Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Der moralische Status der Tiere | Bioethik | bpb.de

Bioethik Einführung Bioethik und Philosophie Technikfolgenabschätzung und Bioethik Argumentationslinien der praktischen Philosophie Bioethik als Verantwortungsprinzip Schwerpunkt: Tierethik Filme zur Tierethik Philosophische Fragestellungen in der Tierethik Tierethische Positionen Tiernutzung Mensch-Tier-Beziehungen Der moralische Status der Tiere Tierleistungen und Tierprodukte Tierprodukte und Konsumverhalten Die Orte der Tiernutzung Tierethische Perspektiven Tiernutzung - Eine Einleitung Tiernutzung - Das Modar Tierethische Positionen Quellentexte zur Tierethik Tierhaltung und Tiernutzung "Race to the top" – Juristische Betrachtungen zur Situation der Internationalen Tierrechte Warum sollen wir die biologische Vielfalt schützen? Tierethik in TV-Informationsformaten Mensch & Tier in Kunst und Literatur Mensch-Tier-Beziehungen im Licht der Human-Animal Studies Standpunkt: Zoopolis - Grundzüge einer Theorie der Tierrechte Standpunkt: Gleiches Recht für alle Schweine Standpunkt: Gerechtigkeit für Tiere – Gesellschaftliche Tierbefreiung Standpunkt: Die pathozentrische Position in der Tierethik Können medizinische Affenversuche ethisch gerechtfertigt werden? Schwerpunkt: Corona Nutzen und Gerechtigkeit im Rahmen einer Corona-Triage Care und Corona Seuchengeschichte Interview Petra Gehring Standpunkt: Virale Kopplungen – Gesellschaft im Überlebenskampf Wert und Würde des Lebens Menschenwürde in der Bioethik Würde: Argumente Über Wert und Würde des Lebens Standpunkt: Der (Präferenz-)Utilitarismus Peter Singers Standpunkt: Lehmann Standpunkt: Hoerster Naturethik Warum sollen wir die biologische Vielfalt schützen? Naturschutztheorie Naturethik Klimaethik Grüne Gentechnik und Umweltethik Tiefenökologie vs. das Anthropozän Medizinethik Organtransplantation Forschung am Menschen Kritische Betrachtungen zum Gesundheitssystem Pflegerische Ethik Ärztliche Ethik Bio-Information Schwangerschaftsabbruch Sterbehilfe Genetische Disposition Eigentum am Körper Der gläserne Mensch Wissenschaft, Technologie und Ethik Gentechnologie Rote Gentechnik GVO Klonen Embryonenschutz Weiße Gentechnik Grüne Gentechnik Standpunkt: Klatt Standpunkt: Brendel Standpunkt: Berschauer Standpunkt: Löwenstein Neuroethik Selbstoptimierung Ethische Fragen bei Neurotechnologien Bioethik und Nanotechnologie Enhancement Neuroethik des pharmazeutischen kognitiven Enhancements Bioengineering Warum Synthetische Biologie ein Thema der Ethik ist Biohacking & Cyborgisierung Bionik Religion, Weltanschauung und Bioethik Bioethik im Evolutionären Humanismus Bioethik und Judentum Bioethik und Hinduismus Bioethik und Buddhismus Bioethik im Islam Bioethik und die Evangelische Kirche Bioethik und Biopolitik Diskursanalyse & Bioethikdiskurse Einer für alle. Alle für einen? Bioethik, Öffentlichkeit, Politik Redaktion

Der moralische Status der Tiere

Werner Moskopp

/ 4 Minuten zu lesen

Der moralische Status der Tiere

Erklärfilm

Der moralische Status der Tiere

Im Alltag hängt der Umgang mit einzelnen Tieren meist davon ab, wie nah diese dem jeweiligen Menschen stehen. Auch in der Ethik gibt es unterschiedliche Positionen, inwiefern Tieren ein moralischer Wert zuerkannt werden soll.

Im Alltag hängt der Umgang mit einzelnen Tieren meist davon ab, wie nah diese dem jeweiligen Menschen stehen. Auch in der Ethik gibt es unterschiedliche Positionen, inwiefern Tieren ein moralischer Wert zuerkannt werden soll. Die meisten Tierethiker wollen Tiere möglichst vor Leid und Schmerzen schützen. Einige wollen zusätzlich das Wohlergehen bestimmter Tiere – so gut es geht – verbessern. Und manche sprechen Tieren eine Würde zu und setzen sich für eine gesellschaftliche Gleichstellung von Tieren und Menschen ein.

