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Welche Chancen ergeben sich für die EU im Handel mit Indien und den Ländern in Südostasien? | Globaler Handel | bpb.de

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Welche Chancen ergeben sich für die EU im Handel mit Indien und den Ländern in Südostasien?

Jörn Dosch

/ 9 Minuten zu lesen

Europa sucht neue Handelspartner. Im Erfolgsfall könnten die Abkommen mit den ASEAN-Staaten und Indien ein Signal gegen den neuen Protektionismus setzen, meint der Politologe Jörn Dosch.

Nickelverarbeitung in Indonesion. (© picture-alliance/AP, Yusuf Wahil)

„Das zukünftige Wachstum und der Wohlstand Europas werden zunehmend von Asien abhängen.“ So steht es in der Kooperationsstrategie der Europäischen Kommission für den asiatisch-pazifischen Raum. Sie stammt aus dem Jahr 2021. Inzwischen hat sich ein grundlegender Faktor geändert: Zwar kommt den Handelsbeziehungen zwischen Europa und China weiter die bedeutendste Rolle zu. 2024 war China der größte EU-Partner für Importe (21,3 Prozent) und der drittgrößte für Exporte (8,3 Prozent). Doch das komplexe Verhältnis zur Volksrepublik ist durch wachsende Irritationen und Spannungen belastet. Zur Ausweitung ihrer außenwirtschaftlichen Beziehungen hat die EU daher in jüngerer Vergangenheit in Asien einige umfassende Freihandelsabkommen (englisch Free Trade Agreements, FTA) abgeschlossen.

In der dynamischen Wachstumsregion Südostasien (die Asiatische Entwicklungsbank prognostiziert der gesamten Region ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 4,7 Prozent für 2025 und 2026) mit ihren 700 Millionen Menschen verhandelt die EU – zum Teil bereits seit etlichen Jahren und mit Unterbrechungen – mit Indonesien, den Philippinen und Thailand. Malaysia und die EU kündigten im Januar 2025 nach zwölfjähriger Pause eine Wiederaufnahme der Freihandelsgespräche an. Mit Singapur unterzeichnete die EU im Mai 2025 zudem ein innovatives digitales Handelsabkommen (DTA). Es gibt bereits FTA mit Südkorea (seit 2011 vorläufig angewendet und seit 2015 formell in Kraft), Japan (2019), Singapur (2019) und mit Vietnam (2020).

Zwischen 2014 und 2024 ist der Warenhandel der EU mit den zehn Mitgliedsstaaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) um rund 67 Prozent auf 258,8 Milliarden Euro gestiegen und macht aktuell 5,2 Prozent des globalen EU-Handelsvolumens (ohne EU-Binnenhandel) aus. Der Zuwachs im ASEAN-Handel lag damit sogar noch deutlich über dem Anstieg des gesamten externen EU-Güterhandels, der im selben Zeitraum 47 Prozent betrug.

Neuanlauf für Freihandelsabkommen mit Indien

Spitzenreiter bei den Steigerungsraten in Asien ist jedoch Indien, dessen bilaterales Handelsvolumen mit der EU in der vergangenen Dekade ein Plus von fast 90 Prozent verzeichnete und 2024 120 Milliarden Euro erreichte. Nachdem erste FTA-Gespräche 2013 nach sechs Jahren in Leere gelaufen waren, sitzen die EU und Indien seit 2022 erneut am Verhandlungstisch. Neben einem Freihandelsabkommen steht zusätzlich ein Investitionsschutzabkommen und ein Abkommen über geografische Angaben auf der Agenda.

Eine Studie des Europäischen Parlaments kommt zu dem Ergebnis, dass ein FTA die EU-Exporte in das seit 2023 bevölkerungsreichste Land der Erde um mehr als 50 Prozent und die indischen Exporte in die EU um etwa ein Drittel steigern könnte. Für die EU ergäben sich Zugewinne von bis zu 8,5 Milliarden Euro jährlich. Die Vorteile für europäische Unternehmen lägen im Abbau von Handelshemmnissen insbesondere für Autos, Wein und Spirituosen und in einer Öffnung des indischen Marktes für Dienstleistungen, öffentliche Aufträge und Investitionen. Mit Blick auf Südostasien ergeben sich vergleichbare Prognosen. Als Effekt eines FTA mit Indonesien zum Beispiel geht die Europäische Kommission mittelfristig von 44 Prozent mehr EU-Ausfuhren in das größte Land Südostasiens aus und erhofft sich, damit einen Teil des erwarteten Rückgangs im Handel mit China kompensieren zu können.

