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Kommentar: Die Folgen des niederländischen Neins | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Die Folgen des niederländischen Neins

Sijbren de Jong Den Haag Von Sijbren de Jong

/ 4 Minuten zu lesen

Wie kann eine nationale Volksabstimmung internationale Politik beeinflussen? Das niederländische Nein zum EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine führt die Verflechtungen innen- und europapolitscher Ebene vor.

Die Socialistische Partij der Niederlande wirbt in Den Haag für ein "Nee" in der Volksbefragung zum EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine. (© picture-alliance/dpa)

Am 6. April 2016 haben die niederländischen Wähler die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens der Europäischen Union mit der Ukraine abgelehnt. Für die Verbindlichkeit des Referendums war eine Wahlbeteiligung von mindestens 30 Prozent erforderlich. So wurden mit einer Wahlbeteiligung von 32,2 Prozent und einer Mehrheit von 61,1 Prozent der Wähler, die mit "nein" stimmten, die formalen Anforderungen an das Referendum erfüllt. Die große Frage ist nun: Wie geht es weiter für die Niederländer? Die unmittelbar aufkommende Frage ist natürlich, wie die Regierung auf die Ergebnisse reagieren wird. Allerdings haben die Ergebnisse vom 6. April, auf lange Sicht gesehen und damit besorgniserregender, eine Büchse der Pandora populistischer Politik in Europa geöffnet.

Das Referendum wurde vom populistischen Blog Geen Stijl organisiert und durch ein neues Gesetz zu konsultativen Referenden ermöglicht, das im Juli 2015 in Kraft trat. Das Gesetz erlaubt Organisationen die Durchführung nicht-bindender Referenden, die der Regierung einen Indikator für den einzuschlagenden Kurs geben. Es betrifft Gesetze und internationale Verträge, nachdem diese vom niederländischen Senat und vom Abgeordnetenhaus verabschiedet worden sind.

Warum die Ukraine? Und warum interessieren sich die Niederländer so sehr für einen hochtechnokratischen – und glauben sie mir (ich habe ihn gelesen), ziemlich langweiligen – Assoziierungsvertrag mit der Ukraine? Offen gestanden scheren sie sich überhaupt nicht darum. Der Vertrag mit der Ukraine war zufällig die erste Möglichkeit, das neue Referendumsgesetz zu testen und das Referendum in eine Volksabstimmung über alles, für das die EU steht zu verwandeln. Die niederländische Regierung hatte erhebliches politisches Kapital in das Assoziierungsabkommen investiert und war sehr daran interessiert, es ratifiziert zu sehen. Daher ist es eine gelinde Untertreibung zu sagen, dass die Ergebnisse des Referendums die Niederlande in Verlegenheit bringen in einer Zeit, in der das Land die rotierende Ratspräsidentschaft in der EU innehat.

Die Führung in Verlegenheit zu bringen in einer Zeit, in der sie die Verantwortung trägt – Glückwunsch. Aber warum dieses Gesetz nutzen, um eure Frustration über Brüssel auf Kosten von 45 Millionen Ukrainern, die damit gar nichts zu tun haben, zu verdeutlichen? Ich schäme mich nicht oft für mein Land. Schließlich haben wir viele Dinge, auf die wir stolz sein können. Der gestrige Abend allerdings war eine bemerkenswerte Ausnahme.

Was also kann die niederländische Regierung nun tun? Realistisch betrachtet nicht besonders viel. Gesetzlich betrachtet müssen sie den Ergebnissen des Referendums nicht folgen. In der Praxis werden sie vermutlich eine andere Lösung anstreben. Denn da es keine Option ist, zurück nach Brüssel zu gehen und 27 (!!) andere EU-Staaten davon zu überzeugen, dass wir erneut verhandeln sollten, ganz zu schweigen von dem Angriff auf die Demokratie, muss eine elegantere Lösung gefunden werden. Wahrscheinlich wird es entweder so sein, dass die Niederlande dem Vertrag eine Erklärung beifügen, in der sie einige "Sorgen" der Wähler anführen oder einige Teile des Vertragstextes werden umformuliert. Diese Veränderungen werden natürlich eher kosmetischer Natur sein, denn erneute Verhandlungen sind politisch unmöglich.

