Jugend und Natur: Naturverbundenheit und Naturschutzengagement junger Bürgerinnen und Bürger
Dr. Silke KleinhückelkottenDr. H.-Peter Neitzke
/ 18 Minuten zu lesen
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Ist es richtig, Jugendlichen im Vergleich mit Erwachsenen einerseits eine stärkere Naturentfremdung nachzusagen? Halten sie sich wirklich lieber in einer "digitalen Umwelt" anstatt in der Natur auf – und welche Angebote für 'richtge' Naturerlebnisse wären passend für sie? Andererseits entsteht beispielsweise durch den Zulauf zu "Fridays for Future" der Eindruck, dass viele von ihnen im Umwelt- und Naturschutz engagiert sind – stimmt das?
Es wird immer wieder die Sorge geäußert, dass u. a. die intensive Nutzung digitaler Medien durch Kinder und Jugendliche zu einem Verlust an positiven Naturerfahrungen und damit zu einer wachsenden Naturentfremdung führt. Dem stehen Meldungen über wachsende Zahlen bei den Neugründungen von Jugendnaturschutzgruppen und Bilder von Demonstrationen für eine wirksame Klima- und Naturschutzpolitik gegenüber, an denen sich tausende Jugendliche beteiligten. Bevor wir in diesem Beitrag anhand der Ergebnisse wissenschaftlicher Studien versuchen zu klären, ob die Besorgnis im Hinblick auf ein Desinteresse von Kindern und Jugendlichen an Natur berechtigt ist, gehen wir der Frage nach, warum es wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche Natur erleben (können). In den folgenden Abschnitten geht es dann um die Einstellungen und das Verhalten von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf Natur, auch im Vergleich mit Erwachsenen, sowie die Bereitschaft und die Möglichkeiten, sich politisch und/oder praktisch für den Schutz der Natur zu engagieren.
Bedeutung von Naturerfahrungen in der Jugend für Gesundheit, Entwicklung sowie Einstellungen und Verhalten im Erwachsenalter
Auf die Frage, warum Naturkontakt und Naturerlebnisse für Kinder und Jugendliche wichtig sind, gibt es mindestens drei Antworten.
1. Die erste ist, dass der Zugang zu Natur und Aufenthalte in der Natur gut sind für Gesundheit und Wohlbefinden. Für diese Alltags- und Lebenserfahrung gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an Belegen aus epidemiologischen und anderen wissenschaftlichen Studien :
Kontakte mit Natur
fördern einen aktiven Lebensstil, der die Risiken für Herzkreislauf- und andere chronische Erkrankungen vermindert,
tragen zur Verbesserung kognitiver Funktionen, zum Abbau von Stress und zum emotionalen Wohlbefinden bei,
reduzieren bei Jugendlichen das Risiko für psychische Gesundheitsstörungen, wie Depressionen, Ängste und Aufmerksamkeitsdefizit-Störungen mit Hyperaktivität (ADHD).
Für diese Wirkungen braucht es keine ‚unberührte‘ Natur, es reichen grüne Umgebungen, wie Parks, Gärten und Brachflächen.
2. Die zweite Antwort auf die Eingangsfrage lautet: Naturerfahrungen und -erleben sind gut für die psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Für diese Aussage gibt es mittlerweile viele wissenschaftliche Belege. Aus den Erkenntnissen der neurobiologischen und der psychologischen Forschung lassen sich die folgenden Schlüsse ziehen : Wichtige individuell gemachte Erfahrungen führen zu gebahnten neuronalen und synaptischen Verschaltungsmustern im Gehirn. Im späteren Leben werden diese Muster zwar durch neue Eindrücke überlagert und modifiziert, sie bleiben aber zeitlebens eng an die emotionalen und körperlichen Reaktionen gekoppelt, die von der primären Erfahrung ausgelöst wurden. Die Gründe für besondere Leistungen, aber auch für Fehlentwicklungen und Störungen, sind meist weniger im Gehirn, als vielmehr in den jeweiligen physischen und sozialen Bedingungen, unter denen ein Mensch aufwächst, zu suchen. Eine reizvielfältige Umwelt trägt dazu bei, psychische Entwicklungsschritte anzuregen und zu fördern. Bei Kindern, die spielerisch lustvolle Erfahrungen in einer vielfältigen, naturnahen und gestaltbaren Umwelt machen, werden Kreativität und Eigenverantwortlichkeit gestärkt.
In einer in den USA durchgeführten Studie wurden die Zusammenhänge zwischen der Aufenthaltszeit im Freien und verschiedenen Aspekten der Naturverbundenheit auf der einen Seite und den Ausprägungen von Stärken bei älteren Kindern und Jugendlichen auf der anderen Seite untersucht. An der Studie nahmen Schüler*innen im Alter von 11 bis 14 Jahren teil. 77 % der Befragten besuchten Schulen mit einem hohen Anteil an Schüler*innen aus Familien mit geringem Einkommen.
