Grönland ist mit einer Fläche von über 2.2 Millionen Quadratkilometern die größte Insel der Welt und mehr als sechsmal so groß wie Deutschland. Allein ihre Größe macht sie wichtig für Europa und die USA, wenn sie die Arktis betrachten – und das heißt, als geopolitisch relevante Region erachten. Im Falle Europas ist dies relativ klar, denn Grönland gehört zum Königreich Dänemark. Im Falle der USA will bekanntlich Präsident Donald Trump die Insel, die geografisch zu Nordamerika zählt, auch politisch zu US-Herrschaftsgebiet machen.
Allerdings sind über 80 Prozent des Landes, nämlich 1,7 Millionen Quadratkilometer, mit Eis bedeckt. Das Inlandeis erreicht eine Dicke von mehr als 3.000 Metern und enthält acht Prozent des Süßwasserreservoirs der Erde. Die extremen Umweltbedingungen ermöglichen nur eine geringe Bevölkerungsdichte. Deshalb konzentriert sich die Besiedlung der gut 57.000 Einwohner auf eine eisfreie Fläche im Südwesten, die etwa so groß wie Deutschland ist. Die Entfernung zwischen den an der Küste gelegenen Städten und Ortschaften bemisst sich häufig in Hunderten von Kilometern.
Handel, Logistik und Verkehr bereiten Schwierigkeiten, weil weder Überlandstraßen noch Eisenbahnstrecken existieren. Personen- und Gütertransport findet entlang der Küste oder über das Meer statt. Von den Stadtflughäfen aus kann die staatliche Fluggesellschaft Air Greenland 45 Heliports in umliegenden Dörfern mit Hubschraubern anfliegen. Der neue Flughafen in Nuuk ermöglicht seit November 2024 neue internationale Flugverbindungen.
Das Inlandeis schmilzt ab – mit erheblichen Folgen
Grönland ist ein Zentrum des Klimawandels. Nirgends sind die klimatischen Veränderungen der Vergangenheit besser dokumentiert und ablesbar als an den Bohrkernen aus dem Inlandeis. Der grönländische Eisschild, der immer schneller an Masse verliert, ist der größte einzelne Verursacher des steigenden Meeresspiegels.
In der russischen Arktis verschwindet das Eis schneller als im Westen; dortige Routen sind daher schon heute häufiger nutzbar. Die Nördliche Seeroute als Teil der Nordostpassage war in den letzten Jahren häufig noch bis Anfang November passierbar. Allerdings wird bislang nur ein kleiner Teil des Welthandels über arktische Seewege abgewickelt. Auf absehbare Zeit sind arktische Routen für den Transport von Fracht mit flexiblen Lieferzeiten wie Eisenerz, Kohle, Erdöl und Gas sowie insbesondere Flüssiggas geeignet, aber weniger für Containerschiffe, die ihre Ladung pünktlich zustellen müssen.
Arktis wird nicht „eisfrei“ sein
Geografisch hat Grönland eine raumbeherrschende Rolle im Arktischen Ozean: Es liegt zwischen der Nordwestpassage und der Transpolaren Route, die als kürzeste Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik quer durch den Ozean über den Nordpol führt. Allerdings werden diese Routen laut Prognosen erst ab den 2030er Jahren in nennenswertem Umfang kommerziell nutzbar sein und selbst dann noch häufig auf die Begleitung durch Eisbrecher angewiesen sein. Denn selbst unter Bedingungen einer „eisfreien“ Arktis, in der im Sommer weniger als eine Million Quadratkilometer von Meereis bedeckt ist, wird Eis nicht unaufhaltsam und in Gänze verschwinden. Im Winter wird sich weiter Eis bilden, weil die Temperaturen nach wie vor deutlich unter den Gefrierpunkt fallen. Im Sommer werden weiter Eisschollen die Schifffahrt behindern. Das nimmt dem Rückgang des Sommereises nichts von seiner Dramatik, relativiert aber die Annahme, in einer „eisfreien“ Arktis werde die Nutzung von Ressourcen einfacher und die Schifffahrt leichter.
Je mehr arktische Seewege und damit Räume und Ressourcen zugänglich werden, desto mehr tritt internationales Konfliktpotenzial zutage.
Schatzkammer Grönland?
Grönland verfügt über große bestätigte und vermutete Vorkommen der verschiedensten Mineralien, Erzen und Kohlenwasserstoffen, darunter Metalle der Seltenen Erden (SE), Uran, Zink, Eisenerz, Molybdän, Grafit sowie Kohle, Erdöl und Erdgas. Der Abbau von Rohstoffen mineralischen und fossilen Ursprungs könnte den Ausfall der dänischen Zahlungen nach einer möglichen Unabhängigkeit Grönlands kompensieren, die eine Mehrheit der Bevölkerung befürwortet.
