Warum beschritt Deutschland bei der Professionalisierung des Fußballs einen Sonderweg? Welche Vereine konkurrierten neben dem FC Bayern um die Spitze? Wie veränderte die Strahlkraft Italiens den deutschen Fußball und wie wurde Fußball zu dem, was er heute ist?
Am 28. Juli 1962 um 17.45 Uhr war es endlich so weit: Im Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle votieren die Delegierten des außerordentlichen DFB-Bundestags mit deutlicher Mehrheit für die Einführung einer "zentralen Spielklasse mit Lizenzspielern unter Leitung des DFB", genannt "Bundesliga". Im "Hammelsprung" stimmten 103 Delegierte mit "Ja", 26 mit "Nein".
Deutschland war ein Nachzügler. Die DFB-Führung hatte sich jahrzehntelang gegen eine Nationalliga gewehrt, auch weil diese ohne eine Legalisierung des Profifußballs nicht zu realisieren war. Nationalliga und Profifußball waren so zwei Seiten ein und derselben Medaille. Außerdem bedeute eine Nationalliga eine Kräfteverschiebung zugunsten der großen Vereine.
Vorgeschichte
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich der Fußball in Deutschland zu einem einträglichen Zuschauersport entwickelt. In den Jahren 1920 bis 1933 pilgerten im Schnitt 43.787 Zuschauer zu den Endspielen um die Deutsche Meisterschaft, zehnmal mehr als vor dem Krieg. Bei Auftritten der Nationalmannschaft wurden durchschnittlich 36.533 Zuschauer begrüßt – gegenüber 9.635 Zuschauern in den Jahren 1908 bis 1914. Mit den Zuschauermassen wuchsen auch die Einnahmen der Klubs und Verbände. Aber die Spieler durften daran nicht partizipieren. Der DFB verbot ihnen, aus ihren Fähigkeiten Kapital zu schlagen. 1920 erließ der DFB ein Amateurstatut.
QuellentextAmateurstatut des DFB
Wir bekämpfen das Berufsspielertum aus ethischen Gründen. (...) Es wäre ein Frevel an unsrer deutschen Jugend, wollten wir das Berufsspielertum in Deutschland auch nur im Geringsten begünstigen.
Quelle: Amateurstatut des DFB 1920, zitiert nach Grüne 2007
Verstöße wurden nun mit aller Härte verfolgt. Zu den ersten Opfern der Jagd auf Profis gehörte der spätere Bundestrainer Sepp Herberger. Ende 1921 war der Mannheimer Herberger vom "Arbeiterverein" SV Waldhof zu Phoenix 07 Mannheim gewechselt und hatte dabei 10.000 Mark kassiert. Allerdings hielt sein neuer Klub die Zusage einer Trainerausbildung nicht ein. So gelang es dem Mäzen Max Rath, den jungen Nationalspieler zum "bürgerlichen" VfR Mannheim zu locken. Die erbosten Phoenix-Funktionäre erstatteten nun beim Verband Selbstanzeige wegen der verbotenen Geldzahlung. Obwohl Herberger die 10.000 Mark zurückgab, erklärte ihn der DFB zum Berufsspieler und verhängte eine lebenslange Sperre. Am 26. März 1922 wurde die drastische Strafe in einer Berufungsverhandlung auf ein Jahr reduziert.
Die Weimarer Jahre und der Kampf der "Entartung"
Die gesamten Weimarer Jahre (1918 bis 1933) über tobte im deutschen Fußball ein Streit zwischen beinharten Verfechtern eines reinen Amateursports und Befürwortern des Profifußballs oder zumindest einer liberaleren Auslegung der harschen Amateurbestimmungen. Dabei war die Entwicklung zum Profisport nicht wirklich zu verhindern. Mit dem Interesse stiegen die Erwartungen. Um diese zu befriedigen, musste mehr und besser trainiert werden, was aber bei voller Berufstätigkeit und ohne die Anleitung durch professionelle Fußballtrainer nicht möglich war. So mussten Lohnausfälle kompensiert werden, und eine Reihe von Kickern ging nur einer "Scheintätigkeit" nach.
Um die eigene Mannschaft gegenüber den Konkurrenten zu stärken, sah man sich bei anderen Vereinen nach guten Spielern um. Diese wurden mit üppigen Handgeldern, der Vermittlung attraktiver Arbeitsplätze oder Geschäftsübernahmen, der Bereitstellung von Wohnungen und deren Einrichtung sowie Auflauf- und Siegprämien gelockt. Die Kulturpessimisten an der Spitze des DFB betrachteten diese Entwicklung mit Grauen. Weder konnten sie sich mit dem Gedanken des Sports als Unterhaltung anfreunden noch mit dem Wettkampf, den sie in ähnlicher Weise kritisierten und diffamierten wie die konservativen Turner.
Der DFB sieht in der Professionalisierung ein Zeichen für den nationalen Untergang
Für Felix Linnemann, seit 1925 Präsident des DFB, war der Professionalismus "ein untrügliches Zeichen des Niederganges eines Volkes", weshalb bereits Symptome, die auf einen "Übergangsprozeß (...) zum Berufssport" hinwiesen, "mit allen Kräften zu (...) bekämpfen" seien. Der Gruppe um den DFB-Vorsitzenden Linnemann stand eine Reihe von Klubs gegenüber, die der Auffassung waren, dass eine weitere Qualitätsverbesserung die Legalisierung des Profifußballs erfordere. Diese Klubs erkannten und akzeptierten, dass der Fußball nicht nur der Körperertüchtigung diente, sondern – wie die enormen Zuschauermassen bewiesen – auch der Unterhaltung. Und dass er seine Faszination auch aus der Konkurrenz bezog.
Ambitionierte Klubs – wie in Süddeutschland der FC Bayern München und der 1. FC Nürnberg – waren ganz auf den sportlichen Wettbewerb ausgerichtet und empfanden die Ideologisierung und politische Instrumentalisierung des Fußballs als hinderlich für die eigene Entwicklung. Als der FC Bayern in der Saison 1925/26 Süddeutscher Meister wurde, waren seine Akteure zumindest "halbe Profis". Ein Stammspieler konnte monatlich bis zu 150 Mark verdienen. Mitte der 1920er-Jahre betrug der Monatsverdienst eines Arbeiters in München etwa 200 Mark. Mithilfe des Fußballs ließ sich dieser also nahezu verdoppeln.
Im Februar 1925 beschloss der Vorstand des DFB auf einer Sitzung in Hannover die Ablehnung des Profisports "für alle Zukunft" und schränkte den Spielverkehr mit ausländischen Profiteams stark ein, um "dem Kampf um die Reinhaltung des deutschen Fußballs sichtbaren Ausdruck zu verleihen. (...) Der DFB ist und bleibt ein reiner Amateurverband". Ausländische Kicker, die in Deutschland spielen wollten, mussten nun zunächst eine einjährige Strafe absitzen, "um unerwünschte Elemente fernzuhalten". Anfang der 1920er-Jahre hatten einige Ungarn den deutschen Fußball bereichert, so unter anderem der "Fußballgott" Alfred Schaffer, der beim 1. FC Nürnberg anheuerte und sich für seine Dienste gut bezahlen ließ.
Die "Hannoveraner Beschlüsse" schwächen die Nationalelf
Die Folge der sogenannten "Hannoveraner Beschlüsse" war eine zehnmonatige Länderspielpause und eine Schwächung der Nationalelf, das liebste Kind des DFB und seiner Regionalverbände. Guido von Mengden, Funktionär des Westdeutschen Spielverbandes (WSV), wo die härtesten Verfechter des Amateursports saßen, war es egal.
ZitatGuido von Mengden, Funktionär des Westdeutschen Spielverbandes (WSV)
Besser, zehn Millionen Deutsche sind waschechte Sportsleute und unsere Nationalelf verliert gegen die halbe Welt, als zehn Millionen schauen nur zu, wie die deutsche Profi-Über-Ober-Extraklasse die ganze Welt verprügelt.
Zitiert nach Heinrich 2000, S. 89
Bayern München kontra DFB
Die großen Klubs liefen gegen die "Hannoveraner Beschlüsse" Sturm, insbesondere in Süddeutschland, wo man sich gerne und häufig mit den Profiklubs aus Wien, Budapest und Prag gemessen hatte – auch im Sinne der Verbesserung der Qualität des eigenen Fußballs. Das schwache Abschneiden der deutschen Nationalelf beim olympischen Fußballturnier 1928 gab dem Bayern Präsident Kurt Landauer recht.
ZitatKurt Landauer, 1927
Das fehlt dem deutschen Fußballsport am allermeisten, die Konkurrenz aus dem Ausland! Durch diese Spiele würden wir neue Anregungen bekommen, da könnten die Spieler aller Klassen lernen. So aber treiben wir die allerschlimmste Inzucht, die verderblich werden muß. Uns fehlt der internationale Maßstab vollständig, wir glauben, so stark zu sein, um mit den Elitemannschaften aller Nationen den Kampf mit Erfolg aufnehmen zu können.
Wir glauben es, den Beweis können wir nicht erbringen, weil uns die Möglichkeit hierzu fehlt. Darum endlich fort mit dem unsinnigen Spielverbot.
Quelle: Club Nachrichten des FC Bayern e.V. München, Nr. 3, März 1927
Wer gibt dem Deutschen Fußball-Bund das Recht, Spiele mit Professionalismusmannschaften überhaupt nicht zu genehmigen? Wir Süddeutsche sind gerade mit unseren östlichen Nachbarn sportlich aufs engste verbunden gewesen, (...)diese Spiele gehörten immer mit zu den schönsten und lehrreichsten. (...) Die Spieler aus Budapest, Prag und Wien sind genau die anständigen Sportler geblieben, die sie immer waren, sich mit ihnen zu messen, ist für den deutschen Fußballsport eine Lebensnotwendigkeit. Denn dass der deutsche, speziell der süddeutsche Fußballsport in den letzen Jahren stagniert, ist erwiesen.
Quelle: Club Nachrichten des FC Bayern München e.V., Nr. 10, Oktober 1939
Im August 1930 wurden 14 Spieler des FC Schalke 04, darunter Fritz Szepan und Ernst Kuzorra, vom WSV zu Berufsspielern erklärt und damit für den Spielbetrieb des DFB gesperrt. Die Schalker reagierten, indem sie ihrerseits eine Reihe von Konkurrenten wegen Berufsspielertums anzeigten, so unter anderem den FC Bayern München. Diese Gegenaktion und eine Solidaritätswelle mit den Schalkern führten dazu, dass die Sperren nach und nach aufgehoben wurden, bis die "Knappen" am 1. Juni 1931 in einem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf wieder in Galabesetzung auflaufen konnten – gefeiert von 70.000 in der offiziell nur 40.000 Zuschauer fassenden Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn.
Die Debatte um das Berufsspielertum spaltet den deutschen Fußball
Gegen Ende der Weimarer Republik stand der deutsche Fußball am Rande einer Spaltung. Im September 1930 erteilte der in Dresden tagende DFB-Bundestag der Einführung des Berufsspielertums erneut eine Absage. Im November 1930 kamen Vertreter der großen Vereine in Eisenach zusammen und einigten sich auf einen Plan für eine eigenständige "Professionalismus-Reichsliga".
Die Drohung zeigte Wirkung: Im Oktober 1932 gab der DFB-Bundestag in Wiesbaden grünes Licht für die Legalisierung des Berufsfußballs. Eine endgültige Beschlussfassung sollte auf dem folgenden Verbandstreffen im Mai 1933 erfolgen. Unabhängig hiervon gründete am 19. November 1932 Albert Bauer, ein Funktionär von Wacker München und entschiedener Befürworter des Profifußballs, einen Süddeutschen Verband für Berufsfußballspiele. Bauer bemühte sich um die Genehmigung für die Veranstaltung von Profispielen in städtischen Stadien. Der DFB drohte den Städten, sie nicht länger bei der Vergabe von Länderspielen zu berücksichtigen, sofern sie in ihren Arenen Bauers Kicker spielen ließen. Doch die Drohung verpuffte. Der Deutsche Städtetag empfahl den Kommunen, ihre öffentlichen Anlagen für die Profis zu öffnen. In München erklärte das Stadtamt für Leibesübungen, es werde die Forderungen des DFB künftig ignorieren.
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler Reichskanzler. In den folgenden Monaten wurde der deutsche Sport "neugeordnet", und DFB-Boss Felix Linnemann nutzte das "Führerprinzip", um das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Im September 1933 erließ der DFB neue Amateurbestimmungen, die de facto die Rückkehr zum Statut von 1920 bedeuteten. Der deutsche Fußball verharrte auf einem Sonderweg, den er später auch in die im Zweiten Weltkrieg besetzten und annektierten Gebiete exportierte.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte man die Gauligen eingeführt. Diese bewirkten eine gewisse Leistungskonzentration, allerdings unterhalb eines Niveaus, das eine Legalisierung des Berufsfußballs erforderlich gemacht hätte. Gleichzeitig betrieb man den Aufbau eines breit angelegten, zentral gesteuerten Ausbildungssystems. Ein stark angewachsener Trainerstab im Reich und in den Gauen wurde mit der Aufgabe betraut, aus Amateuren Weltklassespieler zu formen. Das Ziel dieser Bemühungen lautete: Aufbau einer starken Nationalelf – aber ohne Professionalisierung des Klubfußballs. Diese Politik manifestierte sich unter anderem in der drastischen Zunahme von Länderspielen, von 4,8 pro Jahr im Zeitraum von 1920 bis 1932 auf 10,6 in den Jahren 1933 bis 1942.