Für die Handelsliberalisierungen mit einzelnen ASEAN-Staaten gibt es ähnlich gute Aussichten. Zu erwarten sind Zuwächse im Export von Autos und Autoteilen. Dafür existiert in Südostasien zwar eine hohe Nachfrage, aber derzeit sind die Zölle noch hoch. Positive Prognosen bestehen ebenso für Maschinen und Anlagen, die bereits jetzt zu den starken europäischen Exportgütern in den Sektoren Industrie, Energie und Infrastruktur zählen. Auch für pharmazeutische Produkte erscheint ein deutliches Plus bei den Ausfuhren realistisch, da alle ASEAN-Staaten ihre Gesundheitssysteme ausbauen und europäische Arzneimittel gefragt sind. Wein, Spirituosen, Käse und Schokolade aus der EU würden deutlich von Zollsenkungen und dem Schutz geografischer Angaben profitieren. In der wachsenden Mittelschicht steigt zudem die Nachfrage nach hochwertigen europäischen Markenprodukten. Außerdem könnten Europas Dienstleister vor allem in den Bereichen Finanzen, Umwelt und Telekommunikation bessere Marktzugänge erwarten.

Die Beziehungen der EU mit ausgewählten asiatischen Staaten haben sich seit 2021 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, aber besonders durch die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China, deutlich intensiviert. Die erratisch anmutende Handels- und Zollpolitik der US-Regierung unter Donald Trump hat die Motivation der EU zusätzlich gestärkt, durch eine Reihe ehrgeiziger Abkommen mit anderen Staaten ein offenes und faires Umfeld für Handel und Investitionen zu schaffen.

Verunsicherung über Washington schafft Gesprächen mit der EU neue Dynamik

Die EU versäumt keine Gelegenheit, sich als „ein verlässlicher, vertrauenswürdiger und berechenbarer Partner in einer sich rasch verändernden globalen Landschaft“ zu präsentieren, um es in den Worten des EU-Handelkommissars Maroš Šefčovič zu formulieren. Auch auf der Partnerseite hat die Verunsicherung über die Interessen und Strategien Washingtons den Gesprächen mit der EU neue Dynamik verschafft. Für die Verhandlungen mit Indien bedeutet dies, dass im Mai 2025 unter Hochdruck an einem „Early Harvest“-Abkommen gearbeitet wurde, also einer ersten teilweisen Handelsvereinbarung, um ein deutliches Signal zu senden.

Das Anliegen der EU geht jedoch über die Stärkung partnerschaftlicher und regelbasierter Wirtschaftsbeziehungen im engen Sinne hinaus. Die EU-Außenbeziehungen sind seit jeher auch wertegeleitet, Brüssel tritt inzwischen mit gesteigertem Selbstbewusstsein für das Primat europäischer Interessen und Prioritäten ein. So erklärte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, dass das angestrebte Handelsabkommen mit Malaysia auf „soliden Verpflichtungen in den Bereichen Arbeitnehmerrechte sowie Klima- und Umweltschutz“ aufbauen werde.

Weitere Bereiche, auf die die EU Wert legt, wenn sie FTA-Gespräche führt: Alles rund um Nachhaltigkeit, die Umsetzung einer gerechten und sauberen Energiewende, die Sicherstellung menschenwürdiger Arbeit, weitreichende, durch robusten Datenschutz begleitete Digitalisierung, der Schutz geistigen Eigentums, die Intensivierung von Forschung und Innovation, die Regelung von Mobilität und Migration oder generell die Festigung internationaler Ordnung und Sicherheit.

Das Freihandelsabkommen mit Vietnam liefert hierfür ein Modell, das aus Sicht der EU jedoch noch ausbaufähig ist. Der Vertrag enthält detaillierte Bestimmungen zu Umweltstandards und Arbeitsrechten. Zwar sind spezifisch definierte Sanktionsmechanismen nicht vorgesehen. Das Abkommen setzt bei Verstößen stattdessen auf Dialog und Mediation. Aber: Die umfassende Aufnahme zentraler EU-Normen ist richtungsweisend. Innovativ ist auch das digitale Handelsabkommen mit Singapur. Die Hauptziele des DTA bestehen in der Förderung des freien, sicheren Datenflusses und in der Regelung elektronischer Zahlungen sowie des papierlosen Handels. Es schützt geistiges Eigentum und stärkt den Verbraucherschutz im digitalen Handel. Insgesamt hat die EU in diesem Fall erfolgreich globale Standards im Prozess der Digitalisierung gesetzt - und gleichzeitig ihre Werte und rechtlichen Anforderungen gewahrt.

