Also ich bin der Ansicht, es gibt nur noch eine Partei in Deutschland, die wirklich wählbar ist und das ist die AfD […] Sie sprechen die kritischen Themen offen an, die nehmen da kein Blatt vor den Mund und die sind halt noch auf der Seite des Volkes.
Die verlorene Ehre der Arbeiter Wie Populisten die Problemrohstoffe der Gesellschaft ausnutzen
/ 18 Minuten zu lesen
Unter Arbeitern ist das Empfinden weit verbreitet, sozial benachteiligt, abgewertet und entehrt zu sein. Neurechte Ideologen und ihre politische Gefolgschaft wissen den Frust für sich zu nutzen und stoßen auf Resonanz. Klaus Dörre gibt eine Einschätzung, welche Gegenstrategien wirksam sein könnten.
Zu den Inhalten springen
So äußert sich ein befragter Arbeiter aus dem Eisenacher Opel-Werk.
Arbeiterpartei AfD?
Der zitierte Arbeiter ist keine Ausnahme. Zwar rekrutieren rechtsradikale Parteien ihre Anhängerschaft aus allen Klassen und Schichten der Bevölkerung, doch in der Arbeiterschaft stoßen sie auf überdurchschnittlich große Sympathie. Bei den Wahlen zum
Ist die AfD also auf dem Weg, zu der Arbeiterpartei zu werden? Die Antwort ist ein klares Nein, denn programmatisch handelt es sich noch immer um eine geradezu marktradikal ausgerichtete Formation.
Wer sind die Arbeiter?
Folgenreiche politische Fehldeutungen beginnen bereits mit der häufig geäußerten Vermutung, die Arbeiterschaft schrumpfe kontinuierlich und verliere deshalb mehr und mehr an Bedeutung. Schon weil statistisch nicht mehr zwischen Arbeitern und Angestellten differenziert wird, ist es schwer, die Arbeiteranteile an den Erwerbstätigen präzise zu bestimmen. Nimmt man etwa als Kriterium den Lohnbezug, gab es in Deutschland vor der ab 2020 durchschlagenden Corona-Pandemie gut acht Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter. Das entsprach 17 Prozent der Erwerbstätigen. Mehr als 70 Prozent waren männlich, der migrantische Anteil an der Arbeiterschaft war überdurchschnittlich hoch. Zählt man Vorarbeiter, Meister und Techniker hinzu, ließ sich vor einem Jahrzehnt ca. ein Drittel der Erwerbstätigen (33 Prozent im Westen, 35 Prozent im Osten) Arbeiterklassenlagen zurechnen.
Die Selbstverortung in der sozialen Mitte spricht aber keineswegs für eine integrative Gesellschaft, in der das Gros der Arbeiterschaft zu Mittelklassenlagen aufgeschlossen hat. Eher ist das Gegenteil der Fall: Weil gemeinhin die Zugehörigkeit zur Mitte der Gesellschaft als positiv wahrgenommen wird, weichen die Selbstverortungen von Arbeiterinnen und Arbeitern teilweise erheblich von den strukturellen Positionen in der sozialen Hierarchie ab.
Stabilitätsanker?Mythos Mitte
Die Grundlegung des Mitte-Mythos findet sich schon bei Aristoteles, der behauptete, die Erschaffung einer großen Mittelklasse sei die notwendige Stütze einer demokratischen Verfassung.
Fußnoten
-
Badiou, Alain (2017): Vierundzwanzig Anmerkungen über die Verwendung des Wortes ´Volk´. In: Badiou, Alain/Bourdieu, Pierre/Butler, Judith/Didi-Huberman, Georges/Khiari, Sadri/Rancière: Was ist ein Volk? Hamburg, S. 9-16, hier S. 15.
-
Lipset, Seymor Martin (1959): Some Social Requisites of Democracy: Economic Development and Political Legitimacy. In: American Political Science Review, 53(1), S. 69-105. DOI: Externer Link: https://doi.org/10.2307/1951731.
-
Badiou (2017), S. 15.
