US-Präsident Donald Trump hat immer wieder deutlich gemacht, wie wenig er von Klimapolitik hält. In seiner ersten Amtszeit hatten die USA bereits das Pariser Klimaschutzabkommen aufgekündigt. Nachdem sie unter Präsident Joe Biden 2021 dem Abkommen wieder beigetreten waren, unterzeichnete Trump gleich am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit im Januar 2025 ein Schreiben an die Vereinten Nationen, in dem er erneut aus dem Klimaschutzabkommen ausstieg. Am selben Tag lancierte er einen Plan, der Ölbohrungen in Alaska ermöglicht. Gleichzeitig blockierte er Genehmigungen für Windparks und verhinderte, dass erneuerbare Energieprojekte auf öffentlichen Grundstücken entstehen können. Subventionen für E-Autos setzte er ebenfalls aus.
Noch ist nicht klar, was aus dem US Inflation Reduction Act (IRA) wird, den Biden aufgelegt hatte. 400 Milliarden Dollar an Subventionen unter anderem für den Ausbau erneuerbarer Energien hatte er damit bereitgestellt. Trump nennt das Paket „sozialistischen grünen Betrug“, und versucht, bisher nicht ausgezahltes Geld zurückzuhalten. Hatte
Der amtierende US-Präsident strebt eine radikale Wende in der Klimapolitik an. Er setzt auf fossile Energie, als hätten Treibhausgase keine schädlichen Nebenwirkungen. Für das Klima ist das eine schlechte Nachricht, denn die USA sind nach China weltweit der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen. „Ohne die USA wird es enorm schwer, dass wir das 2-Grad-Ziel oder 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch erreichen können“, sagt Claudia Kemfert, die am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin die Abteilung für Energie, Verkehr und Umwelt leitet.
Bisher ist nicht abzusehen, ob andere Länder dem Beispiel der USA folgen und sich vom Klimaabkommen verabschieden. In Trumps erster Amtszeit fanden sich keine Nachahmer. Diesmal könnte das anders sein. Klimapolitik hat in vielen Ländern an Priorität verloren, obwohl die Auswirkungen des Klimawandels immer sichtbarer werden.
Was bedeutet das für Europa? Bei den kommenden Klimakonferenzen, etwa bei der COP30 im November in Brasilien, wird sich die Aufmerksamkeit auf Europa richten, bisher schon Vorreiter beim Klimaschutz dank seiner verbindlichen Klimaziele. Je mehr sich die USA von nachhaltiger Politik verabschieden, desto mehr kann Europa zum Vorbild werden. Aber wird Europa diese Chance nutzen? Und wird sich das Gewicht Europas in der Welt dadurch verändern?
Ehrgeiziges Dekarbonisierungsziel der EU für 2030
Die EU hat sich schon für 2030 das ehrgeizigste Dekarbonisierungsziel der großen Wirtschaftsblöcke vorgegeben: Bis dahin soll der Ausstoß von Treibhausgasen um 55 Prozent zurückgehen gegenüber dem Basisjahr 1990. Die EU befindet sich auf gutem Wege. Im Mai gab die EU-Kommission bekannt, dass die Emissionen um 54 Prozent sinken dürften, wenn die Mitgliedstaaten ihre Pläne einhalten. Kurz zuvor hatten rund 150 Führungspersönlichkeiten von Unternehmen wie Allianz, SAP und Google gefordert, dass die EU auch für 2040 eine verbindliche Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgase um mindestens 90 Prozent festschreiben soll. Dies würde bedeuten, dass die Stromgewinnung zwischen 2036 und 2040 komplett dekarbonisiert werden müsste. Die EU-Kommission will noch vor der Sommerpause ein solches festes Ziel für 2040 vorschlagen.
