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Die Ökonomie der Bundesliga
TV-Rechte-Vermarktung sowie Zuschauer- und Werbeeinnahmen erzielen Rekordhöhen. Im Vergleich zu anderen Ligen in Europa gilt die Bundesliga wirtschaftlich als sehr solide. Was macht die Bundesliga ökonomisch richtig und welche Folgen hat der wirtschaftliche Erfolg für die Fans?Wirtschaftsfaktor Bundesliga
Die Fußball-Bundesliga hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1963/64 vom reinen Sport inzwischen auch zum Wirtschaftsfaktor entwickelt. Insbesondere in den vergangenen 25 bis 30 Jahren ist das wirtschaftliche Potenzial des Profifußballs systematisch erschlossen worden. Der Gesamtumsatz der 18 Bundesligisten lag in der Saison 2014/15 bei 2,45 Milliarden Euro. Dabei schrieben in der Saison 2014/15 11 von 18 Bundesligisten schwarze Zahlen, alle 18 Klubs zusammengenommen erwirtschafteten einen Gewinn von 51 Millionen Euro nach Steuern [1]. Vier Spielzeiten zuvor hatte es noch ganz anders ausgesehen, zusammengenommen wies die Liga noch Verluste aus.
Gemäß der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte erzielte die Bundesliga 2014/15 in Europa hinter der britischen Premier League den zweithöchsten Umsatz [2]. Zudem ist die Bundesliga profitabel (s.o.), während andere Ligen zum Teil mit erheblichen Verlusten kämpfen. Aus der Bundesliga gehören drei Vereine (Bayern München, Schalke 04 und Borussia Dortmund) zu den 20 umsatzstärksten Fußballunternehmen in Europa [3]. Die 17 übrigen Klubs kommen aus England (9), Italien (4), Spanien (3), Frankreich (1).
Einnahmearten


Bis Mitte der 1980er-Jahre dominierte die Sorge vor der "Kannibalisierung". Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Fußballübertragungen im Fernsehen beste Werbung für das Live-Erlebnis im Stadion sind. Jedenfalls haben sich die Stadion-Zuschauerzahlen mehr als verdoppelt, seit die privaten Fernsehsender die mediale Präsenz des Fußballs massiv ausgeweitet haben.
Ausgabestruktur

Auf der Ausgabenseite dominieren bei den Profimannschaften die Personalkosten. 38,8 Prozent (rd. 997,5 Millionen Euro) des Gesamtumsatzes wurden in der Spielzeit 2014/15 für Spieler- und Trainergehälter ausgegeben. Einschließlich der Gehälter für Verwaltungsangestellte beträgt der Anteil der Personalkosten rund 46 Prozent. Im Vergleich mit den anderen Ligen der "Big Five" steht die Bundesliga weit besser da und hat die geringste Personalkostenquote. Die Personalkosten sind im Vergleich zu den Vorjahren sogar rückläufig, sodass die DFL von historischen Tiefstwerten spricht.
Gesamtwirtschaftliche Bedeutung
Auch als Arbeitgeber haben die Fußballunternehmen inzwischen einige Bedeutung. Die 36 Klubs der ersten und zweiten Liga beschäftigen knapp 18.000 Mitarbeiter. Werden die indirekt Beschäftigten (zum Beispiel bei Sicherheits- oder Cateringunternehmen) hinzugerechnet, steigt die Zahl der Beschäftigten insgesamt auf über 50.000 [4]. Mit rund 980 Millionen Euro Steuern und Abgaben haben die Erst- und Zweitligisten zudem einen deutlichen Beitrag zur Finanzierung staatlicher Leistungen erbracht [5].
