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Die Bedeutung von Medienintermediären und die Frage ihrer Regulierung | Medienpolitik | bpb.de

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Die Bedeutung von Medienintermediären und die Frage ihrer Regulierung

Jan-Hinrik Schmidt

/ 11 Minuten zu lesen

Lange hielt sich die These, dass soziale Medien die öffentlichen Debatten demokratisieren würden, weil sie die Hürden für Meinungsäußerungen und Teilhabe am gesellschaftlichen Gespräch senken. Welchen Einfluss haben Medienintermediäre auf die Gesellschaft?

Seit den 2010er Jahren ist klar, dass Intermediäre einen starken Einfluss auf Kommunikationsflüsse und damit auch auf das Gefüge der gesellschaftlichen Öffentlichkeit nehmen. (© picture-alliance, Wolfgang Maria Weber | R7172)

YouTube und Facebook, WhatsApp und Instagram, Twitter/X und TikTok sind in den vergangenen 15 Jahren zu wesentlichen Eckpfeilern des Internets geworden und gehören für viele Menschen zum selbstverständlichen (Medien-)Alltag. Sie stehen exemplarisch für Medienintermediäre, also für eine Gruppe von Internetangeboten, zu denen neben Netzwerk- und Videoplattformen auch Suchmaschinen und Instant-Messaging-Dienste gehören. Dieser Beitrag zeigt ausgehend von empirischen Daten zur Verbreitung von Intermediären, wie die Nutzungspraktiken, Funktionsweisen und Logiken dieser Angebote unsere Kommunikation und Verständigung verändern. Dies wiederum berührt verschiedene Schutzziele der Medienregulierung, also solche Werte, die es für eine demokratische Öffentlichkeit zu sichern oder anzustreben gilt. Abschließend werden einige aktuelle Regulierungsansätze vorgestellt, die auf die Besonderheiten der Medienintermediäre einzugehen versuchen.

Medienintermediäre

Medienintermediäre sind Dienste, die selbst keine Inhalte erstellen, sondern mithilfe von Algorithmen und unter Einbeziehung der Daten der sie Nutzenden fremde Inhalte sammeln, auswählen und anbieten. Wichtige Beispiele für Medienintermediäre sind Suchmaschinen (wie Google, Bing, DuckDuckGo) und soziale Netzwerke (wie Facebook, Instagram, TikTok X/Twitter oder YouTube).

Intermediäre: Verbreitung und Nutzungsweisen

Wenden wir uns zunächst Daten zur Verbreitung der wesentlichen Intermediäre zu. Tabelle 1 zeigt, welche Anteile der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren die verschiedenen Dienste täglich oder zumindest wöchentlich nutzen. Die Instant-Messaging-App WhatsApp und die Suchmaschine Google stechen deutlich heraus und werden von mehr als 80 Prozent regelmäßig in Anspruch genommen. Die Videoplattform YouTube sowie die Netzwerkplattformen Instagram und Facebook folgen mit deutlichem Abstand, erreichen aber auch nennenswerte Anteile der Bevölkerung wöchentlich oder sogar täglich. Die WhatsApp-Alternative Telegram, der Microblogging-Dienst X (ehemals Twitter) oder die Videoplattform TikTok hingegen werden von 15 Prozent und weniger regelmäßig genutzt. Für alle genannten Intermediäre gilt allerdings, dass junge Menschen deutlich häufiger bzw. regelmäßiger als Personen über 30 Jahren ihre Dienste in Anspruch nehmen.

