Migration ist in Deutschland eine gesellschaftliche Realität: Hunderttausende Menschen kommen jedes Jahr nach Deutschland, ob temporär oder dauerhaft, ob aus familiären oder politischen Gründen, ob gezwungen oder freiwillig. Die hohen Zahlen an Geflüchteten 2015 im Zuge des Syrienkriegs und 2022 während des Kriegs in der Ukraine haben Fragen von Migration und Integration wieder in das öffentliche Interesse gerückt – und werden in der Öffentlichkeit zum Teil kontrovers diskutiert.
Medien spielen in diesem Zusammenhang in mehrfacher Hinsicht eine große Rolle: Zum Ersten kann ihre Berichterstattung über Migration und Migrant:innen die öffentliche Meinung formen und durch das Erzeugen spezifischer Bilder und Narrative zu gesellschaftlicher Integration, aber eben auch zu Ausgrenzung beitragen. Zum Zweiten ist auch die Mediennutzung durch Menschen mit Migrationserfahrung relevant. In welchen Sprachen beispielsweise Medien aus welchen Ländern rezipiert werden, bestimmt das Informationsrepertoire des Einzelnen ganz erheblich. Und zum Dritten ist es aus demokratietheoretischer Sicht wichtig, Menschen gesellschaftliche Partizipation zu ermöglichen, die sich auch im Medienbereich abbildet. Können Menschen mit Migrationserfahrung mitreden und sich in der Gesellschaft artikulieren? Sind sie mithin Teil der Medienproduktion?
Gegliedert in diese drei Abschnitte (mediale Repräsentation, Mediennutzung, Medienproduktion) sollen die Zusammenhänge von Medien und Migration im Folgenden dargestellt und durch Befunde aktueller sozialwissenschaftlicher Studien belegt werden.
Terminologie
Über wen sprechen wir und die von uns herangezogenen Studien eigentlich, wenn es um Migrant:innen in Deutschland geht? Das ist eine komplexe Frage. Grundsätzlich zielen die verschiedenen Begriffe darauf ab, Migrationserfahrungen abzubilden. Das Statistische Bundesamt erfasst seit 2005 den Externer Link: „Migrationshintergrund“ in der amtlichen Bevölkerungsstatistik. Der Begriff hat sich auch im öffentlichen Diskurs etabliert und ist politisch relevant. Das Konzept und seine statistische Messung werden von Fachleuten allerdings kritisiert, da der „Migrationshintergrund“ nicht zwingend die eigene Migrationserfahrung in den Vordergrund stellt, sondern die sogenannte ethnische Abstammung – also beispielsweise, ob ein Elternteil bei der eigenen Geburt einen türkischen Pass hatte.
Am Konzept des Migrationshintergrunds wird zudem kritisiert, dass es Selbstzuschreibungen und tatsächliche Erfahrungen nicht berücksichtigt. Die einzelne Person kann in der Befragung nämlich nicht angeben, wo sie sich selbst zugehörig fühlt und ob eine familiäre Migrationserfahrung ihre Alltagserfahrungen tatsächlich prägt bzw. ob sie Diskriminierung und Ausgrenzung erlebt.
Enger gefasste Begriffe wie „Geflüchtete/Flüchtlinge“, „Ausländer:innen“ oder „Zugewanderte“ zielen auf eine eigene Migrationsgeschichte ab und meinen demnach nur Teilmengen der Menschen, die von (eigener oder familiär erlebter) Migrationserfahrung geprägt sind. Der Begriff „Migrationserfahrung“ scheint uns daher am besten geeignet zu sein, die im Zusammenhang mit Medien relevanten Aspekte zu beschreiben. Immer wenn wir im Folgenden aber Studienergebnisse besprechen, die sich auf bestimmte Migrationsformen (z. B. Flucht) oder Gruppen (z. B. Geflüchtete, Muslim:innen) beziehen, machen wir das sprachlich deutlich.
