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Krieg in der Ukraine und Beziehungen zu Russland

Olaf Leiße

/ 6 Minuten zu lesen

Seit dem russischen Angriff auf die gesamte Ukraine steht Europas Sicherheitsordnung unter Druck – und mit ihr die Einigkeit der EU.

Pressekonferenz in Kyjiw am 24. Februar 2025: Drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffs auf die gesamte Ukraine waren Ratspräsident António Costa (2. von rechts) und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) in die ukrainische Hauptstadt gereist um die Solidarität der EU mit der Ukraine zum Ausdruck zu bringen. (© picture alliance / NurPhoto | Alfons Cabrera)

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Interner Link: Russland waren meistens von Spannungen und Differenzen gekennzeichnet. In den 1990er Jahren erlebte Russland unter Interner Link: Präsident Jelzin einen tiefgreifenden Umbruch mit schwerwiegenden sozialen Folgen, wie dem Anstieg der Arbeitslosigkeit, dem Zusammenbruch der Wirtschaft und politischen Machtkämpfen. Die Beziehungen zum Westen besserten sich nach dem Ende des Kalten Kriegs. Russland wurde in den Europarat aufgenommen und schloss mit der EU 1994 ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen.

Mit dem Antritt Interner Link: Wladimir Putins als russischer Präsident im Jahr 2000 gestalteten sich die Beziehungen wieder schwieriger. Im Zuge der Stärkung seiner präsidialen Macht schaltete Putin mögliche politische Konkurrenz systematisch aus. Dies betraf das Parlament ebenso wie die Regionen, die Oligarchen oder die Opposition. Nach dem Interner Link: Einmarsch in die georgische Region Süd-Ossetien 2008 wurden die bisherigen regelmäßigen Gipfeltreffen ausgesetzt. Nach der Interner Link: Besetzung der Krim 2014 und der Unterstützung der aufständischen „Volksrepubliken“ von Luhansk und Donezk in der Ostukraine beschloss die Europäische Union erstmals Sanktionen gegen Russland.

EU‑Strategie seit Februar 2022

Mit dem Interner Link: russischen Angriff auf die gesamte Ukraine am 24. Februar 2022 veränderten sich die Beziehungen zwischen der EU und Russland grundlegend. Die politischen Beziehungen wurden seitdem weitgehend unterbrochen und die wirtschaftlichen Beziehungen stark eingeschränkt. Die EU hat sich auf diese Grundsätze verständigt:

  • Russland soll international isoliert werden. Daher sind Interner Link: Sanktionen notwendig, um weitere Kriege zu verhindern.

  • Russland sowie die Hauptverantwortlichen sollen später für Verstöße gegen das Völkerrecht und Interner Link: Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Verantwortung gezogen werden.

  • Es soll eine enge Zusammenarbeit mit der Interner Link: NATO und Partnern in der ganzen Welt etabliert werden, die die internationale Ordnung verteidigen wollen.

  • Die Europäische Union muss ihre Widerstandsfähigkeit in Bezug auf die Interner Link: Energieversorgungssicherheit, die kritische Infrastruktur und Bedrohungen in der digitalen Welt stärken und ausbauen.

  • Die russische Zivilgesellschaft, Menschenrechtler und unabhängigen Medien, soweit es sie noch gibt, sollen unterstützt werden.

Rolle der Kommission & Sanktionen

Obwohl die Interner Link: Europäische Kommission für die Außen- und Sicherheitspolitik eigentlich nicht zuständig ist, vergrößerte sie ihre Einfluss im Laufe des Krieges auf zwei Wegen.

