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Konflikt zwischen Israel und Gaza

Olaf Leiße

/ 7 Minuten zu lesen

Zwischen Solidarität mit Israel und Hilfe für Palästinenser: Die EU balanciert Sicherheit, Völkerrecht und Humanität. Nicht nur Uneinigkeit und Einstimmigkeit zeigen der EU dabei die Grenzen.

EU-Kommissar Janez Lenarčič begleitet im November 2023 das Verladen des zweiten humanitären Frachtflugs vom Flughafen Ostende nach Gaza. (© picture-alliance, Hans Lucas | POOL UNION EUROPEENNE / AGENCE HANS LUCAS)

Die Interner Link: kriegerische Auseinandersetzung zwischen Israel und Gaza nach dem Interner Link: Terrorangriff der Hamas und der Geiselnahme von israelischen Zivilisten am 7. Oktober 2023 stellte für die Europäische Union eine große Herausforderung dar. Einerseits war die EU mit Israel in politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bereichen eng verbunden und erkannte das Recht Isreals auf Sicherheit an. Andererseits unterstützte sie seit vielen Jahren den Gazastreifen und die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland finanziell, damit diese öffentliche Dienste aufrechterhalten kann. Die beiden Positionen und die damit verbundenen Ziele in Einklag zu bringen, beschert der EU immer wieder einen schwierigen Balanceakt, der auch ihr Handeln seit 2023 maßgeblich beeinflusst.

Historische Beziehungen zwischen der EU und Israel

Die Beziehungen mit Israel blicken auf eine lange Geschichte zurück. Die Interner Link: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), der Vorläufer der EU, nahm bereits 1959 offizielle Kontakte mit Israel auf. Bereits 1964 wurde ein Handelsabkommen zwischen der EWG und Israel geschlossen. Israel wurde zu einem wichtigen Handelspartner für Hochtechnologie und Innovation. Die wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen entwickelten sich kontinuierlich. Auch Israels Palästina-Politik, die immer wieder für politische Spannungen sorgte, war kein Anlass, die wachsende Zusammenarbeit in den Bereichen Hightech, Digitalisierung, Energie und Sicherheit in Frage zu stellen. Israel wurde in das Europäische Nachbarschaftsprogramm (ENP) aufgenommen und erhielt privilegierten Zugang zu europäischen Förderprogrammen. Die EU ist heute Israels wichtigster Handelspartner, mit der es rund 30 Prozent seines Außenhandels abwickelt. Gleichzeitig verschärften sich die politischen Spannungen aufgrund der Besatzungspolitik, des Interner Link: Siedlungsbaus im Westjordanland, der Blockade Gazas und verschiedener Militäroperationen. Die isrealische Regierung unter Interner Link: Benjamin Netanjahu kritisierte deshalb die EU, sie sei „einseitig pro-palästinensisch“.

Unterstützung der Palästinenser durch die EU

Bereits in der Venedig-Erklärung von 1980 erklärte die damalige Europäische Gemeinschaft, dass das palästinensische Volk ein Recht auf Selbstbestimmung hat, die Interner Link: Palästinensische Befreiungsorganisation PLO in Friedensverhandlungen einbezogen werden müsse und eine gerechte Lösung des Konflikts nur möglich sei, wenn die legitimen Rechte der Palästinenser anerkannt werden. Damit wurden die palästinensischen Rechte ausdrücklich betont. Die EU wurde rasch größter Geber für den Aufbau der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah (Westjordanland) und unterstützte sie beim Aufbau von Verwaltung, Polizei, Justiz, Schulen und Gesundheitsdiensten.

Im Jahr 2005 richtete die EU eine Mission zur Ausbildung und Reform der palästinensischen Polizei ein (EUPOL COPPS) und 2006 folgte eine EU-Mission zur Überwachung des Grenzübergangs Rafah zwischen Gaza und Ägypten (EUBAM Rafah). Beide Missionen bestehen bis heute.

Nach der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen (2007) stoppte die EU die direkte Unterstützung der dortigen Verwaltung, da die Hamas auf der EU-Terrorliste steht. Hilfe floß seither nur über UN-Organisationen (z. B. UNRWA) oder humanitäre Organisationen. Nach der Eskalation durch den Überfall der Hamas auf isrealische Zivilisten 2023 und die anschließende Militäroperation Israels im Gazastreifen hat die EU eine humanitäre Luftbrücke eingerichtet, um Hilfsgüter in den Gazastreifen zu transportieren. Sie engagierte sich bei der Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Trinkwasser, sanitärer Grundversorgung und Unterkünften für Vertriebene, leistete medizinische Hilfe und unterstützte Gesundheitseinrichtungen.