Mediale Repräsentation von Menschen mit Migrationserfahrung
Wie Gruppen in Medien definiert und dargestellt werden und wie öffentlich über sie gesprochen wird, prägt auch das Bild dieser Gruppen in weiten Teilen der Gesellschaft. Die mediale Prägungskraft ist insbesondere dann sehr hoch, wenn kein oder wenig Kontakt zu Personen dieser Gruppe bestehen (Kontakthypothese)
1. Marginalisierung
Wer kommt eigentlich zu Wort, wenn es um migrantische Themen geht? Welche Quellen werden von den Medien herangezogen? Studien belegen, dass in allzu vielen Fällen eher „über“ als „mit“ Migrant:innen gesprochen wird. Häufig sind diese zwar Teil einer intensiven politischen und medialen Auseinandersetzung, die aber vor allem von politischen Eliten geführt wird. Zivilgesellschaftliche Initiativen oder auch Individuen mit (familiärer) Migrationserfahrung werden dagegen seltener in den Medien zitiert.
Nachrichtenfaktoren
Die Frage, warum bestimmte Ereignisse und Themen in der Berichterstattung stärker beachtet werden als andere, hat verschiedene wissenschaftliche Theorien hervorgebracht. Eine sehr etablierte Theorie ist die Nachrichtenwerttheorie: Nach dieser Theorie sind die Auswahlentscheidungen der Journalistinnen und Journalisten vor allem auf sog. Nachrichtenfaktoren – also die Charakteristika von Ereignissen und Themen – zurückzuführen. In ihrer Summe machen die Nachrichtenfaktoren den Nachrichtenwert eines Ereignisses oder Themas aus: Je mehr Faktoren auf ein Ereignis oder Thema zutreffen und je stärker diese ausgeprägt sind, desto höher ist sein Nachrichtenwert und desto wahrscheinlicher und prominenter wird darüber berichtet. Zu den wirksamen Nachrichtenfaktoren gehören z. B. Reichweite, Schaden, Kontroverse, Aggression/Konflikt, Prominenz, Kontinuität und Nähe. Die Nachrichtenwerttheorie besagt weiter, dass diejenigen Aspekte eines Ereignisses, die dem Nachrichtenfaktor entsprechen, in der Berichterstattung besonders betont werden.
Quelle: Maier et al. 2018
Ein weiterer Aspekt von Marginalisierung betrifft die Themen, die im Zusammenhang mit Migration von den Medien aufgenommen werden. Gruppenbezogene Themen aus Alltag und Kultur von Migrant:innen treten in der massenmedialen Berichterstattung hinter politisch schlagzeilenträchtigen Themen zurück.
2. Negativität
Diese thematische Marginalisierung kann das zweite, oft beobachtete Muster der Negativität in der Migrationsberichterstattung erklären: Wenn über Migration und Migrant:innen berichtet wird, dann häufig nur in negativen und konfliktbehafteten Themenkontexten wie Kriminalität, Terrorismus oder politischem Streit.
Aus der Forschung wissen wir, dass besonders weitreichende oder negative Ereignisse – sog. Schlüsselereignisse – die Aufmerksamkeit der Journalist:innen auch längerfristig binden können, zu intensiven Recherchen führen und als ein Prototyp die Berichterstattung über ähnliche Folgeereignisse prägen.
Andere Schlüsselereignisse haben das Negativitätsmuster dagegen kurzfristig durchbrochen: Nach dem Bootsunglück vor der Insel Lampedusa, das im Oktober 2013 über 350 Menschen das Leben kostete, wurden humanitäre Aspekte für einen kurzen Zeitraum wichtiger für die Flucht-Berichterstattung; Migrant:innen wurden häufiger als Opfer beschrieben und positiver bewertet.
3. Stereotypisierendes Othering
Medien tendieren überdies zu einem sogenannten „Othering“, also dem Differentmachen (Andersmachen) von Minderheiten in scheinbarem Gegensatz zur Mehrheitsgesellschaft. Othering ist sowohl in Nachrichten- als auch Unterhaltungsformaten präsent, aber unterschiedlich ausgeprägt.
Stereotypisierendes Othering ist auch prägend für Unterhaltungsformate. Speziell dort gibt es aber Potenzial durch „counter-stereotyping“ gängige Stereotype über bestimmte Gruppen in fiktionalen Inhalten zu brechen.