Die Initiative aus der Wirtschaft kommt allerdings nicht von ungefähr, denn in Europa ist der Klimaschutz auf der Prioritätenliste nach unten gerutscht. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), die in ihrer ersten Amtszeit den
Dass sich die EU von den USA anstecken lassen könnten und den Kampf gegen den Klimawandel schleifen lassen, befürchten Experten wie Caspar Hobhouse vom European Institute for Security Studies (ISS). Er fordert, Europa müsse standhaft bleiben: „Es darf weder einen Rückzieher bei den Klimazielen noch eine Abschwächung oder Verzögerung bei der Umsetzung von Vorschriften geben.“ Er unterstreicht auch, dass Europa sich nicht von den USA unter Druck setzen lassen sollte, verflüssigtes Gas (LNG) abzunehmen, um die Handelsbilanz auszugleichen. Washington hat den Europäern Ermäßigungen von Zöllen angeboten, wenn sie fossile Energie im Gegenwert von 350 Milliarden Dollar in den USA kaufen würden. Die US-Regierung wolle Europa „offenbar in neue Abhängigkeiten drängen“, befürchtet ISS-Experte Hobhouse.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kennt die Vorteile klimafreundlicher Energien. „Saubere heimische erneuerbare Energie stärkt nicht nur unsere direkte Resilienz, sie fördert Jobwachstum und Innovation in unserer eigenen Wirtschaft“, spricht sie Chancen an, die durch eine Umstellung entstehen könnten. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert, dass sich der weltweite Greentech-Markt bis zum Jahr 2035 auf über zwei Billionen Dollar verdreifachen wird. Die IEA schätzt auch, dass ein Drittel der Technologien, die für die 2050 angepeilte Klimaneutralität notwendig sind, erst noch entwickelt werden muss. „Länder realisieren heute, dass ihr künftiger Wohlstand davon abhängen wird, wie ihnen der Übergang zu sauberer Energie gelingt“, sagt die französische Diplomatin Laurence Tubiana, eine der Architektinnen des Pariser Abkommens und Sondergesandte für Europa bei COP30.
EU Weltmarktführer in sauberen Technologien
Trumps Politik könnte es europäischen Unternehmen erleichtern, sich am rapide wachsenden Greentech-Markt zu etablieren. Die Wettbewerbsverzerrungen, die durch den IRA entstanden sind, entfallen, wenn Subventionen zurückgedreht werden. Der polnische Staatssekretär für Klima, Krzysztof Bolesta betont, viele der Unternehmen, mit denen er sich unterhalten haben, beklagten sich über den IRA: „Wir haben eine Chance, ich hoffe sehr, dass wir sie nicht verspielen“.
Mario Draghi, früher Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), hat in seinem wegweisenden Bericht zu Europas Wettbewerbsfähigkeit auf einen zentralen Punkt hingewiesen: Die Dekarbonisierung in Europa birgt Potenzial, wenn es einen gut abgestimmten Plan dafür gebe. „Wenn wir unsere Politik dafür nicht koordinieren, dann besteht die Gefahr, dass die Dekarbonisierung Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum hemmt.“
Der Bericht betont, dass die EU Weltmarktführer in sauberen Technologien wie Windturbinen und umweltfreundlichen Treibstoffen ist. Europa hält mehr als 60 Prozent der Patente für Treibstoffe mit niedrigen Emissionen, wichtig etwa für den Flug- und Schiffsverkehr. Bei der Entwicklung von Wasserstofftechnologien ist Europa ebenfalls gut aufgestellt, sodass sich insgesamt ein positives Bild bei Clean Tech ergibt. „Mehr als ein Fünftel der sauberen und nachhaltigen Technologien werden hier entwickelt“, heißt es in dem Bericht, gefolgt von der Warnung: „Aber es ist nicht sicher, dass Europa die Chance ergreift.“
Die EU-Kommission träumt schon länger davon, grüne Technologie aus Europa zum Exportschlager zu machen. Die Konkurrenz aus China ist allerdings hart. Besonders eindrucksvoll ist das bei der Elektromobilität zu sehen. Dank massiver Subventionen der chinesischen Regierung haben Hersteller wie BYD einen immensen Vorteil. Hinzu kommt: China verfügt über wichtige Rohstoffe wie Seltene Erden. Und selbst in Bereichen, in denen China die Rohstoffe nicht selbst fördert, hat China sich eine unangefochtene Position in der Wertschöpfungskette geschaffen. So kontrolliert China 70 Prozent der Lithiumzellenherstellung für Elektro-Autos.