Prinzipien der EU-Nahost-Politik

Die EU versuchte, in diesem Konflikt eine ausgewogene Haltung zu bewahren. Sie unterstützte Israel in dem Wunsch nach Rückführung der Geiseln, kritisierte aber gleichzeitig deutlich die humanitären Konsequenzen des Konflikts und rief zur sofortigen und dauerhaften Einstellung der Kämpfe auf. Sie verurteilte die Hamas-Angriffe, unterstützt jedoch weiterhin den palästinensischen Staatsaufbau. Sie kooperiert mit Israel in vielen Bereichen, betont aber zugleich Israels Verpflichtung, das humanitäre Interner Link: Völkerrecht einzuhalten. Die EU sieht sich als balancierende Macht: Sie will Israels Sicherheit stärken und gleichzeitig die palästinensischen Rechte schützen.

Die leitenden Prinzipien der EU in Bezug auf den Konflikt sind:

  • Zwei-Staaten-Lösung: Die EU bekräftigt immer wieder, dass sie eine Lösung auf Basis der Zwei-Staaten-Idee anstrebt. Es soll einen israelischen und einen palästinensischen Staat geben, die in Frieden und Sicherheit nebeneinander leben. Ostjerusalem soll zur künftigen Hauptstadt Palästinas werden.

  • Einhaltung des Völkerrechts: Wichtig sind für die EU insbesondere das humanitäre Völkerrecht und Interner Link: Menschenrechte. Grenzüberschreitungen, das Töten von Zivilpersonen, Angriffe auf zivile Infrastruktur oder Versorgungsengpässe für die Bevölkerung werden kritisiert.

  • Humanitäre Hilfe und Schutz der Zivilbevölkerung: Die Versorgung von Zivilisten, Zugang zu Hilfsgütern, medizinische Versorgung werden von der EU als dringlich angesehen. Sie fordert uneingeschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe.

Unterschiedliche Positionen der Mitgliedstaaten

Innerhalb der EU gibt es jedoch tiefe Interner Link: Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten im Umgang mit dem Konflikt und insbesondere mit der israelischen Regierung. Einige Staaten forderten harte Maßnahmen gegen Israel, andere plädierten eher für Zurückhaltung. Frankreich hat relativ starke Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen geäußert, insbesondere hinsichtlich der humanitären Situation und Einschränkungen für die Lieferung von Hilfsgütern. Präsident Macron forderte, die EU müsse die Kooperationsvereinbarungen mit Israel überdenken, beispielsweise das Interner Link: Assoziierungsabkommen, wenn die Menschenrechtsverletzungen in Gaza fortgesetzt werden. Ende September 2025 hat Frankreich auf der Zweistaaten-Konferenz bei den Vereinten Nationen einen palästinensischen Staat anerkannt. Zuvor erkannten auch Großbritannien, Kanada, Australien und Portugal Palästina an. Bis Ende September 2025 haben bereits 157 der 193 UN-Mitgliedstaaten diesen Schritt vollzogen. Von den 27 EU-Mitgliedstaaten erkennen 15 Palästina als Staat an, während 12 dies bislang nicht tun.

Spanien gehört zu den schärfsten Kritikern Israels. So hat es ein umfassendes Waffenembargo gegen Israel beschlossen. Spanien untersagt darüber hinaus das Einlaufen von Schiffen in spanische Häfen, wenn diese Treibstoff für die israelischen Streitkräfte transportieren. Zudem sollen Flugzeuge mit militärischem Material für Israel den spanischen Luftraum nicht nutzen dürfen. Darüber hinaus verhängt Spanien Einreiseverbote gegen Personen, die aus Sicht der spanischen Regierung an Kriegsverbrechen oder an Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht beteiligt sind.

Ungarn dagegen, das bereits in der kommunistischen Zeit Palästina als Staat anerkannt hatte, diesen Status aber überdenkt, hat mehrfach Widerstand geleistet gegen EU-Maßnahmen, die sich gegen Israel richteten. Ungarn befürwortete Israels Recht auf Selbstverteidigung und spricht oft davon, dass es eine Terrororganisation war, die am 7. Oktober gehandelt habe, und dass die darauffolgenden Aktionen Israels als Reaktion zu bewerten sind. Die ungarische Regierung blockierte Forderungen der EU nach einem humanitären Waffenstillstand oder Sanktionen gegen israelische Siedler. Sie hat sich auch dagegen ausgesprochen, die EU-Israel-Assoziierungsvereinbarung zu überprüfen oder Maßnahmen zu akzeptieren, die Israel stark einschränken würden. Ungarn hat wiederholt verhindert, dass diese Erklärungen im EU-Rat einstimmig angenommen werden.