QuellentextStereotype
Im Alltagsverständnis wird eine stereotype Darstellung häufig mit einer negativen Darstellung gleichgesetzt. Wissenschaftlich ist mit dem Stereotypen-Begriff aber ein differenziertes Konzept gemeint: Generell wird unter einem Stereotyp ein verallgemeinerndes Bild eines Individuums verstanden, das nicht auf den Eigenschaften des Individuums beruht, sondern auf der Zuschreibung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Dieser als Kategorisierung bezeichnete Prozess gilt als ein kognitiver Wahrnehmungsmechanismus. Menschen wenden ihn häufig unbewusst und automatisiert an, um ihrer komplexen sozialen Umwelt gerecht zu werden. Häufig überschneiden sich Stereotype und beziehen sich z. B. auf Ethnie und Geschlecht – dies wird als Intersektionalität bezeichnet. Bei der Beschreibung einer 70-jährigen Frau aus Texas können demnach Kategorisierungen aufgrund ihres Alters, Geschlechts und Nationalität vorgenommen werden, die aufgrund bestimmter kultureller Prägungen gespeichert sind. Eine 70-jährige Frau aus Afghanistan wird aber höchstwahrscheinlich von einem typischen deutschen Medienrezipienten anders kategorisiert werden als die Frau aus Texas. Ein Stereotyp ist also auch kulturell gebunden. Diese Form der Komplexitätsreduktion findet sich auch in den Massenmedien. Kategorisierungen wird man daher in der Berichterstattung über alle gesellschaftlichen Gruppen finden.
Die zweite Dimension der Stereotypisierung bezieht sich auf die Zuschreibung oder Nennung von bestimmten Eigenschaften, Rollen oder Verhaltensweisen. Es kommt dabei zu einer Verallgemeinerung individueller Eigenschaften, die auf die gesamte ethnische Gruppe übertragen werden. Diese Dimension der Stereotypisierung kann man auch als Vorurteil bezeichnen – dies kann durchaus positiv konnotiert sein („Deutsche sind pünktlich“), aber auch negativ („Deutsche sind pedantisch“). Durch entsprechende Rollenzuschreibungen kann es zu problematischen gesellschaftlichen Abgrenzungsprozessen (Othering) kommen. Wird das Vorurteil gar politisch instrumentalisiert, so spricht man von einer Feindbildkonstruktion. Auch in den Massenmedien können Vorurteile und Feindbilder vermittelt werden, wenn bestimmte Rollen- und Wertezuschreibungen nicht hinterfragt werden.
Stereotype sind also ein grundlegender menschlicher Kognitionsmechanismus, aber auch die Basis für problematische gesellschaftliche Repräsentationsprozesse.
Quellen: Nitz 2008, Thiele 2015
Mediennutzung von Menschen mit Migrationsgeschichte: Ghettos und Parallelwelten?
Die Frage der adäquaten Repräsentation von Menschen mit Migrationsgeschichte in den Medien hat auch Relevanz für deren Mediennutzung. Einige Studien zeigen, dass das Gefühl der Misrepräsentation (mangelhaftes Vertretensein) in den Medien der Mehrheitsgesellschaft bei migrantisch geprägten Gruppen und Individuen dazu führen kann, sich von bestimmten Medien oder Mediengenres teilweise oder auch komplett abzuwenden.
Anfang der 1990er Jahre geriet die Mediennutzung von Menschen mit Migrationshintergrund stärker in den Fokus der öffentlichen Diskussion – ein Interesse, das bis Anfang der 2010er Jahre anhielt.
Mittlerweile hat in Deutschland zudem eine deutliche Umorientierung eingesetzt: Ein mehrsprachiges Medienrepertoire wird nicht mehr als potenziell hemmend für die Integration, sondern tendenziell als bereichernd angesehen. Diese Umorientierung hängt sicherlich auch damit zusammen, dass sich Mediennutzung entlang generationaler und anderer soziodemografischer Unterschiede auch in der Mehrheitsgesellschaft massiv fragmentiert hat – sich also schon lange nicht mehr alle zum gemeinsamen Schauen der Tagesschau einfinden – und dies wird auch nicht mehr von Migrant:innen erwartet. Mit der Fluchtmigration 2015/16 kam auch Interesse auf, sich die (digitale) Mediennutzung der Geflüchteten anzusehen, um mehr über deren Informationsrepertoires zu erfahren und entsprechend darauf eingehen zu können. Generell zeigte sich, dass das Netzwerken über digitale Plattformen enorm wichtig ist, „quasi gleich mit Essen“, wie in einer Studie mit syrischen Jugendlichen herauskam.