Unabhängig von den sozialen Selbstverortungen bilden Arbeiterklassen aber keineswegs die Mitte der Gesellschaft ab. Wer sie vergisst, ignoriert dennoch gesellschaftliche Mehrheiten, denn in Arbeiterklassenlagen befinden sich heute nicht nur Produktionsarbeiter, sondern auch die Krankenschwester, das Personal von Kindertagesstätten, der Briefzusteller oder die Zugbegleiter bei der Bundesbahn. Produktionsarbeiter sind demnach nur eine besondere Fraktion innerhalb der konventionellen Arbeiterklasse, die zu den relativen Verlierern der Globalisierung zählen.
GlobalisierungsverliererUrsachen für Abstiegsängste
Als wichtigste Gründe benennt der IWF den technologischen Wandel (Digitalisierung), die dadurch bedingte Ersetzbarkeit von Arbeiterinnen und Arbeitern, die Marktmacht großer Unternehmen sowie eine nachlassende Bindekraft von Gewerkschaften. Die Möglichkeit international agierender Unternehmen, ein Weltproletariat von mehr als drei Milliarden Arbeitskräften zu beschäftigen, das überwiegend in prekären Verhältnissen tätig ist, schlägt in Gestalt von Standortkonkurrenzen, Produktionsverlagerungen, Outsourcing-Strategien sowie infolge des Drucks auf Löhne und Arbeitsbedingungen auf die Beschäftigten in den verursachenden alten kapitalistischen Zentren zurück.
Zu den Ursachen für Abstiegsängste gesellen sich in der Gegenwart Teuerung und Reallohneinbußen hinzu. Aufgrund steigender Mieten, Energie- und Nahrungsmittelpreise bleiben die realen Nettoeinkommen – Geld, das nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben und Fixkosten für Miete, Heizung etc. übrigbleibt – trotz relativ hoher Tarifabschlüsse hinter den Preissteigerungen zurück.
Ehrverlust der Arbeiterschaft
Das in der Arbeiterschaft verbreitete Empfinden, sozial benachteiligt, abgewertet und folglich entehrt zu sein, besitzt also reale Ursachen, die sich nur schwer korrigieren lassen. In Deutschland waren laut ALLBUS-Daten 2021 nur noch 17 Prozent der berufsaktiven lohnabhängigen Erwerbstätigen Gewerkschaftsmitglieder; in der Arbeiterschaft waren es immerhin noch 22 Prozent.
„Was im Wahlverhalten der Arbeiter, die dem FN (Front National, heute:
Diese Einschätzung bezieht sich auf das Peugeot-Werk in Sochaux-Montbéliard, das heute zum Stellantis-Konzern gehört und als ein Stammwerk des Konzerns auch die Zukunft von Opel Eisenach bestimmt. Mit wenigen Modifikationen lassen sich die empirischen Befunde der beiden französischen Soziologen auch auf die heutige Industriearbeiterschaft der Bundesrepublik übertragen. Deren Hauptproblem ist, sofern sie über berufliche Qualifikationen verfügen, aktuell noch nicht Erwerbslosigkeit. Umgetrieben werden sie von dem Empfinden, dass ihre Leistungen gesellschaftlich keine angemessene Wertschätzung erfahren. Vor allem männliche Arbeiter fühlen sich unsichtbar gemacht und entehrt. In den medialen und politischen Öffentlichkeiten kommen sie mit ihren Tätigkeiten und Lebensentwürfen kaum vor. Nimmt man von ihnen Notiz, so allenfalls als vom Aussterben bedrohte Spezies oder, aus der Perspektive armer und prekär Beschäftigter, als privilegierte Arbeiteraristokratie.