QuellentextPositive Youth Development-Konzept
Der Untersuchung lag das von Lerner und anderen (2009, 2015) entwickelte Positive Youth Development- (PYD-)Konzept zugrunde. Dabei wird anhand eines Indexwertes die Ausprägung erstrebenswerter Stärken von Jugendlichen abgebildet. Bei der Bildung des PYD-Index wurden die folgenden Merkmale berücksichtigt:
Kompetenz: schulische, soziale und physische Kompetenz
Selbstvertrauen: Selbstwertgefühl, Zufriedenheit mit dem eigenen Erscheinungsbild und der eigenen Identität
Charakter: soziales Gewissen, Verantwortungsübernahme, Bedeutung persönlicher Werte, Respekt für soziale und kulturelle Werte
Fürsorglichkeit: Empathie, Hilfsbereitschaft
Soziale Zugehörigkeit: Gefühl der Verbundenheit mit und der Bestärkung durch andere Personen in Schule, Familie, Nachbarschaft und Peergroup
Mitwirkung: Bereitschaft zu selbstlosem Engagement, Hilfeleistung für andere, Führerschaft in einer Gruppe oder Organisation, Aktivitäten im sozialen Bereich
im Freien verbrachte Zeit
Bedeutung des Aufenthalts in der Natur
Gefühl der Verbundenheit mit der Natur
Das Ich im Verhältnis zur Natur
Die Auswertung der Befragung ergab durchweg positive, wenn auch unterschiedlich starke Zusammenhänge zwischen der Naturverbundenheit und den Ausprägungen erstrebenswerter Stärken bei Jugendlichen, wie schulische, soziale und physische Kompetenz, Selbstvertrauen, Empathie und Respekt für soziale und kulturelle Werte. Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Befunde aus früheren Untersuchungen zur Bedeutung von Naturaufenthalten und der Verbundenheit mit Natur von Kindern und Jugendlichen für deren Gesundheit und Entwicklung.
3. Die zitierten Arbeiten von Bowers et al. (2021), Gebhard (2008) und Hüther (2008) geben auch Hinweise auf eine weitere Antwort auf die Frage, warum es wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche Natur erleben (können):
Zitat
Das Naturerleben im Kindes- und Jugendalter ist prägend für die Einstellungen zu Natur und das naturbezogene Verhalten bis in das Erwachsenenalter.
Positive Naturerfahrungen in Kindheit und Jugend fördern die Bereitschaft, sich naturverträglich zu verhalten, Einschränkungen zum Schutz der Natur zu akzeptieren und/oder sich im Naturschutz zu engagieren.. Die einzige in Deutschland durchgeführte Studie, in der u. a. auch der Frage nachgegangen wurde, wie stark Natur- bzw. hier Walderfahrungen in der Kindheit die Einstellungen im Erwachsenalter prägen, ist schon etwas älter. Die Daten aus dieser repräsentativen Studie zeigen, dass die befragten Erwachsenen mit den stärksten Waldbindungen signifikant häufiger als andere angaben,
den Wald in der Kindheit als Abenteuerspielplatz erlebt zu haben,
als Kinder oft im Wald gewesen zu sein, ob allein oder mit ihren Eltern,
und sich auch als Jugendliche für den Wald interessiert zu haben.
Auf welche Weise und wie stark Naturerfahrungen in Kindheit und Jugend naturbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen im Erwachsenenalter beeinflussen, hängt von vielen Faktoren ab, wie der der sozio-ökonomischen Lage und dem kulturellen Hintergrund. Die komplexen Zusammenhänge zwischen Naturerfahrungen und einem Engagement für den Schutz der Natur sind bisher nur unzureichend untersucht und von wissenschaftlicher Seite gibt es hierfür weder eine psychologisch fundierte Erklärung noch ist klar, welche Schlüsse aus den empirischen Befunden für die Entwicklung von Strategien und Programmen zur Förderung von Naturschutzengagement zu ziehen sind.
Verhältnis von Kindern und Jugendlichen zur Natur
Von Älteren, insbesondere solchen, die selbst sehr naturverbunden sind, wird oft beklagt, dass die ‚heutige Jugend‘ nur noch geringes Interesse an der Natur habe, sich nur noch selten in der Natur aufhalte und wenig über die Natur wisse. Auch in wissenschaftlichen Studien, die vor allem in den USA durchgeführt wurden, werden eine Verschiebung der Interessen Jüngerer weg von Erlebnismöglichkeiten in der Natur hin zu solchen in Innen- und virtuellen Räumen sowie abnehmende Aufenthaltshäufigkeiten und -zeiten in natürlichen oder zumindest naturnahen Umgebungen konstatiert. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass auch bei Erwachsenen die Bedeutung naturbezogener Erholung schwindet.
