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Rechtspopulistische Mobilisierungsthemen | Rechtspopulismus | bpb.de

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Rechtspopulistische Mobilisierungsthemen Anti-Feminismus, Migration und Klimapolitik

Benjamin Höhne Manès Weisskircher

/ 9 Minuten zu lesen

Bei den zentralen Themen lassen sich nicht nur maßgebliche inhaltliche Positionierungen feststellen, sondern auch, welche argumentative Strategien verfolgt werden und welche Mobilisierungskraft von ihnen ausgeht.

Am 3. Oktober 2023, dem Tag der Deutschen Einheit, demonstriert das Bündnis „München Steht Auf“ auf dem Odeonsplatz in der Altstadt Münchens. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Sachelle Babbar)

Rechtspopulistische Akteur:innen besetzen häufig Themen, die gesellschaftlich hart umkämpft sind. Drei zentrale Beispiele sind: Migration, Anti-Feminismus, und Klimapolitik. Anhand diesen wird im Folgenden gezeigt, wie Agenda-Setting in diesen Themenbereichen funktioniert, welche inhaltlichen Positionierungen dabei maßgeblich sind, und welche argumentativen Strategien verfolgt werden. Doch zunächst soll geklärt werden, was rechtspopulistische Rhetorik in der Demokratie grundlegend kennzeichnet.

Rechtspopulismus und Demokratie

Laut Forschung behauptet der Populismus einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen dem angeblich korrupten politischen Establishment der Parteieliten und einem idealisierten Volk – der Anti-Elitismus ist also ein maßgebliches ideologisches Element. Die rechte Populismusvariante definiert exklusiv, wer ihm neben dem „einfachen Mann“ noch angehören sollte: Hier ist der Nativismus („xenophober Nationalismus“) das zentrale Ausschlusskriterium gegenüber Migrant:innen. Die linke Variante zielt dagegen auf ein inklusives Verständnis der Bevölkerung ab. Dabei beansprucht der Populismus für sich, das einzig legitime Sprachrohr des Volkes zu sein und diffamiert den pluralistischen Wettstreit von unterschiedlichen Meinungen und Interessen. Dieser Alleinvertretungsanspruch des „Volkes“ ist allerdings im Widerspruch mit dem für Demokratien zentralen Prinzip des Pluralismus. Dieser bedeutet idealtypisch, dass die Vielzahl verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen der Gesellschaft eine Übersetzung im politischen Wettbewerb erfährt. Konsequenz des populistischen Anti-Pluralismus ist das Streben danach, intermediäre, d.h. zwischen der staatlichen und gesellschaftlichen Sphäre vermittelnde Institutionen, wie etwa (andere) Parteien oder Medien, wenn nicht zu ersetzen, doch wenigstens zu schwächen.

Innerparteiliche Demokratie der AfD

Das Verhältnis von Rechtspopulismus und Demokratie ist durchaus ambivalent. So ließ sich am Beispiel der Alternative für Deutschland (AfD) hinsichtlich ihrer zu Bundestagswahlen aufgestellten Kandidierenden ein hohes Niveau an innerparteilicher Demokratie feststellen. Bei den meisten gemessenen Indikatoren wie der Mitgliederinklusion oder dem Wettbewerb der Kandidierenden untereinander fiel diese gar noch höher aus als bei den anderen Bundestagsparteien. Aus dieser Perspektive kann die AfD nicht als anti-demokratische Partei eingeordnet werden. Werden dagegen rechtspopulistische Vorstellungen über die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Verfassung eines Staates betrachtet, lassen sich durch Rekurs auf demokratietheoretische Grundlagen demokratiegefährdende Positionen ausmachen. Dazu gehören der Anti-Pluralismus, die Abwendung von liberalen Staatsorganisationsprinzipien – etwa die Gewaltenteilung oder der Minderheitenschutz – oder die Verwendung von diskriminierender Sprache gegenüber Minderheiten.

