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Kommentar: Allheilmittel Friedenssicherung? | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Allheilmittel Friedenssicherung?

Mario Baumann

/ 4 Minuten zu lesen

Der Vorschlag Wladimir Putins zur Entsendung einer UN-Friedenstruppe in den Donbass wird international breit diskutiert. Ob eine Friedensmission in der Ost-Ukraine zwangsläufig zur Beilegung des Konflikts beitragen kann und wieso ein Blick auf vergleichbare Missionen in anderen ländern lohnt, erörtert Mario Baumann.

Blick aus einem OSZE-Fahrzeug auf einen Militärkonvoi in Luhansk am 21. November 2017. (© picture-alliance/AP, OSCE SMM Press Office)

Einleitung

Der jüngste Vorschlag des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Friedenstruppen in die Ukraine zu entsenden, entfachte eine lebhafte Debatte – hatte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine UN-Friedensmission doch bereits seit Anfang 2015 gefordert. Dass die Vorstellungen beider Männer über Mandat und Umfang einer solchen Mission durchaus nicht kongruent sind, zeigt jedoch, dass das Zauberwort Friedenssicherung (Peacekeeping) nicht für ein universelles Heilmittel steht, welches, einmal angewandt, die andauernden Kämpfe in Schach hält. Für eine Beurteilung der Frage, inwieweit eine Friedensmission zur Beilegung des ostukrainischen Konflikts beitragen kann, lohnt sich hingegen ein Blick auf die theoretische Literatur zur Friedenssicherung und auf vergleichbare Missionen.

Mechanismen der Friedenssicherung

Wirkungsmechanismen und Kausalzusammenhänge von Friedenseinsätzen werden systematisch erst seit Anfang der 2000er Jahre diskutiert. Virginia Page Fortnas theoretischer Rahmen (Fortna 2008) ist ein für seine Ausführlichkeit und Kohärenz weithin anerkanntes Beispiel dieser Literatur. Aus dieser Perspektive sind erneute Ausbrüche von Gewalt nach einer Waffenruhe im Wesentlichen auf Verhandlungsversagen (bargaining failure) zurückzuführen. Ausgehend von der Annahme, dass eine friedliche Streitbeilegung der teuren und verlustreichen Gewaltanwendung vorgezogen wird, können nach James Fearon (1995) asymmetrische Informationen hinsichtlich militärischer Kapazitäten anderer (private information) und Unsicherheiten hinsichtlich der Einhaltung von Verpflichtungen (commitment problems) den Rückgriff auf Gewalt erklären. Friedenssicherung wirkt demnach indem es diese beiden Faktoren beeinflusst, um erneute Aggression zu verhindern, Mistrauen und Angst abzubauen, Unfällen vorzubeugen und Befürchtungen politischer Marginalisierung entgegenzuwirken.

Friedenssicherung in der Ukraine

Für die Ukraine stellt sich zunächst die Frage, welche Ursachen sich für ein Verhandlungsversagen identifizieren lassen. Die Konstellation aus den drei beteiligten Akteursgruppen – ukrainische Regierung, Separatisten und Russland – fordert eine Berücksichtigung von Dynamiken interner Konflikte, wie auch der Effekte externer Intervention. Barbara Walter (1997, 2009) hat einen wesentlichen Beitrag bei der Entwicklung von Bargaining-Ansätzen für interne Konflikte geleistet. Die Beteiligung nichtstaatlicher Akteure wie der ostukrainischen Separatisten, Anreize die eigenen Fähigkeiten zu verschleiern sowie der Zustrom russischer Ressourcen führen zu gravierenden Problemen asymmetrischer Information. Das starke Machtgefälle zwischen ukrainischer Regierung und Separatisten sowie die externe Rolle Russlands belasten zudem die Glaubwürdigkeit zugesagter Verpflichtungen. Die von Russland als externem Akteur unabhängig verfolgten Ziele im Konflikt schmälern die Summe erreichbarer Übereinkommen maßgeblich. Seine undurchsichtige Rolle sowie auch die geografische Distanz zum Kriegsschauplatz machen Russland in Friedensbemühungen zudem weniger greifbar.

Was heißt das für Friedenssicherung in der Ukraine? Die tiefgreifenden Unsicherheiten und asymmetrische Informationen stellen eine potentielle Friedensmission vor vielschichtige Herausforderungen. Wesentlich wäre eine Beobachterkomponente, welche sich der Reduktion gegenseitiger Unsicherheiten annimmt. Dies ist die grundlegende Funktion der seit März 2014 entsendeten unbewaffneten OSZE Special Monitoring Mission (SMM). Kooperationsverweigerungen durch beide Seiten und gegen das Mandat verstoßende Zugangsbeschränkungen in Teilen der unkontrollierten Gebiete hindern jedoch die SMM maßgeblich daran, ihre Aufgaben zu erfüllen und folglich Unsicherheiten zu vermindern. Diese Schwierigkeiten, wie auch die kontinuierlichen Verletzungen von Waffenruhen deuten darauf hin, dass die durch die SMM geleisteten Sicherheitsgarantien und Abschreckungskraft nicht ausreichen um erneute Gewalt zu vermeiden.