Der deutsche Sonderweg - Nationalspieler bleiben "Staatsamateure"
Was die Nationalmannschaft anbetraf, so nahm es der DFB mit seinen Amateurbestimmungen nicht so eng. Die Nationalspieler waren gewissermaßen "Staatsamateure". Vor der WM 1934 erhielten die Kandidaten von Reichstrainer Dr. Otto Nerz großzügige Freistellungen seitens ihrer Arbeitgeber, das Thema Lohnersatz bereitete keine Probleme. Das DFB-Team wurde in Italien Dritter, nachdem man im "kleinen Finale" Österreichs Profis mit 3 zu 2 besiegt hatte. Daheim ließ man sich als "Amateur-Weltmeister" feiern. Über die gesamte Strecke von zwölf Jahren Diktatur betrachtet, führte der "deutsche Sonderweg" aber kaum zu Erfolgen. Beim olympischen Fußballturnier 1936, wo offiziell nur Amateure am Start waren, schied der selbsternannte "Amateur-Weltmeister" Deutschland nach einer 0-zu-2-Niederlage gegen den "Underdog" Norwegen vorzeitig aus. Bei der WM 1938 scheiterte ein aus Deutschen und Österreichern gemischtes Team bereits am ersten Gegner Schweiz.
Der Prozess der Modernisierung und Liberalisierung, des Anschlusses an die allgemeinen Entwicklungen im europäischen und globalen Fußball fand erst nach dem Zweiten Weltkrieg eine Fortsetzung. Allerdings erfolgte der Weg in die Moderne zunächst im Schneckentempo. Zwar kam es bereits im September 1945 im Süden Deutschlands zur Gründung einer Oberliga, die eine weitere Leistungskonzentration bedeutete und ohne ein gewisses Maß an Berufsspielertum nicht funktionieren konnte. Weshalb die 16 anwesenden Vereine auch einstimmig beschlossen, den Amateurstandpunkt fallen zu lassen.
Im Süden führt eine Fußball-Profi-Tagung 1947 den "Vertragsspieler" ein
Für Gustav Sackmann, einem der Mitbegründer, ging die Oberliga aber noch nicht weit genug. Wie schon in den Jahren der Weimarer Republik wurde auch über vom Verband unabhängige Profiligen nachgedacht. An einigen Orten gründeten "Fußballunternehmer" eigene Profiklubs. So zum Beispiel in Kassel, wo der Traditionsklub Hessen Kassel drei Spieler hinauswarf, die sich dem Profiklub Rapid Kassel angeschlossen hatten. Sackmann und Albert Bauer, der bereits Anfang der 1930er-Jahre eine Profiliga gründen wollte (siehe oben), planten für den 1. September 1948 den Start einer Profiliga. Das Grundgehalt der Spieler sollte 200 D-Mark brutto betragen. Angeblich hatte man bereits 40 Klubs und 500 Spieler gewonnen und ein Betriebskapital von 25.000 D-Mark zur Verfügung. Am Ende setzten sich aber die gemäßigteren Vertreter des süddeutschen Fußballs durch. Im Dezember 1947 fand im Süden eine "erste deutsche Fußball-Profi-Tagung" statt, einberufen von den Verantwortlichen der Oberliga Süd. Am 1. August 1948 beschlossen Süddeutschlands Oberligavereine die Einführung des "Vertragsspielers" mit der Saison 1948/49. Als Vorbild diente das Vertragsspielerstatut der Schweiz.
Der Westen und Norddeutschland gründen Oberligen und legalisieren Vertragsspieler
Bald machten es die anderen Regionen der späteren Bundesrepublik den Süddeutschen nach. Mit der Saison 1947/48 wurde auch im Westen und in Norddeutschland in Oberligen gespielt – und im Juli 1949 wurde auch hier der Vertragsspieler legalisiert. Berlin folgte mit der Saison 1950/51. Der Vertragsspieler blieb aber zunächst nur ein Kompromiss zwischen zwei Epochen beziehungsweise eine Modifizierung des "deutschen Sonderwegs". Er war kein lupenreiner Amateur mehr, aber auch kein richtiger Profi. So hieß es im Paragraf 3, Absatz 1 des Vertragsspielerstatuts einschränkend: "Der Spieler muss einen Beruf ausüben." Die monatlichen Gehälter durften zunächst 160 D-Mark, später 320 und 400 D-Mark (1958) nicht überschreiten – was aber häufig genug nicht eingehalten wurde. Die Fußballer waren zwar noch keine Profis, genossen aber durchaus schon gewisse Privilegien, wozu auch Reisen ins Ausland gehörten.
Die Entwicklung zum Profitum wurde von einem Zuschauerboom angetrieben, der sich – anders als heute – durch alle Spielklassen zog und noch massiver ausfiel als in den Weimarer Jahren. Zum zweiten Nachkriegsfinale um die Deutsche Meisterschaft kamen am 10. Juli 1949 über 90.000 Zuschauer in das Stuttgarter Neckarstadion, dessen Fassungsvermögen durch die Errichtung von wackeligen Stahlrohrtribünen eigens für das Ereignis erweitert worden war. Aber auch Begegnungen in der dritten, vierten oder fünften Spielklasse mobilisierten häufig einige Tausend Zuschauer, obwohl das Ligenwesen noch stark dezentralisiert und die Qualität in diesen Klassen folglich im Vergleich zu heute gering war.
Vermutlich sind in Deutschland nie mehr Menschen am Wochenende auf die Sportplätze und in die Stadien gegangen als in den ersten Nachkriegsjahren. Allerdings muss jeder Vergleich mit den "goldenen Jahren" die besonderen ökonomischen, sozialen und kulturellen Umstände dieser Zeit berücksichtigen, als der Fußball – insbesondere in den industriell geprägten Regionen – noch eine fast einzigartige Position als erschwingliches Samstags- und Sonntagsvergnügen der männlichen Bevölkerung besaß.
Nachspielzeit: Das "Wunder von Bern"
1954 wurde die deutsche Nationalelf Fußballweltmeister, bis heute die größte Endspielsensation in der Geschichte des Turniers. Rein sportlich betrachtet war das "Wunder von Bern" ein spätes Resultat deutscher Fußballpolitik der Jahre nach 1933 beziehungsweise des "deutschen Sonderwegs". Denn die Strukturen, die in den NS-Jahren etabliert wurden, und die die Nationalmannschaft ins Zentrum aller Bemühungen um Leistungsverbesserung rückten, überlebten das Regime zunächst. In Deutschland erfuhr die Nationalmannschaft auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg eine deutlich höhere Wertschätzung als etwa im "Fußball-Mutterland" England.
Das "Wunder von Bern" war eine Spätfolge des in den NS-Jahren entwickelten Systems. Oder: Die WM 1954 war der letztmögliche Zeitpunkt, zu dem sich mit diesem System internationale Erfolge einfahren ließen. Der Historiker Per Leo: "Auch nach der Neugründung des DFB 1949 wurde der Berufsfußball nicht weitergeführt und weiterhin auf das zentrale Ausbildungssystem gesetzt, das ganz auf die Bedürfnisse der ersten Mannschaft des Landes zugeschnitten war – mit größerem Erfolg denn je, wie der Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 zeigte". So durfte DFB-Boss Peco Bauwens den WM-Triumph als "Antwort auf vieles, was sich im Welt-Fußball nicht auf einer Linie mit uns bewegt", betrachten. Gemeint war der "deutsche Sonderweg" beziehungsweise das rigorose Festhalten am Amateurideal. Funktionäre wie Bauwens glaubten noch immer, der deutsche Idealismus sei dem materialistischen Ungeist, dem "westlichen Mammonismus" haushoch überlegen.
Herausforderung Italien
Doch schon bald wurde klar, dass die Zeit dieser Denkschule abgelaufen war und sich das "Wunder von Bern" so nicht wiederholen ließ. Der Spielraum für Kompromisse war ausgeschöpft. Die "Helden von Bern" waren zwar ihren Herkunfts-Communitys noch nicht materiell entrückt, aber waschechte Amateure waren auch sie nicht mehr. Insbesondere der zweifache Torschütze Helmut Rahn entsprach ganz und gar nicht dem Bild vom kreuzbraven Kicker, der ausschließlich für die Ehre spielt.
Große Teile der Bevölkerung des Wirtschaftswunderlandes hatten das längst akzeptiert. Als Fritz Walter und andere Weltmeister lukrative Auslandsangebote erhielten, rief ein BILD-Leser zu einer Spendenaktion zugunsten des Idols auf. Italien war die größte Herausforderung für den deutschen Halbprofessionalismus. Deutschen Spitzenkickern bot das Vertragsspielerstatut zu wenig, und eine Reihe von ihnen wagte den Sprung über den Brenner, wodurch der heimische Fußball geschwächt wurde.
ZitatAufruf zur Spendenaktion für Fritz Walter
Liebe BILD-Zeitung! Stoppt den Elfmeter! Helft unserem Weltmeisterschafts-Kapitän Fritz Walter. Dieser begnadete Kapitän muss Deutschland erhalten bleiben. (...) Es sollte doch möglich sein, die von Italien angebotenen 700.000 DM zusammenzubringen und darüber hinaus einige Tausend mehr.
Quelle: Leser der Bildzeitung, zitiert nach Heinrich 2004, S. 178
Horst Szymaniak war 1961 der erste Italien-Legionär des Ruhrgebietes
Bereits 1949 war Ludwig Janda vom TSV 1860 München nach Florenz gewechselt, wo er monatlich 80.000 Lire kassierte. 1952 folgte Horst Buhtz, der vom VfL Mühlburg zum AC Turin ging und dort ein Jahresgehalt von 150.000 D-Mark einstrich. 1961 hatte dann auch das Ruhrgebiet mit Horst Szymaniak seinen ersten Italien-Legionär. Das Beispiel Szymaniak dokumentierte, dass mancher Akteur auch bei eklatanten Verstößen gegen die Statuten nicht mehr zu halten war. Als Oberligaspieler arbeitete Szymaniak zunächst noch im Bergbau, sein Wechsel zum Wuppertaler SV wurde mit einer Stelle als Bademeister goutiert.
Als Szymaniak nun im Sommer 1959 auf Mallorca urlaubte, wurde er am Strand von zwei Emissären des Karlsruher SC aufgesucht, die ihm nach einem kurzen Gespräch einen Koffer mit 30.000 D-Mark in die Hand drückten. Handgeld für einen Wechsel ins Badische, den Szymaniak dann auch vollzog. Die Koffer-Summe war das 75-Fache des damals erlaubten Grundgehalts. Nach zwei Jahren Karlsruhe ging Szymaniaks Reise weiter nach Italien, zum Serie-A-Klub CC Catania. Mit 200.000 D-Mark fiel das Handgeld nun noch üppiger aus.
Doch die Legionäre wussten nicht nur von Geld zu berichten, sondern auch von einer ungleich größeren gesellschaftlichen Anerkennung, die bezahlte Fußballer in Italien genossen und von der Selbstverständlichkeit, mit Fußball seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Großindustrielle wie die Familie Agnelli waren in Italien bereits seit den 1920er-Jahren im Profifußball engagiert. 1928 lockte Umberto Agnelli, Boss der FIAT-Werke und von Juventus Turin, den Argentinier Raimundo Orsi in die norditalienische Industriemetropole. Orsi verdiente dort das 15-Fache eines italienischen Grundschullehrers.
Im Schneckentempo
Zwar bedeutete das System der Oberligen gegenüber den Gauligen eine weitere Leistungskonzentration, aber unverändert wurden die besten Kicker erst in der Schlussphase der Saison, in der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft, richtig gefordert. Wenn sie Pech hatten, war ihr Klub zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr dabei.
Während für die großen Vereine der Einzugsbereich der Oberligen zu klein war, fiel er für die kleinen Vereine zu groß aus. Viele von ihnen wurden durch den Vertragsspieler und die Reisekosten finanziell überfordert. Auf dem DFB-Bundestag 1956 wurde die Einführung einer zentralen Liga erneut abgelehnt. Daraufhin drohten Vereine aus dem Süden und Westen der Republik mit der Abspaltung vom DFB und der Gründung eines eigenen Profiverbandes. Der Rechtsanwalt Albert Möritz, Präsident des FC Schalke 04, strapazierte Artikel 9 des Grundgesetzes: "Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden." Der deutsche Fußball war wieder dort angelangt, wo er sich bereits 1932 befunden hatte.
Bereits in den Weimarer Jahren hatte die DFB-Führung ihre Ablehnung des Professionalismus auch mit steuerrechtlichen Erwägungen beziehungsweise der Gefährdung der Gemeinnützigkeit der Vereine begründet. Im Dezember 1956 signalisierte das Bundesfinanzministerium nun dem DFB, dass die Gemeinnützigkeit der Vereine bei einer Veränderung des bestehenden Vertragsspielerstatuts in ein "Statut des bezahlten Fußballspielers" nicht gefährdet sei. Damit war nun auch das letzte Argument der Professionalismus-Gegner hinfällig. Recherchen des Sportmagazins "Kicker" ergaben: "Nicht einmal die Einführung des reinen Profitums würde die Gemeinnützigkeit grundsätzlich in Frage stellen!"