Bröckelnde Infrastruktur
Die verbreitete Wahrnehmung, gesellschaftlich ungesehen und abgewertet zu sein, wird politisch höchst unterschiedlich verarbeitet. Um es deutlich zu sagen: Mehrheiten auch der Produktionsarbeiter wählen noch immer die klassischen, der Mitte zugerechneten Parteien oder gar nicht. Das ändert aber nichts daran, dass eine einflussreiche Minderheit einer kollektiven Erzählung anhängt, die nicht zwingend der Wahrheit entsprechen muss, sich aber „für viele Menschen wie die eigentliche Wahrheit anfühlt“
Wertekonflikte
Dieser Kampf besitzt sowohl eine materielle als auch eine kulturelle Dimension. Die Befragten sehen ihre Leistungen häufig finanziell nicht angemessen gewürdigt. Sie empfinden ihre Lebensentwürfe aber auch als moralisch abgewertet. Als ihre Hauptgegner betrachten rechtsaffine Arbeiter nicht etwa die politische Linke, vor allem Grüne und Feministinnen sind ihnen geradezu verhasst. Dies vor allem, weil diese als „Bessergestellte“ wahrgenommen werden, die der Arbeiterschaft mit moralischem Überlegenheitsgestus Verhaltensweisen abverlangen, die zu praktizieren nicht einmal die selbsternannten „Tugendwächter“ in der Lage seien. Neben als ungerecht empfundenen Verteilungsverhältnisse animieren Wertmusterkonflikte dazu, Arbeiter-Proteste an die extreme Rechte zu delegieren. Kritik am „System“, wie sie immer wieder geäußert wird, richtet sich gegen anonyme Mächte, die in den Augen der Befragten zunehmend zerstören, was das Arbeiterleben eigentlich lebenswert macht.
Die skizzierte Tiefengeschichte konkretisiert sich in Gesellschaftsbildern, deren wichtigsten Merkmale wie folgt beschrieben werden können:
Elementar für Übergänge zu radikal rechten Orientierungen ist das Deutschsein als Chiffre sowohl für Gleichbehandlungen als auch für Ausgrenzung.
Die nationale Orientierung radikalisiert sich über einen sozialpsychologischen Mechanismus, der auf Selbstaufwertung mittels Abwertung anderer beruht.
Rechtsaffine Arbeiterinnen und Arbeiter verstehen sich als die eigentlichen Demokraten; sie plädieren für eine Demokratie nach Schweizer Vorbild, wollen mehr Volksentscheide und setzen darauf, dass sich der „gesunde Menschenverstand“ am Ende durchsetzen wird.
Gewalt gegen Andere, Schwächere wird als „Notwehr“ legitimiert, weil der
Interner Link: „große Austausch“ , gemeint ist eine gezielte Masseneinwanderung, einen Ausnahmezustand geschaffen hat.Arbeiterinnen und Arbeiter, die mit der radikalen Rechten sympathisieren, stellen die Systemfrage. Für sie gibt es nur die korrupten Eliten, die das „System“ repräsentieren, und das unverdorbene, homogen gedachte Volk. Zwischen beidem vermittelt der Glaube, eine antinationale Minderheit habe sich bewusst gegen das deutsche Volk verschworen.
Maßnahmen für Klimaschutz und den sozialökologischen Umbau der Industrie folgen dem Kalkül globalistischer Eliten, die alles daran setzen, der deutschen Wirtschaft zu schaden.
Wird ökologische Nachhaltigkeit unter Ausblendung sozialer Gerechtigkeit und der Lebenswirklichkeit vieler Menschen in erster Linie von oben durchgesetzt, wird das als Freiheitsbeschränkung abgelehnt und zurückgewiesen.
Gewerkschaften müssen sich politisch neutral verhalten. Aktuell werden sie von den globalistischen Eliten vereinnahmt. Das schwächt sie; Linke und Rechte gemeinsam könnten starke Gewerkschaften bilden.
Im Osten empfindet man sich dreifach abgewertet – als Arbeiter, als „Ossi“ und als Mensch; es gibt aber Gründe, stolz auf die Ostdeutschen zu sein.
Das Deutungsschema abgewerteter Ostdeutscher verbindet sich mit Ohnmachtserlebnissen in Betrieb und Arbeitswelt. Der eigenen Wahrnehmung nach immer wieder mit doppelten Bewertungsmaßstäben konfrontiert, empfinden sich die Befragten in Ostdeutschland als unverschuldet anormal. Das Angstgefühl, aus dem sich diese Grundhaltung speist, beruht auf dem Empfinden, nicht mehr mithalten zu können, den Anschluss an das „normale Leben“ zu verlieren. In einer Gesellschaft, in der scheinbar ständig alles immer besser wird, ist das ein Angstrohstoff, den der völkische Populismus auszubeuten vermag. Weil es in ihrer Wahrnehmung „das Establishment“ versäumt, nationale Aufgaben mit Priorität anzugehen und die Gewerkschaften trotz Hochkonjunktur unfähig sind, den Ohnmachtszirkel ständiger Abwertungserfahrungen zu durchbrechen, wird die AfD zum legitimen Adressaten von Ängsten, die in Wut umschlagen.