Abgesehen von der täglichen Gewalt an der Kontaktlinie müssten die zugrundeliegenden politischen Fragen adressiert werden, wofür die Minsk-Vereinbarungen mit den ukrainischen Zugeständnissen bei den Themen Dezentralisierung, Autonomierechte und Regionalwahlen einen Ausgangspunkt bieten. Der gegenwärtige Stillstand des Minsk-Prozesses, ausgelöst durch gegenseitiges Fingerzeigen von Seiten Russlands und der Ukraine, deutet hingegen auf die eigentliche Herausforderung einer nachhaltig erfolgreichen Friedensmission hin. Ganz abgesehen von der politischen (Un)Möglichkeit einer Einigung auf ein umfassendes Mandat, droht die externe Dimension des Konflikts jegliche Friedensanstrengungen zu untergraben (Cunningham 2010; Fortna 2008). Der Strom russischer Ressourcen, militärischen Materials und Kämpfer, würde, da asymmetrische Informationen verstärkend und Unsicherheiten fördernd, Mechanismen der Friedenssicherung aushebeln, die auf eine Beilegung der Gewalt und eine Lösung der grundlegenden Probleme hinarbeiten.

Parallelen zu Angola

Im Hinblick auf den Umgang mit der Einflussnahme externer Staaten können Parallelen zum Bürgerkrieg in Angola und der ersten United Nations Angola Verification Mission (UNAVEM I, 1988–91) gezogen werden. Der Erfolg der unbewaffneten Beobachtermission wird maßgeblich ihrem Ansatz zugeschrieben, zunächst den Rückzug ausländischer (kubanischer und südafrikanischer) Truppen zu ermöglichen, um den Weg für weitere Fortschritte zu ebnen (Krska, 1997). Das 1988 abgeschlossene Friedensabkommen wurde somit durch ein sequentielles Vorgehen, welches das Problem externer Ressourcen priorisierte, ermöglicht (Cunningham 2010). Die Erfahrungen der UNAVEM I bekräftigen, dass eine nachhaltige Lösung des Konflikts in der Ukraine nur nach einem Versiegen russischer Unterstützung möglich ist.

Fazit

Diese Betrachtungen deuten die vielseitigen Herausforderungen an, die sich einer potentiellen Friedensmission in der Ostukraine stellen. Um Verletzungen von Waffenruhen glaubhaft vorzubeugen, müsste ein Mandat über das einer reinen Beobachtermission hinausgehen und zudem politische Fragen, wie sie die Minsk-Vereinbarungen adressieren, berücksichtigen. Eine multidimensionale Mission – leichtbewaffnete Truppen, die die Einhaltung von Vereinbarungen beobachten und berichterstatten, Entwaffnung ermöglichen und zivile Aufgaben übernehmen – könnte den ständigen Kreislauf aus neuer Gewalt durchbrechen. Die Unterbindung russischer Unterstützung an die Separatisten offenbart sich hingegen als Voraussetzung jeglicher Bemühungen der Friedenssicherung. Die externe Dimension sollte daher priorisiert werden. Im Hinblick auf die Trägheit des Minsk-Prozesses könnten Überlegungen einer sequentiellen Vorgehensweise neue Impulsgeber sein.

Bibliografie

  • Cunningham, D. E., 2010. How external states can prolong civil wars. Journal of Peace Research, 47(2), pp. 115–127.

  • Fearon, J. D., 1995. Rationalist Explanations for War. International Organization, 49(3), pp. 379–414.

  • Fortna, V. P., 2008. Does Peacekeeping Work? Shaping Belligerents’ Choices After Civil War. Princeton: Princeton University Press.

  • Krska, V., 1997. Peacekeeping in Angola (UNAVEM I and II). International Peacekeeping, 4(1), pp. 75–97.

  • Walter, B. F., 1997. The Critical Barrier to Civil War Settlement. International Organization, 51(3), pp. 335–364.

  • Walter, B. F., 2009. Bargaining Failures and Civil War. Annual Review of Political Science, Volume 12, pp. 243–261.

Fussnoten

Mario Baumann studiert im Masterstudiengang International Security Studies an der University of St Andrews. Zu seinen Forschungsinteressen gehören die EU-Beziehungen zu Russland, den östlichen Partnerländern sowie Zentralasien.