Für sich betrachtet ist der Fußball also ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die positiven Effekte sind aber vor allem regional und sektoral spürbar. Studien zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung von Bundesligisten (und zu deren Imagewirkungen für die betreffenden Städte) belegen dies an den Beispielen Bremen und Hamburg [6]. Hingegen ist die volkswirtschaftliche Bedeutung des Fußballs noch immer verschwindend gering: Setzt man die 2,62 Milliarden Gesamtumsatz der Bundesligisten in Relation zur deutschen Wirtschaftsleistung von rund 2.900 Milliarden Euro, so macht der Fußball lediglich 0,09 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Daran zeigt sich sehr deutlich, dass die wirtschaftliche Bedeutung – trotz aller Wachstumserfolge in den vergangenen Jahren – bei Weitem nicht mit dem gesellschaftlichen Stellenwert des Fußballs mithalten kann.
Wirtschaftliche Besonderheiten im professionellen Fußball

Der Sport weist diverse Eigenarten auf, die ihn und seine kommerzielle Verwertung von "herkömmlichen" Wirtschaftszweigen unterscheidet. Diese Besonderheiten haben in der Wirtschaftswissenschaft zu einem eigenen Forschungszweig "Sportökonomik" geführt [7]. Für das generelle Verständnis der wirtschaftlichen Aspekte des Profifußballs ist es wichtig, die Besonderheiten vorab zu skizzieren.
Gemeinschaftsproduktion
"Herkömmliche" Unternehmen streben in der Regel danach, Konkurrenz so weit es geht auszuschalten. Im Idealfall sind sie der einzige Anbieter für ein spezielles Produkt oder eine spezielle Dienstleistung, sie sind dann Monopolist. Als Monopolist ist ein Unternehmen in der Lage, höhere Gewinne zu erzielen, als wenn es sich den Markt mit konkurrierenden Anbietern teilen muss. Im Gegensatz dazu lebt der sportliche Wettkampf davon, dass mindestens zwei Kontrahenten im sportlichen Wettbewerb miteinander stehen. Ein Profi-Fußballspiel ist also nur möglich, wenn zwei Mannschaften miteinander kooperieren.
Der sportliche Wettkampf kann im Mannschaftssport auf verschiedene Weise organisiert werden: Die einfachste (und kommerziell am wenigsten lukrative) Variante ist das Freundschaftsspiel zwischen zwei Mannschaften. Wirtschaftlich profitabler – weil sportlich interessanter – ist die Organisation eines Wettbewerbs mit mehreren Mannschaften. In der Praxis gibt es Wettbewerbe, die im K.-o.-System ausgetragen werden (zum Beispiel der DFB-Pokal). Die nationalen Meisterschaften werden im Ligabetrieb, also im Spielmodus "Jeder gegen jeden", ausgetragen. Schließlich gibt es Mischformen mit Gruppenphasen und anschließenden K.-o.-Runden (UEFA Champions League und UEFA Europa League, Welt- und Europameisterschaften).
Das Louis-Schmeling-Paradoxon
Dass Fußballunternehmen zu einem bestimmten Grad kooperieren müssen, ist nicht die einzige Besonderheit. Seit 1964 gilt unter Sportökonomen die These, dass sportliche Wettkämpfe möglichst knapp ausgehen müssen, die Kontrahenten müssen also möglichst "auf Augenhöhe" sein. Wenn ein Sportler beziehungsweise eine Mannschaft zu dominant ist, wird es für die Zuschauer schnell langweilig. Das Zuschauerinteresse sinkt und damit auch das Erlöspotenzial. Wiederum gilt: Während gewöhnliche Unternehmen wirtschaftlich profitieren, wenn es keine oder nur schwache Konkurrenz gibt, ist ein Sportler auf möglichst starke Konkurrenz angewiesen, um Einnahmen erzielen zu können.
Zurückzuführen ist diese Erkenntnis auf den amerikanischen Ökonomen Walter C. Neale [8]. Er legte in einem Aufsatz dar, dass es für Sportler besser sei, nur ein klein wenig besser als der Gegner zu sein, weil das sportliche Duell dadurch spannender und für die Zuschauer attraktiver wird. Zu große Überlegenheit ist demnach zwar gut für das sportliche Ehrgefühl, aber schlecht für den Geldbeutel. Neale illustrierte diesen Sachverhalt am Beispiel des Boxsports und erklärte, dass ein Boxer (wie Joe Louis) einen möglichst ebenbürtigen Gegner (wie Max Schmeling) benötigt, um seine sportlichen Erfolge lukrativ vermarkten zu können.
