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„Echte Männer“ und „wahre Weiblichkeit“? Antifeminismus im Unterricht begegnen | Digitale Zivilgesellschaft | bpb.de

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„Echte Männer“ und „wahre Weiblichkeit“? Antifeminismus im Unterricht begegnen

Mareike Fenja Bauer

/ 4 Minuten zu lesen

In welchem Verhältnis stehen antifeministische Influencer zur rechtsextremen Szene? Wie lässt sich das im Unterricht thematisieren? Sozialwissenschaftlerin Mareike Fenja Bauer gibt einen Überblick.

Sogenannte TradWives propagieren in sozialen Medien traditionelle Geschlechterrollen. (© @tradwifefactory / Instagram)

Laut der Externer Link: Leipziger Autoritarismus-Studie gewinnen antifeministische Aussagen gesamtgesellschaftlich immer mehr an Zuspruch. Auch auf Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube liegt Antifeminismus im Trend. Inhalte von bekannten antifeministischen Sprecher*innen wie Jordan Peterson werden im Netz millionenfach geklickt, und unter Hashtags wie #TradWife finden sich tausende Beiträge.

So unterschiedlich antifeministische Akteur*innen im Netz auch auftreten, eint sie die Vorstellung einer – je nach Ausprägung – gottgegebenen oder „natürlichen“ patriarchalen Geschlechterordnung und die Feindschaft zum „Feminismus“. Dabei hat Antifeminismus nichts mit konstruktiver Kritik an feministischen Bestrebungen gemein, sondern zielt vor allem auf eine verallgemeinernde Abwertung verschiedener feministischer Positionen und steht einer Gleichstellung der Geschlechter konträr gegenüber. Eng verwoben ist Antifeminismus unter anderem auch mit Queer- und Transfeindlichkeit, Misogynie (Frauenfeindlichkeit) und Sexismus.

Manosphere, TradWives und Co.: Wer verbreitet Antifeminismus online?

Antifeminismus ist kein Randphänomen und über verschiedene politische Lager hinweg verbreitet. In rechten Ideologien spielt Antifeminismus jedoch eine zentrale Rolle und dient der extremen Rechten häufig zur Externer Link: Mobilisierung. Aufgrund seiner Anschlussfähigkeit fungiert Antifeminismus, ähnlich wie Interner Link: Antisemitismus, häufig als verbindende ideologische Brücke und spielt eine entscheidende Rolle in Radikalisierungsprozessen.

  • In sozialen Netzwerken werden antifeministische Erzählungen von verschiedenen Akteur*innen verbreitet, die sich in ihrem Organisationsgrad und Auftreten unterscheiden. Akteure, wie die sogenannten Incels oder selbsternannte Pick-up-Artists sind der sogenannten Manosphere zuzurechnen. Die Manosphere (dt. Mannosphäre) beschreibt eine (digitale) Subkultur, die über verschiedene Plattformen hinweg wirkt und in der Männerrechtler sowie andere, sich selbst als Maskulinisten bezeichnende Akteure ihr antifeministisches und misogynes Weltbild verbreiten. Charakteristisch für die Manosphere sind antifeministische Verschwörungserzählungen, in denen ein allmächtiger Feminismus imaginiert wird, der vor allem für Männer eine Gefahr darstellen würde – beispielsweise in Form sinkender Geburtenraten, an dem angeblich der Feminismus schuld sei. Die Manosphere ist zudem eng mit der (extremen) Rechten verwoben.

  • Im Zusammenhang mit der Manosphere werden vor allem Plattformen wie Reddit oder 4Chan – Plattformen, auf denen häufig antidemokratische Inhalte geteilt werden – als Verbreitungsorte genannt. Jedoch finden sich die antifeministischen vermeintlichen Bedrohungsszenarien und maskulinistischen Weltansichten auch auf weitverbreiteten Plattformen wie TikTok und Instagram. Dabei idealisieren die Akteure der Manosphere das Bild einer soldatischen und wehrhaften Männlichkeit und sprechen vor allem junge Männer an.