Ansatzpunkte für Gegenstrategien
Insgesamt lässt sich feststellen, dass es sich beim Gesellschaftsbild von Arbeiterinnen und Arbeitern, die zur extremen Rechten tendieren, vielfach bereits um relativ verfestigte Weltsichten handelt, die nicht leicht zu verändern sind. Offenkundig ist es den Vordenkern der Neuen Rechten und deren politischen Sprachrohren gelungen, eine Metaerzählung im Alltagsbewusstsein zu verankern, die geeignet ist, soziale (Klassen-)Konflikte zu ethnisieren. Diese Metaerzählung erlaubt es, sozioökonomische und kulturelle Protestmotive mit einer konformistischen Grundhaltung zu versöhnen, wie wir sie bei der Arbeiterschaft vor allem in ländlichen Industrieregionen finden. Bezeichnend ist, dass der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke die „neue deutsche soziale Frage des 21. Jahrhunderts“ als eine definiert, deren Konfliktdynamik nicht mehr zwischen „oben“ und „unten“, sondern bevorzugt zwischen „autochthoner“ (heimischer) Bevölkerung und illegal eingereisten oder nicht integrierbaren Migrantinnen und Migranten, die angeblich in die Sozialsysteme einwandern, aufbricht.
Diese Strategie verfängt (nicht nur) in der Arbeiterschaft. Elementare Voraussetzung für wirksame Gegenstrategien ist, anzuerkennen, dass ein
Die Ausländer werden zum Kristallisationspunkt einer vielschichtigen Bedrohung, deren subjektive Seite aus der Angst besteht. Es ist die Angst vor der Zukunft und vor der gesellschaftlichen Marginalisierung und Nichtbeachtung.
Während die französischen Soziologen allerdings noch von einer relativ offenen Situation ausgehen, haben sich in Frankreich wie in Deutschland inzwischen feste Bindungen an Parteien der extremen Rechten herausgebildet. Schon deshalb gibt es für erfolgreiche Gegenstrategien keine Patentrezepte. Unsere Forschungen verweisen jedoch auf Ansatzpunkte, die zu diskutieren sind:
Erstens hängt vieles von der Grundhaltung und Konfliktbereitschaft betrieblicher meinungsbildender Persönlichkeiten ab. Davon zeugt das Beispiel einer Gewerkschafterin, die ihre sexuelle Orientierung in den alltäglichen Auseinandersetzungen mit rechtsaffinen Kolleginnen und Kollegen offensiv zum Thema macht. Die erfolgreiche Auseinandersetzung mit rechtslastigen Beschäftigten findet auf der Ebene persönlicher Beziehungen statt. Nicht Zahlen, Daten, Fakten, sondern soziale Nähe und Freundschaft werden Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit politischen Folgen.
Möglich wird dies zweitens, weil die Gewerkschafterin darauf vertrauen kann, dass sie im Betriebsrat und seitens der IG Metall Rückendeckung erhält. Anders gesagt: Mitbestimmungsmöglichkeiten und aktive gewerkschaftliche Vertrauensleutekörper schaffen überhaupt erst die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit Arbeiterinnen und Arbeitern, die mit der AfD oder anderen Gruppierungen der radikalen Rechten sympathisieren. Das Hauptproblem sind daher nicht etwa rechtslastige Gewerkschaftsmitglieder, sondern die Tatsache, dass es sich beispielsweise in der klein- und mittelbetrieblichen Zulieferindustrie immer häufiger um mitbestimmungsfreie Zonen handelt. Bei Opel Eisenach oder VW Kassel-Baunatal treffen alle, die sich zur AfD bekennen, auf Gegenwind. Wo es weder Betriebsräte noch engagierte Gewerkschaftsmitglieder gibt, ist das nicht der Fall. Besorgte Stimmen aus den Wirtschaftseliten, die es glücklicherweise inzwischen gibt, können solche Repräsentationsdefizite nicht kompensieren, denn auch die vielfältigen Bekenntnisse zu Weltoffenheit, die glücklicherweise aus Wirtschaftskreisen zu hören sind, werden von der vergessenen Arbeiterschaft im Modus ideologischer Beherrschung erlebt.