Der Zusammenhang leuchtet unmittelbar ein, gerade am Beispiel des Boxsports: Wenn ein Boxer seine Kämpfe regelmäßig bereits in Runde 1 durch K. o. gewinnt und die übertragenden Fernsehsender nicht einmal die erste Werbepause erreichen, hat das entsprechend negative Auswirkung auf die erzielbaren Werbeeinnahmen. Aus diesem Grund werden in vielen Sportarten Maßnahmen ergriffen, welche die sportliche Ausgeglichenheit fördern sollen. In den amerikanischen Teamsportarten gibt es diverse Maßnahmen wie zum Beispiel "Salary Caps" (Gehaltsobergrenzen). In der Formel 1 wurden in der Vergangenheit immer wieder die Regeln verändert, wenn ein Fahrer oder ein Team sportlich zu dominant geworden war.

Das Louis-Schmeling-Paradoxon ist für die Vermarktung von Sportveranstaltungen sehr relevant und in der Sportökonomie wenig umstritten. Dennoch gibt es Ausnahmen: Manch ein Sportereignis zieht seine Attraktivität gerade aus dem ungleichen Kräfteverhältnis der Kontrahenten. So übt der Mythos des Unbesiegbaren gelegentlich eine besondere Faszination aus. Die Übermacht eines Usain Bolt hat dem Publikumsinteresse an den Finalläufen über 100 und 200 Meter bei den Olympischen Spielen 2012 jedenfalls nicht geschadet. Auch im Fußball sorgt das Duell "David gegen Goliath" immer wieder für volle Stadien. Die ersten Runden des DFB-Pokals sind oft nur deshalb spannend, weil die eigentlich haushoch überlegenen Bundesligisten bei Amateurmannschaften ins Straucheln geraten können.
Der Versuch, den sportlichen Wettbewerb möglichst ausgeglichen zu gestalten, ist aus Vermarktungsgründen somit berechtigt. Bei der Suche nach geeigneten Maßnahmen ist jedoch stets darauf zu achten, dass die Glaubwürdigkeit des Sports nicht beschädigt wird. Favoriten mit einem Handicap zu versehen, würde vom Publikum wohl kaum akzeptiert werden. Für den Profifußball wurde ein Mechanismus gefunden, der nur indirekt wirkt: Die zentrale Vermarktung der Medienrechte durch die DFL ermöglicht eine gleichmäßigere Verteilung der Fernsehgelder auf die Vereine, als wenn diese ihre Medienrechte in Eigenregie verkaufen würden. So erhält in Deutschland der Verein mit den höchsten Einnahmen aus Medienrechten lediglich das Doppelte des erlösschwächsten Vereins.
In Spanien liegt dieses Verhältnis laut der Prüfungsgesellschaft Deloitte ungefähr bei 13:1, weil die spanischen Vereine ihre Medienrechte bisher in Eigenregie vermarktet haben und kein Finanzausgleich erfolgt. Die beiden Top-Clubs Real Madrid und der FC Barcelona erhalten knapp 40 Prozent der gesamten TV-Erlöse. Auch aufgrund dieser massiven Erlösspreizung ist die spanische Liga sportlich weniger ausgeglichen und weniger spannend als die Bundesliga. Die spanische Liga hat ihre Konsequenzen gezogen und ab der Spielzeit 2016/17 sollen die TV-Rechte nun – wie international üblich – zentral vermarktet werden.