  • An ein gezielt weibliches Publikum richten sich hingegen die sogenannten TradWives (Traditional Wives; dt. Traditionelle Ehefrauen). Diese verknüpfen die Inszenierung ihres persönlichen Lifestyles mit Antifeminismus. Ähnlich wie die Manosphere haben die TradWives ihren Ursprung in Reddit-Foren und sind mittlerweile auch auf Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube zu finden. TradWives propagieren ein konservatives und traditionelles Bild von Geschlecht, das eng verknüpft ist mit der Vorstellung einer unterwürfigen Weiblichkeit. Häufig argumentieren sie aus einer christlich-fundamentalistischen Perspektive. Zudem gibt es auch hier enge personelle und inhaltliche Überschneidungen mit der (extrem) rechten Szene. Beispielsweise treten bekannten rechte Aktivistinnen online als TradWives in Erscheinung und im Jahr 2017 initiierte eine bekannte TradWife auf ihrem YouTube-Channel die Externer Link: "White Baby Challenge", bei der dazu aufgerufen wurde, möglichst viele weiße Kinder zu zeugen.

  • Auch explizit politische Akteur*innen, wie beispielsweise Parteimitglieder der AfD, nutzen Antifeminismus in ihren Social-Media-Auftritten, um Menschen zu mobilisieren. „Der Feminismus“ wird auch hier als Gefahr imaginiert und gilt als Bedrohung für die Idee der Interner Link: „Volksgemeinschaft“. Auch Externer Link: neu-rechte Influencer*innen, wie @EinGollan oder der @KetzerderNeuzeit, in deren Internet-Auftritten Antifeminismus eine zentrale Rolle einnimmt, sind als Akteur*innen zu nennen. Ein beliebtes Format ist dabei der Besuch von feministischen Demonstrationen mit dem Ziel, dort gefilmte Aktivist*innen in Veröffentlichungen abzuwerten. Auch das vom früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt ins Leben gerufene Nachrichtenportal NIUS verbreitet auf TikTok antifeministische Narrative.

  • Weiterhin gibt es eine häufige Verknüpfung von Esoterik und Antifeminismus, indem „Feminismus“ als Gefahr für vermeintlich „weibliche und männliche spirituelle Energien“ benannt wird. Durch Coaching-Angebote und ähnliches wird Antifeminismus so auch Teil eines Geschäftsmodells.

Was tun? Auseinandersetzung mit Antifeminismus im Unterricht

Antifeminismus ist häufig schwer als solcher zu erkennen: Videos von sogenannten TradWives wirken auf den ersten Blick eher unpolitisch und offenbaren erst bei genauerer Betrachtung ihr antifeministisches Potenzial. Zudem ist nicht jede Frau, die online gerne Backrezepte teilt, antifeministisch – ebenso wie nicht jeder Dating-Coach auf sexistische Stereotype zurückgreift und nicht jede spirituelle Sinnsuche im Antifeminismus endet.

Eine pädagogische Praxis kann hier ansetzen und über die Gefahren und Wirkungsweisen des Antifeminismus aufklären. Beispielsweise können dazu auch Social-Media-Inhalte in den Unterricht integriert werden. Anhand konkreter Beispiele und der Auswertung bekannter Hashtags und Memes kann so gemeinsam mit den Schüler*innen das Gezeigte analysiert und antifeministische Aussagen in den Kontext gesetzt werden. Dabei ist es ratsam, nicht per se ein dystopisches Bild von Social-Media-Plattformen zu zeichnen, sondern vielmehr zum kritischen Umgang mit ihnen zu befähigen, um demokratische Positionen zu stärken.

Argumentationstrainings, die sich gezielt mit Antifeminismus auseinandersetzen, können zudem die Anschlussfähigkeit antifeministischer Erzählungen aufbrechen und lassen sich ebenfalls in den Unterricht integrieren. Denkbar sind auch Diskussionen mit Schüler*innen über die Entwicklung einer Identität, die nicht auf der Abwertung von Nicht-Männlichem basiert. Um antifeministischen Fehlinformationen und Verschwörungserzählungen entgegenzuwirken, kann auch über feministische Denkansätze, Bewegungen und Bestrebungen aufgeklärt und dies als Teil politischer Bildung verstanden werden.

Weiterführende Inhalte der bpb

Weiterführende Literatur

Ayyadi, Kira (2018). Externer Link: „Incel“- Der tödliche Wahn der Frauenhasser. Belltower.News – Netz für digitale Zivilgesellschaft. Amadeu Antonio Stiftung. 11. Mai 2018. (zuletzt aufgerufen am 16.02.24).