Fußnoten

  1. Siehe Benjamin Höhne (2023): How Democracy Works within a Populist Party: Candidate Selection in the Alternative for Germany, in: Government and Opposition, 58. Jg., H. 3, S. 478-496.

  2. Vgl. Held, David (2006): Models of Democracy, Stanford.

Ein Spannungsverhältnis zeigt sich auch im Verhältnis zu machtbegrenzenden Institutionen und Minderheitenrechten. Während Bürger:innen- und Freiheitsrechte Schutz vor überbordender oder diskriminierender staatlicher Machtausübung bieten sollen, wobei derzeit insbesondere minorisierte Gruppen wie Menschen mit Migrationsgeschichte oder LGBTIQ+-Identitäten im Fokus stehen, strebt der Rechtspopulismus eher danach diese zu exkludieren. Das Verhältnis zu staatlichen Regeln verdeutlichte sich beispielsweise bei der Konstituierung des Thüringer Landtags im Herbst 2024, als der von der AfD gestellte Alterspräsident mehrfach Anträge und Abstimmungen blockierte und daraufhin das Thüringer Verfassungsgericht angerufen wurde. Hier zeigte sich aber auch das Funktionieren der Institutionen, als die unabhängige Justiz – als Teil der institutionellen Gewaltenteilung eines Staates – diesem Verhalten Einhalt gebieten konnte.

Und schließlich sind auch die unabhängigen Medien rechtspopulistischen Akteur:innen häufig ein Dorn im Auge, da viele dem liberal-linken politischen Spektrum zugerechnet werden sowie als parteiisch und ihnen gegenüber überkritisch wahrgenommen werden. In Verunglimpfungen wie „Lügenpresse“ findet dies seinen Ausdruck. In Ländern wie Interner Link: Polen oder Interner Link: Ungarn, wo der Rechtspopulismus lange an der Macht war oder ist, wurde die Korrektivrolle der „vierten Gewalt“ kontinuierlich geschwächt.

Migration

Die Mobilisierung gegen Immigration ist seit Jahrzehnten das Kernthema von Rechtsaußenparteien in Westeuropa. Je nach Kontext stellen sie Einwanderung als Gefahr für den Arbeitsmarkt, den Wohlfahrtsstaat, die Sicherheit, die Kultur oder, im Extremfall, für das Überleben der Nation dar. Über die Zeit verschob sich der Fokus der Parteien: Lag der Schwerpunkt bis zu den Interner Link: EU-Osterweiterungsrunden in den 2000er Jahren noch auf Kampagnen gegen mittel- und osteuropäische (Arbeits-)Migration, ist die außereuropäische Einwanderung insbesondere seit den 2010er Jahren, spätestens ab der Zuwanderung in den Jahren 2015/16, in den Mittelpunkt ihres Diskurses gerückt. Dabei bedienen sich Rechtsaußenpolitiker:innen regelmäßig diskriminierender Aussagen, die viel Aufmerksamkeit erzielen, sowohl in den traditionellen als auch in den sozialen Medien. Dies muss auch als Strategie des Agenda-Settings verstanden werden.

Der Interner Link: biologische Rassismus der „Alten Rechten“ war nach dem Nationalsozialismus breit delegitimiert, insbesondere für politische Akteure, die jenseits extremistischer Nischen elektorale Unterstützung erhofften. Innerhalb der „Neuen Rechten“ hat sich mittlerweile das Konzept des Interner Link: Ethnopluralismus durchgesetzt, das die formale Gleichheit unterschiedlicher „Völker“ einräumt, die jedoch getrennt voneinander leben sollten, da sie nicht miteinander kompatibel seien. Dieser exkludierende Gedanke bietet zumindest implizit die theoretische Grundlage für die migrationspolitischen Positionen der meisten zeitgenössischen Rechtsaußenakteure.