Fehlende Untersuchungen für Deutschland
Für Deutschland fehlen bisher systematische Untersuchungen, die Aussagen zur zeitlichen Entwicklung der Naturnutzung durch Kinder und Jugendliche erlauben. Seit Mitte der 1990er-Jahre wurden immerhin einige Befragungen von Schüler*innen im Alter von 12 bis 15 Jahren durchgeführt. Diese zeigen, dass sich die Aufenthaltshäufigkeit im Wald im Zeitraum 2006 bis 2021 kaum geändert hat. Bei den Angaben zum Lieblingsaufenthaltsort werden für den Zeitraum 2016 bis 2021 eine geringfügige Abnahme bei der Auswahlmöglichkeit "Draußen im Grünen" und leichte Zunahmen bei "In meinem Zimmer" und "In der Stadt" ausgewiesen. Ob sich aus diesen Befunden und den Antworten zum Beispiel auf Fragen zum naturbezogenen Wissen, zu Einstellungen zur Natur und zu naturbezogenen Aktivitäten eine zunehmende und, im Vergleich zu Erwachsenen, stärkere Naturentfremdung bei Kindern und Jugendlichen ableiten lässt, ist fraglich. Auch viele Erwachsene dürften etliche der Wissensfragen nicht richtig beantworten können. Die von den Verfassern des Jugendreports Natur bei Kindern und Jugendlichen kritisierte "Verniedlichung" und Verklärung von Natur sowie die Verdrängung der Naturnutzung sind auch bei vielen Erwachsenen zu finden, wie die im Jahr 2009 erstmals durchgeführte repräsentative Untersuchung zum Naturbewusstsein der Deutschen gezeigt hat.
Ältere Kinder und Jugendliche stehen in der Wertschätzung der Natur Erwachsenen kaum nach. Das hat eine Untersuchung ergeben, bei der Kinder und Jugendliche zum einen in persönlichen Interviews u. a. zu ihrem Naturverständnis, zu ihren Einstellungen in Bezug auf Natur, Naturnutzung und Naturerlebnis, zu ihren alltäglichen Naturerfahrungen und zur Bedeutung von Wissen über die Natur und ihre Nutzung befragt wurden. Zum anderen wurden über eine Online-Befragung quantitative Daten zu diesen Themenkomplexen erhoben. Die Auswertungen ergaben, dass Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahren Natur mit Freiheit und Abenteuer, Erholung, Ausgleich zum Alltag und Gesundheit verbinden, also positiven Werten.
Zitat
In ihren Grundeinstellungen zur Natur unterscheiden sich Jugendliche kaum von Erwachsenen : Natur gehört zu einem guten Leben dazu.
Dies hat auch die erste Studie zum Naturbewusstsein junger Menschen im Alter von 14 bis 17 Jahren bestätigt. In Abbildung 1 sind Befragungsergebnisse aus der Jugendstudie den Ergebnissen von Befragungen Erwachsener gegenübergestellt.
Auch die Naturbilder von Jugendlichen und Erwachsenen unterscheiden sich im Großen und Ganzen nur wenig: In Abbildung 2 sind Kategorien aufgeführt, denen die Begriffe, die Jugendliche und Erwachsene in Befragungen mit "Natur" assoziierten (BMU/BfN 2020, BMU/BfN 2021). In beiden Alterssegmenten wurden am häufigsten solche genannt, die den Kategorien "Tierwelt", "Pflanzenwelt", "Erholung, Freizeit und Naturerleben" sowie "Landschaft/Natur- und Landschaftsobjekte" zuzuordnen waren. Assoziationen mit "Erholung, Freizeit und Naturerleben" waren bei Jugendlicher häufiger als bei Erwachsenen. Begriffe, die auf Sorgen um die Natur hindeuten (Kategorie "Natur-/Umweltkatastrophen und Zerstörung"), wurden von Jugendlichen nicht häufiger genannt als von Erwachsenen.
Naturassoziationen von Jugendlichen und Erwachsenen (bpb)
Abbildung 2: Naturassoziationen von Jugendlichen und Erwachsenen (prozentuale Anteil der Befragten, die Begriffe aus der jeweiligen Kategorie genannt haben; Daten: Erwachsene: BMU/BfN 2020, Jugendliche: BMU/BfN 2021) (bpb) Lizenz: cc by-nd/3.0/de
Abbildung 2: Naturassoziationen von Jugendlichen und Erwachsenen (prozentuale Anteil der Befragten, die Begriffe aus der jeweiligen Kategorie genannt haben; Daten: Erwachsene: BMU/BfN 2020, Jugendliche: BMU/BfN 2021) (bpb) Lizenz: cc by-nd/3.0/de
Ältere Kinder und Jugendliche sind, anders als vielfach angenommen, recht häufig in der Natur:
Bei einer Online-Befragung gaben mehr als 80 % der Befragten an, in der warmen Jahreszeit fast täglich oder zumindest mehrmals pro Woche in der Freizeit "draußen in der Natur" zu sein. Direkt vergleichbare Befragungsergebnisse für Erwachsene liegen nicht vor.
In einer aktuellen Befragung zum Freizeitverhalten gaben 55 % der Befragten an, sich mindestens einmal pro Woche in der Natur aufzuhalten, unabhängig von der Jahreszeit. Die altersabhängige Spannbreite ist dabei aber erheblich: Bei den Befragten im Alter über 65 Jahre gaben 66 % an, sich entsprechend oft in der Natur aufzuhalten, bei den Befragten im Alter zwischen 18 und 24 Jahren waren es nur 44 %.
Zitat
Unter "Natur" werden von Jugendlichen, genauso wie von vielen Erwachsenen , aber nicht nur große naturnahe Gebiete, sondern auch das nahegelegene Stadtwäldchen, der Park oder andere Grünanlagen verstanden.