Bauer, Mareike Fenja/Rösch, Viktoria (2023). Externer Link: Self-Care, Mental Health und Antifeminismus – visuelle Strategien antifeministischer Influencerinnen auf TikTok und Instagram. In: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (Hg.). Wissen schafft Demokratie. Schwerpunkt Netzkulturen und Plattformpolitiken, Band 14. Jena, 60–77. (zuletzt aufgerufen am 16.02.24).

Blum, Rebekka (2019). Angst um die Vormachtstellung: Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus. Hamburg: Marta Press UG.

Bundeszentrale für politische Bildung (2018). Interner Link: (Anti-)Feminismus. Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 68. Jahrgang 17/2018. (zuletzt aufgerufen am 24.0.24).

Decker, Oliver/Kiess, Johannes/Heller, Ayline/Brähler, Elmar (Hrsg.) (2022). Externer Link: Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. Neue Herausforderungen – alte Reaktionen? Leipziger Autoritarismus Studie 2022. Heinrich Böll Stiftung / Otto Brenner Stiftung. Psychosozial-Verl. (zuletzt aufgerufen am 16.02.24).

de:hate und Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention (2023). Externer Link: Jung und reaktionär – Die Nachwuchs-Rechts-Fluencer. Belltower.News – Netz für digitale Zivilgesellschaft. Amadeu Antonio Stiftung, 4. Juli 2023. (zuletzt aufgerufen am 16.02.24).

JFF- Institut für Medienpädagogik (o.D.). Externer Link: Antipluralismus konkret: Normierung von Geschlechterrollen in rechtsextremen Narrativen. RISE Projekt. (zuletzt aufgerufen am 16.02.24).

Lang, Juliane and Peters, Ulrich (2018). Antifeminismus in Bewegung, Aktuelle Debatten um Geschlecht und sexuelle Vielfalt. Hamburg: Marta Press UG.

Netzwerk feministische Perspektiven und Interventionen gegen die (extreme) Rechte (femPI)/ Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismusforschung (2022). Externer Link: Antifeminismus – Plädoyer für eine analytische Schärfe. Impulspapier. (zuletzt aufgerufen am 16.02.2024).

Rösch, Viktoria (2023). Heimatromantik und rechter Lifestyle: Die rechte Influencerin zwischen Self-Branding und ideologischem Traditionalismus. GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 15(2), 25-40.

Sommerlich, Karla (2021). Schwerpunkt (Anti)feminismus. Externer Link: Kinderkriegen als weißer Überlebenskampf. Belltower.News – Netz für digitale Zivilgesellschaft. Amadeu Antonio Stiftung, 4. März 2021. (zuletzt aufgerufen am 16.02.24).

Sykes, Sophia; Hopner, Veronica (2023). Externer Link: Tradwives: The Housewives Commodifying Right-Wing Ideology. Global Network on Extremism & Technology, 7. Juli 2023. (zuletzt aufgerufen am 16.02.24).

Materialien zum Thema

Podcast: Antifeminismus – Externer Link: Über Hausfrauen, #tradwives und Rechtsextremismus. JFF- Institut für Medienpädagogik, RISE Projekt.

Interaktive Ausstellung: Pageflow-Seite des Projekts Externer Link: „Spotlight – Antifeminismus erkennen und begegnen“ der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz e.V.

Argumentationshilfen gegen Antifeminismus: Externer Link: Antifeministische Behauptungen erkennen und widerlegen. Amadeu Antonio Stiftung/Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Selbstbezeichnung für Männer, die in unfreiwilliger Enthaltsamkeit ("Involuntary Celibate") leben und die Schuld daran bei Frauen suchen sowie an ein männliches Recht auf Sex mit Frauen glauben.

  2. Selbsternannte Pick-up-Artists vertreten ein maskulinistisches Weltbild und geben "Dating- und Flirttipps", die sich durch aggressive "Flirt-Techniken" auszeichnen und häufig sexualisierte Gewalt an Frauen legitimieren.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-SA 4.0 - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International" veröffentlicht. Autor/-in: Mareike Fenja Bauer für bpb.de

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Weitere Inhalte

Mareike Fenja Bauer ist Sozialwissenschaftlerin und promoviert an der European New School of Digital Studies / Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). In ihrem Dissertationsprojekt beschäftigt sie sich damit, wie weibliche antifeministische Influencer in Bedeutungsbildungsprozesse und die Verbreitung von Antifeminismus auf visuell geprägten Social-Media-Plattformen eingebunden sind.