Chronologie zur deutschen Kolonialgeschichte
Enteignung der Afrikaner, Entschädigung der deutschen Siedler
In dem 1913 in Leipzig veröffentlichten Band "Das deutsche Reichsstaatsrecht, Bd.1: Die deutsche Reichsverfassung, 2. Auflage" ist eine Erläuterung der Reichs-Kolonialpolitik zu finden. Zum rechtlichen Status der Kolonien wurde erklärt: "Die Kolonien sind nicht als 'Bestandteile' des Reiches aufzufassen, sondern als 'Reichsnebenländer'. Die Deutsche Reichsverfassung [ist] in ihnen [den Kolonien] nicht eingeführt und somit nicht gilt".[5] Ferner heißt es: "Die meisten Kolonien sind im Wege der Okkupation an das Reich gelangt. Zur Sicherung, ... und Erschließung des neuen Besitzes schloss das Reich eine dreifache Art von Verträgen ab: mit anderen Staaten, mit Eingeborenenhäuptlingen und mit deutschen Handelsunternehmungen."[6] "Die Verträge mit den Stammeshäuptlingen", so der Autor, "sind völkerrechtlich bedeutungslos, weil diese keine Staaten im Rechtssinne vertreten; sie waren lediglich dazu bestimmt, den Eingeborenen die Annektierung ihres Landes wenig fühlbar zu machen und so die Okkupation zu erleichtern."[7]Obwohl nach Darstellung in dem oben erwähnten Band zum Reichsstaatsrecht die Deutsche Reichsverfassung keine Rechtsgültigkeit in den Kolonien hatte, berief man sich auf die Verfassung, um die deutschen Siedler zu entschädigen. Nach der Niederschlagung des Widerstandes in Deutsch-Südwest-Afrika (dem heutigen Namibia) wurden die Einheimischen enteignet und "die deutschen Siedler erhielten fünf Millionen Reichsmark Entschädigung".[8] Die Entschädigungsansprüche der Afrikaner wurden von den Kolonial-Befürwortern und der Kolonial-Verwaltung verspottet.
Die deutschen Siedler und die Kolonialfirmen wurden nach dem Ersten Weltkrieg für die Schäden an Leben und Gesundheit durch die Entschädigungsverordnungen der Kolonialgouverneure begünstigt. Die Verordnungen, bemerkte ein Jurist im Jahr 1926, wurden "praktisch freilich ohne besondere Rechtsgrundlagen angewandt".[9] Die Entschädigungssumme konnte sich auf annähernd 6 Milliarden Reichsmark belaufen.[10]