Das unterscheidet sich kaum von der Mediennutzung anderer Jugendlicher in Deutschland: Das Smartphone wird genutzt zum Austausch von Nachrichten im Alltag, zur Dokumentation von Freizeiterlebnissen, dem Teilen und Kommentieren von Fotos und Videos oder im Rahmen von Hobbys.
Diese Erkenntnis lässt sich auch übertragen auf die generelle Mediennutzung: Je nach Sprachkenntnissen und der Verfügbarkeit von Medienangeboten aus dem Herkunftsland unterscheiden sich die Medienrepertoires individuell, aber auch zwischen Herkunftsgruppen.
Medienproduktion: Vielfalt in deutschen Redaktionen?
Die Fragmentierung der Mediennutzung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Diversifizierung migrantischer Medienproduktion, die erst seit wenigen Jahren die deutsche Medienlandschaft zu prägen beginnt.
Schon lange wird beklagt, dass es in deutschen Medienhäusern zu wenige Mitarbeiter:innen mit Migrationserfahrung gäbe.
Insbesondere bei Menschen mit eigener Migrationserfahrung und Deutsch als Fremdsprache ist häufig die Ausdrucksfähigkeit ein Argument gegen stärkere Berücksichtigung bei der Besetzung von Moderator:innen-, Redaktions- und Reporterstellen.
In der Zwischenzeit werden aber zunehmend Menschen mit Migrationserfahrung vor der Kamera sichtbar. Initiativen wie die „Neuen deutschen Medienmacher*innen“ stärken das Bewusstsein für angemessene inhaltliche Repräsentation und Diversität in den Redaktionen. Zudem fordern viele Medienhäuser explizit Menschen mit Migrationserfahrung zur Bewerbung für ihre Volontariate auf, auch weil sie gemerkt haben, dass sie sonst an Legitimität bei einer (ökonomisch) immer wichtiger werdenden Zielgruppe verlieren. Dieser Wandel wurde von einer Welle an migrantischen YouTube-, Instagram- und Podcast-Formaten angeschoben, die erst seit wenigen Jahren in Deutschland ein wichtiges Phänomen geworden sind. Die öffentliche-rechtliche Plattform Externer Link: „funk“ hostet beispielsweise verschiedene YouTube- und Podcast-Formate, die eine junge post-migrantische Realität abbilden. In Podcasts wie Externer Link: „Chai Society“ oder Externer Link: „Halbe Katoffl“ oder Externer Link: „Rice and Shine“ sprechen meist junge Personen der dritten oder vierten Generation von Zugewanderten über ihre Identität, Alltagsrassismus oder einfach generationsspezifische Themen, die sie bewegen. Influencer:innen wie Mai Thi Nguyen-Kim schaffen dabei den Spagat zwischen eigener Migrationsgeschichte und der Bearbeitung eines nicht-migrantischen Themenfelds, wie in ihrem Fall der Wissenschaftskommunikation.
Bis vor kurzem wurden zudem muttersprachliche Angebote als der Integration in Deutschland abträglich angesehen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bot über viele Jahre hinweg lediglich den beim WDR angesiedelten Radiokanal „Funkhaus Europa“ an, der in Sendefenstern in Türkisch, Russisch oder Italienisch informierte und besonders die sogenannten „Gastarbeiter“ in Nordrhein-Westfalen ansprechen sollte. Mittlerweile ist daraus der Radiosender Externer Link: „Cosmo“ hervorgegangen, der von WDR, Radio Bremen und RBB betrieben wird und sich als internationaler und interkultureller Sender mit einem Fokus auf Weltmusik versteht. Dass aber gerade muttersprachliche Angebote wichtig sind, um Migrant:innen zu informieren und ihnen Teilhabe zu ermöglichen, wurde erst im Zuge der Fluchtmigration 2015/16 erkannt. Da gab es beispielsweise die Tagesschau in verschiedenen Sprachen oder Informationsangebote für Geflüchtete in deren Herkunftssprachen, was aber kurzlebig war und stellenweise auch als eher belehrend empfunden wurde. Anders einzuordnen ist da die Internet-Plattform Externer Link: „Amal Berlin“, die Nachrichten aus Deutschland aus der Perspektive von Zugewanderten in Arabisch, Farsi und neuerdings auch in Ukrainisch präsentiert und damit von der Community für die Community berichtet. Ebenso community-affin präsentiert sich der privat finanzierte türkischsprachige Radiosender Externer Link: „Metropol FM“, der 1999 in Berlin gegründet wurde und mit türkischer Musik ein vor allem älteres Publikum anspricht.