Erstens beschrieb die nach Selbstaussage „geopolitische Kommission“ unter Ursula von der Leyen den Krieg als Bruch mit grundlegenden europäischen Werten. So setzte sie den Deutungsrahmen für den Krieg. Mehrfach betonte die Kommissionspräsidentin, dass die Europäische Union fest an der Seite der Ukraine und ihrer Bevölkerung stehe. Nur wenige Tage nach Kriegsbeginn sprach von der Leyen vor den Abgeordneten des Interner Link: Europäischen Parlaments und rief ihnen zu, dass es bei dem Krieg in der Ukraine um eine Auseisandersetzung zwischen Rechtsstaatlichkeit und dem Recht des Stärkeren, zwischen Demokratien und Interner Link: Autokratien, zwischen einer regelbasierten Ordnung und einer Welt der blanken Aggression handele. Sie stellte sich demonstrativ hinter den Interner Link: ukrainischen Präsidenten Selenskyj, der die Ukraine als Verteidigerin europäischer Werte darstellte und so die Unterstützung des Westens organisierte. Die Kommission übernahm somit eine gewisse ideelle Führungsrolle.

Zweitens brachte die Kommission ihre Wirtschaftsexpertise bei der Formulierung und Ausgestaltung der konkreten Sanktionen gegen Russland ein. Formell waren es die Mitgliedstaaten, die die Sanktionsbeschlüsse einstimmig in Kraft setzen mussten, aber sie ließen sich vielfach von den Vorschlägen der Kommission leiten. In den ersten beiden Jahren seit Kriegsbeginn hat die Europäische Union in regelmäßigen Abständen 13 Sanktionspakete verabschiedet – nach gut drei Jahren ist die Anzahl der Pakete auf 17 angewachsen. Die ersten drei Sanktionspakete wurden bereits unmittelbar in den ersten Kriegstagen beschlossen. Zunächst ging es um Einreiseverbote gegen Mitglieder von Parlament, Regierung und Geschäftswelt sowie um die Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen mit den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten der Oblaste Interner Link: Donezk und Luhansk. Schon bald weitete die Europäische Union die Sanktionen jedoch schrittweise auf immer weitere Wirtschaftsbereiche und vor allem auf den Finanz- und Bankensektor aus. Die Ein- und Ausfuhrbeschränkungen betrafen schließlich mehr als 50 Prozent des Handels zwischen der Europäischen Union und Russland vor dem Ausbruch des Krieges.

Der schwierige Spagat der EU-Staaten

Allerdings wurden viele Sanktionsvorschläge im Laufe der Verhandlungen von den Mitgliedstaaten abgeschwächt. Zu Beginn des Kriegs einigten sich die Mitgliedstaaten rasch auf Sanktionen. Angesichts der Kriegsgräuel und des Massakers von Butscha, einem Vorort von Kyjiw, durch russische Truppen im April 2022, einigten sich die im Rat versammelten Mitgliedstaaten zügig auf Sanktionspakete. Doch je länger der Krieg dauerte, desto mehr Zugeständnisse mussten einzelnen Mitgliedstaaten gemacht werden, damit sie den Sanktionen weiterhin zustimmen. Deshalb wurden Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen für Länder eingeführt, die stark auf russische Öl- und Gaslieferungen angewiesen sind oder ihre Landwirtschaft durch den Weizenimport aus der Ukraine gefährdet sehen. Der Krieg forderte die Einigkeit der EU-Staaten spürbar heraus, je länger er dauerte.

LinklisteLinks zur Europäischen Union in internationalen Beziehungen

Externer Link: Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) – EU-Außenpolitik und Diplomatie
Externer Link: EU-Nachbarschaftspolitik – Beziehungen zu Nachbarstaaten und Erweiterungspolitik
Externer Link: EU-Handelspolitik – Handelsabkommen und Wirtschaftsbeziehungen der EU

Strategischer Kompass: Einsatzbereitschaft für Krisen

Im März 2022 und damit wenige Wochen nach Kriegsbeginn verabschiedete die Europäische Union den „Strategischen Kompass“ – einen seit zwei Jahren vorbereiteten Leitfaden für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Dort ist vorgesehen, dass die EU eine Schnelleingreifkapazität von bis zu 5.000 Einsatzkräften zur „Bewältigung verschiedener Arten von Krisen“ aufbaut. Außerdem soll die EU in der Lage sein, innerhalb von 30 Tagen 200 vollständig ausgerüstete Experten für Missionen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu entsenden. Darüber hinaus soll auch der Bereich der Cybersicherheit ausgebaut werden.