Trotzdem ging es im Schneckentempo weiter. 1957 rief der DFB eine Kommission ins Leben, die sich der "Neuordnung des Deutschen Fußballs" widmen sollte. Die Mehrheit ihrer Mitglieder entpuppten sich allerdings als hartnäckige Gegner des Profitums und einer zentralen Liga. Der DFB-Bundestag 1958 verständigte sich darauf, seine Zeit nicht mehr mit Debatten "über ein paar hundert unzufriedene bezahlte Fußballspieler" zu vergeuden, sondern sich wichtigeren Problemen wie "Schulfußball und Jugendbetreuung" zu widmen, wie es der Fürther Amateurverfechter Paul Flierl formulierte, in den NS-Jahren ein begeisterter Befürworter einer braunen Fußballbewegung. Dem "Kicker", der bereits seit einiger Zeit "Tendenzen des Autoritarismus" in der DFB-Führung monierte, platzte nun die Hutschnur.
QuellentextDem "Kicker" platzt die Hutschnur
Gebt den Klubs des bezahlten Fußballs endlich eine eigene Verwaltung innerhalb des DFB! Ihr hebt damit einen völlig unzeitgemäßen, nur noch in Deutschland herrschenden Zustand auf!
Quelle: "Kicker" vom 14.04.1958
Ein Generationswechsel an der Spitze des DFB ebnet den Weg für die Modernisierung
Erst der DFB-Bundestag 1960 brachte eine Wende, als ein Antrag des saarländischen Fußballverbandes, die Zahl der Vertragsspielermannschaften zu reduzieren, ohne Gegenstimme angenommen wurde. DFB-Schatzmeister Dr. Hermann Gösmann, der mit dem DFB-Bundestag 1962 die Nachfolge des Amateurismus-Verfechters Dr. Peco Bauwens antreten sollte, verkündete, dass sich der DFB-Vorstand nun für eine "einklassige Bundesliga auf Profi-Grundlage" engagieren würde. Die dringend notwendige Modernisierung und Liberalisierung wurde erst möglich, als der gesellschaftliche Druck mit einem Generationswechsel an der Spitze des DFB korrespondierte.
Zwar konnten der neue DFB-Präsident Gösmann und Herbergers Nachfolger, sein ehemaliger Assistent Helmut Schön, nicht den sogenannten "skeptischen Jahrgängen" zugerechnet werden (jung genug, um sich politisch neu orientieren zu können), aber – so der Historiker Rudolf Oswald: "Im Gegensatz zu ihren Vorgängern, die von den vermeintlichen Verwerfungen der Moderne geradezu besessen schienen, hatte für den neuen DFB-Chef und den neuen Bundestrainer die Zivilisation an Schrecken verloren".
Die Entscheidung von Dortmund besaß aber erneut einen Kompromisscharakter. Gestimmt wurde für die Einführung des Lizenzspielers, der nun nicht mehr Vertragsspieler, aber auch kein Vollprofi war. "Ein Mittelding, wenn ich so sagen darf, zwischen dem Vertragsspieler und dem Lizenzspieler", wie der neue DFB-Präsident Dr. Hermann Gösmann erläuterte. Der Antrag "Der Bundestag möge beschließen, dass vom 1. August 1963 die zentrale Spielklasse mit Berufsspielern eingeführt wird" wurde mit 80 zu 49 Stimmen abgelehnt. Mit 91 zu 37 Stimmen angenommen wurde hingegen ein Antrag, der den "Berufsspieler" durch den "Lizenzspieler" ersetze, ansonsten aber völlig identisch war. 91 Stimmen waren nur fünf mehr als die erforderliche Zweidrittelmehrheit. So öffnete das erste Bundesliga- und Lizenzspielerstatut zwar das Tor zum Berufsfußball, bemühte sich aber zugleich auch um dessen Einhegung. Und auch das Lizenzspielerstatut kam noch nicht ohne Fußballpädagogik aus.
QuellentextLizenzspielerstatut, Paragraf 14d
Der Spieler muss einen guten Leumund haben. (...) Zu den Pflichten des Lizenzspielers gehören insbesondere sportlich einwandfreier Lebenswandel, volle Einsatzbereitschaft und Ritterlichkeit gegenüber dem Gegner.
Quelle: www.ndr.de
Die DFB-Spitze befürchtete noch immer den Verlust der Gemeinnützigkeit bei Einführung des Vollprofitums. So erfand eine Kommission des Verbands den Lizenzspieler. Diese mussten zwar nicht mehr neben dem Gekicke einen "ordentlichen" Beruf ausüben, konnten dies aber, "soweit dadurch ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihrem Verein nicht beeinträchtigt werden". Das vom Verein gezahlte monatliche Gehalt musste zwischen 250 und 500 D-Mark liegen und durfte 1.200 D-Mark nicht überschreiten. In Ausnahmefällen, die der Zustimmung des DFB bedurften, waren auch 2.500 D-Mark gestattet.
Zitat Das Lizenzspielertum ist eine Halbheit
Die Bundesliga ist weder eine Zufallsschöpfung noch eine willkürliche Maßnahme. Sie ist ein Kind ihrer Zeit, logisch gewachsen. Doch das damit verbundene Lizenzspielertum ist in unserer Epoche der Halbheiten – auch eine Halbheit. Weder Fisch noch Fleisch! Es entstand, weil man aus vielerlei Gründen – nicht zuletzt auch aus steuerlichen – das offene Bekenntnis zum Professionalismus scheute.
Quelle: Bundesliga intim, München 1966, S. 6
In England hatte die Spielergewerkschaft 1961 die Abschaffung der Gehaltsgrenzen durchgesetzt. Auch für Ablösezahlungen gab es eine Obergrenze, die bei 50.000 D-Mark lag. Noch in Dortmund warnte Süddeutschlands Vertreter Paul Flierl: "Ja, glauben Sie denn, dass die Spieler mit diesen Beträgen zufrieden sind? Die Vereine werden erneut unter Druck gesetzt, und sie müssen dann eben wiederum mehr geben, als gesetzlich zulässig ist".
Abwanderung von Fußballprofis vor Gründung der Bundesliga 1963 (bpb)
Abwanderung von Fußballprofis vor Gründung der Bundesliga 1963 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Abwanderung von Fußballprofis vor Gründung der Bundesliga 1963 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Die Beschlüsse von Dortmund konnten die weitere Abwanderung nach Italien zunächst nicht stoppen. Nach der Rückkehr aus Chile (WM 1962) waren bereits die Nationalspieler Helmut Haller vom BC Augsburg zum FC Bologna und Albert Brülls von Borussia Mönchengladbach zum FC Modena gewechselt. Im Sommer 1963 folgten – trotz des Anpfiffs zur Bundesliga – der Kölner Karl-Heinz Schnellinger und der Dortmunder Jürgen Schütz. Schnellinger war als Folge seines Auftritts in Chile nach Helmut Rahn (1957) der zweite Deutsche gewesen, der es bei der Wahl von Europas Fußballer des Jahres unter die ersten drei geschafft hatte (Platz drei hinter Josef Masopust und Eusebio). Der Verteidiger, bei der WM 1962 Deutschlands erster Libero, ging vom 1. FC Köln nach Mantua und anschließend über den AS Rom zum AC Mailand. Für Dortmunds Nationalspieler Jürgen Schütz zahlte der AS Rom seinem alten Klub eine Rekordablöse von etwa 600.000 D-Mark und dem Spieler ein Rekordhandgeld.
Bei der WM 1962 wollte Bundestrainer Sepp Herberger auf den Italien-"Legionär" Szymaniak auf keinen Fall verzichten und machte sich deshalb beim DFB für dessen Freigabe stark. Szymaniak wurde so zur Ausnahme von der Regel. Der Bundestrainer hielt große Stücke auf den Instinktfußballer. Der Fritz-Walter-Nachfolger war bereits 1958 in Schweden dabei gewesen und dort als einziger Deutscher in das "All-Star-Team" gewählt worden. Szymaniak zählte damals zu den besten Mittelfeldspielern Europas.
Die Bewerber für die neue Liga mussten eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Ihre Stadien mussten mindestens 30.000 Zuschauern Platz bieten und über eine Flutlichtanlage verfügen. Außerdem waren wirtschaftlich solide Verhältnisse vorzuzeigen und die Klubs mussten mindestens 700.000 D-Mark einnehmen. Zum Streitfall wurden die Auswahlkriterien. Dies begann mit der Zahl der Bundesligisten. Der DFB entschied sich für 16, aber viele Vereine und der "Kicker" wollten eine Liga mit 18 oder sogar 20 Vereinen sehen. Brisant war vor allem die Verteilung der begehrten Plätze: Der DFB reservierte für West- und Süddeutschland jeweils fünf, Norddeutschland drei, den Südwesten zwei und Berlin einen.
Bis zum 31. Dezember 1962 bewarben sich 46 der 74 Oberligisten für die neue Liga. Die ersten neun Auserwählten waren der Hamburger SV, Werder Bremen, 1. FC Köln, Borussia Dortmund, Schalke 04, Eintracht Frankfurt, der 1. FC Nürnberg, Hertha BSC Berlin und der 1. FC Saarbrücken. Die restlichen sieben Vereine wurden erst im Mai 1963 benannt. Karlsruher SC, VfB Stuttgart und 1. FC Kaiserslautern waren keine Überraschung, die Berücksichtigung von 1860 München, Preußen Münster, Meidericher SV und Eintracht Braunschweig indes höchst umstritten, zumal die Landeshauptstädte Düsseldorf und Hannover mit ihren großen Stadien unberücksichtigt blieben.
Der TSV 1860 kommt in die neue Liga - ein Glücksfall für den FC Bayern
In München hatte der TSV 1860 den Vorzug gegenüber dem FC Bayern erhalten, weil die Auswahlkommission kurzfristig und klammheimlich ihre Kriterien verändert hatte. So wurde das Abschneiden in der letzten Oberligasaison 1962/63 zum entscheidenden Faktor erhoben. Die "Löwen" waren Südmeister geworden, der Lokalrivale nur dritter. Der DFB monierte außerdem, dass dem FC Bayern die "sportliche Vergangenheit" fehlte, wobei der Verband vergaß, dass die "Roten" der einzige Münchener Klub waren, der schon einmal Deutscher Meister geworden war (1932). Beim FC Bayern war Präsident Wilhelm Neudecker empört, verfasste ein 13-seitiges Protestschreiben und legte Beschwerde gegen seine Nichtberücksichtigung ein, die jedoch vom DFB-Bundestag abgelehnt wurde.
Im Nachhinein erwies sich die Nichtberücksichtigung als Glücksfall. Als Neudecker 1962 Präsident des Klubs wurde, waren dessen Kassen gähnend leer. Der Bauunternehmer musste mit seinem Privatvermögen bürgen, damit die Gehälter gezahlt werden konnten. Der FC Bayern baute nun auf junge Spieler aus der Region. Wäre der FC Bayern zur neuen Eliteklasse zugelassen worden, hätte er sich von dieser Politik wieder verabschieden müssen, um sportlich zu überleben – mit der Folge einer weiteren Verschuldung. Am Anfang des Aufstiegs des FC Bayern stand also eine finanzielle Krise.
Manfred Wagner, der 1966 mit dem Lokalrivalen TSV 1860 Meister wurde: "Die Bayern hatten damals das große Glück, dass sie 1963 nicht in die Bundesliga aufgenommen wurden. Sie hätten damals keine Mannschaft gehabt. Lauter 18- und 19-Jährige, die sich eine Klasse tiefer ihre Sporen verdienen konnten". Eine junge und zukunftsträchtige Mannschaft konnte nun in der Regionalliga reifen, um dann anschließend nationale und europäische Fußballgeschichte zu schreiben. Auch die finanzielle Konsolidierung gelang: Als der FC Bayern nach zwei Jahren Regionalliga im Sommer 1965 die Bundesliga erreichte, hatte der Klub eine Viertelmillion auf seinem Festgeldkonto angespart.
Erste Skandale
Wie Paul Flierl prognostiziert hatte, wurde das erste Bundesligastatut schon bald von der Realität überholt. In der Saison 1964/65 erzählte Dr. Horst Barrelet, Vizepräsident des Hamburger SV, dem Spiegel, dass ein Nationalspieler unter 70.000 D-Mark nicht zu haben sei. Schalke 04 unterlief die Ablöseobergrenze, indem der Klub dem Karlsruher SC zusätzlich zum Nationalspieler Herrmann, den der KSC für 50.000 D-Mark nicht freigeben wollte, noch einen kaum bekannten Ersatzspieler abkaufte und für beide Spieler zusammen 100.000 D-Mark überwies.
ZitatSchwarz geangelt
Man verspricht sich in die Hand, keine Spieler abzuwerben und nicht mehr als die erlaubten Handgelder zu zahlen. Doch kaum sind sie aus dem Haus, da rotieren sie, um Spieler schwarz zu angeln.