Tab. 1: Nutzung von Intermediären 2022/2023

in Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren

IntermediärTägliche Nutzung – gesamtWöchentliche Nutzung – gesamtWöchentliche Nutzung – 14 – 29 JahreQuelle
WhatsApp688295(a)
Telegram51324(a)
Google Suchmaschinek.A.8193(b)
YouTube1743k.A.(c)
Instagram 253579(d)
Facebook203334(d)
TikTok101541(d)
Twitter/X4814(d)

Quelle: (a) Koch 2022, S. 476f.; (b) Beisch/Koch 2023, S.6; (c) Hess/Rhody 2023, S. 11; (d) Koch 2023, S. 3

Die Zahlen zur Verbreitung einzelner Angebote und Plattformen sind aufschlussreich, sagen aber noch nichts über die tatsächlichen Einsatzzwecke aus. Klammert man die Suchmaschine Google für einen Moment aus, lassen sich für die genannten Angebote ganz unterschiedliche Nutzungsweisen unterscheiden, die wir zu drei übergeordneten Praktiken verdichten können: Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement. Mit Identitätsmanagement sind alle Nutzungsweisen gemeint, bei denen Menschen bestimmte Aspekte ihrer Person für andere zugänglich machen – also beispielsweise Erlebnisse, Gedanken und Ansichten mit anderen teilen oder durch Fotos oder Videos ausdrücken, wer sie sind und was sie interessiert. Intermediäre unterstützen in dieser Hinsicht die „Selbstdarstellung“ der Menschen – ein Begriff, der oft einen negativen Beigeschmack hat, soziologisch aber zunächst wertfrei zu verstehen ist.

Die Selbstdarstellung online geht in vielen Fällen Hand in Hand mit einer zweiten Praxis, dem Beziehungsmanagement. Damit sind alle Nutzungsweisen gemeint, bei denen Menschen den Kontakt zu anderen pflegen oder neu aufbauen. Dies geschieht z.B. über den regelmäßigen Austausch von Nachrichten, über das Liken und Kommentieren der Inhalte von anderen, oder auch das „adden“ oder „subscriben“ ihrer Profile. In Summe bauen Menschen über Intermediäre ein Beziehungsgeflecht auf, das enge Freundinnen und Freunde und Familie genauso umfassen kann wie entfernte Bekannte oder auch unbekannte Personen, die aber ähnliche Hobbys, Vorlieben oder Ansichten haben und dadurch von Interesse sind.

Wie unten noch gezeigt wird, kann auch das Identitäts- und Beziehungsmanagement bestimmte Schutzziele berühren, die durch regulierende Rahmenbedingungen gewährleistet werden sollen. Meist liegt der Ansatzpunkt für medienpolitische Diskussionen und Eingriffe aber in der dritten Praxis, dem Informationsmanagement. Denn Intermediäre, sowohl die Angebote der sozialen Medien als auch die Suchmaschinen, sind zu wichtigen Quellen geworden, mit denen wir Informationen aller Art auffinden und wiederum mit anderen Menschen teilen können. Das bezieht Neuigkeiten aus dem eigenen sozialen Umfeld („Wo ist die Party am Wochenende?“) ebenso ein wie alltagspraktische Tipps und Tricks, themenspezifisches Detailwissen ebenso wie Orientierungswissen über aktuelle Geschehnisse vor Ort oder in der Welt – also das, was wir landläufig als „Nachrichten“ bezeichnen. Wie Tabelle 2 zeigt, macht diese nachrichtenbezogene Nutzung nur einen Teil der generellen Nutzung von Intermediären aus. Doch bis zu 10 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren nutzen Intermediäre täglich, um über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden zu bleiben; bei Google liegt der Anteil sogar bei fast einem Viertel.

Tab. 2: Tägliche Nutzung generell sowie für informierende Zwecke

in Prozent der deutschsprachigen Wohnbevölkerung ab 14 Jahren

Intermediärgenerelle Nutzung nachrichtenbezogene Nutzung
WhatsApp602
Telegram 61
Google Suchmaschine 5823
YouTube 3311
Instagram 2510
Facebook 2010
TikTok 103
Twitter/X 43

Quelle: Die Medienanstalten (2023), S. 7 / 14.

