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Wie kommt der Strompreis zustande? Und warum ist Strom in Deutschland so teuer?

Michael Bauchmüller

/ 8 Minuten zu lesen

In kaum einem Land ist Strom so teuer wie in Deutschland. Das liegt nicht nur an Angebot und Nachfrage, sondern auch an den Kosten der Energiewende. Doch es gibt Auswege und Grund zur Hoffnung.

Strommasten in der untergehenden Sonne bei Bergheim in Nordrhein-Westphalen. (© picture-alliance)

Deutschland, ein sonniger Junitag. Eine angenehme Brise geht durchs Land. Schon am Vormittag sinkt der Strompreis an der Börse, am Nachmittag ist er bei null Euro für die Megawattstunde. Wer jetzt dort Strom kauft, bekommt ihn umsonst. Denn fast aller Strom kommt zu dieser Stunde aus erneuerbarer Energie, vor allem aus Sonne und Wind.

Ein Wintertag, fast genau ein halbes Jahr später . Mitte Dezember sind die Tage kürzer, der Himmel ist grau. Kein Lüftchen rührt sich, es herrscht eine „kalte Dunkelflaute“, ohne Sonne und Wind, ohne Sonnen- und Windstrom. Der Strompreis schießt am späten Nachmittag in die Höhe, auf über 900 Euro, in anderen europäischen Ländern steigt er mit – denn Deutschland importiert jetzt reichlich Strom.

Zwei Tage, zwei Realitäten: Was passiert da am deutschen Strommarkt? Was bedeutet das für die Verbraucherinnen und Verbraucher? Und warum ist Strom in Deutschland so teuer? Ein Überblick.

Zweierlei Strompreise

Strompreis ist nicht gleich Strompreis. Wenn an der Strombörse die Preise für Elektrizität Rekorde erreichen oder bei Preisen unter null Euro hingegen Geld für die Abnahme von Strom gezahlt wird, bekommen Haushalte und die meisten Unternehmen nichts davon mit. Die Interner Link: Börse ist der Ort der Händler, hier decken sich Stadtwerke und andere Stromanbieter mit Strom ein – zum Großhandelspreis. Sie schließen unterschiedliche langlaufende Verträge, um die Schwankungen am Markt auszugleichen. Daraus wiederum gestalten sie Angebote für ihre Kunden – zum Verbraucherpreis. 2024 kostete eine Kilowattstunde Strom an der Börse im Schnitt 7,9 Cent.

Doch die Börse ist das eine, der Strom aus der Steckdose etwas anderes. Haushalte schließen in aller Regel längerfristige Verträge mit festen Preisen. Der Börsenpreis ist hier nur ein Teil. Zusammen mit allen Steuern, Umlagen und Entgelten kam der Strom im Jahr 2024 für 40 Cent je Kilowattstunde aus der Steckdose.

Wie der Börsenpreis zustande kommt

Wie an jeder Börse herrscht auch beim Strom das Interner Link: Gesetz von Angebot und Nachfrage. Aber es gibt eine Besonderheit: Windräder, Solarzellen, Gas- und Kohlekraftwerke erzeugen alle dasselbe, nämlich elektrischen Strom. Aber sie tun das zu sehr unterschiedlichen Kosten. Da wären zunächst die erneuerbaren Energien, die mittlerweile den größten Anteil beisteuern. Solarparks oder Windräder brauchen keinen Brennstoff. Wenn der Wind weht oder die Sonne scheint, können sie Strom erzeugen.

Selbst wenn sie diesen Strom sehr billig verkaufen, machen sie noch einen kleinen Gewinn – zumal viele dieser Anlagen auch staatlich gefördert werden. Jenseits davon gibt es Kraftwerke, die Brennstoffe benötigen – Kohle zum Beispiel, oder Gas. Ihre Betreiber müssen also laufend Geld ausgeben, wenn sie Strom erzeugen wollen. Das machen sie logischerweise erst dann, wenn sie dieses Geld über den Strompreis auch zurückverdienen können. Zu den Kosten für den Brennstoff kommen auch noch jene für sogenannte Emissionszertifikate. Denn sowohl Kohle- als auch Gaskraftwerke erzeugen klimaschädliches Kohlendioxid. Für jede Tonne CO2 müssen ihre Betreiber ein Zertifikat kaufen. 2024 kostete ein Zertifikat zwischen 52 Euro und 84 Euro je Tonne. Fossile Energie wird so zusätzlich teurer.