Die klassische journalistische Medienproduktion holt also erst langsam auf, was die Einbindung von Personen mit Migrationserfahrung angeht, während sozialen Medien hier eine Vorreiterrolle zukommt und diese damit auch eine Zielgruppe abholen, die traditionelle Medien aufgrund deren problemfixierter Repräsentation meiden.
Initiativen: Migration und Medien
Die Externer Link: „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“ sind ein bundesweiter und unabhängiger Verein von Journalist:innen und Medienschaffenden mit und ohne Migrationserfahrung, der sich für mehr Diversität in den Redaktionen, eine diskriminierungssensible Berichterstattung und gegen Hass im Netz einsetzt. Der Verein unterstützt Nachwuchsjournalist:innen mit Migrationsgeschichte durch Mentoringprogramme, veröffentlicht u. a. Formulierungshilfen und Checklisten für eine diskriminierungsarme Sprache und Bebilderung, berät Redaktionen und meldet sich in aktuellen Debatten immer wieder kritisch zu Wort.
Für eine differenzierte Debatte über die Themen Migration und Integration setzt sich auch der Externer Link: „Mediendienst Integration“ ein: Die Informationsplattform stellt Medienschaffenden kostenfrei Recherchen und Statistiken zu den Themen Flucht, Migration und Diskriminierung in Deutschland zur Verfügung und veröffentlicht Stellungnahmen, Gastbeiträge und Fakten-Checks. Außerdem können Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft vermittelt werden. Träger des Mediendienstes ist der „Rat für Migration e. V.“
Fazit und Ausblick
Der hier diskutierte Forschungsüberblick zeigt insgesamt, dass die traditionellen Massenmedien in Deutschland (noch) nicht in einer postmigrantischen Realität angekommen sind – weder in Bezug auf die Inhalte der Berichterstattung, die Menschen mit (familiärer) Migrationserfahrung häufig marginalisieren, negativ kontextualisieren und stereotypisierend als negativ von der Norm abweichend darstellen, noch mit Blick auf eine angemessene Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt in den Redaktionen. Diese Berichterstattungsmuster und Strukturen sind problematisch, da sie der gesellschaftlichen Komplexität des Themas nicht gerecht werden, rassistische Ausschlüsse (re)produzieren, eine fragmentierte Mediennutzung fördern und den sozialen Zusammenhalt bedrohen.
In der jüngeren Vergangenheit wurden die traditionellen Medien auch dafür kritisiert, soziale Herausforderungen und Konflikte in erster Linie als ein „Migrationsproblem“ oder „Integrationsproblem“ darzustellen (z. B. die Debatte über die
Es ist daher angezeigt, dass Journalist:innen und Chefredakteur:innen sich ihrer besonderen Verantwortung für eine ganzheitliche, diskriminierungssensible Berichterstattung über Migration und eine angemessene strukturelle Repräsentation aller gesellschaftlichen Gruppen bewusstwerden und kritische Mediennutzende dies von den Redaktionen auch immer wieder einfordern. In der Berichterstattung über Migration braucht es eine Pluralisierung der öffentlichen Themenagenda abseits der Fokussierung auf besonders negative Ereignisse. Die Themen, Anliegen und der gesellschaftliche Beitrag von Menschen mit Migrationserfahrung sollten ein selbstverständlicher Teil der Medienrealität sein, passive Rollen und stereotypisierendes Othering (Andersmachen, Distanzieren) in Wort und Bild vermieden werden. Schließlich sollten Hürden für mehr Diversität in den Redaktionen aktiv und verbindlich abgebaut werden. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund eines hybriden Mediensystems, in dem soziale Medien es jeder und jedem erlauben, eigene Themen und Meinungen unabhängig von traditionellen Medien in der Öffentlichkeit zu verbreiten und klassische Massenmedien bei Vernachlässigung von migrantischen Perspektiven zunehmend an Legitimität verlieren würden.