Wenn Jugendliche naturnahe Orte aufsuchen, steht auch oft nicht das Naturerlebnis im Vordergrund. Viele treffen sich hier für Gespräche mit der besten Freundin oder dem besten Freund, um allein oder in der Gruppe zu "chillen" . Die "Natur" erfüllt dann die Funktion eines unbeobachteten Rückzugsraums oder dient 'nur' als Kulisse. Vor allem der Wald wird aber auch geschätzt, weil es dort, abseits der Wege, Unbekanntes zu entdecken gibt. Auch das Beobachten von Tieren im Wald finden viele interessant. Sowohl in den Interviews mit Jugendlichen als auch in den Ergebnissen der quantitativen Online-Befragung wurde deutlich, dass Eltern (und oft auch Großeltern) eine wichtige Rolle spielen, wenn es um den Zugang zur Natur geht. Sie vermitteln den Kindern und Jugendlichen deren Erlebniswert, z. B. durch regelmäßige Ausflüge in die Natur.
Soziale und sozio-kulturelle Unterschiede im Verhältnis zu Natur und Naturschutz
Die vorgenannten Befunde zeigen, dass es nicht angebracht ist, Jugendlichen eine generelle, und im Vergleich mit Erwachsenen stärkere, Naturentfremdung zu unterstellen. Nun gibt es aber nicht 'die Jugendliche' bzw. ‚den Jugendlichen‘ und nicht ‚den Erwachsenen‘. Die erste Naturbewusstseinsstudie hatte bereits gezeigt, dass es erhebliche Unterschiede gibt in Bezug auf die Vertrautheit mit der Natur, ihre Wertschätzung und Nutzung, sowie die Einsicht in die Notwendigkeit, sie zu schützen. Die für Erwachsene durchgeführte Studie ergab zum Beispiel deutliche Unterschiede hinsichtlich der Zustimmung zu den beiden oben genannten Aussagen zur Bedeutung der Natur für ein gutes Leben und dem bei einem Aufenthalt in der Natur empfundenen Glücksgefühl zwischen verschiedenen Bevölkerungssegmenten: In beiden Fällen war die Zustimmung bei den Befragten mit niedriger Formalbildung und geringem Einkommen geringer als bei den bessergestellten.
Häufigkeit von Aufenthalten im Wald von Erwachsenen nach Bildungsstand (bpb)
Abbildung 3: Häufigkeit von Aufenthalten im Wald von Erwachsenen nach Bildungsstand (Daten: Kleinhückelkotten et al. 2009) (bpb) Lizenz: cc by-nd/3.0/de
Abbildung 3: Häufigkeit von Aufenthalten im Wald von Erwachsenen nach Bildungsstand (Daten: Kleinhückelkotten et al. 2009) (bpb) Lizenz: cc by-nd/3.0/de
Ein ähnliches Bild zeigte sich bei mehreren Fragen zur schonenden Naturnutzung und zur persönlichen Verantwortung für den Schutz der Natur. Die Repräsentativbefragung zu den Einstellungen zu Wald und Forstwirtschaft sowie zum Verhalten in Bezug auf den Wald ergab, dass Befragte mit höherer Bildung deutlich häufiger im Wald sind als solche mit geringer Bildung (siehe Abbildung 3). Die Anteile derer, die sich mindestens 1-mal pro Woche im Wald aufhalten, sind in sozialen Milieus mit gehobener sozialer Lage am höchsten und in den Milieus der unteren Mittel- und der Unterschicht am geringsten.
Untersuchungen zur Häufigkeit von Aufenthalten in der Natur von Jugendlichen differenziert nach sozialer Lage und/oder sozio-kulturellen Merkmalen liegen für Deutschland bisher nicht vor. In der Repräsentativbefragung im Rahmen der aktuellen Studie zum Naturbewusstsein von Jugendlichen wurden immerhin Einstellungen zur Natur und zum Naturschutz abgefragt. In dieser Studie wurden die befragten Jugendlichen in Bezug auf formalen Bildungsstand, Lebensstil und Wertorientierungen sieben Lebenswelten zugeordnet (, siehe Infokasten).
QuellentextLebenswelten von Jugendlichen
Traditionell-Bürgerliche: Bedürfnis nach Beständigkeit, Ordnung und Balance; starker Wunsch, an der bewährten gesellschaftlichen Ordnung festzuhalten; modern-bürgerlicher Lebensstil, schwache Ausprägung von Lifestyleambitionen und Konsumneigung; gemeinschaftsorientiertes Freizeitverhalten.
Adaptiv-Pragmatische: Kombination bürgerlicher Grundwerte und Tugenden, wie Harmonie, Familie, Ehrlichkeit, Respekt, Vertrauen, Pünktlichkeit, Fleiß, Leistungsbereitschaft und Zielstrebigkeit, mit (post-) modernen und hedonistischen Werten, wie Selbstverwirklichung und Flexibilität, sowie dem Wunsch nach Spaß und einem intensiven Leben; Orientierung nicht an Utopien, sondern am Machbaren; Bejahung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung; ausgeprägte, aber rational gesteuerte, Konsuminteressen intensiver Medienkonsum und hohe Aktivität in sozialen Netzwerken.
Prekäre Jugendliche: häufig soziale Benachteiligungen (bildungsfernes Elternhaus; Erwerbslosigkeit der Eltern; geringes Familieneinkommen, schlechte Aussichten, einen Schulabschluss zu erreichen, problematische Peergroups); verbreitete Zweifel, dass Gerechtigkeit und Fairness in der Gesellschaft verwirklicht sind; Alltag vom Kampf um Normalität und Mithalten geprägt.
Konsum-Materialisten: großer Wert auf Status und Prestige; große Bedeutung klassischer Statusmarker und Luxusgüter als Lebensziel; Umgang mit Geld oft unkontrolliert; geringe Affinität zu Bildung im Sinne von schulischem Lernen; Geborgenheit und Sicherheit in der Familie, Fun und Action im Freundeskreis.
Experimentalisten: sehr geringe Affinität zu klassisch bürgerlichen Werten; hohe Anziehungskraft des Subkulturellen; Wunsch nach ungehinderter Selbstentfaltung; geringe Routineorientierung; Freizeit als Möglichkeit kreativer Selbstverwirklichung.
Postmaterielle: stark humanistisch geprägter Wertekatalog (Demokratie, Freiheit, Pazifismus, Toleranz, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Sorgsamkeit gegenüber Menschen, Tieren und der Umwelt) kombiniert mit Selbstentfaltungswerten und Leistungsbereitschaft; Ablehnung von protzigem Luxus und materiellem Überfluss; vergleichsweise große Bedeutung von Intellektualität, Bildung und Belesenheit; in der Freizeit Suche nach vielfältigen intellektuellen, künstlerischen oder kreativen Erfahrungen.
Expeditive: von allen Jugendlichen die flexibelsten, mobilsten und innovativsten; Balance zwischen Selbstverwirklichung, Selbstentfaltung, Selbstständigkeit und Kreativität einerseits sowie Leistungsidealen, wie Streben nach Karriere und Erfolg, Ehrgeiz und Fleiß andererseits; sehr bildungsaffin; geringe Kontroll- und Autoritätsorientierung; Alltag oft durchgetaktet, weil man auf nichts verzichten will; starke Affinität zum pulsierenden kulturellen Leben und den Freiräumen globaler Metropolen.
In Tabelle 1 sind einige Befunde aus der Studie zusammengestellt. Zwischen den jugendlichen Lebenswelten zeigen sich in Bezug auf das Anerkennen der Verantwortung für den Naturschutz, das Vertrauen in die Wirksamkeit eigenen und kollektiven Handelns zum Schutz der Natur und die Bereitschaften, sich in der einen oder anderen Art für den Naturschutz zu engagieren, erhebliche Unterschiede. Die Bereitschaft zu Naturschutzengagement ist in dem Segment der Postmateriellen am weitesten verbreitet, ebenso wie die Einsicht, dass auch Bürgerinnen und Bürger Verantwortung für den Schutz der Natur übernehmen müssen. Mit den beiden anderen Lebenswelten, in denen die Bereitschaft, sich für den Schutz der Natur zu engagieren, ebenfalls überdurchschnittlich ist (Traditionell-Bürgerliche und Adaptiv-Pragmatische), haben sie ein weit verbreitetes Vertrauen in die Wirksamkeit persönlichen und kollektiven Handelns zum Schutz der Natur gemein.
Diesen Lebenswelten mit hoher Naturaffinität stehen die der Konsum-Materialisten und Prekären gegenüber, in denen deutlich geringere Anteile positive Gefühle mit der Natur verbinden, Mitverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für den Schutz der Natur anerkennen und zu Naturschutzengagement bereit sind. Letzteres dürfte darauf zurückzuführen sein, dass diese Jugendlichen mit der Bewältigung der Probleme und Anforderungen ihres Alltags genug zu tun haben bzw. diesen oft ohnmächtig gegenüberstehen und, damit zusammenhängend, dass nur wenige Vertrauen haben, dass sie mit ihrem Handeln oder zusammen mit anderen etwas für den Schutz der Natur bewirken können. Bei Konsum-Materialisten und Prekären spielt sicher auch der vergleichsweise geringe Bildungsstand eine Rolle. Die Postmateriellen weisen zusammen mit den Expeditiven die höchsten Bildungsstände auf. Aus der aktuellen Jugend-Naturbewusstseinsstudie, wie auch aus den Ergebnissen anderer Studien, Interner Link: lässt sich ableiten, dass ein positives Verhältnis zur Natur und die Bereitschaft zum Naturschutzengagement mit einem hohen Bildungsstand einhergeht. Die Expeditiven passen mit ihrem stark urban geprägten Lebensstil allerdings nicht in dieses Muster.
