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Trumps Willkürherrschaft der Zölle | Globaler Handel | bpb.de

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Wo Trump irrt

Trumps Willkürherrschaft der Zölle

Mark Schieritz

/ 7 Minuten zu lesen

Dem US-Präsidenten fehlt eine konsistente handelspolitische Strategie. Das kann fatale Folgen für die USA haben, meint der Journalist Mark Schieritz.

LKW an einem Grenzübergang zwischen den USA und Kanada. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Ethan Cairns)

Nur sehr Wenige wissen genau, was Donald Trump eigentlich antreibt. Ein Markenzeichen seiner Entscheidungen ist, dass sie in vielen Fällen keinem unmittelbar nachvollziehbaren Muster folgen. Das gilt auch für die Handelspolitik, die immer wieder von überraschenden Wendungen gekennzeichnet ist.

Was sich aber sagen lässt: Die liberale Handelsordnung der Nachkriegszeit, die in der Gründung der Welthandelsorganisation 1995 ihren institutionellen Höhepunkt erreicht hatte, ist zumindest nicht das Leitbild des neuen Präsidenten. Es vergeht vielmehr kaum ein Tag, an dem er nicht neue Zölle verhängt. Seit Donald Trump im Amt ist, hat sich der durchschnittliche effektive Zollsatz der Vereinigten Staaten nExterner Link: ach Schätzungen der Universität Yale von 2,4 auf 18,3 Prozent erhöht – eine historisch einmalige Steigerung in so kurzer Zeit. Aber was will Trump damit erreichen?

Es ist in diesem Zusammenhang hilfreich, sich an die theoretischen Fundamente jener liberalen Ordnung zu erinnern, auf die es Trump abgesehen hat. Sie gehen auf den britischen Nationalökonomen David Ricardo zurück. Ricardo hat in seiner 1817 erschienen Schrift On the Principles of Political Economy and Taxation am Beispiel der Produktion von Tuch und Wein die These aufgestellt, dass der freie Handel in der Regel für alle Beteiligten vorteilhaft ist. Er illustriert das am inzwischen berühmten Beispiel des Handels von Wein und Tuch zwischen Großbritannien und Portugal.

Das Argument: In Großbritannien ist die Tuchherstellung vergleichsweise günstig, in Portugal die Weinherstellung. Deshalb ist es unter Gesichtspunkten der Effizienz für beide Länder sinnvoll, das Gut, bei dem sie über Kostenvorteile verfügen, selbst herzustellen und das andere Gut zu importieren. In einer arbeitsteilig organisierten Weltwirtschaft sollte sich also jeder Staat auf das spezialisieren, was er am besten kann. Institutionell gewendet: Die Aufgabe des Staates – beziehungsweise der Staatengemeinschaft – besteht dann vor allem darin, einen verlässlichen Rahmen für den Güteraustausch bereitzustellen.

Für Trump ist Produktion wichtiger als Konsum

Die liberale Handelstheorie beruht aber auf einer wichtigen impliziten Voraussetzung: Wohlstand wird als Menge der vorhandenen Güter begriffen. Denn nur in diesem Fall ist es zweitrangig, ob diese Güter im Inland hergestellt oder aus dem Ausland eingeführt werden. Der Import bringt sogar Vorteile mit sich. Er ermöglicht es einem Land, mehr zu konsumieren, als es produzieren kann. In genau dieser Lage befinden sich die Vereinigten Staaten seit vielen Jahrzehnten. Sie verbrauchen mehr, als sie selbst herstellen können. Ihr Defizit in der Handelsbilanz mit dem Rest der Welt ist Ausdruck dieses strukturellen Überkonsums.

Donald Trump stellt die liberale Handelstheorie mit seiner Zollpolitik gewissermaßen von den Füßen auf den Kopf. Denn für ihn ist Produktion wichtiger als Konsum. Mit seinen Zöllen will er Unternehmen dazu bringen, mehr Waren in den USA herzustellen, anstatt diese aus dem Ausland einzuführen. Selbst – und das ist entscheidend – wenn das mit höheren Preisen oder Qualitätseinbußen verbunden ist: Egal wie der Wein schmeckt, Hauptsache es handelt sich um heimischen Wein, bei dessen Produktion im Inland Arbeitsplätze geschaffen werden.

