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M 02.05 Wie fühlt sich ein Mobbingopfer? | Mobbing – bei uns nicht?! | bpb.de

Mobbing – bei uns nicht?! Didaktische Konzeption Sachanalyse Einstieg in die Befragung (B1) M 01.01 Words Hurt (Film) M 01.02 Ist das schon Mobbing? M 01.03 Fragebogen zum Thema M 01.04 Wie arbeiten Sozialwissenschaftler? Info 01.01 Words Hurt Info 01.02 Fragebogen zum Thema Mobbing (B2) M 02.01 Erscheinungsformen M 02.02 Verbreitung von Mobbing M 02.03 Täter - warum wird jemand zum Mobber? M 02.04 Interview mit den Tätern M 02.05 Wie fühlt sich ein Mobbingopfer? M 02.06 Welche Folgen hat Mobbing für die Opfer? M 02.07 Die Rolle der Mitläufer und Zuschauer Info 02.01 Erscheinungsformen (Musterlösung) Info 02.02 Rolle des Lehrers Info 02.03 Anzeichen für Mobbing Info 02.04 Spot "Red-haired" Info 02.05 Rollenschema Cybermobbing (B3) M 03.01 Spot: Stop Cybermobbing M 03.02 Song: "What if" M 03.03 Neue Medien – Neues Mobbing? M 03.04 Erscheinungsformen M 03.05 Verfolgt im Cyberspace M 03.06 Gesetzeslage M 03.07 Wie kann ich mich gegen Cybermobbing schützen? M 03.08 Spot: "Folgenschwer" Info 03.01 Wie kann Cybermobbing aussehen? Auswertung der Befragung (B4) M 04.01 Fragebogen: Mobbing und Gewalt M 04.02 Hypothesen M 04.03 Arbeitsblatt: Hypothesen bilden M 04.04 Beispiel: Einfache Häufigkeitsauszählung M 04.05 Wie liest man eine Statistik? M 04.06 Arbeitsblatt: Einfache Häufigkeitsauszählung M 04.07 Ampelsystem M 04.08 Arbeitsblatt: Sechs-Punkte-Schema M 04.09 Hilfen zur Auswertung M 04.10 Auswertung offener Fragen Info 04.01 Beispiel: Einfache Häufigkeitsauszählung Info 04.02 Erstellung einer einfachen Häufigkeitsauszählung Info 04.03 Checkliste: Datenauswertung Info 04.04 Kreuztabellen Info 04.05 Vorbereitung der Datenauswertung Konsequenzen (B5) Info 05.01 Von den Daten zur Maßnahme Info 05.02 Gut gemeint, aber... Info 05.03 Farsta-Methode Info 05.04 No Blame Approach Info 05.05 Präventives Sozialtraining Info 05.06 Mobbing-Dreieck Info 05.07 Ring frei! Info 05.08 Ja-Sagen Info 05.09 Stopp-/Nein-Sagen Info 05.10 Mauer-/ Türsteherspiel Info 05.11 Klassenvertrag Info 05.12 Muster eines Klassenvertrags Literaturtipps Redaktion

M 02.05 Wie fühlt sich ein Mobbingopfer?

/ 6 Minuten zu lesen

Wer Mobbing noch nicht "am eigenen Leib" erfahren hat, kann sich nur vage vorstellen, wie sich die betroffenen Schüler fühlen. Dieses Material beschäftigt sich mit der Situation der Mobbingopfer.

Ich fürchtete mich vor dem Tag beim Aufstehen. Ich fürchtete mich vor dem nächsten Tag schon am späten Abend. Ich wünschte mir immer wieder, nicht mehr zu leben. Nicht mehr leben zu müssen. Wünschte sehnlich, dass mein Leben nicht existierte: diese Hölle von »Leben«. [1]

Hättest du gedacht, dass es tatsächlich so düster im Inneren eines Mobbingopfers aussehen kann? Wer Mobbing noch nicht "am eigenen Leib" erfahren hat, kann sich nur vage vorstellen, wie sich die betroffenen Schüler fühlen.