Tabelle 1: Auf den Naturschutz bezogene Einstellungen in den Jugendwelten (Daten: BMU/BfN 2021) (bpb) Lizenz: cc by-nd/3.0/de
Die Ergebnisse von Studien, die vor allem in den USA durchgeführt wurden, belegen, dass Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien im Hinblick auf den Zugang zu Natur benachteiligt sind. In anderen Ländern durchgeführte Untersuchungen zeigen auch, dass die Zugehörigkeit zu bestimmten Ethnien oder kulturell geprägten Minderheitengruppen zu Ungerechtigkeiten beim Zugang zu Natur und damit bei der Verteilung von Lebens- und Entwicklungschancen führen können (ebd.). Solche Untersuchungen fehlen für Deutschland. Es gibt bisher auch keine repräsentativen Untersuchungen zum Naturbewusstsein von Menschen mit Migrationshintergrund – weder für Bevölkerungsgruppen ab 18 Jahre noch für Kinder und Jugendliche, die entweder selbst zugewandert sind oder zumindest ein Elternteil haben, das im Ausland geboren wurde. Für eine erste Annäherung an Naturbilder, Einstellungen zu Natur und zum Engagement für den Umwelt- und Naturschutz bei jungen Erwachsenen (18 bis 29 Jahre) mit Migrationshintergrund wurden im Rahmen der Naturbewusstseinsstudie 2011 zwei Gruppendiskussionen und mehrere Interviews mit Akteuren, die in verschiedenen Bereichen mit Bezug zu Jugendlichen und/oder Natur-/Umweltschutz tätig bzw. engagiert waren, durchgeführt. An den Gruppendiskussionen nahmen auch Schüler*innen und Studierende teil. Der Fokus lag auf Personen mit Wurzeln in der Türkei und der ehemaligen Sowjetunion, als den beiden größten Migrant*innengruppen in Deutschland. Ergänzend wurden Interviews zum Naturbewusstsein junger Erwachsener ohne Migrationshintergrund durchgeführt, um die Befunde zu denen mit Migrationshintergrund besser einordnen zu können.
Nach Einschätzung der an den Gruppendiskussionen und Interviews Beteiligten ist das Naturbild der jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund geprägt von Naturerfahrungen in der Kindheit entweder im Herkunftsland oder, bei denen die hier geboren wurden bzw. groß geworden sind, in Deutschland. Das hier gewonnene Naturbild wird allerdings oft überlagert durch kollektive Erinnerungen an die (idealisierte) Natur am Herkunftsort der Familie, auch aus gemeinsamen Urlauben. Es zeigen sich große Gemeinsamkeiten zwischen den betrachteten Gruppen junger Erwachsener: Alter bzw. Lebensabschnitt, Bildung, Sozialisation und Erziehung haben einen wesentlichen Einfluss auf das Naturbild und persönliche Bedeutung von Natur. Bei jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund lassen sich Prägungen durch das Herkunftsland und die Herkunftskultur feststellen, vor allem bei erst in der Jugend und später Zugereisten. Junge Erwachsene mit Migrationshintergrund, die hier geborenen wurden oder in früher Kindheit zugereist sind, haben zum Teil bi-kulturelle Identitäten, die sich auch im Verhältnis zur Natur ausdrücken: Die Natur in Deutschland ist genauso wichtig wie die im Herkunftsland. Natur spielt für viele junge Erwachsene mit Migrationshintergrund im Alltag eine untergeordnete Rolle. Darin unterscheiden sie sich kaum von denen ohne Migrationshintergrund. Natur ist vor allem ein Ort der Freizeitgestaltung bzw. wird als Kulisse für Freizeitaktivitäten genutzt. Sie dient der Erholung und Entspannung.
Engagement von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Umwelt- und Naturschutz
Zum zahlenmäßigen Engagement von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Umwelt- und Naturschutz gibt es Daten aus verschiedenen Untersuchungen. Diese weisen eine erhebliche Bandbreite auf:
Für den Freiwilligensurvey 2019 wurde in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen ein Anteil der nach eigener Angabe in dem Bereich "Umwelt, Naturschutz oder Tierschutz" ehrenamtlich Tätigen von 4,1 % ermittelt.
Engagement von Jugendlichen und jungen Erwachsenen (bpb)
Abbildung 4: Engagement von Jugendlichen und jungen Erwachsenen (BMU 2020; Frage: Es gibt viele Möglichkeiten, wie sich junge Leute [und andere] für Umwelt- und Klimaschutz engagieren können. Wie ist das bei Dir? Hast Du die folgenden Dinge schon einmal gemacht?) (bpb) Lizenz: cc by-nd/3.0/de
Abbildung 4: Engagement von Jugendlichen und jungen Erwachsenen (BMU 2020; Frage: Es gibt viele Möglichkeiten, wie sich junge Leute [und andere] für Umwelt- und Klimaschutz engagieren können. Wie ist das bei Dir? Hast Du die folgenden Dinge schon einmal gemacht?) (bpb) Lizenz: cc by-nd/3.0/de
In einer für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durchgeführten repräsentativen Befragung von 14- bis 22-Jährigen gaben 22 % an, schon einmal in einer Natur- oder Umweltschutzgruppe mitgearbeitet zu haben (siehe Abbildung 4, ).
Aus den Daten zum 3. Engagementbericht lässt sich ableiten, dass rund 27 % der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 27 Jahre im Bereich "Umwelt-, Naturschutz, Tierschutz" engagiert sind.
Nach den Ergebnissen der Befragung zur Shell Jugendstudie 2019 engagieren sich 37 % der 12- bis 25-Jährigen oft beziehungsweise gelegentlich im Bereich "Umwelt- und Tierschutz". Dieser Anteil hat sich seit 2010 kaum verändert.
Die großen Abweichungen zwischen den jeweils ermittelten Anteilen engagierter Jugendlicher und junger Erwachsener sind auf Unterschiede in den Abfragen zu Art und Umfang des Engagements sowie zum Bezugszeitraum zurückzuführen.
