Das Konzept des Public Values
Der
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk unter (Legitimations-)Druck
Die Überzeugung, dass es in Deutschland einen unabhängigen und von der Gemeinschaft finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben soll, wird von Teilen der Gesellschaft nicht mehr unterstützt. Vor allem von rechts ist er populistischen Angriffen ausgesetzt.
Unter Public Value Management versteht der Wirtschaftswissenschaftler Moore
In einem strategic triangle (strategisches Dreieck) erklärt Moore dabei, dass eine öffentliche Organisation einen Public Value anstreben, dabei Legitimität und nachhaltige politische Unterstützung suchen und die operative Umsetzung des Vorhabens erklären muss.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk oder öffentlich-rechtliche Medien?
Auch wenn in Deutschland nach wie vor vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Institution und von Rundfunkanstalten die Rede ist, ist der Auftrag und das Angebot längst nicht mehr auf Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) beschränkt, sondern umfasst auch Telemedienangebote
Meynhardt hat diese Gedanken weiterentwickelt und ein Messverfahren für Public Value entwickelt. Dieses bewertet sowohl privatrechtliche als auch öffentliche Organisationen entlang folgender Parameter:
Nützlichkeit („Is it useful? (Instrumental-utilitarian)“),
Profitabilität/Wirtschaftlichkeit („Is it profitable? (Instrumental-utilitarian)“),
Anständigkeit („Is it decent? (Moral-ethical)“),
Beitrag zum politisch-sozialen Zusammenleben („Is it politically acceptable? (Political-social)“) und
Ermöglichung einer positiven Erfahrung („Is it a positive experience? (Hedonistic-aesthetical)“.
Diese Parameter können auf einer Public Value-Scorecard (Skala) abgetragen werden und ergeben dann ein spezifisches Profil. Dabei gilt, dass der Public Value umso höher ist, je höher die Chancen bzw. geringer die Risiken bewertet werden.
Vorschläge zur Bestimmung des Public Values des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Während der Vorschlag von Meynhardt sich nicht auf eine bestimmte Branche bezieht, macht Neuberger einen Vorschlag konkret für die Bestimmung und Begründung des gesellschaftlichen Mehrwerts des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
die Auslegung des im Medienstaatsvertrag festgelegten Auftrags durch die Rundfunkanstalten,
normative Theorien als Basis der Erwartungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk,
die systematische Analyse der gesellschaftlichen Erwartungen an denselben (in Bezug auf Angebot und Beziehungen zum Publikum, organisierten Interessen oder anderen),
die Ausarbeitung seiner Aufgaben in Bezug auf sein Angebot und medienspezifische Aspekte und
in Bezug auf den Qualitätsdiskurs mit externen Akteuren.
Der erwähnte Medienstaatsvertrag definiert den konkreten Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Er wird von allen Bundesländern gemeinsam beschlossen und regelmäßig angepasst.
Der Mitteldeutsche Rundfunk (mdr) hat beispielsweise eine Operationalisierung auf Basis der Anforderungen des Medienstaatsvertrags entwickelt, die fünf Dimensionen mit 25 Einzelausprägungen umfasst. Das umfasst die drei als Qualitätsdimensionen benannten Dimensionen „Professionalität“, „Vielfalt“ und „Relevanz“, gesellschaftlich wie persönlich, sowie zwei als Erfolgsdimensionen benannte Dimensionen, nämlich „Reputation“ (Medienreputation, Preise, Image (Empfehlungsbereitschaft)) und „Akzeptanz“ (Reichweiten, Bekanntheit, Beitragsakzeptanz).
Die European Broadcasting Union (Externer Link: EBU), ein Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Europa und darüber hinaus, ist einen Schritt weitergegangen und hat ein Public Value-Konzept mit Kriterien entwickelt, die den Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Gesellschaft und den Einzelnen messbar machen sollen. Die sechs Grundwerte, auf die sich die Mitglieder einigten, sind:
Universalität (Universality) im Zugang für alle in der Gesellschaft auf allen technischen Plattformen;
Unabhängigkeit (Independence) von politischen, wirtschaftlichen und weiteren Einflüssen und Ideologien, während er nur dem Publikum verpflichtet ist,
Exzellenz (Excellence) mit Blick auf Professionalität und hohe Qualitätsstandards als Vorbild für die Branche,
Vielfalt (Diversity) hinsichtlich des Programms, beispielsweise mit seinen Genres und Perspektiven, aber auch Mitarbeitenden,
Verantwortlichkeit (Accountability) als Diskurs mit dem Publikum, Transparenz und der Messung an der eigenen Auftragserfüllung sowie
Innovation als Treiber in der eigenen Branche mit Formaten, neuen Technologien und neuen Formen der Publikumsinteraktion.