Gleichwohl hatte das deutsch-deutsche Champions League-Finale 2013 auch in Deutschland eine intensive Diskussion ausgelöst, ob der Bundesliga spanische Verhältnisse drohen und Bayern München und Borussia Dortmund künftig die Meisterschaft unter sich ausspielen. Trotz der Zentralvermarktung und der relativ gleichmäßigen Verteilung der TV-Gelder hat sich die Situation in Deutschland seit 2013 weiter zugespitzt. Bayern München ist seitdem sportlich derart dominant, dass es inzwischen nicht einmal mehr zu einem echten sportlichen Zweikampf kommt, sondern Bayern München allein die Liga beherrscht.
Welches Ziel verfolgen Fußballunternehmen?
Unternehmen streben danach, größtmögliche finanzielle Gewinne zu erwirtschaften. Dies ist die Standardannahme der Wirtschaftstheorie. Im Einzelfall verfolgen Unternehmen auch andere Ziele. So kann ein Unternehmen vor allem daran interessiert sein, Marktanteile zu gewinnen oder möglichst schnell den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen, auch wenn dadurch auf mögliche monetäre Gewinne verzichtet werden muss. Im Regelfall sind dies jedoch vorübergehende Phasen, die letztlich nur Bestandteil einer langfristig angelegten Gewinnmaximierungsstrategie sind.

Dem ehemaligen Vorstandschef des Hamburger SV, Bernd Hoffmann, wird die Aussage zugeschrieben, das Ziel eines Profiklubs sei größtmöglicher sportlicher Erfolg bei Vermeidung der Insolvenz. Wirtschaftliche Solidität ist für Fußballunternehmen also eher eine Nebenbedingung als ein eigenständiges Ziel. Letztlich geht es um größtmöglichen sportlichen Erfolg – wobei jeder Klub für sich festlegt, was darunter zu verstehen ist. Einige haben die Meisterschaft als Ziel, andere die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb und einige werten bereits den Klassenerhalt als Erfolg. Es mag unspektakulär klingen, dass Fußballunternehmen nicht nach finanziellem, sondern nach sportlichem Erfolg streben. Für zahlreiche Aspekte der Unternehmensführung ist dieser Sachverhalt jedoch von großer Bedeutung. So ist es wenig erstaunlich, dass Börsengänge von Fußballunternehmen für die Aktionäre im Regelfall kein gutes Geschäft waren.
Positionswettbewerb
Das Streben nach maximalem sportlichem Erfolg führt zu einer weiteren Besonderheit: Positionswettbewerb. Wirtschaft ist üblicherweise ein Positivsummenspiel. Wenn zwei oder mehrere Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen, konkurrieren sie zwar um Marktanteile, die Größe des Marktes ist jedoch nicht fix, sondern variabel. Wettbewerb verbessert die Produktqualität und erhöht oft auch die Produktauswahl. Je attraktiver das Angebot, desto mehr Kunden sind kaufbereit – der Markt wächst. Unternehmen können also ihre Umsatz- und Gewinnziele selbst dann verwirklichen, wenn die Konkurrenz stark und ebenfalls erfolgreich ist.

Die Situation im Profifußball stellt sich komplett anders dar, denn Fußball ist im Ligabetrieb ein Nullsummenspiel. Jede tabellarische Verbesserung eines Klubs hat zwangsläufig die Verschlechterung mindestens eines anderen Klubs zur Folge. Der Positionswettbewerb hat erhebliche wirtschaftliche Folgen: Da die Qualifikation für die Champions League oder die Europa League sowie der Klassenerhalt erhebliche Mehreinnahmen für die Klubs bedeuten, besteht ein Anreiz, zusätzliche Investitionen zu tätigen, um diese Mehrerlöse zu realisieren. Es liegt in der Natur des Positionswettbewerbs, dass dieser Anreiz für zahlenmäßig mehr Klubs besteht, als lukrative Tabellenplätze zu vergeben sind. In der sportökonomischen Literatur wird dieser Sachverhalt unter den Begriffen "Überinvestitionen", "ruinöser Rüstungswettlauf" und "Rattenrennen" behandelt [10]. Fehlinvestitionen sind nicht vermeidbar, weil nicht alle Klubs gleichzeitig die finanziell lukrativen Plätze erreichen können.