Die Medienlogik von Intermediären und publizistischen Medien

Die Nutzung von Intermediären zu Nachrichtenzwecken berührt einen Bereich von Kommunikation, der traditionellerweise mit Journalismus und publizistischen (Massen-)Medien verbunden ist. Diese waren über lange Zeit die wesentlichen Institutionen, Interner Link: die Informationen von breiter gesellschaftlicher Relevanz ausgewählt, aufbereitet und an ein (Massen-)Publikum vermittelt haben. Intermediäre machen den publizistischen Medien in dieser Hinsicht Konkurrenz – allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass sie selbst keine eigenen Inhalte erstellen. YouTube, TikTok oder Instagram haben insbesondere keine eigene Nachrichtenredaktion, sondern stellen „nur“ die Infrastruktur bereit, auf deren Grundlage andere ihre Inhalte verbreiten können. Das können Privatpersonen sein, die im oben beschriebenen Sinne Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement betreiben. Aber auch professionelle Akteure, darunter etwa Politikerinnen und Politiker, Parteien, Unternehmen oder journalistische Redaktionen verbreiten ihre Inhalte über Intermediäre. Und mit den Influencerinnen bzw. Influencern hat sich ein neuer Kommunikationstyp entwickelt, der mithilfe der sozialen Medien große Publika erreicht (und diese Reichweite auch finanziell vermarkten kann), ohne zwingend journalistischen Standards zu folgen.

Wegen dieser Besonderheit der Intermediäre spricht man oft auch von „Plattformen“ – verstanden im Sinne eines Podests, von dem aus jeder und jede zu seinem bzw. ihrem Publikum sprechen kann. Diese Plattform-Funktion schien lange unproblematisch und gab auch zu Hoffnungen Anlass, die sozialen Medien würden öffentliche Debatten demokratisieren, weil sie die Hürden für Meinungsäußerungen und Teilhabe am gesellschaftlichen Gespräch senken. Auch die Betreiber entsprechender Dienste haben lange den Eindruck zu vermitteln versucht, sie seien neutrale „Durchleiter“ von Kommunikation und für die Inhalte nicht verantwortlich. Doch dies war immer auch ein strategisches Argument, um keine Verantwortung für problematische Kommunikation übernehmen zu müssen. Spätestens in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre wurde deutlich, dass Intermediäre sehr wohl einen starken Einfluss auf Kommunikationsflüsse und damit auch auf das Gefüge der gesellschaftlichen Öffentlichkeit nehmen, weil sie eine eigene Medienlogik haben.

Die publizistischen Medien folgen der Logik der Massenkommunikation: Sie Interner Link: filtern Nachrichten nach gesellschaftlicher Relevanz und verbreiten sie dann gebündelt, etwa in Form einer „Nachrichtensendung“, einer „Zeitungsausgabe“ oder eines „Nachrichtenportals“, an ihr Publikum. Dadurch stellen sie Öffentlichkeit her, in der sie Informationen und Wissen vermitteln, bestimmte Themen auf die gesellschaftliche Tagesordnung setzen, und die Vielfalt von Meinungen und Positionen zu diesen Themen abbilden. Die Medienlogik der Intermediäre hingegen ist, ihren Nutzerinnen und Nutzern personalisierte Informationswelten zu bieten. Die Personalisierung basiert sowohl auf eigenen Entscheidungen, bestimmte Accounts und Quellen zu meinen Kontakten (und damit zu meinem „Informationsradar“) hinzuzufügen, als auch maßgeblich auf Interner Link: algorithmischen Filter- und Empfehlungsmechanismen. Diese beziehen eine Vielzahl von Datenspuren über die verfügbaren Inhalte einerseits sowie meine eigenen Präferenzen und Vorlieben andererseits ein, um mir in Echtzeit und kontinuierlich aktualisiert solche Inhalte vorzuschlagen, die mich auch interessieren könnten.