Die beiden weltweit größten Lagerstätten von Seltenen Erden liegen in der Region an der Südspitze Grönlands und haben das Interesse von US-Präsident Trump geweckt. Die Kringlerne-Lagerstätte soll eine Jahresproduktion von 3.000 Tonnen SE-Metallen ermöglichen, was 60 Prozent des Jahresbedarfs in Europa entspräche. Dies wird übertroffen von dem ebenfalls unweit von Narsaq befindlichen Kvanefjeld, das auf dem 685 Meter hoch gelegenen Kuannersuit-Plateau liegt und der gleichen geologischen Formation angehört. Kvanefjeld gilt als die fünftgrößte bekannte Lagerstätte für leichte Seltene Erden wie Lanthan, Cer, Praseodym und Neodym. Eine weitere Lagerstätte von schweren Seltenen Erden gehört zum weiter südöstlich gelegenen Projekt Tanbreez.
Das australische Bergbauunternehmen Greenland Minerals (GMAS), zu deren Anteilseignern der chinesische „SE-Gigant“ Shenghe Resources zählt, hat die Investitionskosten für sein Flaggschiffprojekt auf 1,36 Milliarden US-Dollar geschätzt. GMAS rechnete für das Kvanefjeld-Projekt bei einem nachgewiesenen Vorkommen von 108 Millionen Tonnen und einer Laufzeit von mindestens 37 Jahren mit einer jährlichen Produktion von 3 Millionen Tonnen im offenen Tagebau. Das Projekt sollte im Betrieb 787 Arbeitsplätze sichern.
Amerikanische Unternehmen seien eingeladen, „sich an dem enormen Potenzial unserer Wirtschaft zu beteiligen“, schrieb Grönlands Ministerin für Handel und Rohstoffe, Naaja H. Nathanielsen, in der Washington Post und rechnete vor, dass Großbritannien und Kanada jeweils 23 Bergbaulizenzen in Grönland besitzen, die USA hingegen nur eine einzige.
Nordamerikanische Interessen
Natürliche Ressourcen und strategische Lage begründeten die mehrmals in Regierungskreisen der USA diskutierte Idee, Grönland zu erwerben. Die erste Erwähnung datiert aus dem Jahr 1832, als Präsident Andrew Jackson einen solchen Kauf thematisierte. Nach dem Erwerb Louisianas von Frankreich 1803 und Floridas von Spanien 1819 war dies keine ungewöhnliche Absicht. Die von Trump im August 2019 geäußerte Idee, Grönland in einer Art Immobilienhandel („a large real estate deal”) zu kaufen, war also nicht neu, aber für einen Bündnispartner im 21. Jahrhundert ungewöhnlich. Die dänische Premierministerin Mette Frederiksen wies das Ansinnen als „absurd“ zurück.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde im Grönlandtraktat von 1941 erstmals ein Vertrag geschlossen, der den USA Zugang zur Insel verschaffte, um diese für die Zwischenlandung auf dem Flug nach Europa zu nutzen sowie Militärbasen und Wetterstationen zu errichten. In einem modifizierten Abkommen erhielt Washington 1951 exklusive Rechte zur Nutzung der Stützpunkte auf Grönland, darunter die Thule Air Base. Die US-Präsenz besteht dort bis heute, der Stützpunkt heißt heute Pituffik Space Base.
Als nördlichster Stützpunkt außerhalb der USA befindet sich auf der Pituffik Space Base im Nordwesten Grönlands eine der weltweit drei operativen Bodenstationen der neuen Teilstreitkraft US Space Force, die hier mit 120 US-amerikanischen und kanadischen Militärangehörigen den Weltraum überwachen und vor Raketen warnen sollen. Sie liefern zivile Navigations- und Wetterdienste ebenso wie Unterstützung für militärische Einsätze. Die Route über den Nordpol ist die navigatorisch kürzeste Flugstrecke vom westlichen militärischen Distrikt Russlands zur Ostküste der USA; ähnliches gilt für ballistische Raketen, weshalb dort weiter Radaranlagen zur Frühwarnung unterhalten werden. Allerdings können die Radaranlagen zwar ballistische Raketen erfassen, aber nicht hyperschnelle Marschflugkörper. Wegen neuer potenzieller Abschusspunkte für Raketen aus der Luft oder vom Meer aus und Routen entlang der Ostküste Grönlands müsste der Überwachungsbereich erweitert und in die nordamerikanische Luftverteidigung (NORAD) integriert werden.
Trump will offenbar darüber hinaus ganz Nordamerika, inklusive Grönland und Kanada, zu einer von den USA kontrollierten Hemisphäre machen. Eine solche „Fortress America“, die durch einen „Golden Dome“ geschützt werden soll, ähnelt den Ideen für eine Raketenabwehr, die US-Präsident Roland Reagan in seiner Strategic Defense Initiative (SDI) 1983 geäußert hat,