Der prominente Forscher von Rechtsaußenparteien, Cas Mudde, identifiziert daher folgerichtig Nativismus, d.h. xenophoben Nationalismus, als den Kern ihrer Ideologie. Neben der nationalen Identität betonen Rechtsaußenakteure jedoch auch zunehmend eine stark exkludierende, europäische Identität. Diese „zivilisatorische Perspektive“ nährt Untergangsnarrative und beschwört einen vermeintlich geplanten „Bevölkerungsaustausch“. Dabei legen viele, aber nicht alle, europäischen Rechtsaußenakteure den Schwerpunkt auf eine drohende „Interner Link: Islamisierung“ und verbinden Einwanderung zunehmend auch mit einer religiösen Komponente. Auch in Mittel- und Osteuropa mobilisieren Rechtsaußenparteien zunehmend gegen außereuropäische Einwanderungen, während sie vor den 2010er Jahren noch primär Stimmung gegen die Minderheiten in ihren Ländern schürten wie z.B. Sinti und Roma oder die türkische Minderheit in Bulgarien.

In Studien zu den Wähler:innen von Rechtsaußenparteien sind negative Einstellungen zur Einwanderung die wichtigste Variable, um das Wahlverhalten zu erklären: Je stärker ein Individuum Einwanderung ablehnt, desto höher die Wahrscheinlichkeit für die Wahl einer Rechtsaußenpartei. Auch wenn eine einwanderungskritische Haltung nicht gleichbedeutend mit der Bejahung des Rechtspopulismus ist, lässt sich festhalten, dass die Erfolge von Anti-Einwanderungsparteien nicht primär auf diffusen Protest zurückzuführen sind. Jenseits der Ebene von individuellen Einstellungen ist es in vielen Fällen mittlerweile so, dass Rechtsaußenakteure dort stärker sind, wo weniger Menschen mit Migrationshintergrund leben. Neben der Parteipolitik ist das Thema Migration auch entscheidend bei den Demonstrationen diverser Rechtsaußengruppen.

Trotz einer zunehmenden Bandbreite an öffentlich relevanten Themen, die Rechtsaußenparteien strategisch bearbeiten – von Gender über den Klimawandel bis zur Pandemie – ist Einwanderung ihr wichtigstes Thema geblieben. Es ist das zentrale strategische Motiv der Rechtsaußen-Parteienfamilie, Migration kontinuierlich auf der politischen Agenda zu halten: Ist sie ein wesentliches Thema im öffentlichen Diskurs, wissen Rechtsaußenparteien das zumeist auch an der Wahlurne für sich zu nutzen.

Anti-Genderismus

Dieses Themenfeld ist von einem scheinbaren Paradox gekennzeichnet, das als ein zentrales Kennzeichen des gegenwärtigen Rechtspopulismus gelten kann: Während große rechtspopulistische Parteien wie die französische Interner Link: Rassemblement National, die Interner Link: italienische Fratelli d’Italia oder die AfD von Frauen angeführt werden, treten rechtspopulistische Parteien in der Regel für die Interner Link: Aufrechterhaltung der „natürlichen Ordnung“ in der Gesellschaft ein. Sie stellen sich gegen die Infragestellung traditioneller Gesellschaftsvorstellungen durch den Feminismus: Ein Beispiel hierfür ist das exklusive Familienmodell bestehend aus Vater, Mutter und Kindern. In ihrem Kampf gegen Interner Link: Feminismus und eine Gender-gerechte Politik treffen sie dabei durchaus auch auf Zustimmung in (nicht nur) gemäßigt-konservativeren Milieus, sodass sie versuchen, bei diesen Themen anschlussfähig für die „Mitte der Gesellschaft“ zu werden.