Zudem erlauben es Intermediäre in aller Regel, dass Menschen die Inhalte auch kommentieren, liken oder weiterleiten können. Dadurch kommen dialogische Elemente ins Spiel, die bei den publizistischen Medien nicht bzw. nur durch den Medienwechsel, also z.B. das Schreiben eines Leserbriefs möglich waren.

Schutzziele der Intermediärsregulierung

Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass Intermediäre ein wichtiger Bestandteil der Internetnutzung vieler Menschen sind und durch ihre Medienlogik die Art und Weise verändern, wie Informationen und Nachrichten öffentlich zirkulieren, wie Popularität und Relevanz zugeschrieben werden und wie vielfältige Meinungen und Positionen repräsentiert sind. Diese Entwicklungen verändern das Umfeld, in dem Menschen ihre Meinungs- und Willensbildung ausüben und am demokratischen Gemeinwesen teilhaben können. Daher ist mittlerweile unbestritten, dass Intermediäre gesellschaftlich kontrolliert und eingehegt, mithin: reguliert werden sollten. Drei wesentliche Schutzziele stehen dabei medienpolitisch im Vordergrund:

  1. Sicherung von Vielfalt: Dies ist ein lange etabliertes Schutzziel der Medienregulierung. Damit demokratische Meinungs- und Willensbildung gelingen kann, müssen Menschen die Möglichkeit haben, sich aus vielfältigen Quellen zu informieren, um so die unterschiedlichen Ansichten und Positionen zu relevanten Themen kennenlernen und gegeneinander abwägen zu können. Das schließt ein, dass keine einzelnen Akteure oder Unternehmen eine unverhältnismäßig große Marktmacht haben, weil das die Gefahr birgt, dass daraus auch Meinungsmacht resultiert, die Vielfalt einschränkt.

  2. Sicherung der Wahrhaftigkeit von Kommunikation: Demokratische Meinungs- und Willensbildung setzt zudem voraus, dass Menschen nicht absichtlich getäuscht und fehlinformiert werden. Strategisch verbreitete Desinformationen und „Fakes“ laufen diesem Ziel ebenso zuwider wie nicht kenntlich gemachte automatisierte Kommunikation, bei der vorgetäuscht wird, dass echte Menschen kommunizieren, tatsächlich aber Computerprogramme („Bots“) automatisch und in großem Stil agieren.

  3. Sicherung von Persönlichkeitsrechten: Schließlich beruht demokratische Meinungs- und Willensbildung darauf, dass Menschen auch bei der Nutzung von Intermediären vertrauen können, nicht belästigt, beleidigt oder anderweitig in ihren Persönlichkeitsrechten beschnitten zu werden. Es gibt ein breites Spektrum von Interner Link: inziviler Kommunikation, das von Shitstorms über Mobbing bis hin zu Hassrede und Volksverhetzung reicht. Gemeinsam ist diesen Formen nicht nur die Verletzung kommunikativer Normen, sondern auch die Gefahr, dass Menschen sich aus öffentlichen Debatten zurückziehen, weil sie das Kommunikationsklima nicht erträglich finden.

Ansätze der Medienregulierung

Für die massenmediale Kommunikation hatte sich im Lauf des 20. Jahrhunderts ein System der Medienregulierung entwickelt, das vor allem die publizistischen Organisationen, also die Fernseh- und Radiosender und Printverlage bzw. die jeweils in ihnen agierenden Redaktionen in die Pflicht nahm. Sie kontrollierten als „Gatekeeper“ den Zugang zu gesellschaftlicher Öffentlichkeit und waren für die Auswahl und Gestaltung öffentlicher Kommunikation und Nachrichten verantwortlich. Gesetzliche Verpflichtungen, etwa in Form des Rundfunk- und Presserechts oder der Konzentrationskontrolle, sollten in Kombination mit journalistischen Selbstverpflichtungen und Einrichtungen der Selbstregulierung (z.B. dem Externer Link: deutschen Presserat) die Balance zwischen der grundgesetzlich garantierten Rundfunk- bzw. Pressefreiheit und den oben genannten Schutzzielen halten.