Jugendliche Mobbingopfer berichten in Foren und Interviews davon, dass sie sich stark gedemütigt fühlen. Abschätzige Blicke, Getuschel im Hintergrund, laute Beschimpfungen, aber auch körperliche Angriffe und Attacken auf Sachen und Gegenstände, die ihnen gehören, machen den Opfern das Leben "zur Hölle". Dabei fühlt sich für die schikanierten Schüler jeder einzelne Tag oft wie ein ganzes Jahr an, die Zeit in der Schule scheint kein Ende nehmen zu wollen, so dass sie endlich nach Hause gehen können, wo sie Ruhe vor ihren Angreifern haben. Viele Opfer versuchen auch, besonders nett zu sein, oft auf Anraten ihrer Eltern, um sich nicht mehr angreifbar zu machen – doch häufig ohne Erfolg. Wenn sie merken, dass ihre Verhaltensänderung wirkungslos bleibt, geraten sie leicht in die Annahme, dass siel selbst Schuld daran sind, wenn sie nicht gemocht werden. Dieses Denken hat einen massiven Verlust des Selbstwertgefühls zur Folge, das sich noch viele Jahre im Denken und Handeln des Opfers festsetzt und nur schwer zu überwinden ist.

Dies ist auch ein Grund dafür, warum viele Mobbingopfer keine Hilfe bei Lehrern und Eltern suchen. Sie fühlen sich völlig hilflos und haben kein Vertrauen, dass ihnen jemand helfen kann. Viele, die sich dennoch überwinden können, sich einem Lehrer anzuvertrauen, berichten von Misserfolgen, entweder dass sie sich nicht ernst genommen fühlten oder aber dass ergriffene Maßnahmen im Endeffekt doch nicht konsequent durchgeführt wurden. Andere wiederum haben erst durch die Lehrer wirkliche Hilfe gefunden.

Eine weitere "Hoffnungsquelle" – wenn auch häufig mit Enttäuschung verbunden –, sind neue Mitschüler:

Wenn neue Schüler in die Klasse kamen, dann habe ich sofort versucht, mich mit denen anzufreunden. Doch die Mobbergruppe hat richtig "Hetzkampagnien" gegen mich durchgeführt. Neue Schüler wurden sofort eingeweiht. [...] Einer von den beiden neuen Schülern hat mich mit einem Schlüsselbund, der um meinen Hals hing, von hinten gewürgt, der andere versuchte sogar, mich mit allen Mitteln bei den Lehrern schlecht zu machen und machte sich besonders häufig über mich lustig. [2]

Die Folge ist, dass die Betroffenen sich entweder stark von ihrem sozialen Umfeld zurückziehen, sich aus Angst vor den Attacken der anderen lieber in Isolation und Einsamkeit flüchten oder sich erst recht eine coole und lustige Fassade aufbauen, damit die anderen ja nicht merken, wie sehr ihr schikanierendes Verhalten sie in Wirklichkeit verletzt.

Ich wurde in dieser Zeit immer verschlossener, wenngleich ich nach außen hin eine Fassade aufbaute, die meinen Mitschülern das Bild eines, "coolen" und mitunter lustigen Typen vermittelte. Tief im Innern war ich jedoch extrem unglücklich über meine Situation. [3]

Derartige Erfahrungen führen dazu, dass die Wut und die Verzweiflung über die Demütigungen immer größer werden, welche die Opfer dann entweder in sich "hinein fressen" oder ebenfalls in agressive Energie umwandeln. Meistens baut sich jedoch im Inneren ein starkes Gefühl von Unglück, Angst und Traurigkeit auf, so dass viele Betroffene an schlimmen körperlichen Beschwerden leiden: sie haben z.B. mit starker Übelkeit zu kämpfen, übergeben sich aus Angst vor der Schule, leiden unter starken Kopfschmerzen.

Ich hielt das alles nicht mehr aus und wurde ziemlich heftig krank. Meine Eltern haben im Krankenhaus nach organischen Ursachen gesucht, bis ein Arzt meinte, dass es psychosomatisch sein könnte. An einem Tag dann, ich war eigentlich krank, bin ich für zwei Stunden zur Schule gegangen, um die Vergleichsarbeit in Englisch mitzuschreiben. Begrüßt wurde ich mit "Spasti", verabschiedet mit "Hurensohn". Am Nachmittag hat mich mein Psychiater für die restlichen 6 Wochen von der Schule befreit, damit ich wieder gesund werden kann. Nach den Ferien habe ich dann die Schule gewechselt. [4]

An diesem Beispiel wird deutlich, dass die psychosomatischen Beschwerden sich derart verschlimmern können, dass viele Mobbingopfer nicht mehr zur Schule gehen. Die Angst vor der Schule wird so massiv, dass ihnen vielfach nur der Gang zum Psychologen oder Psychiater helfen kann, mit den Auswirkungen des Mobbings besser umzugehen.