Quelle: Karl Mechlen, HSV-Schatzmeister in: Der Spiegel, Nr. 18 vom 28.4.1965
Hertha BSC Berlin ließ für seine Lizenzspieler zwei Verträge anfertigen: einen "offiziellen" für den DFB, in dem die Gehaltsobergrenze nicht überschritten wurde, und einen weiteren, der das tatsächliche Gehalt festschrieb. Den Berlinern konnte nachgewiesen werden, gegen das Zahlungslimit verstoßen zu haben. Die Hertha-Kasse wies eine Lücke von 150.000 D-Mark auf. Diese war durch den Wechsel des ehemaligen Nationaltorwarts Wolfgang Fahrian an die Spree aufgerissen worden. Der Frankfurter Spielervermittler Karl Alt hatte eine Provision von 12.000 D-Mark für die Vermittlung an Hertha in Rechnung gestellt. Da als Managergebühren zehn Prozent üblich waren, mutmaßte "Der Spiegel", Fahrian habe die Berliner 120.000 D-Mark gekostet.
"Notstand im Fußball und das Geschäft mit der Bundesliga"
Borussia Dortmunds Torjäger Friedhelm Konietzka wechselt zum TSV 1860 München. Der neue Arbeitgeber lockte den Stürmer mit der Übernahme eines Papierwarengeschäfts mit Toto- und Lotto-Einnahme und drei Angestellten (Monatsumsatz: 50.000 D-Mark). Als die Dortmunder die Absicht äußerten, Konietzka nach Vertragsende nicht gehen zulassen, damals durfte einem Spieler noch nach Ablauf des branchenüblichen Zweijahresvertrag für das dritte Jahr die Freigabe verweigert werden, drohte dieser "[für eine Entscheidung] vor einem ordentlichen Gericht Recht zu suchen". Im Juli 1965 widmete "Der Spiegel" dem Finanzgebaren der jungen Liga sogar die Titelstory "Notstand im Fußball. Das Geschäft mit der Bundesliga", in der die Realitätsferne der DFB-Führung angeprangert wurde.
QuellentextAlt-Funktionäre predigen Idealismus
Eigentliche Ursache für das deutsche Bundesliga-Chaos sind die unrealistischen Zahlungsgrenzen des Bundesliga-Statuts. Sie wurden von Alt-Funktionären festgelegt, die sich der Entwicklung nicht angepasst haben. Während sie Idealismus predigten, sahen sich die Vereine geradezu gezwungen, das Zahlungslimit zu durchbrechen. Zu den vorgeschriebenen Höchstpreisen mag sich schon seit Jahren kein namhafter Spieler mehr verpflichten.
Quelle: "Notstand im Fußball. Das Geschäft mit der Bundesliga", Spiegel vom 07.07.1965
Herzha BSC muss absteigen und SC Tasmania wird in die Liga aufgenommen
Die Bundesliga hatte ihren ersten Skandal, am Ende der Saison 1964/65 wurde Hertha BSC zum Zwangsabstieg in die Regionalliga verurteilt. Berlin war nun nicht mehr in der höchsten Spielklasse vertreten und im Fußball von der Bundesrepublik abgekoppelt. Tennis Borussia Berlin war als Meister der Berliner Regionalliga in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga gescheitert. In dieser Situation drängte unter anderem der Axel Springer Verlag darauf, einen Berliner Verein zu kooptieren, um so die Einbindung Westberlins in die Bundesrepublik auch im Fußball zu unterstreichen. Da Vizemeister Spandauer SV verzichtete, fiel die Wahl auf den drittplatzierten SC Tasmania 1900 Berlin. Tasmania Berlin wurde in die Liga aufgenommen, wo die Neuköllner in der Saison 1965/66 die traurige Berühmtheit des bis heute schlechtesten Absteigers aller Zeiten erwarben. Als Spätfolge des Abstiegs musste Tasmania 1973 den Konkurs anmelden und sich auflösen. Der Klub wurde als SV Tasmania Neukölln 1973 neu gegründet.
Nach dem Skandal erhöhte der DFB das im Bundesligastatut fixierte Hand- und Treuegeld von 10.000 auf 15.000 D-Mark. Das Mindestgehalt eines Lizenzspielers wurde von 250 auf 400 D-Mark angehoben, die Ablösesummen für Lizenzspieler auf 100.000 und für Vertragsspieler (Regionalliga) auf 75.000 D-Mark. Der DFB-Kontrollausschuss konnte sogar noch höhere Summen genehmigen. Außerdem wurde bei Vertragsabschluss beziehungsweise -verlängerung eine einmalige Zahlung von bis zu 20.000 D-Mark gestattet. Verglichen mit den finanziellen Möglichkeiten, die sich deutschen Spitzenfußballern im Ausland boten, war das immer noch nicht viel.
In Europa dabei
Trotz der Defizite des ersten Bundesligastatuts: Bereits in den 1960er-Jahren gewannen die deutschen Klubs an internationaler Konkurrenzfähigkeit, auch wenn die Liga zunächst nur im kleineren europäischen Wettbewerb, dem Europapokal der Pokalsieger (ECII), reüssieren konnte.
Internationale Erfolge deutscher Vereine in den 60er Jahren
In der Saison 1964/65 erreichte der TSV 1860 München das Finale des ECII, wo man West Ham United mit 0 zu 2 unterlag.1965/66 gewann dann Borussia Dortmund als erster deutscher Verein den Wettbewerb. Im Glasgower Hampden Park schlug Borussia Dortmund den favorisierten FC Liverpool nach Verlängerung mit 2 zu 1. In der Saison 1966/67 beerbte der FC Bayern München Borussia Dortmund im ECII. Im Landesmeistercup war indes bis zur Saison 1973/74 das Viertelfinale in der Regel Endstation. Mit Ausnahme der Saison 1963/64, in der Borussia Dortmund im Achtelfinale den zweimaligen Gewinner und dreimaligen Finalisten Benfica Lissabon deklassierte, aber im Halbfinale dann am späteren Sieger Inter Mailand scheiterte.
Die deutsche Nationalmannschaft ist wieder erfolgreich
Auch die Nationalmannschaft war nun wieder auf Erfolgskurs. Nach der WM in Chile 1962 waren die "Legionäre" zunächst unberücksichtigt geblieben, aber Herberger wollte seinem Nachfolger Helmut Schön eine "schlagkräftige Truppe" hinterlassen und bewegte den Verband zu einer Liberalisierung seiner Politik. So fuhr die Nationalmannschaft mit den Italien-"Legionären" Albert Brülls, Helmut Haller und Karl-Heinz Schnellinger zur WM 1966 nach England. Die DFB-Auswahl musste sich erst im Finale geschlagen geben und stellte mit Haller den zweitbesten Torschützen des Turniers. Haller wurde außerdem in das "All-Star-Team" gewählt, wie auch Uwe Seeler, der in der Bundesliga für den Hamburger SV spielte.
Auch Franz Beckenbauer (Bayern München) und Wolfgang Overath (1. FC Köln), die immerhin auf die Ersatzbank des "All-Star-Teams" gesetzt wurden, verdienten in der Bundesliga ihr Geld. Allerdings hatte Beckenbauer vor der WM mit einem Wechsel nach Italien geliebäugelt, wo sich Inter Mailand um das deutsche "Jahrhunderttalent" bemühte. Aber nach dem peinlichen Scheitern der Squadra Azzurra untersagte der italienische Fußballverband den Import von Ausländern, was für die weitere Entwicklung der Bundesliga äußerst hilfreich war. Bei der WM 1970 in Mexiko belegte die DFB-Elf den dritten Platz.
Es bedurfte eines weiteren Skandals, um auch die letzten Beschränkungen im Berufsfußball wegzufegen. In der Saison 1970/71 wurde im Kampf gegen den Abstieg eine Reihe von Spielen "verkauft". 52 Spieler, zwei Trainer und sechs Vereinsfunktionäre wurden bestraft. Arminia Bielfeld wurde in die Zweitklassigkeit (Regionalliga) verbannt. Der Spiegel“ sah die tieferen Ursachen in den Geburtsfehlern der Liga.
QuellentextEin Elfmeter kostet 1.000 Mark
In Hurra-Patriotismus befangen, verpasste das Amateur-Fußvolk den Aufbruch ins 20. Fußball-Jahrhundert. So zwängte die Amateur-Mehrheit des DFB-Bundestages die Spitzenklubs in eine rechtlich und wirtschaftliche fehlkonstruierte Bundesliga. Die Profis wurden eine Vereinseinrichtung der Amateure; auf die Wirtschaft übertragen würde die Börse gleichsam eine Sektion des Sparvereins. Bezahlung für Spitzenspieler ließen sich die Amateure noch abringen. Aber ein bisschen Jungfrau sollten die Profis doch bleiben:
Knauserig setzte die DFB-Mehrheit Grenzen für Prämien und Gehälter fest, statt die Marktregel von Angebot und Nachfrage zu akzeptieren. (...) Am Rande und abseits der unrealistischen DFB-Legalität weitete sich eine graue Zone aus. Wer sich an die DFB-Zahlungsgrenzen hielt, blieb an der Spielerbörse auf Statisten sitzen.
Quelle: Der Spiegel, Nr. 25 vom 14.6.1971
Der Journalist Ulfert Schröder forderte eine "eigene Organisation und Fußball-Liga" für die Profis. "Die totale, nicht aufzuhaltende Vermarktung des Fußballsports wäre dann abgeschlossen".
1972 fielen alle Obergrenzen der Gehaltszahlungen. Zwei Jahre später wurden Bundesliga- und Lizenzspielerstatut miteinander vereinigt und auch die Begrenzung bei den Ablösesummen abgeschafft. Ende 1973 wurde auch die Trikotwerbung legalisiert. In der Saison 1974/75 spielten bereits sechs Vereine mit Werbung auf der Brust, in der Saison 1979/80 dann alle Erstligisten. Eine Professionalisierung erfuhr auch der Unterbau. Die fünf Regionalligen wurden zugunsten von zwei zweiten Bundesligen aufgelöst, wodurch die Zahl der Zweitligisten reduziert wurde.
Bis 1969 war der Europapokal der Landesmeister ausschließlich von Klubs aus Spanien, Portugal, Italien und Großbritannien gewonnen worden, wo der Professionalismus bereits seit Jahrzehnten Realität war. 1972 wurde die deutsche Nationalelf Europameister, 1974 Weltmeister. Nur beim Titelgewinn 1974 kam ein Legionär zum Einsatz. Allerdings durfte Real Madrids Günter Netzer nur für 20 Minuten bei der Niederlage gegen die DDR mitspielen. In den neun Spielzeiten 1973/74 bis 1982/83 erreichten deutsche Klubs siebenmal das Finale des prestigeträchtigsten europäischen Klubwettbewerbes und verließen dabei viermal als Sieger den Platz (Bayern München: 1974, 1975, 1976; Hamburger SV: 1983).
Nach 1963 setzen die Erfolge der Ruhrgebietsklubs aus
Die Jahre 1933 bis 1963 waren die erfolgreichsten für die großen Klubs aus dem Ruhrgebiet gewesen. 15 der 27 Finalspiele um die Deutsche Meisterschaft fanden mit Beteiligung eines Revierklubs statt, elfmal verließen diese als Sieger den Platz. So auch im letzten Finale vor der Einführung der Bundesliga. Die Revierklubs profitierten nicht nur vom großen Reservoir an Straßenfußballern, sondern auch von der Unterstützung durch die regionale Industrie (Kohle, Stahl, Bier), die ihnen einen "informellen Professionalismus" gestattete. Nach Einführung der Bundesliga sollte es nun 32 Spielzeiten beziehungsweise bis zur Saison 1994/95 dauern, bevor mit Borussia Dortmund wieder ein Revierklub die Meisterschale in Empfang nehmen durfte.
Mit dem 1.FC Köln kam in der Saison 1963/64 zwar der erste Bundesligameister aus dem Einzugsbereich der Oberliga West, aber die Domstädter waren ein bürgerlicher Klub aus einer Dienstleistungsmetropole. Die von Franz Kremer, einem der Väter der Bundesliga, geführten Domstädter waren in diesen Jahren der modernste Klub Deutschlands, der auch Bayern Münchens Boss Wilhelm Neudecker als Vorbild diente.
Vizemeister wurde in dieser Saison überraschend der Meidericher SV, dessen Berücksichtigung umstritten gewesen war. In den folgenden Jahren entwickelte sich München zur Fußballhauptstadt der Bundesrepublik.
Konkurrenten im Rennen um die deutsche Spitze von 1964 -1978
In der Saison 1964/65 wurde der TSV 1860 München Pokalsieger. Zeitgleich stieg auch Lokalrivale FC Bayern in die Bundesliga auf, womit München als erste Stadt mit zwei Klubs in der Eliteklasse vertreten war. In der folgenden Spielzeit 1965/66 gewann der TSV die Deutsche Meisterschaft. Aufsteiger FC Bayern wurde im Meisterschaftsrennen Dritter und gewann den DFB-Pokal.
Eintracht Braunschweig (1967) und der 1. FC Nürnberg (1968) waren in den folgenden Spielzeiten Überraschungsmeister und bildeten nur den Übergang zum Zweikampf zwischen dem FC Bayern und Borussia Mönchengladbach um die Krone. Von 1969 bis 1978 hieß der Deutsche Meister ununterbrochen entweder Bayern oder Borussia Mönchengladbach. Mit ihren Managern Robert Schwan und Helmut Grashoff waren beide Klubs moderner und professioneller aufgestellt als die Konkurrenz.