Die besondere Gestalt der Intermediäre, bei der

  1. eine Vielzahl von „Sendern“ auf der Plattform eines Unternehmens agiert,

  2. die Auswahl und Verbreitung von Informationen nicht mehr redaktionell, sondern in Kombination von Nutzerhandeln und algorithmischer Empfehlung geschieht, und

  3. die Kommunikation zu weiten Teilen um alltägliche und persönliche Themen (Identitäts- und Beziehungsmanagement), nicht nur um gesellschaftliche relevante Themen kreist,

war für die etablierten Mechanismen der Medienregulierung aber nicht zu greifen.

Lange Zeit gaben daher im Wesentlichen die „Hausregeln“ der Plattformen, also ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ergänzende „Community Guidelines“ den Rahmen vor, welche Inhalte und Kommunikationsformen erlaubt waren und welche nicht. Da die unüberschaubare Menge von Inhalten durch die „Content Moderation“-Teams der Plattformen nicht kontrollierbar war, wurden von Anfang an die Nutzerinnen und Nutzer mit eingespannt, um problematische oder grenzverletzende Beiträge zu melden. Zudem setzten die Plattformbetreiber bereits früh Techniken des maschinellen Lernens ein, um Inhalte automatisch zu prüfen und ggf. zu sperren oder zu löschen.

Diese Ansätze der Selbstregulierung sind seit Ende der 2010er Jahre um verschiedene Gesetze und Vorschriften ergänzt worden, die die Betreiber der Intermediäre stärker in die Pflicht nehmen. Die unterschiedlichen Schutzziele in Kombination mit der Dynamik der Angebote und Plattformen führen allerdings dazu, dass es kein einzelnes Regelwerk gibt, um Intermediäre zu regulieren. Zu den wichtigsten medienpolitischen Instrumenten zählen:

  • Das Externer Link: Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das 2017 in Kraft trat, regelte insbesondere den Umgang von Plattformbetreibern mit möglicher Hassrede und Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes. Die Betreiber mussten transparente Mechanismen des Meldens, Prüfens und ggf. Entfernens entsprechender Inhalte einführen und regelmäßig darüber berichten. Eine Novelle im Jahr 2021 stärkte u.a. die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer, Auskunft über die Entscheidung für oder gegen das Löschen von Inhalten und Accounts zu erhalten. Das Gesetz über Digitale Dienste (s.u.) hat im Frühjahr 2024 das NetzDG im Wesentlichen abgelöst.

  • Der Externer Link: Medienstaatsvertrag trat 2020 in Kraft und erweiterte die Regulierung über die Rundfunkmedien TV und Radio hinaus auch auf andere digitale Medienanbieter. Neben den Intermediären zählen dazu u.a. auch Sprachassistenten oder Streamingdienste. Ein wesentlicher Aspekt sind Vorschriften zur Transparenz und zur Vielfaltssicherung: Intermediäre müssen verständlich darüber informieren, anhand welcher Kriterien sie Inhalte algorithmisch filtern, bündeln und empfehlen. Zudem dürfen sie journalistisch-redaktionelle Angebote nicht diskriminieren, also systematisch ihre Sichtbarkeit einschränken.