Auch China hat mit massiven staatlichen Beihilfen den Greentech-Markt verzerrt
In die Solarbranche fließen in China ebenfalls üppige Subventionen - die Berliner Denkfabrik Mercator Institute for China Studies (Merics) spricht von 60 Milliarden Dollar, die bisher an chinesische Unternehmen geflossen sind. Die Kapazitäten sind mittlerweile so stark gewachsen, dass dem Draghi-Bericht zufolge das Angebot bis 2030 doppelt so groß wie die weltweite Nachfrage sein wird. Wenn Länder wie die USA Cleantech aus China aussperren, dann wird die Volksrepublik erst recht versuchen, die Produkte zum Beispiel in Europa zu niedrigem Preis anzubieten. Für Europas Verbraucher wäre es durchaus attraktiv, grüne Güter zu niedrigem Preis zu erwerben. Wenn dadurch europäische Anbieter vom Markt gedrängt würden, entsteht jedoch ein Schaden.
Einfache Rezepte werden also nicht weiterhelfen. Die EU wird sich überlegen müssen, welche grüne Branchen sie fördern will. Und, bei welchen Produkten sie auf chinesische Ware zurückgreift, die wesentlich kostengünstiger ist. Wenn die EU wie geplant bis zum Jahr 2030 mindestens 42,5 Prozent ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien decken will, muss sie die Zahl der Solarpanele verdreifachen und die Windenergie-Kapazitäten verdoppeln – und zwar völlig unabhängig von Trumps Energiepolitik.
Das Beispiel China zeigt, dass Europas Klimapolitik die EU nicht automatisch zu einem gigantischen Player bei Green-Tech macht. Mit seinen massiven staatlichen Beihilfen hat China den Markt verzerrt. Seine führende Rolle in E-Mobilität und Solartechnologie verhilft dem Land gleichzeitig zu einem grünen Image, das überdeckt, dass es der größte Emittent von Treibhausgasen bleibt.
Von der Leyen hat 2024 bei ihrer Bewerbung für eine zweite Amtszeit ausdrücklich betont, dass Europa eine führende Kraft bei den internationalen Klimaverhandlungen bleiben soll und kündigte an, die Klimadiplomatie der EU zu verstärken. Schon jetzt wird der Klimakommissar der EU von einem eigenen Sondergesandten für Klima unterstützt. Doch ob sich all das unmittelbar in Macht und Einfluss umwandelt, ist ungewiss. Viel wird davon abhängen, wie sich andere Länder in den kommenden Jahren aufstellen. Und davon, ob Europa Verbündete für seinen klimafreundlichen Kurs findet. Die Kehrtwende der USA wird nicht ausreichen, damit sich die EU profilieren kann. Sie wird sich an den Einsparungen ihrer Emissionen messen lassen müssen - und an konkreten wirtschaftlichen Erfolgen. Ohne überzeugende klimafreundliche Produkte „Made in Europe“ wird es dem Kontinent schwerfallen, sich international Respekt zu verschaffen.
Europas Emissionen könnten indes wegen eines anderen Politikschwenks von Trump steigen. Der US-Präsident macht Druck auf Europa, selbst für seine Sicherheit zu sorgen. Schon als Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine haben EU-Staaten zwischen 2021 und 2024 ihre Militärausgaben um 30 Prozent gesteigert. Nun wird erwartet, dass sie ihre Militärbudgets weiter hochfahren: von durchschnittlich 2 auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Nicht-Regierungsorganisation Conflict and Environment Observatory hält Schätzungen für realistisch, dass jeder Prozentpunkt an Zuwachs bei Militärausgaben relativ zur Wirtschaftsleistung die Emissionen eines Landes um 0,9 bis 2,0 Prozent steigert, weil für die Produktion von Panzern, Flugzeugen und anderem militärischem Gerät Stahl benötigt wird. Zu diesem Thema findet bisher keine öffentliche Debatte statt.