In funktionaler Hinsicht verspricht Anti-Genderismus-Rhetorik eine Erweiterung des Elektorats rechtspopulistischer Parteien. Derartige Politikvorstellungen verteidigen patriarchale Denkmuster, die noch immer eine große Prägekraft in westlichen Gesellschaften aufweisen, worauf z.B. die anti-sexistische Interner Link: MeToo-Bewegung aufmerksam gemacht hat. Mit proklamierter Heteronormativität können rechtspopulistische Parteien neue Wähler:innengruppen erschließen, die nicht zu ihrer traditionellen Klientel gehören. Dazu können Christ:innen gehören oder Migrant:nnen, die zwar teils einer anderen Religion angehören, aber traditionelle Rollenvorstellungen aufweisen. Schließlich sollen auch konservative Menschen angesprochen werden, die mit einem gesellschaftlichen Modernisierungskurs ihrer angestammten Partei unzufrieden sein können, wie dies teils bei der CDU Interner Link: unter Angela Merkel der Fall war.

Vergleichende Forschung zum Interner Link: Anti-Feminismus von Parteien aus dem Rechtsaußenspektrum zeigt, dass dieser verschiedene Erscheinungsformen aufweist und flexibel mit anderen rechten Narrativen verbunden wird. Ein besonders mobilisierendes und einendes Thema der „Neuen Rechten“ ist die Behauptung der „Umvolkung“ bzw. des Interner Link: „großen Bevölkerungsaustauschs“, mit der gezielt Ängste vor Migration geschürt werden. Diese werden wiederum mit anti-feministischer Rhetorik gepaart und so die Mobilisierungsfähigkeit insgesamt erhöht: Die nativen (einheimischen) Frauen bekämen aufgrund der „Gender-Ideologie“ zu wenig Kinder und würden dadurch die durch Migration voranschreitende Auflösung der vermeintlich autochthonen (einheimischen) Nation zusätzlich von innen heraus vorantreiben.

Rechtspopulistische Akteur:innen schaffen es aber auch, den Feminismus für seine Zwecke einzuspannen, um Gruppen auszugrenzen. Alice Weidels Aussage der „Kopftuchmädchen“ im Bundestag 2018 ist ein Beispiel dafür, wie handstreichartig eine Personengruppe diskriminiert und als Gefahr für die Gesellschaft dargestellt wird. Mit dem Begriff der Versicherheitlichung wird in der Forschung schließlich die Behauptung des Rechtspopulismus diskutiert, die einheimischen Frauen vor vermeintlich rückständigen muslimischen Migranten schützen zu wollen: der Verweis auf gefährdete Frauenrechte durch außereuropäische Migration stellt einen zentralen Versuch rechtspopulistischer Akteure dar, sich an liberalen oder sogar progressiven Diskursmustern strategisch zu bedienen.

Jenseits des Anti-Feminismus im engeren Sinne erfolgte in den letzten Jahren eine zunehmende Akzeptanz von Homosexualität innerhalb rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa. Führende Politiker:innen leben offen in homosexuellen Partnerschaften. Auch Teile der Wähler:innen dieser Parteien vertreten hier liberale Positionen. Statt dem Thema Homosexualität rückt die Frage der Gender-Identitäten zunehmend in den Blickpunkt von rechtspopulistischen Akteuren: LGBTQ+-Identitäten werden dabei stark abgelehnt und sind zunehmend Ziel rechtspopulistischer Kampagnen.

Anti-feministische Agitation aus dem Munde einer Frau kann eine besondere Anziehungskraft und Glaubwürdigkeit entfalten, etwa wenn gegen ein liberales Abtreibungsrecht Stimmung gemacht wird. Generell sind anti-feministisch agitierende Frauen ein wichtiger Bestandteil der Interner Link: Mainstreaming-Strategie von Rechtsaußenparteien, die auf deren Entstigmatisierung abzielt. Frauen können stereotypisiert positive politische Eigenschaften zugeschrieben werden, die als ein Weichzeichner einer im Kern rückwärtsgewandten Rechtsaußenpartei fungieren. Dadurch sind sie in der Lage, das elektorale Potenzial ihrer Partei zu maximieren. So zeigt sich mit Blick auf Marine Le Pen und Giorgia Meloni, dass beide den traditionellen Gender Gap, also den Überhang männlicher Wähler, rechtspopulistischer Parteien bei Wahlen abschmelzen konnten. Frauen wurden somit kaum noch von der Wahl einer weit rechtsstehenden Partei abgeschreckt.

Klimapolitik

Seiner wachsenden öffentlichen Relevanz entsprechend fokussieren Rechtsaußenparteien seit einigen Jahren verstärkt auf das Thema Klimawandel. Einige von ihnen leugnen die wissenschaftliche Erkenntnis über den menschengemachten Klimawandel oder ziehen sie zumindest fundamental in Zweifel – die Alternative für Deutschland ist hierfür ein prominentes Beispiel. Mittlerweile steht die explizite Leugnung des Klimawandels als Phänomen (wird es wärmer?) oder als menschengemacht (was ist die Ursache?) jedoch nicht mehr im Zentrum ihres Diskurses. Der Grund: Nur kleine Minderheiten der Bevölkerung in Europa (und anderswo) leugnet den menschengemachten Klimawandel explizit. Auch z.B. unter den Wähler:innen der AfD ist diese Position nicht klar mehrheitsfähig.

Dennoch gewinnt die Partei und etliche ihrer Pendants in anderen europäischen Ländern, und darüber hinaus, auch durch das Anheizen des politischen Konflikts rund um den Klimawandel an Unterstützung. Die Forschung spricht hier von „climate obstruction“: d.h. die Ablehnung konkreter klimapolitischer Maßnahmen wird in ein breiteres Narrativ der Mobilisierung gegen „links-grüne“ urbane Eliten eingebettet, die Klimapolitik als „ideologisches Projekt“ verfolgen würden. Die Auseinandersetzung mit der Klimapolitik gerät dadurch in den Hintergrund, während der „Kulturkampf“ ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Dabei werden nicht nur Regierungen und grüne Parteien als Hauptgegner identifiziert, sondern auch Klima-Aktivist:innen, insbesondere solche, die sich disruptiver Aktionsformen bedienen, wie z.B. die Letzte Generation. Durch Begriffe wie „Öko-Diktatur“ delegitimieren Rechtsaußenparteien in der politischen Auseinandersetzung um die Klimapolitik dabei auch letztlich demokratische Prozesse.

Zum Teil hat Interner Link: ökologisches Denken eine lange ideologische Tradition auch unter Rechtsaußenakteuren und ihren Milieus. „Rechtsaußen-Ökologie“ bezieht sich dabei u.a. auf Werte wie Naturalismus, Spiritualität, Organismus und Nostalgie. Historisch betrachtet wurde der Schutz der Natur anti-modernistisch begründet: er ließ sich dadurch auch mit Nationalismus und Blut-und-Boden-Ideologiebausteinen verknüpfen, auch während des Nationalsozialismus. Einzelne zeitgenössische rechtsextreme Terroristen verstehen sich daher auch als „Ökofaschisten“ und zeichnen die Gefahr der (nicht-weißen) Überbevölkerung in ihren rassistischen Manifestos.

Die aktuelle „Klimaskepsis“ von Rechtsaußenparteien ist mittlerweile zu einem wichtigen Teil strategisch geworden: Klimapolitik ist ein höchst komplexes thematisches Feld, das kurzfristige Kosten erzeugt, um langfristige Schäden zu verhindern, Widersprüche beinhaltet und nicht immer gut geplant oder kommuniziert ist. Dabei entstehen neue Unsicherheiten, Gewinner:innen und Verlierer:innen, sowohl materiell als auch symbolisch. Für Rechtsaußenparteien bietet diese Konstellation einen strategischen Anreiz, um fundamentaloppositionell zu agieren, insbesondere wenn der parteipolitische Konsens jenseits von Rechtsaußen klimapolitische Maßnahmen zumindest rhetorisch weithin befürwortet.