Aus alldem ergibt sich die so genannte „merit order“, die Einsatz-Reihenfolge. Denn jeder Betreiber wirft ein Kraftwerk erst an, wenn es mindestens seine gesamten Kosten deckt. Das teuerste Kraftwerk, das so noch zum Einsatz kommt, definiert damit den Strompreis.

Das funktioniert so: Wenn Wind und Wetter es zulassen, erzeugen also mindestens Windräder und Solarparks Strom. Reicht das nicht, um die Nachfrage zu decken, müssen andere Kraftwerke ran, aber dafür muss der Strompreis steigen. Die nächstgünstige Energie ist in aller Regel importierter Atomstrom, gefolgt von der Kohle. Und reicht auch deren Strom nicht, müssen Gaskraftwerke ran. Weil Gas vergleichsweise teuer ist, verlangt das auch einen sehr hohen Strompreis. Das erklärt auch, warum an Tagen mit wenig Ökostrom die Börsenpreise so stark steigen – und umgekehrt.

Was Strom in Deutschland teuer macht

Deutsche Haushalte zahlen so viel für Strom wie niemand sonst in Europa. Denn in der EU kostete er im ersten Halbjahr 2024 durchschnittlich 29 Cent je Kilowattstunde und damit 12 Cent weniger als in Deutschland. In Frankreich und Österreich lag er sogar leicht unter diesem Durchschnitt. Woran liegt das?

Seit jeher wird auf den Strompreis hierzulande noch eine Menge aufgeschlagen. Es gibt Umlagen und Abgaben, die ein Stromversorger auf seine Kunden umlegen kann, ähnlich den Nebenkosten einer Mietwohnung. Dazu kommen die Stromsteuer und auf alles am Ende noch die Umsatzsteuer. Dieser Kostenblock aus Abgaben, Steuern und Umlagen machte 2024 rund ein Viertel der Stromrechnung aus.

Bis 2022 gab es die sogenannte EEG-Umlage, die in den Jahren zuvor zwischen 3 bis 7 ct/kWh lag. Sie war im Jahr 2000 eingeführt worden, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern und garantierte den Betreibern der Energieanlagen eine feste Vergütung des Ökostroms. Um die Strompreise zu senken, wurde die Umlage 2023 abgeschafft. Die Förderung des Ökostroms nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird nun aus dem Bundeshaushalt gezahlt. Im Jahr 2024 betrug sie 18,5 Milliarden Euro.

Diese Abgaben, Steuern und Umlagen enthält der Strompreis

  • Stromsteuer: Teil der Ökosteuer, wurde 1999 zur Förderung klimapolitischer Ziele eingeführt, fließt jetzt aber zu einem großen Teil in die Rentenversicherung. Sie beträgt 2,05 ct/kWh.

  • Umsatzsteuer in Höhe von 19% auf alle Preisbestandteile.

  • KWK-Umlage: Die Umlage wurde 2002 eingeführt, um die Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung zu fördern.

  • §19 NEV- Umlage: 2012 eingeführte Umlage, um die ermäßigten Netzentgelte für Industrieunternehmen zu finanzieren.

  • Offshore- Netzumlage: zur Finanzierung von Schadensersatzforderungen, die durch Verzögerungen und Ausfälle bei der Netzanbindung von Offshore-Windparks entstehen könnten. Die Umlage wurde 2013 eingeführt.

  • Konzessionsabgabe: von der Kommune erhobenes Wegerecht für den Bau und Betrieb von Leitungen.

Viel schwerer wiegen mittlerweile die sogenannten Netzentgelte. Damit bezahlen die Stromkunden dafür, dass es Leitungen gibt, über die der Strom zu ihnen gelangt. Auch die Kosten für deren weiteren Ausbau werden so auf die Gemeinschaft der Stromkunden umgelegt. LetztendlichInterner Link: verbergen sich dahinter also auch die Kosten der Energiewende. Zwar drückt der Ausbau der erneuerbaren Energien den Strompreis. Aber gleichzeitig braucht es neue Stromtrassen, um etwa Windenergie aus dem Norden in den Süden zu bringen.

