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Die Schuldenbremse gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit | Globaler Handel | bpb.de

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Die Schuldenbremse gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit

Marcel Fratzscher

/ 4 Minuten zu lesen

Die Reform der Schuldenregeln kann nur ein Anfang sein. Deutschland braucht eine generationengerechte Schuldenbremse, die umfassende Investitionen ermöglicht, fordert DIW-Präsident Marcel Fratzscher.

Neubau der Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid. Die A45 ist eine wichtige Verkehrsachse und verbindet das Ruhrgebiet mit Frankfurt a.M. Nachdem Experten 2021 "gravierende Schäden" in der Bausubstanz festgestellt hatten, wurde die Brücke umgehend gesperrt und 2023 gesprengt. Der erste Verkehr auf der neuen Brücke soll ab Mitte 2026 fließen. (© picture-alliance/dpa, Dieter Menne)

Die neue Bundesregierung hat ein großes Sondervermögen für Infrastruktur aufgelegt und Ausnahmen von der Schuldenbremse für Verteidigung geschaffen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um den Investitionsstau aufzulösen und unser Land zukunftssicher zu machen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass eine grundlegende Reform der Schuldenbremse ausbleibt. Denn das Resultat wäre, dass unsere Gesellschaft weiterhin auf Kosten der jungen und künftigen Generationen lebt – und zugleich die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes aufs Spiel setzt.

Natürlich sollte die Babyboomer-Generation den nachfolgenden Generationen keine ständig wachsende Schuldenlast aufbürden. Doch der Fokus auf sichtbare Staatsschulden greift zu kurz. Was wirklich schwer wiegt, sind die verdeckten Verpflichtungen. Gemeint sind die enormen, weiter zunehmenden Versprechen auf Sozialleistungen sowie der Verbrauch begrenzter Ressourcen, die langfristig zulasten der jüngeren Generation gehen. Die eigentliche Belastung liegt nicht in den offiziellen Bilanzen, sondern in jenen Ansprüchen, die stillschweigend aufgebaut werden.

Schuldenbremse bremst Investitionen

Die Schuldenbremse in der aktuellen Ausgestaltung ist kein Instrument der Zukunftssicherung mehr, sondern ein Investitionsverhinderer. Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft beruht nicht bloß auf niedriger Staatsverschuldung, sondern vor allem auf moderner Infrastruktur, exzellenten Bildungssystemen, zukunftsgerichteter Technologiepolitik und nachhaltigem Ressourcenumgang.

Deutschland investiert zu wenig in all diese Bereiche – und die Schuldenbremse verschärft dieses Problem. Bereits heute liegt Deutschland im OECD-Vergleich bei den öffentlichen Nettoinvestitionen auf den hinteren Plätzen. Ohne eine Reform der Schuldenbremse droht eine Abwärtsspirale aus Investitionsrückstand, Innovationsschwäche und wachsender internationaler Irrelevanz. Die geplanten Sondervermögen werden sich zwar kurzfristig positiv auf die Wirtschaft auswirken. Sie sind langfristig trotzdem nicht die beste Lösung. Wir brauchen nicht nur Mehrausgaben für Infrastruktur und Verteidigung, sondern auch für Bildung, Digitalisierung, Klimaschutz und Innovation, um unsere wirtschaftliche Stärke und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Um all das stemmen zu können, benötigen wir eine strukturelle Reform der Schuldenbremse.

Das eigentliche Problem sind die impliziten Schulden

Auf den ersten Blick scheint Deutschlands Schuldenstand vergleichsweise solide: Die explizite Staatsverschuldung – also die Schulden in Form von Anleihen und Krediten im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt – liegt in Deutschland bei rund 60 Prozent. Im internationalen Vergleich ist das ein niedriger Wert, den nur wenige Industriestaaten unterbieten. Doch diese Zahl verdeckt ein viel größeres Problem: die sogenannten impliziten Schulden. Dies sind langfristige Leistungsversprechen des Staates, vor allem in den Bereichen Rente, Gesundheitsversorgung und Pflege. Insbesondere die geburtenstarken Jahrgänge werden davon profitieren. Die Folge: Auf den Staat kommen in den nächsten Jahrzehnten massive finanzielle Belastungen zu. Schätzungen, etwa von arbeitgeber- und arbeitnehmernahen Instituten, gehen davon aus, dass diese verdeckten Schulden, je nach Berechnungsmodell, bereits heute das Fünffache der offiziellen Schulden ausmachen – also mehr als 300 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Faktisch führt diese Politik, auch der neuen Bundesregierung, zu einer massiven Umverteilung von Jung zu Alt. Leidtragende sind die jungen und zukünftigen Generationen. Sie werden mit ihrer Arbeit und ihrem Vermögen für die Entscheidungen der Vergangenheit aufkommen müssen. Dass sich politische Parteien dabei vor allem an den Interessen ihrer Wählerbasis orientieren – und das sind mehrheitlich ältere Menschen – ist in einer Demokratie wenig überraschend. Doch das bedeutet auch: Die Interessen kommender Generationen haben derzeit kaum politisches Gewicht. Die Zukunft hat keine Mehrheit.

Um gegenzusteuern, brauchen wir eine generationengerechte Schuldenbremse. Sie müsste vier zentrale Punkte berücksichtigen: Erstens darf der Staat nicht länger von seiner Substanz leben. Er muss dauerhaft so viel in seine Infrastruktur, die Daseinsvorsoge und die Umwelt investieren, dass deren Wert wächst. Zweitens sollten Investitionen grundsätzlich anders behandelt werden als konsumptive Ausgaben – etwa für Verwaltung und Bürokratie –, die in einer alternden Gesellschaft ohnehin schrumpfen müssen.

Drittens müssen die verdeckten Schulden abgebaut werden. Leistungen für Rente, Gesundheit und Pflege müssen nicht zwingend gekürzt werden, sie müssen aber gerechter finanziert werden. Denn viertens sollte die Verteilungsgerechtigkeit – wie im Grundgesetz verankert – endlich ernst genommen werden: Es muss von einer Umverteilung zwischen Generationen, hin zu einer stärkeren Beteiligung wohlhabender Bevölkerungsgruppen umgestellt werden. Mit anderen Worten: Starke Schultern müssen mehr tragen, um das Gemeinwohl zu sichern.

In ihrer bisherigen Ausgestaltung sorgt die Schuldenbremse dafür, dass Deutschland langfristig an Wettbewerbsfähigkeit verliert und nicht zukunftsfähig ist. Ihre Aussetzung für Verteidigungsausgaben und das Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen stopfen einige Löcher, schaffen aber nicht nachhaltig Abhilfe. Wir müssen viel langfristiger denken als für die nächsten zwölf Jahre. Die Schuldenbremse sollte so reformiert werden, dass sie langfristig die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit sichert, und zwar so, dass auch künftige Generationen in einem stabilen und wettbewerbsfähigen Deutschland leben können.

Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist unter anderem Mitglied des High-level Advisory Board der Vereinten Nationen zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen, des Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums und des Kuratoriums der Hertie School of Governance. Zu seinen inhaltlichen Schwerpunkten gehören Themen der Makroökonomie, der Ungleichheit und der Globalisierung.