Geen Stijl und die anderen Organisatoren des Referendums werden später zweifellos laut aufschreien, dass die Politiker ihre Sorgen ignorieren. Dies ist jedoch nur eine billige Masche. Sie waren sich dessen von vorneherein bewusst. Schließlich ist das Referendum lediglich konsultativ. Sie wussten, dass der Vertrag nicht detailliert umgearbeitet werden kann, wenn die Abstimmung ein "Nein" ergeben würde. Deshalb war das einzige Ziel dieses Referendums, bei der breiten Bevölkerung den Glauben zu schüren, dass die EU nicht auf ihre Bürger hört. Einer der seltsameren Kommentare, die ich in den vergangenen Wochen gelesen habe, war der eines der Organisatoren des Referendums, der behauptete, dass "die EU mehr und mehr einem totalitären System gleicht." Wirklich? Ich habe einen Vorschlag. Versucht, ein Referendum dieser Art in einem Land wie Belarus oder Aserbaidschan zu organisieren. Wenn ihr dies tut, nehmt bitte eine Stoppuhr mit. Ihr werdet sie brauchen, um zu kontrollieren, wie schnell ihr deswegen ins Gefängnis geworfen werdet. Der Grund, warum Länder wie die Ukraine ein solches Abkommen wie das, welches die Niederländer gerade abgelehnt haben, unterzeichnen wollen, ist genau der, dass sie mit dem Vermächtnis eines Systems, in dem die Menschenrechte nicht besonders geschätzt werden, brechen möchten.

Bezeichnenderweise hat der russische Ministerpräsident Dmitrij Medwedew in einem Tweet festgestellt, dass "die Ergebnisse des niederländischen Referendums über das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine auf die Meinung der Europäer über das politische System der Ukraine hinweisen". Dies festzustellen bedeutet, den Ausgang des Referendums grob zu missdeuten. Entscheidend ist, dass nur 32,2 Prozent der niederländischen Wähler erschienen und nur etwa zwei Drittel dieser kleinen Gruppe mit "nein" stimmten. Das bedeutet, dass fast 70 Prozent der Niederlande gezeigt haben, dass sie sich überhaupt nicht für dieses Referendum interessieren. Außerdem haben bereits 27 von 28 Staaten in Europa das Abkommen ratifiziert. Medwedews Ausführungen sind deshalb nichts als eine unfaire schadenfrohe Bemerkung.

Das große Problem ist indes der langfristige Effekt, und die eigentliche Frage, die unausgesprochen im Raum steht, ist die, wie das Referendumsgesetz zukünftig internationale Entscheidungsfindungen, an der die Niederlande beteiligt sind, beeinflussen wird. Bedauerlicherweise hat das Referendum einem Land, das aufgrund seiner Offenheit und der Beachtung internationaler Standards erfolgreich ist, gezeigt, dass eine winzige lautstarke Minderheit in der Lage ist, eine Entscheidung an sich zu reißen, die Millionen anderer Menschen betrifft. Es stellt sich heraus, dass das Referendumsgesetz, das dazu gedacht ist, die Menschen teilhaben zu lassen, faktisch nur eine lautstarke Minderheit befähigt, Entscheidungen von strategischer Tragweite zu durchkreuzen. Mit TTIP und einem möglichen Brexit am Horizont steuern wir interessanten Zeiten entgegen.

Übersetzung aus dem Englischen: Alena Göbel
Dieser Artikel ist erstmalig auf der Webseite des Nachrichtenmagazins "New Eastern Europe" am 7.04.2016 erschienen (Externer Link: http://neweasterneurope.eu/articles-and-commentary/1945-the-implications-of-the-dutch-no). Die Redaktion der Ukraine-Analysen dankt für die Erlaubnis zum Nachdruck.

Fussnoten

Dr. Sijbren de Jong ist strategischer Analyst am Hague Centre for Strategic Studies (HCSS) in den Niederlanden. Er ist spezialisiert auf eurasische Energiesicherheit und die Beziehungen der EU und Russland sowie der ehemaligen Sowjetunion.