Ihre die Klimapolitik ablehnenden Positionen verbinden Rechtsaußenparteien dann mit den unterschiedlichsten inhaltlichen Elementen, wie z.B. mit ökonomischer Kritik sowohl aus volkswirtschaftlicher Perspektive (günstige Stromversorgung für die Industrie oder die Ablehnung von Subventionen) als auch was die Kosten für Haushalte oder den Schutz der lokalen Natur und Tierpopulationen vor Infrastruktur wie Windkraftanlagen betrifft. Ebenso nehmen sie auf verschwörungstheoretische Elemente Bezug, z.B. wenn sie von einer „gesteuerten“ Deindustrialisierung oder „Blackouts“ in Folge einer unsicheren Stromversorgung sprechen. Das Thema Klimaflucht ist noch kein Schwerpunkt von Rechtsaußenparteien, sie bringen das Thema Klimawandel also zumindest im Moment noch selten mit ihrem Kernthema Migration in Verbindung.

Fussnoten

Fußnoten

  1. In der aktuellen internationalen Forschung werden häufiger die Begriffe „Rechtsaußenpartei“ oder „populistische radikale Rechte“ anstelle von „Rechtspopulismus“ gebraucht. Dies ist mit Blick auf den Radikalisierungskurs der AfD auch für den deutschen Diskurs zutreffend. Zunehmend verwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, was sich auch an einem gemeinsamen intellektuellen und organisatorischen Umfeld aufzeigen lässt. Dennoch wollen wir in diesem Beitrag am Terminus „Rechtspopulismus“ festhalten und seine politikfeldspezifischen Merkmale herausarbeiten, die wie ein Türöffner für weitere Radikalisierungsprozesse fungieren können.

  2. Vgl. Cas Mudde (2007): Populist Radical Right Parties in Europe, Cambridge; Paula Diehl (2024): Rechtspopulismus und Demokratie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 74. Jg., H. 27, S. 26-31.

  3. Vgl. Karin Priester (2012): Wesensmerkmale des Populismus, in: APuZ, 62. Jg., H. 5/6, S. 3-9.

  4. Vgl. Philip Manow (2024): Unter Beobachtung. Die Bestimmung der liberalen Demokratie und ihrer Freunde, Berlin.

  5. Munk/Durach/Busjaeger/Koch: Landtagssitzung in Thüringen: AfD-Kandidatin fällt bei Wahl zweimal durch, in: Frankfurter Rundschau, Externer Link: https://www.fr.de/politik/landtagspraesident-erste-landtag-sitzung-nach-thueringen-wahl-mehrfach-unterbrochen-afd-cdu-zr-93322850.html [letzter Aufruf: 20.05.2025]

  6. Uwe Backes (2007): Europas moderner Rechtsextremismus: Ideologien, Akteure, Erfolgsbedingungen und Gefährdungspotentiale. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S. 102.

  7. Cas Mudde (2007): Populist Radical Right Parties in Europe. Cambridge University Press, Cambridge.

  8. Rogers Brubaker (2017): Between nationalism and civilizationism: The European populist moment in comparative perspective, in: Ethnic and Racial Studies, 40. Jg., S. 1191-1226; Manuela Caiani and Manès Weisskircher (2002): Anti-nationalist Europeans and pro-European nativists on the streets: visions of Europe from the left to the far right, in: Social Movement Studies, 21. Jg., S. 216-233.

  9. Arzheimer, Kai (2018): Explaining electoral support for the radical right, in: Jens Rydgren (Hrsg.): The Oxford Handbook of the Radical Right, Oxford University Press, Oxford, S. 143-165.

  10. James Dennison and Andrew Geddes (2019): A rising tide? The salience of immigration and the rise of anti‐immigration political parties in Western Europe, in: The Political Quarterly, 90. Jg., S. 107-116.