Der Aufstieg des FC Bayern
Am 26. April 1966 erhielt Bayerns Landeshauptstadt München den Zuschlag für die Austragung der olympischen Sommerspiele 1972. Die Entscheidung des IOC sollte auch die weitere Entwicklung des Bundesligafußballs beeinflussen. München war zwar zur Fußballhauptstadt aufgestiegen, litt aber unter einer miserablen Stadionsituation. Im alten Stadion an der Grünwalder Straße im Stadtteil Giesing spielten sowohl der TSV 1860 als auch der FC Bayern. Das Fassungsvermögen betrug nur 45.000 Plätze, davon waren lediglich 3.800 überdachte Sitzplätze. München war seit 1957 eine Millionenstadt, besaß aber ein kleineres Stadion als Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Ludwigshafen, Nürnberg und Stuttgart. Die Nationalmannschaft hatte hier letztmalig am 20. Oktober 1940 gespielt.
Die neue olympische Arena bot nun offiziell 77.839 Zuschauern Platz. Davon waren 43.057 Sitzplätze und circa 43.000 Plätze überdacht. Am 34. Spieltag der Saison 1971/72 durften die Spieler erstmals in das neue Olympiastadion einlaufen. Im "Finale" um die Meisterschaft besiegten die Bayern Schalke 04 mit 5 zu 1. 80.000 Zuschauer bescherten dem Klub außerdem seine erste Millioneneinnahme. (Eine ausverkaufte Grünwalder Straße brachte hingegen eine Bruttoeinnahme von lediglich 350.000 D-Mark.) Und die Zuschauer waren in diesen Jahren noch die wichtigste Einnahmequelle.
ZitatFür die Löwen kam das Olympiastadion zu spät
Gerade jetzt, wo das Olympiastadion mit der doppelten Zuschauerkapazität als das Grünwalder Stadion für die Spiele im Europacup der Meister zur Verfügung steht, war es für das Star-Ensemble um Franz Beckenbauer lebenswichtig, im großen Fußball dabei zu sein. Dem weitblickenden Präsidenten Wilhelm Neudecker fiel der erste schwere Stein vom Herzen, als die Europacup-Teilnahme Gewissheit war.
[Anmerkung des Autors: Vor der Einführung der Champions League 1992 war nur der Meister eines Landes für den europäischen "Königswettbewerb" qualifiziert.]
Ich erinnere mich noch gut an die große Zeit des Lokalrivalen 1860 München. 1964 nahm die brillante Truppe um Peter Grosser und Hennes Küppers am Europacup der Pokalsieger teil, 1966 am Europacup der Meister. Der Rubel rollte zwar; aber die Einnahmen blieben begrenzt, weil auf Giesings Höhen nur knapp 40.000 Besucher Platz fanden. (...) Für die Löwen kam es [das Olympiastadion] zu spät, viel zu spät; für die Bayern noch im richtigen Moment. (...) Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn diese gesunde Mischung nicht noch drei, vier Jahre ein Gewähr für den Verbleib in Deutschlands und Europas Spitzenklasse garantieren sollte.
Helmut Dirschner im Kicker, zitiert nach Radtke/Schulze-Marmeling 2005a
VIP-Kapazitäten sprechen ein betuchteres Publikum an
Es darf als gesichert gelten, dass die große Bayern-Mannschaft ohne den Umzug ins Olympiastadion auseinandergefallen wäre und dass es den Rekordmeister Bayern München nicht gegeben hätte. "Müller wollte so viel verdienen wie Beckenbauer, Maier wurde wegen Gehaltserhöhung vorstellig, Franz Roth handelte einen für seine Verhältnisse großartigen Vertrag aus, Breitner und Hoeneß stellten Forderungen und sahen sie erfüllt. Wilhelm Neudecker meldete nach jeder neuen Verhandlung den Erfolg: Es ist uns gelungen, die Spieler beim FC Bayern zu halten".
Der Wert des Stadions lag aber nicht nur im enormen Fassungsvermögen. Das Olympiastadion war auch das erste in Deutschland, das moderne VIP-Kapazitäten besaß, was dem Nutzer ermöglichte, auch ein betuchteres Publikum und Prominenz aus Wirtschaft, Politik und Kultur anzusprechen. Bei Begegnungen in Italien und in Spanien war den Bayern-Funktionären aufgefallen, "dass es dort neben den üblichen Fans noch eine andere Gruppe gab, die zum Spiel ging wie zu einem gesellschaftlichen Ereignis: elegant gekleidete Männer, meist mit Blazer und dunklem Anzug, weißem Hemd, Krawatte. Die Herren saßen in Logen und ließen sich ihre Anwesenheit etwas kosten". Beim FC Bayern kam man nun auf die Idee, die Plätze in der VIP-Loge als Jahreskarten anzubieten – für 1.000 D-Mark, inklusive kaltem Buffet in der Halbzeitpause.
ZitatFußball ist keine Unterhaltung für Proleten
In München kam jetzt soviel Prominenz, dass neben den Sportreportern auch die Gesellschaftskolumnisten ins Stadion mussten. Franz-Josef Strauß war oft da, neben ihm Schauspieler, Sänger, Unternehmer, Banker, Vorstandsmitglieder großer Firmen.
Nicht die 1.000 Mark waren so wichtig, die sie bezahlten, sondern die Signalwirkung, die ihre Anwesenheit hatte: Fußball, das ist nicht ein Vergnügen von zweifelhaftem Wert, veranstaltet für das gewöhnliche Volk, das, fantasielos wie es ist, mit seiner Freizeit nichts anzufangen weiß, keine Unterhaltung für Proleten, sondern ein sehenswertes Ereignis."
Quelle: Franz Beckenbauer 1992, S. 42
Für diesen sozialen Wandel des Publikums stand aber auch die Mannschaft selbst. Mit Paul Breitner, Uli Hoeneß, Karl-Heinz Mrosko, Edgar Schneider und Rainer Zobel zogen die Abiturienten und Studenten in die Bundesliga ein. Dem "Kicker" war dies zum Start der Saison 1970//71 eine Story wert ("Studium durch Stimulans"), in der Uli Hoeneß zitiert wurde.
ZitatUli Hoeneß
Die heutige Art Fußball zu spielen, setzt eine gewisse Intelligenz voraus.
Zitiert nach Schulze-Marmeling 2009, S. 158
Für die nun einsetzende Dominanz des FC Bayern spielte auch Europa eine Rolle. Mit Ausnahme der Saison 1968/69 war der FC Bayern in den Spielzeiten 1966/67 bis 1977/78 permanent in einem europäischen Wettbewerb vertreten, was mit einer für die damalige Zeit hohen TV-Präsenz verbunden war. Der FC Bayern avancierte in diesen Jahren zu dem deutschen Repräsentanten auf der Bühne des europäischen Klubfußballs und schuf sich eine bundesweite Anhängerschaft.
Als Folge des Bundesligaskandals kam es aber nicht nur zur Beseitigung der letzten Einschränkungen für den Berufsfußball, sondern auch zu einem heftigen Einbruch bei den Zuschauerzahlen. Die Klubs sahen sich so gleich von zwei Seiten bedrängt. Auf der einen Seite erreichten die Gehälter und Ablösesummen ein immer höheres Niveau. 1976 war der Belgier Roger van Gool bei seinem Wechsel vom FC Brügge zum 1. FC Köln der erste Spieler, für den ein deutscher Klub eine Ablöse von einer Million D-Mark zahlte. Auf der anderen Seite stagnierten oder sanken sogar die Einnahmen durch die Zuschauer.
In der ersten Bundesligasaison 1963/64 hatten im Schnitt 24.624 Zuschauer die Stadiontore passiert, in der zweiten Spielzeit war der Zuspruch auf 27.052 gestiegen. Ein Rückgang war bereits anschließend zu verzeichnen, aber in den Spielzeiten 1971/72 und 1972/73 betrug er nur noch 17.932 beziehungsweise 16.387 Zuschauer. 1973/74 wurde dann wieder leicht die 20.000er-Marke überschritten, aber das Niveau der Saison 1964/65 wurde erst 30 Jahre später (1994/95) wieder erreicht.
Der Zuschauerschnitt des FC Bayern München lag in diesen Jahren allerdings deutlich über dem der Liga, auch dank des Umzugs in das Olympiastadion. In der Spielzeit 1973/74 waren es fast 14.000 mehr. Ulfert Schröder: "Während beinahe alle anderen Klubs schwere Einbußen erlitten hatten, waren die Bayern noch reicher geworden." Für Schröder war daraus der Schluss zu ziehen, "dass der Paradeklub Bayern München im Laufe der Zeit die Bundesliga ausbluten lassen würde, dass er immer reicher, die anderen aber immer ärmer würden und somit am Ende die finanzielle Macht Bayerns die Bundesliga beherrschen und jeglichen Wettbewerb uninteressant machen würde". So weit sollte es zwar nicht kommen, aber bis heute erreichte kein deutscher Klub eine mit dem FC Bayern vergleichbare Kontinuität auf hohem Niveau.
Die 1980er-Jahre waren von Gewalt in den Stadien, langweiligem Fußball und anhaltend schwachen Zuschauerzahlen gekennzeichnet. In den Spielzeiten von 1983/84 bis 1989/90 lag der durchschnittliche Zuschauerzuspruch jeweils unter 20.000 pro Spiel. Im Europapokal der Landesmeister ereichten deutsche Klubs dreimal das Finale, aber nur der Hamburger SV konnte in der Saison 1982/83 die Trophäe auch gewinnen. Erst 14 Jahre nach dem HSV-Sieg konnte ein deutscher Klub in der "Königsklasse" wieder triumphieren.
Nach der EM 1980 wandern Nationalspieler erneut ins Ausland ab
Nach der EM 1980, bei der die deutsche Nationalelf den Titel gewann, schloss sich Bernd Schuster dem FC Barcelona an. Im Sommer 1984 unterschrieben Hans-Peter Briegel (1. FC Kaiserslautern) und Karl-Heinz Rummenigge (Bayern München) bei Hellas Verona beziehungsweise Inter Mailand. Rummenigge war der erste deutsche Spieler, für den über zehn Millionen D-Mark gezahlt wurden. 1987 ging auch Thomas Berthold (Eintracht Frankfurt) nach Verona, während sich Torjäger Rudi Völler (Werder Bremen) dem AS Rom anschloss. 1988 wechselten Andreas Brehme und Lothar Matthäus (beide Bayern München) zu Inter Mailand, Jürgen Klinsmann (VfB Stuttgart) eine Spielzeit später.
Der deutsche Branchenführer Bayern München degenerierte zum Sprungbrett deutscher Nationalspieler in Italiens Serie A. Während der 1980er-Jahre war diese zur sportlich und finanziell stärksten Liga der Welt aufgestiegen. Mit dem vom Medienmogul und späteren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gepäppelten AC Mailand stellte die Liga 1989 und 1990 auch den Europapokalsieger der Landesmeister und eine der besten Mannschaften aller Zeiten.
Insgesamt spielten zehn deutsche Weltmeister von 1990 in Italiens Serie A.
Als die deutsche Nationalelf 1990 ihren dritten WM-Titel holte, standen mit Thomas Berthold, Andreas Brehme, Jürgen Klinsmann, Kapitän Lothar Matthäus und Rudi Völler fünf Stammspieler in Italiens Serie A unter Vertrag. Insgesamt verdingten sich 32 der 66 Akteure (gleich 48,48 Prozent), die bei der WM 1990 Gold, Silber oder Bronze gewannen, bei italienischen Profiklubs. Nach der WM zogen weitere Nationalspieler über den Brenner. Von den Akteuren, die im Finale eingesetzt wurden, gingen 1990 Thomas Häßler (1. FC Köln) und 1991 Jürgen Kohler und Stefan Reuter (beide Bayern München) zu Juventus Turin. Karlheinz Riedle wechselte 1990 zu Lazio Rom, Andreas Möller 1992 zu "Juve".
Die Weltmeisterschaft leitete einen neuen Boom im deutschen Fußball ein
Die Weltmeisterschaft leitete nach krisenhaften Jahren auch einen neuen Boom im heimischen Fußball ein. Obgleich sich die Fachkreise später einig waren, dass in den vier Wochen nur äußerst magere Fußballkost geboten wurde. So war Italien 1990 eines der schwächsten der bis heute 17 WM-Turniere überhaupt, im Schnitt wurde nur 2,21 Tore pro Spiel geschossen. Aber die Masse derjenigen, die das Turnier verfolgten, behielt trotzdem starke Bilder in Erinnerung. Wettbewerb und Gastgeberland erwiesen sich als ideale Bühne, um den Fußball in einer Form zu präsentieren, die nicht nur das traditionelle (männliche) Publikum ansprach.
Die WM 1990 war nicht nur ein Turnier, sondern vollzog sich in der Darstellung und Ausgestaltung wie ein Fest. Es wurden neue ästhetische Elemente dargeboten, die auch Menschen außerhalb der traditionellen Fußball-Community ansprachen. So sorgten für das musikalische Begleitprogramm keine Blaskapellen, sondern „Die Drei Tenöre“. Das Konzert in der römischen Caracella Therme am Vorabend des ersten WM-Spiels war der erste gemeinsame Auftritt von Plácido Domingo, Luciano Pavarotti und José Carreras überhaupt. Die offizielle WM-Hymne „Un’estate Italiana“ wurde von Gianna Nannini und Edoardo Bennato gesungen und avancierte zu einem internationalen Top-Hit.