Nun ist auch die Theorie von David Ricardo immer wieder angepasst worden. Neuere Ansätze betonen, dass Zölle vorübergehend durchaus effizienzsteigernd wirken können, etwa wenn es darum geht, eine noch junge heimische Branche vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, bis die Wachstumsphase abgeschlossen ist. Dieses Infant-Industry-Argument taucht heute in vielen Lehrbüchern zur modernen Handelstheorie auf. Nur: darum scheint es Trump gar nicht zu gehen, denn eine industriepolitische Strategie lässt sich in seiner Zollpolitik nicht erkennen.

Er geht vielmehr einen Schritt weiter und hält es offenbar für akzeptabel, dass das Konsumniveau dauerhaft niedriger ausfällt, wenn dafür Industriearbeitsplätze entstehen. Als er in einem Interview darauf hingewiesen wurde, dass Kinder wegen der Zölle möglicherweise mit deutlich weniger Spielsachen auskommen müssen, meinte er, diese hätten dann eben „nur zwei Puppen statt dreißig“. Arbeit vor Konsum – das ist die fast postmaterialistische Pointe der Politik des amerikanischen Präsidenten.

Sie wirft die Frage auf, ob es sich hierbei um eine Art Degrowth von rechts handelt. Denn die Vereinigten Staaten sind zwar ein riesiges und vielfältiges Land mit einem enormen Vorrat an Bodenschätzen. Die Importquote – der Anteil der Einfuhren an der Wirtschaftsleistung – Externer Link: beläuft sich auf gerade einmal 13,9 Prozent (in Deutschland sind es 39,4 Prozent). Man kann dort vergleichsweise problemlos sowohl Wein als auch Tuch produzieren, um das obige Beispiel noch einmal aufzunehmen.

Zölle als Ersatz für Einkommenssteuer

Das Problem ist nur: Um Dinge herzustellen, sind Arbeitskräfte nötig. Und die sind knapp. Die Arbeitslosenquote der USA liegt bei nur 4,1 Prozent (Stand Juni 2025), das ist nach gängiger Definition annähernd Vollbeschäftigung. Es gibt kein Heer von freien Arbeitskräften, die die zusätzliche Produktionslast stemmen könnten. Es ist also fraglich, ob Trump seinem Land wirklich einen Gefallen tut, wenn er Handelspolitik als Arbeitsmarktpolitik interpretiert. Eine Vollbeschäftigungsökonomie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die Arbeitskräfte fehlen - und nicht die Arbeitsplätze.

Die Zollpolitik von Donald Trump hat aber noch eine zweite Dimension. Ihr Ursprung lässt sich auf Jean Baptiste Colbert zurückführen, den Finanzminister des französischen Königs Ludwig XIV. Colbert gilt als einer der Begründer der ökonomischen Theorie des Merkantilismus, die Zölle als Instrument zur Stärkung der Finanzkraft des Staates ansieht. Finanzkraft muss dabei im Wortsinn als Menge an Zahlungsmitteln (damals meist Gold und Silber) in staatlicher Hand verstanden werden.

Tatsächlich gibt es eine interessante historische Parallele zwischen dem Frankreich des 17. Jahrhunderts und den Vereinigten Staaten des 21. Jahrhunderts. Colbert griff auf Zölle zurück, weil der französische Adel nicht bereit war, einen ausreichenden Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen zu leisten. Diese litten unter Kriegen und einem teuren Hofstaat. Trump steht vor einem ähnlichen Problem: Seine Steuersenkungspolitik treibt die amerikanische Staatsverschuldung in immer neue Höhen, sodass er dringend auf Einnahmequellen angewiesen ist.

Allerdings stellt sich dann die Frage, warum Trump nicht gleich auf Steuersenkungen verzichtet, statt die dadurch entstehenden Haushaltslöcher durch Zölle zu schließen. Die US-amerikanische Steuer- und Abgabenquote liegt mit 25,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deutlich unter der vergleichbarer Industrienationen. Und ein Zoll ist ökonomisch betrachtet auch eine Art Steuer, eben eine „Importsteuer“, da die davon betroffenen Unternehmen einen Teil der zusätzlichen Kosten erfahrungsgemäß an die Verbraucher weiterreichen. Und das trifft vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen, die einen hohen Anteil ihres Verdiensts für Konsumgüter ausgeben müssen. Dagegen können Steuern auf Einkommen oder Vermögen so ausgestaltet werden, dass die Begüterten stärker belastet werden. Es gilt jedenfalls: Am Ende zahlen die Rechnung also so oder so die Amerikaner.

Alles auf einmal geht nicht

Deshalb ist es lohnenswert, sich mit einer dritten Dimension der Zollpolitik des amerikanischen Präsidenten zu befassen. Zölle sind für Trump auch ein Druckmittel, um politische Ziele durchzusetzen. Das zeigt der Fall Brasilien. Das lateinamerikanische Land wurde im Sommer 2025 mit einem Zollsatz in Höhe von 50 Prozent belegt – obwohl es dafür eigentlich keine handelspolitische Grundlage gibt. Brasilien importiert mehr Waren aus den USA, als es dorthin liefert. Trump hat aber wiederholt kritisiert, dass der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro wegen des Vorwurfs eines Putschversuchs vor Gericht steht. Mit den Zöllen will Donald Trump offenbar erreichen, dass das Verfahren eingestellt wird. Dazu passt, dass das amerikanische Finanzministerium angekündigt hat, den brasilianischen Richter Alexandre de Moraes mit Sanktionen zu belegen.

In abgeschwächter Form hat Trump Zölle auch in den Verhandlungen mit der EU als Druckmittel eingesetzt. Die Europäische Kommission verpflichtete sich in einer im Juli 2025 mit den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Handelsvereinbarung, für 750 Milliarden Dollar amerikanisches Erdgas und -öl und für 600 Milliarden Dollar amerikanische Rüstungsgüter zu kaufen. Dafür erhöhte Trump den Zoll auf Einfuhren aus Europa lediglich auf 15 - und nicht wie zuvor angedroht auf 30 Prozent.

Klar ist allerdings auch: Alles auf einmal geht nicht. Wenn Trump mit seinen Zöllen Geld verdienen will, dann sind Produktionsverlagerungen in die USA kontraproduktiv (weil es dann ja weniger Zolleinnahmen gäbe). Wenn er neue Arbeitsplätze ins Land holen will, dann fallen weniger Einnahmen an. Und wenn er in den Zöllen vor allem ein Druckmittel sieht, dann verdient er damit kein Geld und schafft auch keine Jobs (weil die Handelsschranken wieder abgebaut würden, wenn das entsprechende politische Ziel erreicht ist).

Man liegt also vermutlich nicht ganz falsch, wenn man Donald Trump vorwirft, ihm fehle eine konsistente handelspolitische Strategie. Es deutet vieles darauf hin, dass er die schier unermessliche Machtfülle seines Amtes nutzt, um umzusetzen, was ihm gerade aus welchen Gründen auch immer opportun erscheint. Diese Machtfülle ist das Produkt einer Nachkriegsordnung, in der die Vereinigten Staaten immer eine globale Führungsrolle innehatten. Doch während die Vorgänger Trumps den Erhalt dieser Ordnung als nationales Interesse der Vereinigten Staaten ansahen, schreckt Trump auch vor Maßnahmen nicht zurück, die dem eigenen Land schaden, wenn er sich davon einen persönlichen Vorteil verspricht.

Langfristig könnte das die amerikanische Dominanz untergraben, denn es ist kaum vorstellbar, dass der Rest der Welt sich einer solchen handelspolitischen Willkürherrschaft dauerhaft unterwirft. Schon gibt es in Europa und in den Ländern des globalen Südens Debatten über eine Wiederbelebung des Freihandelsgedankens ohne die Vereinigten Staaten – in der Form von neuen bilateralen oder multilateralen Handelsabkommen oder durch eine Reform der Welthandelsorganisation.

Ob sich solche Pläne in die Realität umsetzen lassen, wird sich zeigen, weil dabei wahrscheinlich neue Konfliktlinien offenbar würden. So wird beispielsweise in Europa die Forderung nach einer Abschottung gegenüber der Konkurrenz aus China lauter, weil chinesische Unternehmen wegen der amerikanischen Zölle vermehrt Waren in die Europäische Union umleiten. Aber wenn es tatsächlich zu einer Allianz gegen die Vereinigten Staaten käme, dann würde sich ein Muster wiederholen, dass die Geschichte der Menschheit geprägt hat: Der Missbrauch von Macht lässt diese erodieren.

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Mark Schieritz studierte Politik und Wirtschaft und ist stellvertretender Ressortleiter im Ressort Politik der Wochenzeitung Die Zeit.