Wertegeleitete Handelspolitik bringt Probleme mit Indonesien

Dass es Europa jedoch nicht grundsätzlich gelingt, die eigenen wertegeleiteten Interessen durchzusetzen, zeigt das Beispiel der stockenden Diskussionen mit Indonesien. Auch nach 19 Verhandlungsrunden seit 2016 ist noch kein FTA in Sicht. Neben noch unüberbrückbaren Differenzen zu Ausfuhrzöllen und Einfuhrgenehmigungen bildet die nachhaltige Produktion und der Handel von Palmöl, einem der wichtigsten Exportprodukte Indonesiens, einen zentralen Streitpunkt. Die strengen EU-Vorschriften zu Palmöl, die sich unter anderem aus der Verordnung zur Entwaldungsfreiheit von Lieferketten von 2023 ergeben, sieht Indonesien als Diskriminierung an. Zudem betrachtet Jakarta die hohen EU-Anforderungen zum Umwelt- und Arbeitsschutz als Entwicklungshindernis. Weitere Probleme bestehen in unterschiedlichen Ansichten zum Schutz geistigen Eigentums, insbesondere in Bezug auf geografische Angaben und Patente.

Ein kontroverses Thema ist zudem der Nickelstreit. Indonesien untersagt den Export von unverarbeitetem Nickelerz, um die heimische Industrie zu fördern und eine höhere Wertschöpfung zu erzielen. Die EU hält dies für ein unrechtmäßiges Handelshemmnis und klagte 2019 vor der Welthandelsorganisation (WTO), die zugunsten Brüssels entschied. Indonesien legte Berufung ein und hält weiter am Exportverbot fest. Das Land verfügt über die größten Nickelvorkommen weltweit und hat sich als Hauptlieferant des für die Produktion leistungsfähiger E-Auto-Batterien unverzichtbaren Metalls etabliert. Der Zugang zu kritischen Rohstoffen, die für umweltfreundliche Technologien und damit für die Umsetzung des europäischen Green Deal von Bedeutung sind, spielt auch im Falle der Verhandlungen mit den Philippinen eine wichtige Rolle. Das Land verfügt ebenfalls über große Nickelressourcen und andere begehrte Metalle und Erze wie Kupfer und Chromit. Die negativen ökologischen und sozialen Effekte, die mit dem Abbau und der Verarbeitung von Nickelerz in den beiden Ländern einhergehen, stellen die EU aber vor ein Dilemma, da wesentliche Prinzipien der Nachhaltigkeit verletzt werden.

Die stärkere Bedeutung des Rohstoffzugangs zeigt nicht zuletzt, dass Handelspolitik auch eine geopolitische Dimension bekommen hat. Im Erfolgsfall könnten die Freihandelsabkommen mit den ASEAN-Staaten und Indien ein klares Signal gegen die globalen Tendenzen des Protektionismus setzen, bestehende Abhängigkeiten – vor allem von China – reduzieren und der EU zu effektiver Gestaltungsmacht in Asien verhelfen.

In der öffentlichen Wahrnehmung vor Ort hat Europa bereits an Ansehen gewonnen. Laut einer jährlichen Umfrage des renommierten ISEAS – Yusof Ishak Institute in Singapur hat sich in Südostasien das Vertrauen in die EU 2025 im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessert. Von den mehr als 2.000 Teilnehmern – zumeist Entscheidungsträger – aus den zehn ASEAN-Staaten gaben 51,9 Prozent an, Vertrauen in die EU zu haben. Das sind gut zehn Prozent mehr als 2024. Die Befragten, die der EU positiv gegenüberstehen, begründeten ihr Vertrauen mit der Haltung der EU zu Umwelt, Menschenrechten und Klimawandel, gefolgt vom europäischen Bekenntnis zur Achtung und Förderung des Völkerrechts sowie den enormen wirtschaftlichen Ressourcen der EU und ihrem politischen Willen, globale Führung zu übernehmen. Allerdings herrschte unten vielen Befragten Skepsis, ob die EU die Fähigkeiten dazu hat, eine solche Rolle auszufüllen.

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Jörn Dosch ist Politologe. Seit 2013 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Entwicklungszusammenarbeit an der Universität Rostock. Er forscht zu südostasiatischer Politik, internationalen Beziehungen sowie Europa-Asien-Beziehungen.