Wer Tierrechte fordert, setzt auch sich selbst eine Pflicht – wohl wissend, dass die andere Seite ihren Rechten nicht durch Pflichterfüllungen uns Menschen gegenüber entsprechen kann. Damit hebt man „das Tier“ gewissermaßen auf den Status eines moralischen Akteurs, wo zuvor maximal ein Schutzaspekt – sozusagen als Objekt und nicht als Subjekt der Moral – diskutiert wurde. Diese Tiere sind also darauf angewiesen, dass „Anwälte“ bzw. Fürsprecher für ihren Schutz und ihre Rechte einstehen. Der eingerichtete Schutz liegt aktuell bei einem politisch konsensfähigen Mindestmaß. So heißt es seit 2002 im Artikel 20a des GG: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Einige Tierrechtsbewegungen gehen so weit, die Befreiung der Tiere aus ihren Käfigen, Ställen oder Laboren zu fordern, getreu dem Motto „artgerecht ist nur die Freiheit“. Befreiungsaktionen bewegen sich oft hart an der Grenze der Legalität oder stellen bereits einen Verstoß gegen Eigentums- bzw. in Bezug auf die befreiten Tiere gegen Besitzrechte dar. Den sogenannten Tier-Abolitionisten geht es um aus ihrer Sicht ethisch vertretbare Haltungsformen. Deshalb unterstützen sie kleinbäuerliche Betriebe, damit die gesetzlich verbürgten Mindestvorgaben der Haltung und der Nutzung für Nahrungs-oder Ausbildungszwecke (Sezieren in (Hoch)Schulen) gar nicht erst greifen müssen.

Wo Tiere ihrerseits aktiv Widerstand gegen den Umgang mit ihnen oder ihre Nutzungsbedingungen zu leisten scheinen, liegt es aus Sicht der Tierbefreier nahe, sie auch als moralische Subjekte und zugleich auch als moralische Akteure anzuerkennen. Sie fordern deshalb, dass auf der einen Seite auch das Grundgesetz und das positive Recht angepasst werden, und versuchen auf der anderen Seite, die Konsument:innen durch die Aktionen und Demonstrationen aufzuklären.

Die Rechte der Tiere vorausgesetzt müsste dann das tierliche Individuum so behandelt werden, als ob es dies selbst befürworten bzw. erlauben würde, wenn es seine Interessen reflektieren und ausdrücken könnte. Wird diese Voraussetzung aber abgelehnt, fallen auch die zwingenden Schlussfolgerungen weg und selbst der Diskurs zwischen Tierrechtlern und Tierschützern verschärft sich.

Interner Link: Der Artikel „Zoopolis“ von Sue Donaldson macht prototypisch die Anerkennung der Tiere in ihrem gesellschaftlichen in ihrem gesellschaftlichen Status zum Ausgangspunkt für ethische, aber auch politische Überlegungen: „Die Standard-Antworten der Politik-Theorie auf diese Fragen stimmen im Wesentlichen darin überein, dass ein System der Kooperation gerecht ist, insofern es: inklusiv ist (alle Mitglieder der Gesellschaft sind Staatsbürger, sofern sie ihren Status nicht freiwillig aufgeben); egalitär ist (regiert wird im Interesse aller Mitglieder/Staatsbürger gleichermaßen); legitim ist (sich selbst regierend durch Zustimmung und Teilnahme der Regierten, die als Ko-Autoren der Gesetze begriffen werden); nach außen gerecht ist (Beziehungen mit anderen Verfassungen werden auf Basis von fairen Kooperations- Bedingungen ausgeführt). Jedoch vergisst die westliche politische Theorie die Tatsache, dass wir in Inter-Spezies-Verfassungen leben und immer schon gelebt haben und dass wir an der Seite von anderen Inter-Spezies-Gesellschaften leben .“

Sie schlägt neue Zuteilungen der Status vor, indem sie domestizierte, tierische Staatsbürger neben den Wildtieren und Tieren im Schwellenbereich in die gesellschaftlichen Bereiche einbindet. Projekte wie Interner Link: Animal-Aided Design im Rahmen der Green Architecture versuchen demgemäß auf ein Zusammenleben der Spezies hinzuarbeiten. In der ethischen Betrachtung der „Human-Companion Animal Relationships“ wird auch über ein „Familienmodell“ nachgedacht. Vor- und Nachteile von wachsender Nähe scheinen sich dabei im Privatbereich allerdings vielfach die Waage zu halten, betrachtet man exemplarisch die Zunahme an privaten Tierhalter:innen zu Beginn der sog. Corona-Krise und die steigenden Zahlen von Hunden und Katzen, die ein Jahr später an Tierheime abgegeben wurden. Auch in diesen Fällen wird über das Tier als Sachbesitz, Hobby oder Spielzeug verfügt, während die Forderung nach Tierschutz bzw. Tierrechten die Begegnung zum konkreten lebendigen Individuum impliziert.

Verhaltensforscher und Kognitionswissenschaftler rücken auf der einen Seite die kognitiven Fähigkeiten der Tiere immer weiter in den Fokus der Wissenschaft. Auf der anderen Seite wird durch phänomenologische Studien auf die Rolle des Tiers als (selbst)bewusstes Dasein hingewiesen, dessen Erlebensmomente auch bei abweichenden Sinnesleistungen den unseren wesensmäßig gleichen könnten – so beschrieben im emotionalen Ausdruck oder im direkten Blick des Tieres.

Weitere Inhalte

PD Dr. Werner Moskopp, geb. 1977, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar Philosophie an der Universität Koblenz-Landau. Für seine Promotion zum Thema "Struktur und Dynamik in Kants Kritiken" wurde er 2008 mit dem Hochschulpreis der Universität Koblenz ausgezeichnet. Forschungsschwerpunkte: Ethik, Kant und der Deutsche Idealismus, Nietzsche, Heidegger.