  • Das Externer Link: Gesetz über digitale Dienste (engl. „Digital Services Act“, DSA) ist eine Verordnung der Europäischen Union, die Anfang 2024 auch in Deutschland in Kraft getreten ist. Sie folgt einem gestuften Regulierungskonzept, das basale Vorgaben bereits an alle digitalen Vermittlungsdienste richtet und so weit über Medienintermediäre hinaus greift. Am schärfsten reguliert sie die Online-Plattformen und Suchmaschinen, die europaweit mehr als 45 Millionen Nutzerinnen und Nutzer im Monat haben; dazu zählen beispielsweise auch App-Stores oder Shopping-Plattformen wie Amazon oder Zalando. Das Gesetz löst in Deutschland das NetzDG insofern ab, als Intermediäre nun europaweit ähnlich gelagerte wirksame und transparente Beschwerdeverfahren einrichten und regelmäßig darüber berichten müssen. Die Mechanismen algorithmischer Personalisierung werden insbesondere im Bereich der personalisierten Werbung eingeschränkt, die nicht mehr auf Basis sensibler persönlicher Daten (wie politische Überzeugung oder sexuelle Orientierung) zugeschnitten werden kann. Zudem muss die Möglichkeit bestehen, die personalisierte Anzeige von Inhalten zu deaktivieren. Eine bei der Bundesnetzagentur einzurichtende Externer Link: Koordinierungsstelle wird als Anlaufstelle für Nutzerinnen und Nutzer fungieren, während andere Aufsichts- und Kontrollaufgaben den Datenschutz-, Jugendschutz- und Medienbehörden übertragen werden.

Die Regulierung von öffentlicher Kommunikation muss immer eine vorsichtige Balance zwischen verschiedenen Rechten und Schutzzielen finden. Gesetzliche Regelungen alleine können diese Balance nicht in jedem Einzelfall garantieren, auch weil sonst die Gefahr droht, beispielsweise im Bemühen um die Abwehr von Desinformation zu stark das Recht auf freie Meinungsäußerung zu beschneiden. Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass die Betreiber von Intermediären eine starke Macht haben, durch die Gestaltung ihrer technischen Systeme sowie der begleitenden Regelsysteme von Community Guidelines, Moderationsrichtlinien und Beschwerdemechanismen in die Meinungs- und Willensbildung ihrer Nutzerinnen und Nutzer einzugreifen. Begleitend zu den genannten gesetzlichen Regelungen gibt es daher in jüngerer Zeit Bestrebungen, die Selbstregulierung von Social-Media-Intermediären in Gestalt von „Plattformräten“ transparenter zu machen und klarer abzugrenzen, welche Entscheidungskriterien und -mechanismen in der Selbstverantwortung der Betreiber liegen können – und welche nicht.

Mit dem Aufkommen der Intermediäre hat sich gesellschaftliche Öffentlichkeit in den letzten 15 Jahren grundlegend verändert – im Guten wie im Schlechten. So konnten beispielsweise soziale Bewegungen, die für gesellschaftlichen Fortschritt etwa im Bereich des Klimaschutzes oder der Menschenrechte einstehen, sich mit Hilfe der Intermediäre vernetzen, Menschen mobilisieren und Forderungen an die Politik artikulieren. Zugleich müssen wir beobachten, dass auch die Botschaften politisch extremer Gruppen oder gezielt eingesetzte Desinformationen über die Intermediäre deutlich weitere Kreise ziehen können als früher. Diese Veränderung macht uns zu Recht Sorgen, und die Medienpolitik hat wie oben beschrieben darauf reagiert. Aber aktuelle Entwicklungen im Bereich des maschinellen Lernens, insbesondere in der „generativen KI“, werfen bereits jetzt viele neue Probleme auf, unter anderem in Hinblick auf Kennzeichnungs- und Transparenzpflichten oder den Umgang mit computergenerierten Falschinformationen. Daher wird es auch in Zukunft wichtig sein, dass Demokratien ihre medienpolitischen Strukturen und Regelwerke beständig an die technischen Veränderungen anpassen, um die individuelle Meinungs- und Willensbildung wie die gesamtgesellschaftliche Verständigung zu schützen.

Weitere Inhalte

PD Dr. Jan-Hinrik Schmidt ist Senior Researcher für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation am Leibniz-Institut für Medienforschung|Hans-Bredow-Institut (HBI). Zudem leitet er den am HBI angesiedelten Teilbereich des „Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ (FGZ). Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf dem Zusammenhang von Medienwandel und dem Wandel von Öffentlichkeit, Meinungsbildung und gesellschaftlichem Zusammenhalt.