Eine andere Dimension von Gefühlen löst das Cyber-Mobbing aus. Die im Internet bloßgestellte Person (z.B. im SchülerVZ, Facebook etc.) erlebt eine erhöhte Aufmerksamkeit, sie hat den ständigen Drang, im Internet zu kontrollieren, ob wieder etwas Neues über sie geschrieben wurde und ist voller angstvoller Neugier, wie schlimm die Attacken wohl sein mögen. Dieser Drang zur Kontrolle führt dazu, dass sich die Opfer völlig ruhelos fühlen und das Bedürfnis haben, alles wissen zu müssen, was dort über sie geschrieben wird.

Selbst wenn ich am PC gewesen bin und habe etwas für die Arbeit geschrieben, einen Bericht oder so, habe ich mich echt ertappt alle Viertelstunde oder so: "Ach, jetzt guck doch schnell nach", Mausklick, rein ins Internet geguckt: "Ah, ist nichts drin." Wieder raus und wieder mit der Arbeit weiter. Man kann sich nicht mehr konzentrieren, wenn man sich in Zehn-Minuten-Schritten immer wieder ablenken lässt. [5]

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Angst der Opfer davor, was andere Personen über sie lesen könnten. So kreisen ihre Gedanken ständig um das "schlechte Bild", das fremde Menschen nun aufgrund dieser Beschimpfungen und Verleumdungen von ihnen haben könnten; Verhaltensänderungen, die sie an anderen bemerken, deuten sie dann schnell als "Er/sie hat es auch gelesen..." und fühlen sich bloßgestellt, auch wenn die Person es vielleicht gar nicht gelesen hat.

Der wesentliche Unterschied ist, alles was im Internet ist, ist eben öffentlich. [...] das ist nun eben überall abrufbar. Man kann es überall erkennen und das ist natürlich ein Höchstmaß an Diffamierung. [...] Da werden viele Leute mit rein gezogen, die damit überhaupt nichts zu tun haben und die dann sofort ein gewisses Bild von einem haben. [6]

Aus den Berichten der Mobbingopfer geht deutlich hervor, wie bohrend der "soziale Schmerz" ist, den sie ertragen müssen. Sie wollen sich ständig im Griff haben, so dass sie ihren Gegnern keine erneute Angriffsfläche bieten, sie schwanken beständig zwischen cooler Außenfassade und innerer Verzweiflung, zwischen "trotzdem nett sein" und völliger sozialer Isolation und Einsamkeit. Diese Gefühle führen irgendwann zu körperlichen Erkrankungen, ihr Körper rebelliert gegen die Angst vor der Begegnung mit den Mitschülern.

Fußnoten:

  1. Widmann, J.: Bekenntnis, in: Erziehungskunst Heft 11, 2007, S. 1197-1200, hier: S. 1198.

  2. Externer Link: (02.09.10) (Forum: Erfahrungsbericht vom Initiator der Website: Alexander Henker)
  3. Externer Link: (02.09.10)
  4. Widmann [Anm. 1], S. 1198.

  5. Fawzi, N.: Cyber-Mobbing. Ursachen und Auswirkungen von Mobbing im Internet, Baden-Baden: Nomos-Verlag 2009, S. 103-107, hier: S. 93.

  6. ebd., S. 101

Arbeitsaufträge:

  1. Lies dir den Text gut durch.

  2. Wie fühlt sich jemand, der Opfer von Mobbing geworden ist?

  3. Wie reagieren Menschen im Umfeld der Opfer, wenn sie mitbekommen dass jemand gemobbt wird? Und wir wirkt diese Reaktion auf das Opfer?

  4. Wie reagieren Mobbingopfer selbst auf das Mobbing?

  5. Welche Folgen hat das Mobbing bei ihnen?

  6. Stell dir vor, du wärst selbst ein Opfer von Mobbing. Wie würdes du dich fühlen? Was würdest du tun?

Quelle:

Eigener Text nach:

Fussnoten