Ausgehend von diesen Grundwerten hat die ARD ein Konzept, das ihren Public Value fassen soll, mit acht Wertedimensionen vorgelegt:
„
Interner Link: Teilhabe im Sinne von ‚Rundfunk für alle‘“,„Qualität im Sinne von hochwertigem
Interner Link: Journalismus und einzigartigen Inhalten“,„Vielfalt mit Angeboten, die sich an der Vielfältigkeit Deutschlands und den Erwartungen seiner Menschen orientieren“,
„Regionalität im Sinne von ‚nah beim Menschen‘“,
„Innovation“,
„Wertschöpfung im Sinne von Kooperationen mit anderen Kultur-, Wissenschafts- und Medienpartnern, Förderung von Talenten, Medienkompetenz und der Kreativwirtschaft“,
„Verantwortung im Sinne von Transparenz über die Verwendung der anvertrauten Mittel sowie des kontinuierlichen Austauschs mit dem Publikum durch on-air- und off-air-Formate und kontinuierliche empirische Überprüfung des Publikumsurteils“.
Es zeigt sich also, dass die ARD zu den EBU Core Values leichte begriffliche Abwandlungen vorgenommen und insbesondere zwei Werte ergänzt hat: Regionalität und Wertschöpfung, die mit dem föderalen System in Deutschland zusammenhängen bzw. standortspezifisch sind.
„[d]emokratischer Wert“,
„Integrations-Wert“,
„Preis-Wert“,
„Orientierungs-Wert“,
„[k]ultureller und innovativer Wert“,
„Unterhaltungs-Wert“,
„Wissens-Wert“ und
„Zukunfts-Wert“.
Aktuell nutzt das ZDF jedoch den „ZDF Kompass“, um zwar nicht dezidiert Public Value, aber breiter Qualität, wie es mit der Novelle des Medienstaatvertrags gefordert ist
„Nutzung“
„Qualität“ mit den sieben Dimensionen „Gesellschaftsrelevanz“, „Vielfaltsdarstellung“, „Branchenwirkung“, „Zugänglichkeit“, „Glaubwürdigkeit“, „Kompetenzzuschreibung“ und „Programmbewertungen“,
„Wirkung“ („bilden“, „informieren“, „unterhalten“, „beraten“, „Kultur vermitteln“) und
Akzeptanz („[w]ahrgenommener Wert für mich“, „[w]ahrgenommener Wert für Alle“).
Überschneidungen zwischen den Dimensionen des Public Value-Konzepts der ARD und dem „ZDF Kompass“, hier vor allem auf der Ebene der Qualität, sind offensichtlich und ergeben sich aus ihrem weitgehend geteilten Auftrag. Gleichzeitig ergeben sich hier auch Unterschiede (insbesondere die Regionalität nur bei der ARD und nicht beim nationalen Fernsehanbieter ZDF). Wie Public Value jenseits grundlegender Werte im Detail ausgearbeitet, gemessen, mit Stakeholdern wie dem Publikum diskutiert oder weiterentwickelt wird, ist daher auch spezifisch.
Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Die gerade vorgestellten Werte wurden von der ARD selbst in der Externer Link: ARD-Akzeptanzstudie 2018 gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass drei Viertel der Befragten den ARD-Angeboten eine hohe gesellschaftliche Relevanz zuschrieben. Vor allem die Werte „Universalität“, „Teilhabe“, „Exzellenz“/„Qualität“ und „Vielfalt“ werden aus Sicht der Befragten hervorgehoben. Die Befragten bewerten das ARD-Angebot zudem mehrheitlich als innovativ und regional.
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Studien, national und international, unabhängig und im Auftrag von Stakeholdern, die sich mit Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bzw. öffentlich-rechtlicher Medien im Digitalen beschäftigen. Sie benennen dabei teilweise Public Value als Konzept
Eine systematische Literaturauswertung des Reuters Instituts for the Study of Journalism zu den Auswirkungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Zu sozialen Auswirkungen liegen weniger Studien vor, aber auch hier zeigt die Literaturübersicht spezifische Effekte
Bezüglich der Marktauswirkungen wird festgestellt
Im digitalen Zeitalter zeigt sich die Debatte um die Legitimität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch in Public Value Tests für Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet, die in vielen Ländern Europas nach dem Vorbild der BBC eingeführt wurden.
In Deutschland ist diesbezüglich seit 2009 ein dreistufiges Verfahren vorgesehen. Der Medienstaatsvertrag legt dabei fest, dass „Aussagen darüber zu treffen [sind],
inwieweit das neue Telemedienangebot oder die wesentliche Änderung den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht,
in welchem Umfang durch das neue Telemedienangebot oder die wesentliche Änderung in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beigetragen wird und
welcher finanzielle Aufwand für das neue Telemedienangebot oder die wesentliche Änderung erforderlich ist“.
Mit diesem Drei-Stufen-Test soll sichergestellt werden, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Telemedienangeboten nicht nur den Auftrag erfüllt, sondern auch den Markt nicht in größerem Umfang verzerrt.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Public Value über individuelle Präferenzen hinausgeht und die Erwartungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seinen Wert für die Gesellschaft umfasst.
Im Digitalen hat die Diskussion nochmals zugenommen, da sich öffentlich-rechtliche Anbieter hier nicht nur mit privatwirtschaftlichen Rundfunkanbietern, sondern beispielsweise auch mit Zeitungshäusern in einem Markt befinden, sodass mittels Public Value-Tests bzw. des Drei-Stufen-Tests in Deutschland Auftragserfüllung im Sinne des Gemeinwohls mit einer möglichst geringen Marktverzerrung für die privatwirtschaftlichen Anbieter in Einklang gebracht werden soll.