Die Halbfinalbegegnung Deutschlang gegen England wurde weltweit von mehr Frauen als Männer gesehen. Zu den Bildern, die von diesem Turnier im Gedächtnis haften blieben, gehören die Tränen des englischen Nationalspielers Paul Gascoigne nach dem unglücklichen Ausscheiden seines Teams gegen Deutschland. Die WM in Italien zeigte eine Seite des Fußballs, die viele Frauen zuvor so noch nie gesehen hatten.
Italien wird zum Leitbild für Europa
Zitat Fußball ist Teil einer lebendigen Volkskultur
Fußball ist hier mehr als Fußball, er ist Teil einer lebendigen Volkskultur. (…) Wenn bei uns jemand fünf Millionen in einen Klub reinbuttert, heißt es überall: ‚Der Typ spinnt.‘ Doch hier gibt es Präsidenten, die 60 Millionen und mehr reinschießen – das ist eine Ehrensache, das sind wahre Volkshelden.
Quelle: Jürgen Klinsmann, damals Stürmer bei Inter Mailand, in Sports Nr. 25/1995
In Italien hatte der Fußball schon immer ein vielschichtigeres Publikum als in England oder Deutschland mobilisiert, den Hochburgen des "Arbeiterfußballs". Auch Industriekapitäne, Kulturschaffende und Frauen interessierten sich für das Spiel. Das finanzielle Niveau der italienischen Liga überstieg zum Zeitpunkt der WM das der englischen First Division und der deutschen Bundesliga um Längen.
Die hier gezahlten Summen waren nur möglich, weil "nur in Italien Fußball so ungehemmt gesellschaftsfähig ist" und "wie selbstverständlich zum erweiterten Bereich der Kultur gehört. (…) Deshalb regen sich auch nicht viele über die verrückten Gehälter und Ablösesummen für Fußballspieler auf, die sich vernünftig so wenig begründen lassen wie die exzentrischen Honorare für andere Kulturschaffende: für Joseph Beuys, Mick Jagger oder Herbert von Karajan". Die "Inszenierung" von Fussball als Kulturereignis wird zum Leitbild für andere europäische Fussballnationen, das Bemühen um ein zahlungskräftiges Publikum spiegelte die sozialen Entwicklungen in Westeuropa wieder.
Die Rückkehr der Zuschauer
QuellentextEntwicklung der Zuschauerzahlen nach der WM 1990
Was das Interesse an der Bundesliga betraf, so war der Tiefpunkt der 1980er die Saison 1985/86 mit einem durchschnittlichen Zuschauerzuspruch von 18.399 pro Spiel gewesen.
1990/91, der ersten Saison nach der Italien-WM wurden 21.700 gezählt, was nur geringfügig mehr als 1989/90 war (21.235). Erst in der Saison 1991/92 wurde mit 24.391 wieder wenigstens das Niveau der Spielzeit 1980/81 (24.060) erreicht. 1992/93 wurde dann bereits 26.211 gezählt. 1994/95 wurde erstmals die 30.000-Grenze überschritten (30.053).
2003/04 fiel auch die 35.000 Grenze (37.395). 2008/09 wurden dann auch erstmals über 40.000 gezählt (42.521). 2011/12 betrug der Schnitt 45.116. Insgesamt kamen 13.805.514 zu den 306 Spielen der Liga. Krösus war Borussia Dortmund, wo im Schnitt 80.521 die Spiele besuchten, gefolgt von Bayern München (69.000), Schalke 04 (61.218), VfB Stuttgart (55.090) und Hamburger SV (53.465).
Der BVB begrüßte etwa doppelt so viele Zuschauer, wie der VfB Stuttgart als erster Zuschauerkrösus der Liga in der Saison 1963/64 verbuchen konnte (40.133). Und etwa 348 Prozent mehr als er selbst als amtierender Deutscher Meister in der ersten Bundesligasaison (23.133). Der BVB verfügte mit dem Signal-Iduna-Park (ehemals Westfalenstadion) auch über das größte Fußballstadion der Liga. Seit der Saison 1998/99 ist der BVB ununterbrochen Spitzenreiter bei den Zuschauern.
Alle Angaben nach www.weltfussball.de
Nach der WM 1990 zog der Zuschauerzuspruch im deutschen Profifußball stetig an, wobei nicht nur der deutsche WM-Sieg eine Rolle spielte, sondern auch das Fernsehen. Der Effekt der WM 1990 wäre möglicherweise sogar verpufft, wäre ihr nicht auch in Deutschland eine Revolutionierung der Präsentation des Spiels gefolgt. Die Liga profitierte von der Vergabe der WM 2006 nach Deutschland, die den Umbau und Neubau von Stadien forcierte. Der FC Bayern München zog aus dem nicht mehr zeitgemäßen Olympiastadion in eine reine Fußballarena um (Allianz Arena), in Bremen, Frankfurt am Main, Gelsenkirchen, Hamburg, Hannover, Köln und später auch Stuttgart wurden die Zuschauer ebenfalls durch Neubauten oder Umbauten näher an das Geschehen gerückt. Bei der WM 1974 war Dortmund noch die einzige der neun Austragungsstädte mit einem reinen Fußballstadion gewesen. Als die WM 2006 nun ein weiteres Mal nach Deutschland kam, trennten nur noch drei der zwölf Spielstätten die Zuschauer durch eine Laufbahn vom Spielfeld.
Fußball wird zum Event in der modernen Freizeitkultur
Im Unterschied zu den Nachkriegsjahren manifestierte sich der neue Boom fast ausschließlich in den Eliteklassen. Das erheblich gewachsene Freizeitangebot machte das potenzielle Publikum wählerischer. Aber auch das Fernsehen und andere Medien nahmen hierauf Einfluss: Das Fernsehen begnügte sich nicht mehr länger mit dem bloßen Abbilden von Fußball, sondern versuchte sich an dessen Inszenierung, was Auswirkungen auf das gesamte Fußballsystem – von der obersten bis zur untersten Klasse, vom Senioren- bis zum Jugendfußball – zeitigte. Denn die Sozialisation vieler junger Fußballer und Fußballfans erfolgte nun immer weniger über den ersten Stadionbesuch an der Hand des Vaters, sondern über das Fernsehen. Das Fernsehen und die Marktbrücke Merchandising überwanden Distanzen, zugunsten der Großen in weiter Ferne und zulasten der Kleinen vor Ort.
Außerdem suggerierte die mediale Aufbereitung, dass der Genuss von Selters nicht lohnt, solange auch Sekt im Angebot ist. Das "local team", sofern es nicht in den höheren Gefilden des Profifußballs spielte, verlor an Bedeutung. Diese Entwicklung setzte allerdings bereits in den 1960er-Jahren ein. Schuld war damals weniger das Fernsehen, sondern die gewachsene Mobilität der Menschen. Um Fußball zu sehen, war man immer weniger auf das angewiesen, was sich unmittelbar vor der eigenen Haustür abspielte.
Fußball und Fernsehen
Ohne das Fernsehen hätte es die Fußballrevolution der 1990er-Jahre kaum gegeben. Vom bloßen Berichterstatter stieg das TV zum direkten Organisator und zum bedeutendsten Sponsor des Spiels auf. Durch die weltweite Ausstrahlung von Fußballereignissen wurde das Spiel auch für andere global operierende Unternehmen interessant. Das Fernsehen verwandelte den Fußball binnen weniger Jahre zum Big Business. Übertragungen rund um den Globus, aus den Zentren in die Peripherie und aus der Peripherie in die Zentren, förderten seine Entwicklung zu dem globalen und klassenübergreifenden Sportspiel schlechthin.
Für die Bundesliga erwies sich die Deregulierung der TV-Landschaft durch die technologische Neuerung Satelliten-TV und die Etablierung neuer Privatsender gleich in zweifacher Hinsicht als Geschenk des Himmels. Die neue Konkurrenzsituation auf dem Fernsehmarkt trieb die Preise für Fußballübertragungen in zuvor nicht für möglich gehaltene Höhen. Da die privaten Sender in einem erheblich größeren Umfang als die öffentlich-rechtliche Konkurrenz von Werbeeinnahmen (und damit auch Einschaltquoten) abhängig waren, durfte das Produkt Fußball nicht "schlecht geredet" werden.
Fußball wurde als Lokomotive, Imagebilder und Quotenkrösus betrachtet. Populäre Massenprogramme konnten ohne den Sport kaum überleben. Im Gegensatz zu den Sportarten Tennis, Boxen und Motorsport, die zeitweise ebenfalls hohe Einschaltquoten erzielten, bietet der Fußball den Vorteil, dass er als Mannschaftssport weniger vom Wohl und Wehe einzelner Stars abhängig ist. Während andere Sportarten mit ihren Stars kommen und gehen, ist der Fußball eine relativ konstante Größe. Beispielhaft hierfür war die Haltung der Bertelsmann-Tochter UFA, die im Fußball das letzte Programm erblickte, das resistent gegen Quotenrückgänge sei. Fußball sei nicht alles, aber ohne Fußball sei alles nichts.
Fußballstars steigen zu kommerziellen Ikonen auf
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde wie nie zuvor die Macht der Medien beschworen. Deren Einflussnahme resultierte nicht zuletzt daraus, dass die Medien ein bedeutender Teil der Wirtschaft geworden waren, die ihrerseits Ende des Jahrhunderts der Politik die Führung streitig machte. Auch der Sport, und hier insbesondere der Fußball, wurde zum Opfer einer Entwicklung, die das Primat der Politik infrage stellte. Bald wurde nicht mehr nach Medien für die Übermittlung von Inhalten gesucht, sondern nach Inhalten für die Legitimation von Medien. Das Resultat war ein Journalismus, der nicht die Wirklichkeit abbildete, sondern diese inszenierte. Und bei dem die Verpackung wichtiger war als der Inhalt.
So wie die Rockmusik in den 1960er- und 1970er-Jahren zur dominanten Kultur wurde, so erging es in der letzten Dekade des Jahrhunderts dem Sport und insbesondere dem Fußball. Fußballstars wie David Beckham, Ronaldo oder Zinédine Zidane stiegen zu kulturellen und kommerziellen Ikonen auf. Der zur Unterhaltungsindustrie mutierte Profifußball näherte sich der Popindustrie. Und die Sportindustrie verbuchte gigantische Wachstumsraten.
Geldquelle TV-Rechte
In der Saison 1965/66 hatten ARD und ZDF den Klubs erstmals ein Honorar gezahlt. Die 18 Klubs durften sich 327.277 Euro teilen. Die Gelder waren eher eine Entschädigung dafür, dass das TV möglicherweise Zuschauer vom Stadiongang abhalten würde. Ab 1966 wurde das Honorar stetig gemäßigt angehoben, bis man 1983 bei 4,1 Millionen Euro für die gesamte Liga angelangt war. Aber noch 1981 musste der FC Bayern vor seinem Halbfinalspiel im Europapokal der Landesmeister gegen den FC Liverpool mit einem Boykott drohen, um für die Übertragung die aus heutiger Sicht läppische Summe von 300.000 D-Mark zu kassieren.
Als die privaten Sender den Markt betraten, schossen die Preise in die Höhe. 1986 zahlten ARD und ZDF 8,18 Millionen Euro für die Rechte, ein Jahr später 9,2. 1988 kam es zum Streit zwischen der Liga und dem DFB: Die Klubs wollten ein Angebot der Bertelsmann-Tochter UFA annehmen. Die Vermarktungsagentur bot einen Dreijahresvertrag über 69 Millionen Euro dafür an, dass die Spiele nun bei RTL ausgestrahlt werden sollten. Aber DFB-Präsident Herrmann Neuberger wollte ARD und ZDF im Boot behalten, die allerdings lediglich 35,8 Millionen boten. Neuberger erklärte die TV-Verträge zur Sache des DFB-Präsidiums.
Schließlich kam es zu einem Kompromiss. Die ARD-Sportschau berichtete jetzt nur noch über vier Spiele, anschließend sendete RTL die dreistündige Sendung "Anpfiff". 1992 gingen die Rechte für 427 Euro für fünf Jahre an die Agentur ISPR und fortan berichte Sat.1 mit der Sendung "Ran". ARD und ZDF saßen jetzt nur noch in der zweiten Reihe.
Im Sommer 2000 schlossen Kirch/ISPR mit der Liga einen neuen Vertrag, der den Klubs über vier Jahre gestreckte 1,53 Milliarden Euro versprach. Kirch konnte aber nur im ersten Jahr die Jahresrate von circa 355 Millionen zahlen. 2002 musste der Medienmogul Insolvenz anmelden und in der Saison 2002/03, der 40. der Bundesliga, konnten die Klubs nur noch 290 Millionen Euro verteilen. Der "Kicker" verkündete: "Die goldenen Fußball-Fernsehzeiten sind vorbei". Weit gefehlt: Für die vier Spielzeiten 2013/14 bis 2016/17 konnte die Deutsche Fußball-Liga (DFL, siehe unten) einen rund 2,5-Milliarden-Euro-Deal (gleich 628 Millionen Euro pro Jahr) vereinbaren. Den Zuschlag erhielten erneut ARD-Sportschau, ZDF und der Pay-TV-Sender Sky. 70 Prozent der Summe zahlt Sky. Als vorteilhaft erwies sich, dass die Klubs nun nicht mehr nur als Lieferanten, sondern auch als Händler auftraten. Die DFL verhandelte selbst mit den Sendern und konnte so die Margen der Agenturen selber einstreichen.