  11. Vgl. Gabriele Dietze (2018): Rechtspopulismus und Geschlecht. Paradox und Leitmotiv, in: Femina Politica, 27. Jg., H. 1, S. 34-46; Tjitske Akkerman (2015): Gender and the radical right in Western Europe: A comparative analysis of policy agendas, in: Patterns of Prejudice, 49. Jg., H. 1-2, S. 37-60.

  12. Vgl. Charlotte Höcker, Gert Pickel und Oliver Decker (2020): Antifeminismus – das Geschlecht im Autoritarismus? Die Messung von Antifeminismus und Sexismus in Deutschland auf der Einstellungsebene, in: Oliver Decker und Elmar Brähler (Hrsg.): Autoritäre Dynamiken. Neue Radikalität – alte Ressentiments. Leipziger Autoritarismus Studie 2020, Leipzig, S. 249-271.

  13. Vgl. Caroline Marie Lancaster (2020): Not So Radical After All: Ideological Diversity Among Radical Right Supporters and Its Implications, in: Political Studies, 68. Jg., H. 3, S. 600-616.

  14. Vgl. jüngst Benjamin Höhne (2024): Anti-Feminism in the Parliamentary Rhetoric of Leading Female Figures in the German AfD and US Republicans, in: Feminist Studies, 50. Jg., H. 2, S. 155-182.

  15. Externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=ZEGj1T0pnR0

  16. Lars Erik Berntzen (2019): Liberal roots of far right activism: The anti-Islamic movement in the 21st century. Routledge, Abingdon.

  17. Caroline Lancaster (2020): Not So Radical After All: Ideological Diversity Among Radical Right Supporters and Its Implications, in: Political Studies, 68. Jg., S. 600-616.

  18. Sabine Volk (2025), Rallying ‘round the Drag: Anti-gender Mobilization and the Mainstreaming of the Far Right, in: European Societies, 27. Jg, S. 59-82.

  19. Bernhard Forchtner (2019) (Hrsg.): The far right and the environment: Politics, discourse and communication. Routledge, Abingdon.

  20. Cyrill Otteni und Manès Weisskircher (2022): AfD gegen die Grünen? Rechtspopulismus und klimapolitische Polarisierung in Deutschland, in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 35. Jg., S. 317-335.

  21. Kristoffer Ekberg, Bernhard Forchtner, Martin Hultman und Kirsti M. Jylhä (2023): Climate Obstruction How Denial, Delay and Inaction are Heating the Planet. Routledge, Abingdon.

  22. Balša Lubarda (2020): Beyond Ecofascism? Far-Right Ecologism (FRE) as a Framework for Future Inquiries, in: Environmental Values, 29 Jg., S. 713-732.

  23. Graham Macklin (2022): The Extreme Right, Climate Change and Terrorism, in: Terrorism and Political Violence, 34. Jg., S. 979-996.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autoren/-innen: Benjamin Höhne, Manès Weisskircher für bpb.de

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Dr. Benjamin Höhne vertritt seit April 2024 die W3-Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich an der TU Chemnitz. Zu seinen Forschungs- und Lehrbereichen gehören politische Parteien, das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland mit Schwerpunkt auf Ostdeutschland, politische Partizipation und Repräsentation. Aktuell beschäftigt er sich mit Populismus, Gender und Vielfalt in Parteien und Parlamenten.

Dr. Manès Weisskircher ist Leiter der BMBF-Nachwuchsgruppe Externer Link: REXKLIMA (Rechtsextremismus versus Klimaschutz? Nationalistische Opposition in einem transnationalen Politikfeld) am Institut für Politikwissenschaft, TU Dresden. Weiters ist er affiliierter Forscher am Center for Research on Extremism (C-REX) an der Universität Oslo und Gastwissenschaftler am Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung, Wissenschaftszentrum Berlin.