Auch Deutschland ist gegenüber Sanktionsmaßnahmen skeptisch. Deutschland ist grundsätzlich sehr darauf bedacht, die historische Verantwortung gegenüber Israel zu betonen. Die Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich mehrfach gegen eine Aussetzung oder Kündigung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel ausgesprochen, gleichzeitig hat Deutschland Waffenexporte eingeschränkt oder gestoppt, insbesondere wenn sie potenziell im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Insgesamt versucht die Regierung, besonders harte Maßnahmen zu vermeiden, die die Beziehung zu Israel belasten könnten.

Europas begrenzter Einfluss

Die Krise im Nahen Osten nach dem Überfalls der Hamas und der Reaktion Israels war und ist eine große Belastungsprobe für die Europäische Union. Bei kaum einem anderen Thema ist die Gemeinschaft so tief gespalten in ihren Ansichten und Forderungen. Aufgrund des Einstimmigkeitsprinzip in außenpolitischen Fragen konnte sie sich bisher auf keinen eindeutigen Kurs festlegen. Immerhin gab es einige allgemeine Positionen, die alle Mitgliedstaaten teilten. Dazu gehört die Forderung nach Waffenruhe und die Freilassung aller Geiseln, die Überprüfung insbesondere des Assoziierungsabkommens, um festzustellen, ob Verpflichtungen zu Menschenrechten verletzt wurden. Und schließlich kritisiert die EU Pläne, die militärischen Operationen auszuweiten und eine verstärkte Kontrolle über Gaza zu erlangen. Auch Siedlungserweiterungen und die Interner Link: Annexion von Gebieten werden als Verletzung des internationalen Rechts bewertet.

Die Europäische Union ist für die Palästinenser der größte Geldgeber und wichtiger politischer Partner, aber nicht der entscheidende Vermittler im Konflikt. Diese Rolle fällt den USA zu. Nach maßgeblicher Vermittlung von Präsident Donald Trump hat die US-Regierung am 29. September 2025 einen Plan zur Lösung des Konflikts veröffentlicht. Demnach soll Gaza zu einer „entradikalisierten, terrorfreien Zone“ gemacht werden, die keine Bedrohung mehr für Nachbarstaaten darstellt. Der Krieg soll sofort enden, falls beide Seiten den Plan annehmen. In diesem Fall sollen alle Geiseln freigelassen bzw. deren Leichname übergeben werden und sich die israelischen Streitkräfte zurückziehen. Gaza soll demilitarisiert und die Hamas entmachtet werden. Der Gazastreifen soll mit Hilfe einer dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung, der Einrichtung eines Sonderwirtschaftsgebiets sowie der Förderung von Investitionen und Arbeitsplätzen neu aufgebaut werden. Israel wird Gaza nicht annektieren oder dauerhaft besetzen.

Die Europäische Union steht dem Friedens- und Wiederaufbauplan von Donald Trump für den Gazastreifen insgesamt positiv gegenüber, jedoch mit einigen Vorbehalten und Bedingungen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte Trumps Engagement zur Beendigung des Kriegs in Gaza und unterstrich, dass die EU bereit sei, ihren Teil beizutragen. In einer gemeinsamen Erklärung vom 2. Oktober 2025 unterstützte die EU die im Plan enthaltenen Prinzipien, wie den vollständigen Waffen- und Kampfhandlungsstopp, die Freilassung aller Geiseln, den humanitären Zugang in Gaza und die Aufgabe einer dauerhaften Besetzung von Gaza durch Israel. Die EU soll zudem Mitglied im von Trump vorgeschlagenen „Board of Peace“ werden, um beim Wiederaufbau.Gaza mitzuwirken. Kritisch wird gesehen, dass die Formulierung eines politischen Endziels, das eine glaubwürdige Perspektive für die palästinensische Staatlichkeit und eine Zwei-Staaten-Lösung enthält, im Trump-Plan fehlt.

Der Vermittlung der US-Regierung in dem Konflikt und die Formlierung eines Zukunftsplans durch Donald Trump machen deutlich, dass die Europäische Union im Nahen Osten bestenfalls ein Nebenakteur ist. Dennoch sorgt der Konflikt für Sprengstoff innerhalb der EU und legt ihre Grenzen offen: Die Uneinigkeit in zentalen Punkten, die fehlende Einheitlichkeit im internationalen Auftritt und die manglenden Machtmittel führen dazu, dass die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik keine hinreichende Wirksamkeit entfalten konnte und die EU im Nahostkonflikt eher ein ergänzender Partner als ein relevanter Akteur ist.

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Apl. Prof. Dr. Olaf Leiße ist Leiter des Arbeitsbereichs Europäische Studien am Institut für Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist außerplanmäßiger Professor für Europäische Studien und Autor zahlreicher Bücher über die Europäische Union.