Die Diskussion, die in Europa nach dem inzwischen berühmten Rosengartenauftritt Donald Trumps von Anfang April losbrach, hat es offenkundig gemacht: Kaum jemand hat verstanden, warum der US-Präsident an dem von ihm selbst so benannten „Freiheitstag“ hohe Einfuhrzölle für Waren aus 185 Staaten der Welt vor dem Weißen Haus in Washington ankündigte. Kaum jemand hat verstanden, was es heißt, freien und zugleich fairen Handel zwischen souveränen Staaten zu ermöglichen. Viele Politiker und Ökonomen fragten sich, wieso die USA auch befreundete Nationen mit einem Handelskonflikt drohen, obwohl das zu ihrem eigenen Nachteil sei. Am wenigsten verstanden wird es in Deutschland, weil das Land sich in den vergangenen zwanzig Jahren so sehr an große Leistungsbilanzüberschüsse gewöhnt hat, dass jeder glaubt, sie gehörten zur deutschen DNA und hätten mit dem Ausland nichts zu tun.
Viele Politiker und Ökonomen tun dabei so, als sei der internationale Handel bis hierhin ein harmonischer und friedlicher Austausch gewesen, bis Trump kam und ihn zu einem Boxkampf machte. Doch der Wettbewerb der Nationen, der Standortwettbewerb, der schon viele Länder in den Ruin trieb, der unzählige Krisen verursacht hat, der für die Menschen in den betroffenen Ländern Armut, Verzweiflung und Hunger bedeutete, fühlt sich nur dann wie ein friedlicher Austausch an, wenn man regelmäßig auf der Gewinnerseite steht.
Die Tatsache, dass Europa seit der Jahrhundertwende nichts anderes im Sinn hatte, als seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, ging in den Augen der Gewinner natürlich nicht zu Lasten anderer Nationen, weil es in deren Welt gar nicht um Vorteile geht, die der eine zulasten des anderen erzielt. Es geht auch nicht um Überschüsse, die notwendigerweise Defizite nach sich ziehen.
Auch Defizite sind offenbar vollkommen in Ordnung, was man leicht daran erkennen kann, dass selbst Westdeutschland ein einziges Mal (!) in den vergangenen 75 Jahren (im Jahr 1980) ein Defizit in seiner Leistungsbilanz aufwies. Die geradezu panische Reaktion beinahe der gesamten deutsche Politik führte dabei eindrucksvoll vor Augen, dass der Außenhandel niemals ein friedliebendes win-win für alle war.
Trumps Handelsberater Navarro hat es aufgeschrieben
Hätten die Politiker und Ökonomen nur einmal gelesen, Externer Link: was Trumps wichtigster Handelsberater in der Financial Times geschrieben hatte, dann hätten sie ernsthaft argumentieren können. Peter Navarro betont dort, dass es bei den angedrohten Strafzöllen gar nicht um den Handel selbst geht. Er stellt zu Recht fest, dass die klassischen Verteidiger des Freihandels wie Adam Smith oder David Ricardo und die anderen Freihändler bei ihren Ableitungen unterstellt haben, dass der Handel zwischen den beteiligten Ländern weitgehend saldenfrei bleibt, also ohne Defizite und Überschüsse. Der Grund: Das internationale Währungssystem (damals der Goldstandard) sorgte dafür, dass Länder mit Defiziten ihre Währung abwerten und die Währungen von Ländern mit Überschüssen aufwerten, sodass die Salden nicht von Dauer sind.
Auf die heutigen Verhältnisse übertragen: Nur wenn in allen am Handel beteiligten Ländern sich die Lohnsteigerungen am nationalen Produktivitätszuwachs ausrichten und verbleibende Inflationsdifferenzen durch Ab- oder Aufwertungen der nationalen Währungen ausgeglichen werden, kann es überhaupt fairen Handel geben.
Diesen Wechselkursmechanismus gibt es nicht. Die permanente Spekulation auf den Devisenmärkten ist der wichtigste Grund dafür, dass heute die Inflationsdifferenzen nicht systematisch ausgeglichen werden. Folglich gilt auch die klassische Handelstheorie nicht mehr, nach der alle profitieren. Was bleibt: Große Gewinner und große Verlierer auf der Ebene der Länder, weil es sich bei den Salden um eine Nullsummenspiel handelt. Das Leistungsbilanzsaldo der Welt ist null. Wenn jemand einen Überschuss hat, muss ein anderer ein Defizit haben. Wenn jemand seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert, muss jemand anders an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Der mit der Verbesserung und dem Überschuss gewinnt Arbeitsplätze und Einkommen, der mit der Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit und dem Defizit verliert.
In Deutschland wurde die Agenda-Politik von Rot-Grün lange, auch von Liberalen und Christdemokraten, in den Himmel gelobt. Doch genau diese Politik hat zum Anschwellen des deutschen Überschusses geführt, weil Deutschland in der Währungsunion durch Lohnzurückhaltung real abwertete, aber nicht mehr isoliert aufwerten konnte. Auch Externer Link: in der neuen schwarz-roten Koalition ist die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit das allergrößte Mantra. Wenn man mit aller Macht die Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit anstrebt und gleichzeitig glaubt, die Verlierer würden auf alle Ewigkeit mit ihrer Rolle abfinden und die die „deutschen Erfolge“ bewundern, muss man sich über einen Handelskonflikt nicht wundern.
US-Defizit in Höhe von über 1.000 Milliarden Dollar
Nun erhebt Trump seine Stimme auf der Seite der Defizitländer - und alle sind auf den Barrikaden. Trump will inzwischen Produkte aus der halben Welt mit Zöllen belegen, die dafür sorgen sollen, dass die Importe der USA weniger schnell steigen und das US-Leistungsbilanzdefizit sinkt. Dieses Defizit der Vereinigten Staaten hat im vergangenen Jahr den Wert von 1.000 Milliarden US-Dollar überschritten (1,13 Billionen), fast vier Prozent der amerikanischen Wirtschaftsleistung.
Der amerikanischen Regierung angesichts der ergriffenen Maßnahmen Merkantilismus vorzuwerfen, ist hanebüchen. Die Merkantilisten, also die Anhänger einer Wirtschaftslehre aus dem Zeitalter des Absolutismus, die hohe Exporte fordern, sind diejenigen, die seit Jahrzehnten Leistungsbilanzüberschüsse aufweisen. Und es sind diejenigen, die sich nun wundern, dass das wichtigste und größte Defizitland dieser Erde ihren Merkantilismus, auf den sie in der Regel auch noch stolz sind, nicht mehr erträgt. Besonders Deutschland, das allein im vergangenen Jahr mit den USA einen Warenüberschuss von 70 Milliarden Euro erwirtschaftet hat, steht zu Recht am Pranger und wird zu Recht von den amerikanischen Maßnahmen getroffen.
Das „Faktenblatt“, das vom Weißen Haus veröffentlicht worden ist, gibt eine klare, absolut richtige und unbestreitbare Begründung für die Einbeziehung Deutschlands: