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Handelskriege: Eine lange Geschichte | Globaler Handel | bpb.de

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Handelskriege: Eine lange Geschichte

Werner Plumpe

/ 8 Minuten zu lesen

Ist die Zeit der großen Wirtschaftskonflikte zurück? Warum sie geführt werden, obwohl sie für alle nur Nachteile bringen und leicht eskalieren können, erklärt der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe.

Geburtsstunde der Nachkriegsordnung: Auf der Konferenz von Bretton Woods im Juli 1944 legten Delegierte aus 44 Staaten den Grundstein für ein neues internationales Finanzsystem. (© picture-alliance/AP, Abe Fox)

Eigentlich gibt es beim Welthandel wenig Unklarheit. Eine möglichst reibungslose und effiziente grenzüberschreitende wirtschaftliche Kooperation ist insgesamt stets vorteilhaft, insgesamt! Doch ein Nebeneffekt ist: Nicht alle an der globalen Arbeitsteilung beteiligten Akteure profitieren gleichermaßen. Und gerade deshalb sind neben dem üblichen wirtschaftlichen Wettbewerb stets auch weitergehende Rivalitäten im Spiel.

Denn: Im Zuge einer funktionierenden internationalen Arbeitsteilung stellen sich in der Regel regionale Gewichtsverlagerungen ein. Diese haben regelmäßig auch politische Auswirkungen, denn der Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen entscheidet über die politische und militärische Handlungsfähigkeit eines Landes.

Was allen nutzt, erzeugt so zugleich massive Konflikte. Diese Konflikte sind so alt wie die überlieferte Geschichte. Schon immer konkurrierten Kaufleute um aussichtsreiche Geschäfte; schon immer waren dabei auch robuste Maßnahmen im Spiel. Handelskonflikte, gar Wirtschaftskriege nach heutigem Verständnis waren das aber noch nicht. Diese entstanden erst, als Obrigkeiten und später Staaten ins Spiel kamen, die in wirtschaftlichen Auseinandersetzungen politische und unter Umständen auch militärische Mittel einsetzten, um ihren Territorien oder den eigenen Kaufleuten Vorteile zu verschaffen, von denen schließlich auch die Staaten selbst profitierten. Das wurde umso bedeutender, je mehr die Staatenkonkurrenz von der Möglichkeit der Nutzung militärischer Mittel abhing, die letztlich an der Ressourcenverfügbarkeit und den ökonomischen Handlungsspielräumen hängen, die ein Territorium hat.

Als in der Militärischen Revolution der Frühen Neuzeit mit stehenden Heeren, Artillerie, Festungsbauten und neuen Taktiken der Seekriegsführung der nötige Aufwand für erfolgreiche Kriegsführung oder Landesverteidigung gewaltig anstieg, gewannen wirtschaftliche Rivalitäten eine grundlegend neue Bedeutung. Sieentschieden nämlich nicht selten, ob es zu einer erfolgreichen Staatsbildung und -konsolidierung überhaupt kommen konnte. Aus wirtschaftlichen Rivalitäten, die unter regulären Umständen sogar zu allgemeinen Leistungssteigerungen führen konnten, wurden so gefährliche Rivalitäten. So wurden Handelskonflikte im merkantilistischen, also auf staatliche Eingriffe pochenden Denken des 17. und 18. Jahrhunderts auch gerechtfertigt.

Welthandel als Nullsummenspiel

Man dachte damals den internationalen Handel als eine Art Nullsummenspiel: Was der Eine verliert, gewinnt der Andere - und umgekehrt. Die Schädigung der wirtschaftlichen Möglichkeiten des Gegners zur eigenen Stärkung erschien nicht nur legitim, sondern geradezu zwingend. Hier liegt der Grund der bis heute anhaltenden Konflikte, der sie auch so schwer beherrschbar macht: Was allen nützt, kann gerade der Grund weitergehender Rivalitäten sein.

Diese Inkongruenz ökonomischer Vorteile und politischer Risiken ist bei Wirtschafts- und Handelskriegen immer zu bedenken, denn mein möglicher politischer Vorteil kann mir als Staat gerade wirtschaftlich überaus nachteilig sein.

Dabei gibt es kaum historischen Beispiele dafür, dass Wirtschafts- und Handelskriege oder ähnlich motivierte Sanktionen je zu einem dauerhaften Erfolg im Sinne ihrer Erfinder geführt hätten. Napoleons Kontinentalsperre ging ebenso nach hinten los wie die britische Blockade der deutschen Wirtschaft im Ersten Weltkrieg diesen verlängerte und an Intensität und Verbitterung nur zunehmen ließ. Statt eines Friedens kam es beim Friedenvertrag von Versailles 1919 zum Festschreiben des Wirtschaftskrieges, wodurch gegenseitiges Misstrauen und Gegnerschaft nur neue Nahrung erhielten.

Friedliche Phasen mit geregelten Weltwirtschaftsbeziehungen waren auch niemals das Ergebnis von Sanktionen, sondern das Ergebnis verheerender Kriege, nach denen es einen eindeutigen Sieger gab, der die Regeln diktieren konnte. Dies war nach der Niederlage Napoleons mit der Pax Britannica der Fall, als das Britische Empire als dominierende Weltmacht agierte und für eine gewisse globale Stabilität sorgte. Dies war auch der Fall, als nach 1945 die USA so stark waren, dass sie als Anker und Garantie einer neuen Ordnung, der Pax Americana, in der westlichen Hälfte der Weltwirtschaft dominieren konnten. Dass eine derartige Konstellation wiederkehrt, ist im Zeitalter der nuklearen Abschreckung nicht nur unwahrscheinlich, sondern in keiner Weise wünschenswert.

Stets erhebliche Störungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit

Die Geschichte zeigt: Wirtschafts- und Handelskriege haben stets erhebliche Störungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Folge und sind in aller Regel mit einem hohen Preis verbunden, den beide Seiten einer solchen Auseinandersetzung zahlen. Beilegen lassen sie sich zweitens nicht, sondern nur zeitweilig „regulieren“, und zwar durch die militärische Unterwerfung einer der Konfliktparteien und die Errichtung einer Ordnung der Sieger.

In dieser Regulation liegt allerdings auch der Grund ihrer Vergänglichkeit. Denn wenn eine solche Ordnung funktionieren soll, muss sie für alle Beteiligten vorteilhaft sein. Sollte sie nicht auf freiwilliger Kooperation beruhen, werden ihre Durchsetzungskosten rasch so hoch, dass der „Hüter des Marktes“ nicht gewillt ist, sie dauerhaft allein zu tragen. Der Grund für die Erosion der Ordnungen liegt allerdings nicht allein in ihrer Kostenträchtigkeit, die ja zu Beginn in der Regel gern in Kauf genommen wird, sondern in der Eigendynamik des durch sie begünstigten ökonomischen Strukturwandels. Ein Blick auf die Pax Britannica oder die Pax Americana mag das verdeutlichen.

Die britische Vorherrschaft im 19. Jahrhundert war das Ergebnis des militärischen Triumphs über Napoleon einerseits, des unerreichten ökonomischen Modernisierungsgrades der britischen Wirtschaft im Zuge der Industrialisierung andererseits, auf deren Basis der Aufbau eines großen Kolonialreiches möglich wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts steuerte Großbritannien etwa die Hälfte der globalen gewerblichen Produktion bei und beherrschte den Welthandel mit London als dessen finanziellem Epizentrum souverän.

Insofern war es schlicht vorteilhaft, mit Großbritannien eng zu kooperieren und seine Regeln (Freihandel, später den Goldstandard) zu akzeptieren, wollte man wirtschaftlichen Erfolg haben. Großbritannien ließ auch stets wenig Zweifel daran aufkommen, diese Vorgehensweise weltweit durchzusetzen (Freihandelsimperialismus).

Aufstieg der USA nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs

Freilich machte das Land schnell die Erfahrung, dass in der weltwirtschaftlichen Globalisierung die eigene Dominanz kaum zu behaupten war. Andere Volkswirtschaften wie die amerikanische und die deutsche wuchsen schneller. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte Deutschland gleichgezogen, während die USA längst uneinholbar in Führung lagen.

Gleichwohl lag in diesen Gewichtsverschiebungen nicht die Ursache des Ersten Weltkrieges, der vielmehr ein klassisches diplomatisches Versagen angesichts der Vielzahl europäischer Konflikte zum Ausdruck brachte. Von einigen Nadelstichen abgesehen versuchte Großbritannien auch nicht, den ökonomischen Erfolg Deutschlands zu behindern, was im Fall der USA ohnehin nicht möglich gewesen wäre. Da Großbritanniens Pro-Kopf-Einkommen und Lebensstandard trotz der relativen Bedeutungsverluste weiterhin hoch war und das Land seine Stellung in der Weltwirtschaft mit London als deren Zentrum nicht verlor, gab es keinen Grund, in einen Wirtschaftskrieg zu flüchten, der allen geschadet hätte.

Einmal zerstört, ließ sich die Ordnung nach dem Ende des Krieges nicht wiederherstellen, weil sich die Gewichte, die ihre Etablierung ermöglicht hatten, mit dem Krieg dauerhaft verschoben. Allein die USA hätten eine neue Ordnung auf den Weg bringen können. Washington wollte das aber aus einer Vielzahl von Gründen nicht, sondern zog sich frühzeitig aus Europa zurück und schottete sich gegen den Welthandel erneut ab.

In Europa war die Bereitschaft, zu einem geregelten Austausch zu kommen, dadurch noch geringer, war doch die Befürchtung, eine funktionierende internationale Arbeitsteilung würde vorrangig Deutschland nutzen, vor allem auf französischer Seite so verbreitet wie begründet. So konnte sich eine Art Unordnung konstituieren, von der niemand etwas hatte; nur das Misstrauen und die Revanchegelüste nahmen zu, denen erst der Zweite Weltkrieg mit der totalen Niederlage Deutschlands und Japans ein Ende setzte.

Die USA, in materieller Hinsicht der einzige Sieger des Krieges, waren jetzt derart stark, dass sie eine Weltwirtschaftsordnung nach ihren eigenen Vorstellungen auch gegen Widerstände durchsetzen konnten mit dem Dollar als Leitwährung, einer zu erstrebenden Freihandelsordnung mit den Regeln des Handelsabkommens GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) und des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, die im Zweifel stabilisierend eingreifen sollten.

Fundamentaler Aufstieg Deutschlands und Japans

Diese Ordnung wäre auch für den Osten offen gewesen, wären die Sowjetunion und die junge Volksrepublik China bereit gewesen, dessen Regeln zu akzeptieren, was sie nicht taten. Sie blieben außerhalb, ja wurden als Ordnungskonkurrenten von den USA bekämpft und sanktioniert, hatten aber ein zu geringes wirtschaftliches Gewicht, um den sogenannten Dollarimperialismus ernsthaft in Frage stellen zu können. Das taten auch die alten Konkurrenten Deutschland und Japan nicht, die sich um den Preis ihrer erfolgreichen wirtschaftlichen Integration freiwillig der US-Hegemonie unterordneten. Deren fundamentaler Aufstieg, der ja in den 1920er Jahren die genannten Ängste ausgelöst hatte, trat in der Tat ein, war aber durch die USA politisch gezähmt, insbesondere Westeuropa profitierte massiv.

Ganz ähnlich wie Großbritannien im 19. Jahrhundert machten jetzt die USA die Erfahrung, dass im Rahmen der von ihnen ermöglichten Ordnung, die auf Effizienzsteigerung durch grenzenlosen Handel ausgelegt war, andere mehr profitierten als sie selbst. In der Pax Americana waren wirtschaftliche Rivalitäten an der Tagesordnung, blieben aber eingehegt. Mit dem Untergang der Sowjetunion und der Einbeziehung Chinas in die Weltwirtschaft schien der US-amerikanische Frieden sogar einen historischen Sieg von bis dahin unbekannter Reichweite errungen zu haben.

Das erwies sich spätestens dann als Illusion, als klar wurde, dass mit China nicht nur ein freiwilliger Helfer mit einer verlängerten Werkbank entstanden war, der den ökonomischen Strukturwandel in den USA durch die Übernahme der Rolle des Lieferanten einfacher und preiswerter gewerblicher Güter begünstigte. In den vergangenen Jahren etablierte sich die Volksrepublik als ernsthafter weltwirtschaftlicher Konkurrent, der die US-Hegemonie keinesfalls zu akzeptieren bereit ist.

Die Erfolge Chinas im Bereich der Hochtechnologie, das globale Ausgreifen der chinesischen Wirtschaft und die Etablierung einer auf China konzentrierten weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung wurden für die USA vielmehr zu einer Bedrohung ihrer Hegemonie und entsprechend bekämpft. Dabei wechseltenübrigens nur die Mittel, das Ziel blieb das gleiche, hießen die Präsidenten Obama, Biden oder Trump.

Pax Americana am Ende

Auffällig bei Donald Trump ist vor allem die Nutzung der Zollpolitik, wie sie bereits im 19. Jahrhundert den Aufstieg der US-Wirtschaft begleitet hatte. Doch dürfte er sich hier nicht zuletzt deshalb schwertun, weil die Wiedergewinnung von nationaler Wettbewerbsfähigkeit mit neomerkantilistischen Mitteln offenkundig im 21. Jahrhundert an Grenzen stoßen muss.

Weder lassen sich Importe aus China mit vertretbarem wirtschaftlichem Aufwand einfach ersetzen, noch ist sich die US-Gesellschaft überhaupt einig oder gar bewusst, ob sie diese Kosten tragen will. Die Pax Americana ist derzeit an ihrem Ende, was einerseits an den genannten, klassischen ökonomischen Gewichtsverschiebungen liegt, andererseits an der selbst gewählten Unwilligkeit , eine Ordnungsrolle wahrzunehmen oder gar ihre eigene Torpedierung etwa mit Blick auf den Dollar als Weltleitwährung zu erwägen. Es zeichnet sich die Wiederkehr der großen Wirtschafts- und Handelskriege ab, die absehbar keinen eindeutigen Sieger haben werden.

Die Frage ist, ob sich eine solche Ordnung durch eine Pragmatik des robusten Aushandelns von Konflikten so ersetzen lässt, dass es nicht zu einer dramatischen Konflikteskalation kommt. Unregulierte Wirtschafts- und Handelskriege sowie Sanktionen haben, wenn sie wirksam sein sollen, ein gewaltiges Schädigungspotenzial, ohne dass es irgendwelche Erfolgsgarantien gäbe.

Im Gegenteil besitzen sie eine gefährliche Eskalationstendenz. Für die ökonomische Wohlfahrt sind sie stets nachteilig. Ihre Nutzung, um unliebsame politische Ereignisse zu bekämpfen oder einen unerwünschten wirtschaftlichen Strukturwandel zu korrigieren, ist von wenigen Ausnahmen abgesehen, faktisch ausgeschlossen, die Kollateralschäden sind gewaltig. Wirtschaftskriege als Blitzableiter, zur Verlagerung politischer Rivalitäten auf eine nicht-militärische, vermeintlich zahmere Ebene ist aus der historischen Erfahrung überaus unwahrscheinlich.

Um sich im Strukturwandel zu behaupten sind sie insgesamt kein gutes Mittel, auch wenn sie ein wenig Zeit verschaffen können und zumindest kurzfristig Spielräume erweitern. Besser wäre es, die beteiligten Staaten würden ihre Energien auf Selbstmodernisierung verwenden, um sich im internationalen Handel zu behaupten, dessen Schädigung die eigene Position nicht verbessert, sondern für alle vorteilhaft ist. Hierfür sind robuste Regeln des gegenseitigen Umgangs unterhalb der Kriegsschwelle so notwendig wie (leider) wenig wahrscheinlich. Es wird wohl ungemütlich werden.

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Werner Plumpe lehrt Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Bis 2012 war er Vorsitzender des deutschen Historikerverbands. 2014 erhielt Plumpe den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik. 2020 veröffentlichte er ein Buch über die Deutsche Bank.