Auf der Stromrechnung machen diese Kosten mittlerweile knapp ein Drittel der Kosten aus, Tendenz steigend. Allerdings ist der Verzicht auf den Ausbau auch nicht billiger, denn dann wird es komplizierter – und teurer – Interner Link: das Netz stabil zu halten, vor allem wenn gleichzeitig die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden. Auch diese Kosten stecken in den Netzentgelten. Von den 40 Cent macht die eigentliche Beschaffung des Stroms inklusive des Gewinns für die Versorger nur gut 18 Cent aus.

Eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft?

Vor allem die deutsche Industrie klagt über hohe Strompreise – und hier vor allem jene Firmen, die besonders viel Strom verbrauchen. Hierzu gehören Stahlwerke, Glashütten, Papierfabriken und Aluminiumhersteller. Ohne Strom läuft kein Werk im Land, damit ist er ein Faktor im internationalen Wettbewerb. Vor allem die Energiepreiskrise des Jahres 2022 hat die Preise ansteigen lassen – auch für die Industrie. Doch die Lage ist nicht für alle Unternehmen gleich. Vor allem energieintensive Unternehmen, also solche mit hohem Stromverbrauch, sind von einem großen Teil jener Steuern und Umlagen befreit, die den Preis für Haushalte so hochtreiben. Für sie lag der Preis 2024 bei 10,5 Cent die Kilowattstunde – und damit immer noch fast doppelt so hoch wie 2020 . Wer aber nicht in den Genuss dieser Vergünstigungen kommt, zahlte fast 17 Cent – ähnlich viel wie im Jahr 2020.

Im Wettbewerb ist das ein Nachteil. Denn ob mit oder ohne Vergünstigung – im europäischen Vergleich zahlt die deutsche Wirtschaft überdurchschnittlich viel für den Strom. Noch größer ist der Abstand zu China und den USA. Andererseits: Nicht jedes Unternehmen steht im internationalen Wettbewerb, und nicht jedes hat einen hohen Stromverbrauch. Der energieintensiven Industrie entsteht dabei jedoch ein Wettbewerbsnachteil.

Wie andere es machen

Es gibt viele Gründe dafür, dass Strom in anderen Ländern günstiger ist. In den USA etwa, die per Interner Link: Fracking selbst Erdgas fördern, ist Strom aus Gaskraftwerken deutlich günstiger. Der Merit-Order-Effekt wird so gedämpft. In Frankreich subventionierte lange der Staat den Preis für Atomstrom - doch diese Regelung läuft Ende 2025 aus. Danach werden auch dort die Strompreise steigen.

Gleichzeitig fallen Kosten für den Ausbau der Stromnetze, wie sie den deutschen Strom derzeit teurer machen, vor allem in Ländern an, die auf erneuerbare Energien umstellen. In vielen Ländern steht dieser Umbau erst an – zumal sich die Staatengemeinschaft bei der UN-Klimakonferenz in Dubai 2023 vorgenommen hat, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen. Das bedeutet in vielen Ländern erst einmal steigende Kosten – für den Umbau des Energiesystems.

Wie geht es weiter?

Der Ausbau der Stromnetze ist noch lange nicht abgeschlossen, und damit wird auch ihr Anteil an den Strompreisen absehbar weiter wachsen. Denn ein erneuerbares Stromsystem braucht nicht nur große Stromautobahnen von Nord nach Süd. Auch das so genannte Verteilnetz muss stärker werden. Das ist jenes Netz, das einerseits den Strom bis zu den Haushalten bringt, in das aber andererseits auch die knapp fünf Millionen Solaranlagen im Land einspeisen. Die Kosten für den Ausbau der Verteilnetze schätzen deren Betreiber allein bis 2033 auf 110 Milliarden Euro. Auch braucht es mehr Verbindungen mit den Stromnetzen der Nachbarländer. Mehr Austausch kann auch Preisspitzen am Strommarkt dämpfen, und insgesamt wird das Netz so stabiler.