Die enormen Summen an TV- und Sponsorengeldern hatten zweierlei zur Folge: Die Philosophie vom "gemeinsamen Haus" Fußball geriet kräftig ins Wanken. Finanzielle Unterschiede hatte es zwischen Klubs auch schon gegeben, als die Zuschauer die Haupteinnahmequelle der Klubs waren. Ein Großstadtverein verbuchte in der Regel höhere Einnahmen als ein Kleinstadt- oder Vorortverein – allein aufgrund des größeren Stadions und größeren Zuschauerzuspruchs. Und auch schon zu den Zeiten der Oberligen wurde das Talentreservoir der Kleinen vom finanziell überlegenen Konkurrenten geplündert. Doch waren die Unterschiede bei Weitem nicht so groß wie heute. Die astronomischen Wachstumsraten bei den TV- und Sponsorengeldern nagten nun am bis dahin noch einigermaßen intakten Solidarprinzip vieler Profiligen.
Die Konzerne kommen
Mit dem Imagewandel korrespondierte die Zunahme des Sponsorentums. Das klassische Mäzenatentum wurde mehr und mehr verdrängt. Wer jetzt Geld in einen Verein steckte, begriff das nicht als einseitige Unterstützung, sondern als Geschäft auf Gegenseitigkeit: Damit stieg nicht nur der Umfang der Gelder, sondern es änderte sich auch das Profil der Geldgeber. Was in Italien bereits seit Langem üblich war, hielt nun auch in England und Deutschland Einzug: Die Beletage der Wirtschaft, die sich bis dahin in Sachen Fußball eher bedeckt gehalten und elitärere Sportarten bevorzugt hatte, entdeckte den enormen Promotion-/Marketingeffekt des Spiels und seiner Topadressen.
In England wurde die Barclays Bank 1987 Hauptsponsor der 1st Division (heute Premier League). Wichtiger als die Summe des Sponsorendeals – die 4,55 Millionen Britische Pfund bedeuteten seinerzeit die höchste Zahlung in der Geschichte des britischen Sports – war der Name des Partners, der signalisierte, dass es um das Wohlbefinden des Fußballs wohl doch nicht so schlecht bestellt war wie weithin unterstellt. In der Bundesrepublik gelang es dem DFB vor der WM 1990 mit Daimler-Benz einen Sponsor zu gewinnen, von dem der deutsche Fußball bis dahin nur geträumt hatte.
Der FC Bayern München schloss 1989 einen Vertrag mit dem Autohersteller Opel ab, der später mit Paris St. Germain, Standard Lüttich, AC Mailand und Sparta Prag auch noch andere international bekannte Fußballadressen an sich band. Der Weltkonzern Bayer hatte lange Zeit das eigene "Werksteam" Bayer 04 Leverkusen nur mit "Pflichtleistungen" bedacht, die deutlich unter den Möglichkeiten des Chemiegiganten lagen. Aber Anfang der 1990er-Jahre folgte Bayer dem (erfolgreichen) Beispiel des Philips-Elektronikkonzerns beim PSV Eindhoven und rüstete den Klub mit Sponsorengeldern aus, die neben Zuwendungen des Sponsors Opels an den FC Bayern München die höchsten in der Bundesliga waren. Ähnlich entwickelte sich später das Verhältnis zwischen dem VfL Wolfsburg und dem VW-Konzern.
Der DFB hebt die Einsatzbeschränkung für alle europäischen Spieler auf
Am 15.Dezember 1995 fällte der Europäische Gerichtshof ein Urteil, das als "Bosman-Urteil" in die Annalen des europäischen Fußballs einging. Der belgische Profi Jean-Marc Bosman hatte gegen die Praxis geklagt, nach der für wechselwillige Spieler auch nach Auslaufen ihres Vertrags Ablösesummen erhoben werden. Der Gerichtshof erklärte dies für illegal. Jedenfalls sofern es sich bei den betroffenen Spielern um EU-Bürger handelt und der Wechsel innerhalb der EU erfolgen würde. Auch die Begrenzung der Zahl ausländischer Profis in einer Mannschaft widersprach nach Auffassung der Richter der im EU-Recht festgeschriebenen Arbeitnehmerfreizügigkeit und dem Diskriminierungsverbot. Der DFB hob nun konsequent die Einsatzbeschränkung für alle europäischen Spieler auf, also nicht nur für solche aus dem EU-Raum.
Die Folgen waren eine Explosion der Spielergehälter und die Zunahme ausländischer Spieler in der Bundesliga. In der Saison 1995/96 betrugen die durchschnittlichen Gehaltskosten eines Bundesligisten noch rund 18 Millionen D-Mark, 1999/2000 waren es dann 40 Millionen. Die Zahl der ausländischen Spieler in der Bundesliga stieg von 46 (1990) auf 185 (1998). In der Saison 2012/13 waren 256 der 520 Spieler, die zu den Kaden der 18 Erstligisten gehörten, Ausländer (49,2 %).
Die Liga wird eigenständig
Je professioneller der Fußball wurde und je mehr Geld im Umlauf war, desto deutlicher wurde, dass der Anzug DFB der Bundesliga und den Profiklubs nicht mehr passte. Laut den Verbandsstatuten war der DFB befugt, die Vorschriften über den Betrieb der Bundesliga festzulegen und den Berufsfußball zentral zu verwalten. Der DFB konnte gegenüber den Ligavereinen verbindliche Maßnahmen und Anordnungen treffen, soweit diese im Zusammenhang mit dem Spielbetrieb des Berufsfußballs standen. In England existierte die Trennung von Verband und Liga bereits seit 1888. Die FA blieb für die Nationalmannschaft und den FA-Cup verantwortlich, während die Football League den professionellen Ligafußball organisierte. Aber auch in Frankreich, Spanien und Italien wurde der Profibetrieb längst von den Profiklubs selbst verwaltet.
Organigramm (bpb)
Organigramm DFB/Ligaverband/DFL. Klicken Sie auf die Grafik, um das PDF zu öffnen. (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Gegen Ende des Jahrtausends spitzten sich die Konflikte zwischen dem DFB und der Liga weiter zu. Auslöser war ein von DFB-Vizepräsident Gerhard Mayer-Vorfelder und Ligadirektor Wilfried Straub im April 2000 ausgehandelter TV-Vertrag, der nicht nur nach Auffassung von Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß die Bundesliga unter Wert verkaufte. Auf dem außerordentlichen DFB-Bundestag am 30. September 2000 folgten die Delegierten mehrheitlich den Forderungen nach Selbstständigkeit der 36 Vereine der ersten und zweiten Bundesliga und entließen diese aus der Kontrolle des DFB.
Damit fand eine Auseinandersetzung ein Ende, die bereits Mitte der 1920er-Jahre begonnen hatte, als sich die führenden deutschen Klubs der Gängelung durch die DFB-Führung verwahrten. Damals ging es um Fragen wie die Entlohnung von Spielern, Begegnungen mit ausländischen Profivereinen sowie die Spielberechtigung für ausländische Akteure. Am 18. Dezember 2000 wurde die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) gegründet. Damit besaßen die Profivereine der ersten und zweiten Liga endlich eine eigenständige Organisation. Aufgabe der DFL ist die Organisation und Vermarktung des Profifußballs in Deutschland.
Besitzverhältnisse im deutschen und englischen Profifußball
Während sich im englischen Profifußball die Vereine im Privatbesitz befinden, gilt für die Bundesliga die sogenannte "50 plus 1"-Regel, die besagt, dass 50 Prozent plus eine Stimme dem Verein gehören müssen. Ausnahmen in der Bundesliga sind Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg. Am 1. April 1999 war Bayer 04 Leverkusen der erste Fußballverein in Deutschland, der die Fußballprofis aus dem Gesamtverein ausgliederte und eine Fußball GmbH gründete. Die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesliga verlief so rasant, dass die Rechtsform eines eingetragenen Vereins sich überlebt hatte. Zur "Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH" gehören neben der Bundesligamannschaft auch die U23-Regionaligamannschaft sowie die A1- und B1-Junioren.
Auch andere Profivereine haben seither ihre Profifußballer als GmbH, Kapital- oder Aktiengesellschaft ausgegliedert – so Bayern München, der 1. FC Köln, Hannover 96, Borussia Dortmund, Hertha BSC Berlin, Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach, VfL Wolfsburg, 1899 Hoffenheim und Eintracht Frankfurt. Trotzdem ist Bayer auch hier ein Sonderfall. Die Fußball-GmbH wirtschaftet zwar eigenverantwortlich, ist aber eine 100-prozentige Tochter der Bayer AG. Formal betrachtet widersprechen die bei Bayer herrschenden Besitzverhältnisse somit der "50 plus 1"-Regel. Aber wie beim Namen lässt man auch hier die Tradition gelten.
Für die Deutsche Fußball Liga (DFL) war der Stichtag der 1. Januar 1979. Klubs, "in denen ein Wirtschaftsunternehmen seit mehr als 20 Jahren vor dem 1.1.1999 den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat", können von der "50 plus 1"-Regel befreit werden. Von der "Lex Leverkusen" profitierte auch der VfL Wolfsburg, dessen VfL Wolfsburg GmbH sich seit 2007 zu 100 Prozent im Besitz der Volkswagen GmbH befindet. Diese als „Lex Leverkusen“ bekannt gewordene Stichtagsregelung wurde im August 2011 vom Schiedsgericht des Deutschen Fußball-Bundes abgeschafft. Besitzverhältnisse wie im englischen Profifußball können mächtige Kräfteverschiebungen bewirken. Anfang der 1990er-Jahre galten Manchester United, FC Liverpool, Arsenal London, FC Everton und Tottenham Hotspur als "big five" des englischen Fußballs. Heute sind die Hauptkonkurrenten von Manchester United, dem Klub mit dem größten Marketingpotenzial, Chelsea London und Lokalrivale Manchester City – dank immenser Investitionen ihrer Besitzer, des Russen Roman Abramowitsch und der Abu Dhabi Group für Development und Investment.
In der Bundesliga plädierte insbesondere Martin Kind, Unternehmer und Präsident von Hannover 96, für eine Änderung der 50 plus 1 Regelung. Aus der Sicht von Kind war dies durchaus nahe liegend. Die Einnahmen aus Sponsoring und TV sind deutlich geringer als beim FC Bayern. Allein schon die Dauerpräsenz des deutschen Rekordmeister in der Champions League begründet hier gewaltige Unterschiede. Auch bei den Zuschauereinnahmen kann Hannover 96 nicht mithalten. Das Stadion in Hannover ist kleiner als das in München, was noch mehr für die jeweilige Fangemeinde zutrifft. Folglich können die Niedersachsen nur mithilfe massiver externer Investitionen auf Augenhöhe mit dem FC Bayern gelangen. Allerdings wäre der FC Bayern im Falle einer Beseitigung der "50 plus 1"-Regel ein erheblich attraktiveres Investitionsobjekt als Hannover 96. Interner Link: Zu aktuellen Entwicklungen bei Eigentumsverhjältissen in der Bundesliga vgl.: Jörn Quitzau: Ökonomie der Bundesliga
An die Beispiele Chelsea und Manchester City erinnert in der Bundesliga noch am ehesten die Meisterschaft des VfL Wolfsburg aus der Saison 2008/09, die ohne die massive Unterstützung durch den VW-Konzern nicht möglich gewesen wäre. Allerdings besaß der Titel nicht die geringste Nachhaltigkeit. Denn anschließend stürzten die "Wölfe" wieder ins Mittelmaß. Ein Problem war die mangelhafte Kompetenz des Konzernmanagements in Sachen Fußball. Die in Wolfsburg gezahlten Gehälter waren exorbitant hoch, da Verein und Stadt jenseits des Geldes als nicht besonders attraktiv für Spieler galten. Konzernintern war deshalb von einem "Wüstenzuschlag" die Rede. Aber auch die im Verhältnis zu Bayern München und Borussia Dortmund (wie auch Chelsea und Manchester City) erheblich kleinere Fanbasis wirkte nicht leistungsfördernd.
Im Sommer 2013 kehrte Eintracht Braunschweig, Gründungsmitglied der Bundesliga und "Überraschungsmeister" der Saison 1966/67, in die 1.Liga zurück. Die Eintracht war 1985 abgestiegen und bewegte sich seither zwischen 2.Liga und 3.Liga. Der Aufstieg signalisiert aber keine Renaissance der "Traditionsvereine", denn zur gleichen Zeit wurde dem MSV Duisburg die Lizenz für die 2.Liga verweigert und mussten die Drittligisten Alemannia Aachen und Kickers Offenbach Insolvenz anmelden.
Im deutschen Fußball sind die Kräfteverhältnisse mittlerweile weitgehend zementiert. Im Zeitraum 1992/93 bis 2014/15 gewannen sechs unterschiedliche Clubs die Meisterschaft, wobei 19 der 22 Titel auf drei Clubs entfielen: Bayern München (14), Borussia Dortmund (5) und Werder Bremen (2). Die einmaligen Titelgewinne Kaiserslauterns, Stuttgarts und Wolfsburgs führten nicht dazu, dass diese Clubs auch fortan in der Spitzengruppe der Liga mitmischten. Es blieben Momentaufnahmen – wie auch die Teilnahme dieser Clubs an der "Geldmaschine" Champions League. Ein realistischeres Bild für die Zukunft bieten vielleicht die Spielzeiten von 2008/09 bis 2014/15: Bayern München wurde viermal und Borussia Dortmund wurde jeweils zweimal Meister, der VfL Wolfsburg durfte einmal feiern. Bayer Leverkusen wurde in diesem Zeitraum immerhin einmal Vizemeister, einmal Dritter und einmal Vierter. Drei dieser fünf Clubs würden die "50+1-Regel" unterlaufen.