Friedensfazilität, EUMAM Ukraine und Verteidigungsfond

Zwei Instrumente wurden bereits vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs angeschoben, gewannen jedoch durch den russischen Angriffskrieg an Dringlichkeit. Die Europäische Friedensfazilität (European Peace Facility /EPF) wurde bereits im März 2021 gegründet. Ziel des Instruments ist die finanzielle Unterstützung militärischer Einsätze der Europäischen Union und ihrer Partner. Darüber hinaus können damit alle militärischen und verteidigungspolitischen Maßnahmen finanziert werden. Dazu gehören Ausrüstung ebenso wie Waffen und Munition.

Die Finanzierung erfolgt direkt durch die Mitgliedstaaten und nicht über den EU-Haushalt. Zunächst wurde die Fazilität aufgrund des Krieges mit Mitteln in Höhe von 5 Mrd. Euro für den Zeitraum 2021-2027 ausgestattet, später jedoch mehrfach aufgestockt. Das Ziel ist die gemeinsame Beschaffung und eine schnellere Lieferung von Munition und Flugkörpern an die Ukraine. Allerdings werden damit nicht nur Maßnahmen in der Ukraine, sondern auch in der Republik Moldau, in Georgien und in Afrika unterstützt. Außerdem hat die EU im Oktober 2022 einen Beschluss zur Einrichtung der EUMAM Ukraine (EU Military Assistance Mission in support of Ukraine) mit einer Laufzeit von zunächst zwei Jahren gefasst. Im Rahmen dieser Mission erhalten die ukrainischen Streitkräfte, die Nationalgarde, der Grenzschutz, die Polizei und der Sicherheitsdienst Ausbildungsmaßnahmen durch die EU-Mitgliedstaaten.

Das zweite Instrument ist der Europäische Verteidigungsfond (European Defence Fund (EDP). Er wurde 2017 eingerichtet und soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Rüstungsindustrie innerhalb der EU fördern. Dabei geht es in erster Linie darum, die Kosten der nationalen Fragmentierung des militärischen Sektors zu überwinden. Für den Zeitraum 2021-2027 stehen knapp 8 Mrd. Euro für Forschung und Entwicklung im militärischen Bereich zur Verfügung.

Zusammenarbeit in der Rüstung ohne Zentralisierung

Eine Vorstufe zu einer europäischen Armee bilden diese Maßnahmen jedoch nicht, d.h. eine Interner Link: supranationale Zentralisierung der militärischen Ressourcen in der Europäischen Union ist nicht geplant. Vielmehr verbleiben die militärischen Kapazitäten weiterhin bei den Mitgliedstaaten, die sich jedoch durch die Koordination und Kooperation eine Effizienzsteigerung dieses kostenintensiven Sektors erhoffen. Allerdings sind die EU-Mitgliedstaaten weiterhin stark von den Vereinigten Staaten abhängig - insbesondere hinsichtlich militärischer Fähigkeiten. Eine alleinige militärische Unterstützung und Verteidigung der Ukraine durch die Europäer ist nicht möglich. Auch wenn sich seit den jugoslawischen Auflösungskriegen der 1990er Jahre die Europäische Union im militärischen Bereich sichtbar weiterentwickelt hat, so fehlen ohne die Unterstützung der USA immer noch militärische Eingriffsmöglichkeiten, mit denen die EU ihre Interessen auch militärisch selbstbewusster wahrnehmen könnte.

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Apl. Prof. Dr. Olaf Leiße ist Leiter des Arbeitsbereichs Europäische Studien am Institut für Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist außerplanmäßiger Professor für Europäische Studien und Autor zahlreicher Bücher über die Europäische Union.