Für den Freiwilligensurvey wurde beispielsweise gefragt, ob die befragte Person in den letzten 12 Monaten in einem Verein, einer Initiative, einem Projekt oder einer Selbsthilfegruppe, also in mehr oder weniger festen Organisationsstrukturen, im Bereich "Umwelt, Naturschutz, Tierschutz" aktiv war.
In der Befragung für das Bundes-Umweltministerium wurde dagegen abgefragt, ob die Person überhaupt schon einmal in einer Natur- oder Umweltschutzgruppe mitgearbeitet hat. Hier wurde auch noch nach anderen Formen des Engagements im Umwelt- und Klimaschutz gefragt. Die Quoten der Aktiven sind bei niederschwelligen Engagementformen deutlich höher (siehe Abbildung 4).
Für den Engagementbericht und die Shell-Jugendstudie wurde nur abgefragt, ob sich die Befragten in den letzten 12 Monate für den Bereich "Umwelt-, Naturschutz, Tierschutz" eingesetzt haben bzw. ob sie sich persönlich für den Umwelt- und Tierschutz einsetzen. Es wurde nicht hinsichtlich der Form des Engagements unterschieden. So steht die kontinuierliche Mitarbeit in einer Jugendnaturschutzgruppe gleichgewichtet neben einer vielleicht einmaligen Aktivität als Teilnehmer*in an einer Demonstration oder Unterstützer*in einer Petition.
Wenn man sich die verschiedenen Engagementbereiche ansieht, fällt auf, dass unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die für ihr Engagement digitale Medien stark nutzen, der Anteil der im Bereich "Umwelt-, Natur-, Tierschutz" Engagierten höher ist als unter denen, die digitale Medien kaum oder gar nicht für ihr Engagement nutzen. Interessant ist auch, dass sich die digital Engagierten von den digital kaum Engagierten hinsichtlich ihrer Motive deutlich unterscheiden: Während bei Letzteren "Spaß" und "Geselligkeit" als Motive dominieren, sind es bei Ersteren "etwas Sinnvolles zu tun" und "für die Gesellschaft etwas bewegen" (ebd.).
Die neuen Formen des Engagements über digitale Medien oder in den neuartigen Jugendumweltbewegungen tragen nicht unmittelbar dazu bei, dass Biotope gepflegt oder Bestände bedrohter Tierarten erfasst werden. Diese Formen zivilgesellschaftlichen Engagements können bei Jugendlichen, jungen Erwachsenen und darüber hinaus aber zu einer breiteren Sensibilisierung für den Natur- und Artenschutz beitragen. Beim Klimaschutz hat die mediale und gesellschaftliche Resonanz der Demonstrationen der "Fridays-for-Future"-Bewegung gezeigt, wie wirkungsvoll ein solches Engagement Jugendlicher sein kann. Ob diese Formen des Engagements dazu führen, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene auch in anderer Weise für den Klima-, Umwelt- und/oder Naturschutz einsetzen, bleibt abzuwarten.
Die oben in Tabelle 1 aufgeführten Daten aus der repräsentativen Studie zum Naturbewusstsein von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigen, dass die Bereitschaft zum Engagement für den Schutz der Natur unter den sozial Bessergestellten deutlich höher ist als bei denen, die sozial benachteiligt sind. Die bereits erwähnte qualitative Studie ergab, dass von den jungen Erwachsenen vor allem solche mit hoher Formalbildung aus moderneren sozialen Milieus im Umwelt- und Naturschutz aktiv sind. Das gilt für junge Erwachsene ohne und mit Migrationshintergrund gleichermaßen. Die aktiven jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund sind zudem in der Regel gut integriert. Für die Mehrheit der jungen Erwachsenen bietet ein Engagement im Umwelt- und Naturschutz nicht genug Nutzen und persönlichen Gewinn. Insbesondere mit Blick auf junge Erwachsene mit Migrationshintergrund wurde als Hinderungsgründe fehlende Anerkennung und Belohnung genannt. Hinzu kommt, dass die Möglichkeiten zum Engagement oft nicht bekannt sind.
Naturkontakte und -erlebnisse sind sowohl für die physische und mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen als auch im Hinblick auf die Entwicklung persönlicher Stärken und sozialer Kompetenzen von hohem Wert. Aus der Perspektive des Naturschutzes sind sie wichtig, weil sie zur Ausbildung positiver Einstellungen zur Natur und zum Naturschutz, naturverträglicher Verhaltensweisen und der Bereitschaft zu Naturschutzengagement im Erwachsenenalter beitragen.
Natur gehört für Jugendliche zu einem guten Leben dazu. In ihren Grundeinstellungen zur Natur unterscheiden sich Jugendliche kaum von Erwachsenen. Jugendliche verbinden mit Natur sehr positive Gefühle. Von einer Naturentfremdung kann bei den meisten Jugendlichen keine Rede sein. Allerdings gibt es Kinder und Jugendliche, denen die Erfahrungsräume, Möglichkeiten und Anregungen für freies Naturerleben fehlen. Distanz zur Natur geht vielfach einher mit niedrigem Bildungsstand und/oder finanzieller Einschränkungen. Damit bleiben ohnehin benachteiligten Kindern und Jugendlichen die positiven Effekte, die das Erleben von Natur auf Gesundheit und persönliche Entwicklung haben kann, oft versagt.