Die Titelgewinne der Champions League nehmen durch die erheblichen Zusatzeinnahmen, die sich hier generieren lassen, auf die nationalen Machtverhältnisse Einfluss. Ein Klub, der die Champions League erreicht, muss zusehen, dass dies auch in den folgenden Jahren der Fall ist. Ansonsten droht der Rückfall ins Mittelmaß, wie das Beispiel Werder Bremen zeigte. Denn die Champions League bedeutet nicht nur enorme Einnahmen, sondern auch zusätzliche Kosten. Der Kader des Champions-League-Klubs muss so groß und stark sein, dass er die Doppelbelastung aus nationalem und internationalem Wettbewerb erfolgreich bewältigen kann. Ohne die permanente Qualifikation für die Champions League, die über die nationale Liga erfolgt, lässt sich der Kader kaum finanzieren. Selbst Klubs wie der FC Bayern dürften auf ihrem aktuellen sportlichen und finanziellen Niveau nicht mehr als zwei Spielzeiten ohne die Champions League überleben können. In der Vergangenheit musste beim FC Bayern wiederholt ein Trainer vorzeitig gehen, weil die Qualifikation für die Champions League in Gefahr schien.
Hatte die Bundesliga in den sieben Spielzeiten von 1963/64 bis 1969/70 noch sieben verschiedene Meister, so änderte sich dies mit den 1970er-Jahren. Die 1970er-Jahre hatten vier unterschiedliche Champions, die 1980er-Jahre ebenfalls, die 1990er-Jahre fünf und in den fünfzehn Spielzeiten seit der Jahrtausendwende waren es ebenfalls fünf. Über allen Bundesligameistern thront der FC Bayern, der in den 44 Spielzeiten von 1971/72 bis 2014/15 23 mal Meister wurde und seit der Saison 1979/80 nie mehr als drei Jahre ohne Meistertitel verbringen musste. In den 1980er-Jahren gewannen die Bayern sechs der zehn Meisterschaften, in den 1990er-Jahren vier, im Zeitraum von 2000/01 bis 2014/15 neun. Nur dem Hamburger SV (1981/82, 1982/83) und zweimal Borussia Dortmund (1994/95, 1995/96 sowie 2010/11 und 2011/12) gelang es über zwei Spielzeiten hinweg, die Spitzenposition zu behaupten. Bis heute konnte kein Klub dem FC Bayern über einen ähnlich langen Zeitraum das Wasser reichen wie Borussia Mönchengladbach in den 1970er-Jahren, das aber unter anderem am zu kleinen Stadion scheiterte.
Anfang der 1980er-Jahre machte der Hamburger SV den Bayern ihre Führungsposition streitig. Ende der 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre übernahm Werder Bremen mit dem umtriebigen Manager Willi Lemke diese Rolle. Mitte der 1990er-Jahre löste Borussia Dortmund Werder diesbezüglich ab – mithilfe einer Investitionsoffensive, die eine Reihe der in die italienische Serie A abgewanderten Spieler zurück in die Bundesliga brachte und die Attraktivität der Liga steigerte. Seit der Saison 2009/10 ist der BVB erneut Bayerns größter Herausforderer, dieses Mal auf einer stabileren finanziellen Basis.
Dortmunder Investitionsoffensive
Zur Saison 1992/93 wechselte Stefan Reuter von Juventus Turin zum BVB, in der Winterpause dieser Spielzeit Matthias Sammer, für den die Dortmunder die Rekordsumme von 8,5 Millionen D-Mark an Inter Mailand überweisen mussten. Für Karlheinz Riedle, der im Sommer 1993 von Lazio Rom kam, wurde eine Million mehr gezahlt. In etwa die gleiche Summe zahlte der BVB ein weiteres Jahr später für Andreas Möller an Juventus Turin. Der BVB wurde 1995 und 1996 Meister und sorgte auch in Europa für Furore.
In der Saison 1992/93 war der BVB Juventus Turin noch in den Finalspielen des UEFA-Pokals klar unterlegen gewesen. 1996/97 trafen beide Teams erneut in einem europäischen Finale aufeinander, aber dieses Mal in der Champions League. Der BVB gewann mit 3 zu 1 und war damit der erste deutsche Klub, der in der reformierten "Königsklasse" triumphierte. Sechs der Borussen, die beim Anpfiff auf dem Platz standen, waren ehemalige Serie-A-Spieler, vier von ihnen hatten zuvor beim Gegner "Juve" unter Vertrag gestanden. Allerdings gewannen die Borussen mit dem Rücken zur Wand, denn schon damals plagten den Klub große finanzielle Probleme, die nun durch den Sieg und die dadurch gesicherte erneute Qualifikation für die Champions League erst einmal kaschiert wurden.
Ende Oktober 2000 ging der BVB als erster deutscher Klub an die Börse. Die Emissionserlöse beliefen sich auf 143 Millionen Euro und blieben damit unter den Erwartungen der Vereinsführung. Die Aktie sackte schnell unter den Ausgabepreis von elf Euro. Außerdem wurde das "frische Geld" schnell durch die Begleichung von Schulden und durch ambitionierte Transfers aufgefressen. Zwar wurde der BVB in der Saison 2001/02 Deutscher Meister und erreichte auch das Finale des UEFA-Pokals, aber die Politik der Vereinsführung war nur von geringer Nachhaltigkeit.
Das Beispiel von Borussia Dortmund dokumentiert, wie prekär die Lage eines Champions-League-Klubs ist, der sich bereits in der Schuldenfalle befindet. Zur Saison 2002/03 rüstete der BVB mit dem 8,5 Millionen Euro teuren Nationalspieler Torsten Frings weiter auf. Denn für den amtierenden Meister war die erneute Qualifikation für die Champions League von existenzieller Bedeutung. Am letzten Spieltag der Saison 2002/03 musste der BVB nur noch den bereits feststehenden Absteiger Energie Cottbus besiegen, um sich erneut und direkt für die "Königsklasse" zu qualifizieren. Aber die Borussen trafen im heimischen Stadion nur zweimal die Querlatte und die Begegnung endete torlos. So musste der BVB in die Qualifikationsrunde, wo ihm aber der FC Brügge den Weg in die Champions League und zu den Geldtöpfen versperrte.
Der BVB unterhielt nun einen sündhaft teuren Kader, der aber seine Kosten nicht annähernd einspielen konnte. Auch ein weiterer Stadionausbau verschärfte die finanzielle Situation. Im Dezember 2003 waren die finanziellen Probleme nicht mehr zu verschweigen. Allein im Geschäftsjahr 2003/04 verzeichnete die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA einen Verlust von 67,7 Millionen Euro, die Gesamtschulden wurden mit 118,8 Millionen Euro beziffert.
Andere europäische Großklubs plagten zu dieser Zeit höhere Schulden als die Borussen, aber in Spanien und Italien wurde mit diesem Problem "gelassener" umgegangen als in Deutschland und in der Bundesliga – schließlich wurden die Schulden für eine "gute Sache" gemacht. Der damalige BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum erlag möglicherweise der Illusion, dass spanische und italienische Verhältnisse auch in Deutschland akzeptiert würden. Folglich musste das Budget für den Profikader drastisch gesenkt werden und viele gute beziehungsweise hochbezahlte Spieler verließen den Klub.
Die Borussia blieb über einige Jahre dem internationalen Wettbewerb fern, machte aber aus der Not eine Tugend und schaffte den Wiederaufstieg an die nationale Spitze vor allem mit jungen, gut ausgebildeten, aber für (vergleichsweise) kleine Gehälter spielenden Profis.
Nach der Wiedervereinigung wurde die Bundesliga für eine Saison (1991/92) auf 20 Vereine aufgestockt. Im Vorfeld hatten sich der DFB und der Deutsche Fußball-Verband (DFV) der ehemaligen DDR auf die Formel "2 plus 6" geeinigt. Diese bedeutete, dass zwei Klubs der ehemaligen DDR-Oberliga in die erste Bundesliga aufgenommen wurden (Dynamo Dresden, Hansa Rostock), sechs in die zweite Bundesliga (VfB Leipzig, Rot-Weiß Erfurt, Carl Zeiss Jena, Stahl Brandenburg, Chemnitzer FC und Hallescher FC).
Die übrigen ehemaligen DDR-Erst- und Zweitligisten wurden im August 1991 in den Amateurfußball verbannt. Darunter auch der 1.FC Magdeburg, 1974 der einzige Europapokalsieger in der Geschichte des DDR-Fußballs. Hansa Rostock musste sich bereits nach einer Saison wieder aus der ersten Bundesliga verabschieden. Zur Saison 1993/94 stieg der VfB Leipzig auf, aber die mit gut 530.000 Einwohnern elftgrößte Stadt Deutschlands, Heimatstadt des ersten deutschen Fußballmeisters (VfB) und zu DDR-Zeiten eine Fußballhochburg, durfte bis heute nur ein Jahr Bundesliga genießen. Im Sommer 1995 war auch die Erstligapräsenz der Stadt Dresden beendet. Dafür stieg Hansa Rostock wieder auf und blieb zehn Spielzeiten ununterbrochen erstklassig, 1995/96 (als Aufsteiger) und 1997/98 wurde Hansa jeweils Sechster, die bis heute beste Platzierung eines „Ostvereins“ in der Bundesliga. Im Sommer 2007 stieg Hansa noch einmal auf, aber die zweite Rückkehr dauerte nur ein Jahr. Energie Cottbus brachte es auf insgesamt sechs Bundesligajahre (2000/01 – 2002/03, 2006/07 – 2008/09).
Seit dem Sommer 2009 sind die neuen Bundesländer nicht mehr in der ersten Bundesliga vertreten. In der zweiten Liga spielen in der Saison 2015/2016 noch RB Leipzig und Union Berlin mit und in der dritten Liga spielen Chemnitzer FC, Rot-Weiß Erfurt, Hallescher FC, Energie Cottbus, 1.FC Magdeburg und Hansa Rostock. Von den 16 deutschen Bundesländern sind 2015/16 die ehemaligen "DDR-Territorien" Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ohne Erstligisten. Betrachtet man den gesamten Zeitraum von 1991/92 bis 2015/16 (25 Jahre), so kommen die Klubs aus den "fünf neuen Bundesländern" insgesamt auf weniger Jahre Bundesliga, als etwa der Stadtstaat Hamburg zählt.
Dem "Ost-Fußball" mangelte es nach der Wiedervereinigung an Geld und qualifizierten Fachleuten für den Profifußball. Ein Vakuum, das durch zwielichtige "Helfer" aus dem Westen gefüllt wurde, die aber lediglich zur Verschlechterung der Verhältnisse beitrugen. Und die besten Spieler zog es nach der Wende zu westdeutschen Profiklubs. Dem Ost-Fußball fehlen die großen Investoren, sieht man einmal vom Getränkehersteller Red Bull ab. Dieser engagiert sich nicht zufällig in Leipzig, wo sich der heimische Fußball in einem sportlich miserablen und organisatorisch zersplitterten, von Insolvenzen und Neugründungen geprägten Zustand befand. Gleichzeitig existierte mit dem zur WM 2006 umgebauten Zentralstadion mit einem Fassungsvermögen von 44.345 Zuschauern eine erstklassige moderne Spielstätte.
Nachdem die Leipziger Klubs Lok und FC Sachsen eine Kooperation mit Red Bull abgelehnt hatten, wurde 2009 der eigenständige Verein RasenBallsport (kurz RB: wie "Red Bull") Leipzig gegründet, der vom SSV Markranstädt das Startrecht für die Beteiligung am Spielbetrieb in der Oberliga übernahm und aktuell in der Regionalliga Nordost spielt. Red Bull erwarb die Namensrechte für das Stadion, das seither "Red Bull Arena" heißt. Bei den Anhängern der Leipziger Traditionsklubs FC Sachen und 1. FC Lokomotive stieß diese Offensive auf heftigen Protest, aber bei einer repräsentativen Umfrage der "Leipziger Volkszeitung" wurde Red Bulls Engagement von circa 70 Prozent der Leser begrüßt. Vermutlich ist Leipzig die einzige Stadt in Deutschland, in der das Red-Bull-Modell funktionieren könnte.
Dietrich Schulze-Marmeling gilt seit Jahren als einer der renommiertesten deutschen Buchautoren in Sachen Fußballgeschichte. Im Verlag Die Werkstatt veröffentlichte er u.a. Bücher zur Fußballweltmeisterschaft sowie zu den Vereinen Bayern München und Borussia Dortmund. Sein Buch "Der FC Bayern und seine Juden. Aufstieg und Zerstörung einer liberalen Fußballkultur" wurde 2011 von der Deutschen Akademie für Fußballkultur als "Fußballbuch des Jahres" ausgezeichnet. Mit "Barca oder die Kunst des schönen Spiels" und "Der König und sein Spiel. Johan Cruyff und der Weltfußball" belegte er 2010 und 2012 jeweils den dritten Platz.