus verhängte, wurde die Ukraine nicht nur zum wichtigsten Markt für belarusische Erdölprodukte und Stromexporte, sondern bot Belarus auch eine Möglichkeit, die Sanktionen durch Handel zu umgehen.

Sobald Belarus jedoch zum Brückenkopf für Russlands groß angelegte Invasion wurde, änderte die Ukraine ihren Kurs und nahm Abstand von strategisch wichtigen belarusischen Importen, insbesondere von Erdölprodukten. Die Verwicklung des Lukaschenko-Regimes in die russische Aggression machte es Kyjiw unmöglich, die Handelsbeziehungen mit dem offiziellen Minsk auf demselben Niveau zu halten. Infolgedessen verzeichnete der bilaterale Handel einen starken Rückgang, von einem Höchststand von 6,9 Mrd. US-Dollar im Jahr 2021 auf 1,6 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022. Die Daten aus dem Jahr 2023 zeigen einen Rückgang in den ersten sieben Monaten auf nur noch 13,8 Millionen US-Dollar und verdeutlichen den Zusammenbruch der wirtschaftlichen Zusammenarbeit

Politische Beziehungen auf historischem Tiefpunkt

Seit Februar 2022 sind die politischen Beziehungen zwischen der Ukraine und Belarus auf einen historischen Tiefpunkt gesunken, der durch minimale Kommunikation und einen erheblichen Rückgang der Diplomatie gekennzeichnet ist. Beide Staaten unterhalten zwarde jure diplomatische Beziehungen, doch das praktische Engagement wurde stark eingeschränkt. Die ukrainischen und belarusischen Botschafter wurden abberufen, die Ukraine hat ihr Botschaftspersonal in Minsk auf fünf reduziert und Belarus hat seine Diplomat:innen aus der Ukraine evakuiert.

Aus drei Gründen unterhält die Ukraine weiterhin diplomatische Beziehungen zu Belarus. Erstens nutzen Moskau und Kyjiw den Kanal in Minsk für den Austausch von diplomatischen Noten und die Übermittlung juristischer und konsularischer Dokumente. Zweitens ist Belarus eine der wenigen Routen, über die Ukrainer:innen aus den besetzten Gebieten in die von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete gelangen können. Und drittens ist die Anwesenheit ukrainischer Diplomat:innen auf belarusischem Boden ein Signal an Minsk, dass Kyjiw nicht mit militärischer Gewalt gegen Belarus vorgehen wird.

Angesichts des mangelnden Vertrauens und fehlender formaler diplomatischer Beziehungen auf höchster Ebene erfolgt die Kommunikation meist über Geheimdienste oder andere geschlossene Kanäle. Ziel Kyjiws ist es, die politische Führung von Belarus zu beeinflussen und die vom Minsker Regime ausgehenden Sicherheitsbedrohungen zu verringern.

Entwicklung der Rolle des Lukaschenko-Regimes im Krieg

Seit Mitte 2022 haben die direkten Drohungen aus Minsk gegenüber der Ukraine abgenommen, was vor allem auf die reduzierte russische Militärpräsenz in Belarus im Vergleich zu der Aufrüstung vor der Vollinvasion in die Ukraine zurückzuführen ist. Derzeit befinden sich noch etwa 2.000 russische Soldaten auf belarusischem Territorium, die in erster Linie mit der Instandhaltung der russischen Luftfahrt- und Funktechnik betraut sind.

Die Rolle von Belarus im russisch-ukrainischen Krieg hat sich erheblich gewandelt. Diente Belarus zunächst als Stützpunkt für russische Militäroperationen, so hat es sich inzwischen zu einem wichtigen Lieferanten von militärischer Ausrüstung, Munition und militärischen Komponenten für Russland entwickelt. Belarus nimmt auch an Russlands psychologischer und informationeller Kriegsführung teil, die neuen Phasen des russisch-ukrainischen Krieges vorausgehen. So enthüllten geleakte Pentagon-Dokumente russische Bemühungen in der ersten Hälfte 2023, beim ukrainischen Geheimdienst den Eindruck einer möglichen neuen Offensive von Belarus aus zu erwecken.

Ähnliches findet aktuell in Zusammenhang mit der russischen Offensive in der Ostukraine statt. Belarus führt militärische Übungen durch und beschuldigt Kyjiw, Saboteure auf seinem Territorium zu stationieren. Diese Vorgänge, gepaart mit der belarusischen Mobilisierung und militärischen Ausbildung und den Äußerungen über Kriegsvorbereitungen, dienen dazu, die ukrainische Gesellschaft und die militärisch-politische Führung unter Druck zu setzen.