Um insbesondere Kindern und Jugendlichen mit sozialen Benachteiligungen das Erleben von Natur zu ermöglichen, ist es wichtig (unbeobachtete) naturnahe Frei- und Erlebnisräume im Wohnumfeld zu erhalten oder zu schaffen. Brach- oder andere verwilderte Flächen haben, wenn sie vielfältig strukturiert sind, einen mehrfachen Wert:
sie bieten spannende Erlebnisräume,
die Heranwachsenden können hier spielend ihre Interaktionspotentiale und sozialen Kompetenzen erweitern und
ihre Wahrnehmungsfähigkeit für die Natur wächst.
Eine besondere Bedeutung bei der Ermöglichung von Naturerfahrung und der Vermittlung von Naturwissen kommt natürlich Kindergärten und Schulen zu, ggf. in Zusammenarbeit mit außerschulischen Lernorten. Diese sind besonders gefordert, wenn sie von Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen oder in anderer Weise benachteiligten Familien besucht werden. Naturpädagogische Angebote müssten stärker auf diese Zielgruppe ausgerichtet werden und sich an deren Möglichkeiten und Interessen orientieren.
Wichtig wären auch niedrigschwellige Naturerlebnisangebote, die Familien aus sozial benachteiligten Schichten ansprechen, ohne dass diese als ‚Sonderbehandlung‘ wahrgenommen werden. Wertvoll wären solche Angebote zudem als Beitrag zur Integration von Zugewanderten.
Digitale Unterhaltungsangebote und soziale Medien, die altersübergreifend eine hohe Bedeutung haben, sollten nicht als Konkurrenz zum Erleben von Natur angesehen werden, sondern als Möglichkeit genutzt werden, Kinder und Jugendliche an Natur heranzuführen, sei es spielerisch oder über mediale Vorbilder.
Zitat
Viele Jugendliche, vor allem aus Familien mit niedrigem sozialem Status, zweifeln daran, dass sie selbst etwas zum Schutz der Natur beitragen können. Das ist mit ein Grund, warum sie sich nicht engagieren. Ihnen muss die Möglichkeit gegeben werden, die Erfahrung zu machen, dass ihr Einsatz für ein Ziel, das auch andere teilen, lohnt und dass sie mit ihrem Engagement etwas bewegen können.
Dies kann über kleine Projekte geschehen, die nicht zu voraussetzungsvoll sein und natürlich auch Spaß machen sollten. Ein anderer Weg ist, sie zu animieren und dabei zu helfen, die sozialen Medien zu nutzen, um Aktivitäten anderer im Naturschutz zu unterstützen und/oder eigene Beobachtungen oder Anliegen mit anderen zu teilen. Wichtige Akteure wären bei beidem die Schulen. Um Projekte für diese Zielgruppe zu konzipieren und umzusetzen, wären auch Kooperationen örtlicher Naturschutzgruppen mit Einrichtungen der offenen Jugendarbeit sinnvoll.
Angesichts der absehbaren Trends zum einen zur weiteren Digitalisierung, Technisierung und Urbanisierung und zum anderen des Schwindens der biologischen Vielfalt, natürlicher oder zumindest naturnaher Lebensräume reicht es nicht, wenn sich Natur- und Umweltbildung auf eine korrektive Funktion beschränken. Umweltpädagogische Akteure müssen sich viel stärker als bisher auf künftige Entwicklungen einstellen und präventive Konzepte entwickeln, die dazu beitragen, dass die Natur in Deutschland nicht nur auf der Einstellungsebene ihren hohen Wert behält, sondern dass sich diese Wertschätzung auch im Alltagshandeln, im persönlichen Engagement für den Schutz der Natur und in der Unterstützung von Naturschutzpolitik niederschlägt.
Studium der angewandten Kulturwissenschaften (Schwerpunkt Umweltkommunikation) und Promotion (Dr. phil.) an der Universität Lüneburg, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung, Koordinatorin der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung des ECOLOG--Instituts und Co-Geschäftsführerin. Aktuelle Arbeitsgebiete und Forschungsinteressen: gesellschaftliche Anschlussfähigkeit auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Transformationen, Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Risikokommunikation, Umwelt- und Naturbildung, ehrenamtliches Engagement im Natur- und Artenschutz.
Dr. H.-Peter Neitzke
Studium der Physik und Promotion (Dr. rer. nat.) an der Universität Hannover, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Senior Researcher und Assistenzprofessor an den Universitäten Hannover und Aarhus, Dänemark, Wissenschaftlicher Leiter des ECOLOG-Instituts für sozial-ökologische Forschung und Bildung seit seiner Gründung 1991.Aktuelle Arbeitsgebiete und Forschungsinteressen: Klimaschutz und Klimaanpassung, Analyse und Management anthropogener und umweltbedingter Risiken, Nachhaltigkeitsbewertung, ehrenamtliches Engagement in einem Verein, der sich in den Bereichen Naturschutz, Naturerlebnis und Regionalentwicklung engagiert.
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