Da erneuerbare Energieanlagen nicht immer gleich viel Strom erzeugen, sollen zudem Gaskraftwerke in Zeiten mit wenig Wind- und Sonnenenergie einspringen und die Kohlekraftwerke ersetzen. Die neue Bundesregierung plant bis 2030 Gaskraftwerke mit einer Leistung von 20 Gigawatt bauen zu lassen. Wie sich das auf den Strompreis auswirkt, ist bisher nicht absehbar.

Ohnehin wird das Netz auf Dauer immer wichtiger werden, schließlich Interner Link: wächst auch die Rolle des elektrischen Stroms. Denn zunehmend kommt er in Bereichen zum Einsatz, die bisher mit fossiler Energie betrieben wurden. E-Autos tanken keinen Sprit mehr, sondern Strom, und auch die Wärmepumpe läuft elektrisch, nicht mit Gas. Dadurch dürfte der Strombedarf bis 2030 auf über 700 Terawattstunden anwachsen - von knapp 500 Terawattstunden im Jahr 2024.

Wie sich der Strompreis senken lässt

So, wie es den einen Strompreis nicht gibt, gibt es auch nicht den einen Weg, ihn zu senken. Sicher ist, dass mehr Wind- und Solarenergie den Börsenpreis senkt. Denn dadurch gibt es in der Merit Order mehr Anlagen, die keine Brennstoffe brauchen und Strom entsprechend günstig erzeugen. Das wiederum sorgt dafür, dass teure Gaskraftwerke immer seltener zum Einsatz kommen müssen. So sinkt der Preis.

Innerhalb der EU gibt es auch Pläne, einen Teil der Gewinne abzuschöpfen, die durch das Merit-Order-Prinzip bei Ökostrom-Betreibern landen. Schließlich verdienen die umso mehr, je höher der Strompreis an der Börse steigt – obwohl ihre Kosten gleichbleiben. Denkbar wäre eine Ökostrom-Förderung, die nur in Zeiten niedriger Strompreise Aufschläge zahlt, damit sich die Investition in erneuerbare Energie auszahlt. In Zeiten hoher Strompreise dagegen müssten die Betreiber einen Teil ihrer Einnahmen abgeben.

Jenseits davon bleiben die Steuern und Umlagen. Die Stromsteuer etwa ließe sich senken, von derzeit gut zwei Cent auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent. Und auch die steigenden Kosten für das Stromsystem belasten weiterhin Wirtschaft und Verbraucher. Seit längerem kursieren deshalb Pläne, Teile der Netzentgelte aus Steuermitteln zu finanzieren. Das würde vor allem jene entlasten, die viel Strom verbrauchen – und die derzeit über die Netzentgelte einen Großteil jenes Systems finanzieren, von dem am Ende das ganze Land profitieren soll.

Und auch durch die Digitalisierung könnten Kosten eingespart werden. Digitale Stromzähler (Smart Meter) können helfen, den Stromverbrauch besser mit dem Angebot zu verknüpfen – und Strom vor allem dann abzunehmen, wenn er besonders günstig ist. Entsprechende Stromtarife gibt es schon, doch der Umbau der nahezu antiken Drehstromzähler stockt. Auch private Solaranlagen können helfen, die Kosten zu senken. Das vor allem dann, wenn sie mit einem Stromspeicher verbunden sind, der Energie für Zeiten aufspart, in denen die Sonne nicht mehr scheint. Wobei – und das ist wichtig – der günstigste Strom natürlich nach wie vor jener ist, der erst gar nicht verbraucht wird.

Und schließlich liegt es auch an den Verbraucherinnen und Verbrauchern selbst, wie viel sie für den Strom zahlen. Der Wechsel des Anbieters ist mit den Jahren immer leichter geworden und geht mittlerweile in ein paar Minuten. Und nichts setzt Preise so unter Druck wie der Wettbewerb.

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Michael Bauchmüller ist Korrespondent in der Parlamentsredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ in Berlin, unter anderem mit den Schwerpunkten Umwelt- und Energiepolitik. E-Mail: E-Mail Link: michael.bauchmueller@sueddeutsche.de