Niedrige Chancen einer schwerwiegenden Eskalation

Dennoch sind die Aussichten auf eine Wiederaufnahme von Raketen- oder Drohnenangriffen oder eine erneute Offensive von belarusischem Territorium aus eher gering. Belarus in ein Kriegsgebiet zu verwandeln, wäre sowohl für Lukaschenko, der wie jeder Autokrat in erster Linie an der Erhaltung seines Regimes interessiert ist, als auch für Moskau von Nachteil. Das würde Russlands Fähigkeit, sich mit notwendigen Komponenten und Erdölprodukten aus Belarus zu versorgen, durch ukrainische Angriffe auf Verteidigungsanlagen und Raffinerien auf belarusischem Boden untergraben.

Außerdem ist die Ukraine nicht nur besser auf eine mögliche neue Eskalation vorbereitet, sondern verfügt auch über belarusische Freiwilligeneinheiten, insbesondere das Kastus-Kalinouski-Regiment. Minsk sieht in diesen Freiwilligen eine potenzielle Bedrohung und eine Quelle der Destabilisierung. Aus diesem Grund hat das belarusische Innenministerium mehrere Antiterroreinheiten geschaffen[15], während der belarussische Geheimdienst KGB die Freiwilligen als Extremisten bezeichnet[16] und Strafverfahren gegen Mitglieder ihrer Familien eingeleitet hat[17].

Kyjiws Position gegenüber den belarusischen demokratischen Kräften ist zurückhaltend

Während belarusische Freiwillige als integraler Bestandteil einer militärisch-politischen Strategie zur Abschreckung des Lukaschenko-Regimes angesehen werden, ist Kyjiw bei der Zusammenarbeit mit der belarusischen Aktivistin und Anführerin der politischen Opposition Swjatlana Zichanouskaja und ihrem Team eher zurückhaltend. Sicherheitsinteressen haben für Kyjiw nach wie vor oberste Priorität. Daher vermeiden es die ukrainischen Behörden, Lukaschenko zu provozieren oder die fragilen Beziehungen zum offiziellen Minsk zu gefährden, indem sie sich stärker mit den belarusischen demokratischen Kräften einlassen, die aus ukrainischer Sicht nur begrenzt in der Lage sind, das Minsker Regime abzuschrecken oder die ukrainischen Kriegsanstrengungen nennenswert zu unterstützen.

Trotz dieser Hindernisse könnten die laufende Kommunikation zwischen ukrainischen Parlamentarier:innen und der belarussischen Exilregierung, sowie die Ernennung eines ukrainischen Sonderbotschafters für Belarus, der die demokratischen Kräfte einbinden soll, zukünftig Möglichkeiten für engere Beziehungen zwischen Kyjiw und der demokratischen Bewegung in Belarus schaffen und Kyjiw dabei helfen, mit der Führung in Minsk zu verhandeln.

Fazit: Kyjiw muss seinen Ansatz gegenüber Belarus neu bewerten

Der Ukraine ist es gelungen, das Lukaschenko-Regime abzuschrecken. Ein solch begrenzter Ansatz beseitigt jedoch nicht die zukünftigen Bedrohungen und sorgt nicht für dauerhafte Sicherheit und Stabilität an der Nordgrenze der Ukraine. Die Ukraine muss in Bezug auf Belarus eine proaktivere und bedachtere Politik verfolgen, die ein breites Spektrum an Instrumenten umfasst. Dies würde Kyjiw helfen, die negativen Auswirkungen der Bedrohung abzumildern und neue Möglichkeiten zur Unterstützung der belarusischen Demokratiebewegung sowie im Umgang mit der Führung in Minsk zu nutzen.

Übersetzung: Dr. Eduard Kleine

Der Text erschien am 27.06.2024 im Focus Ukraine Blog des Kennan Institute und ist frei zugänglich unter Externer Link: https://www.wilsoncenter.org/blog-post/ukraine-belarus-relations-context-russo-ukrainian-war . Wir danken dem Autor und dem Kennan Institute für die Erlaubnis zur Publikation der deutschsprachigen Übersetzung in den Ukraine-Analysen.

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Pawlo Rad ist Analyst und Junior Fellow des Studienprogramms Russland und Belarus beim Rat für Außenpolitik "Ukrainian Prisma".