Das ändert sich drittens, wenn Klassensolidarität praktisch erlebt wird. Für Opel-Arbeiterinnen und Arbeiter ist ein Aktionstag, mit dem gegen eine befürchtete Werksschließung protestiert wurde, geradezu ein Festtag, weil er die Vergessenen und ihre Anliegen für einen kurzen Moment öffentlich sichtbar gemacht hat. Zu einem Höhepunkt der Veranstaltung wurde das Zusammentreffen der Eisenacher Opelaner mit einer Gewerkschafts-Delegation aus dem Peugeot-Werk von Sochaux. Dieses Beispiel lässt sich insofern verallgemeinern, als die einschneidenden Erfahrungen mit Arbeitskämpfen tatsächlich Grundhaltungen verändern können.
Viertens schließlich ist Ehrlichkeit angesagt. Man mag sich über Arbeiterinnen und Arbeiter empören, die die „grüne Regierung“ als ihren Hauptgegner betrachten. Doch die Aufregung über solche Haltungen wird unglaubwürdig, wenn das Problem klassenspezifischer Entscheidungsmacht über das Was, das Wie, das Wozu und das Womit der Produktion ignoriert wird. Es sind winzige Minderheiten innerhalb der herrschenden Klasse – nach unserer Heuristik machen sie nicht einmal ein Prozent der Erwerbsbevölkerung aus –, die Entscheidungen über Geschäftsmodelle, Produkte und Produktionsverfahren monopolisieren. Selbst die stärksten Betriebsräte und Gewerkschaftsorganisationen sind von solchen Entscheidungen weitgehend ausgeschlossen. Doch dieser Ausschluss wird in politischen Debatten, die ausschließlich Konsummuster in den Blick nehmen, vollständig tabuisiert. Zum Beispiel sind Hauptursache der klimaschädlichen Emissionen die an Verfügung über Produktionsmittel gekoppelten Investitionen, nicht individuelle Konsummuster.
Leider nimmt die gesellschaftliche Öffentlichkeit von dieser Grundproblematik kaum Notiz, weil Produktion, Industriearbeit und Gewerkschaften seit langem nur selten Thema sind. Deshalb ist es wichtig, die Unsichtbaren sichtbar zu machen und den Vergessenen eine Stimme zu verleihen. In der Arbeiterschaft zählen Fachlichkeit und Kompetenz. Politisch kalkulierte Gesundbeterei ist man leid, Klartext wird bevorzugt. Für Klimaschutz sind die Belegschaften offen, wenn Beschäftigte einbezogen werden. Starke Betriebsräte und Gewerkschaften reichen dafür nicht aus, aber für eine zukunftsträchtige Auseinandersetzung in den Betrieben, Beschäftigungssicherung in der Transformation und ein Umsteuern zugunsten ökologisch nachhaltiger Arbeit sind sie jedoch unersetzlich. „Demokratiezeit“
Dabei könnte eine emanzipatorische Bildung helfen, die der alltäglichen Gesellschafts- und Kapitalismuskritik von Arbeiterinnen und Arbeitern einen demokratischen Deutungsrahmen bietet. Von den Beschäftigten, die wir bei Opel Eisenach und VW Kassel-Baunatal befragt haben, stimmen 77 Prozent der Aussage „Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Zeit“ voll und ganz oder eher zu, nur gut zwölf Prozent lehnen sie ab.
Weitere Inhalte
Weitere Inhalte
ist Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und war geschäftsführender Direktor des DFG-Kollegs "Postwachstumsgesellschaften".
E-Mail Link: klaus.doerre@uni-jena.de