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Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe | Ukraine-Analysen | bpb.de

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März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Wirtschaft unter Kriegsbedingungen / Friedensverhandlungen (14.12.2022) Analyse: Acht Monate Kriegswirtschaft: Die Fiskalpolitik ist entscheidend Kommentar: Verhandlungslösung? Kommentar: Keine Verhandlungen um jeden Preis Kommentar: Warum der Krieg nicht zu einem weiteren eingefrorenen Konflikt werden darf Dokumentation: Das Telefongespräch von Bundeskanzler Olaf Scholz und dem Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin am 2. Dezember 2022 Chronik: 13. bis 25. September 2022 Frauen im Krieg / "Filtration" (29.11.2022) Analyse: Wie ukrainische Frauen die schwere Last des Krieges schultern Analyse: "Filtration": System, Ablauf und Ziele Dokumentation: Bericht von Human Rights Watch zu den "Filtrationslagern" Chronik: 29. August bis 12. September 2022 Humanitäre Krise / Serhij Zhadan (03.11.2022) Analyse: Der nahende Winter und gezielte russische Angriffe auf die kritische Infrastruktur verschärfen die humanitäre Krise in der Ukraine Dokumentation: Dankesrede von Serhij Zhadan zur Verleihung des Friedenspreises 2022 dekoder: Serhij Zhadan Chronik: 15. bis 28. August 2022 Hilfe für die Ukraine während des Krieges / Perspektiven und Probleme des Wiederaufbaus (17.10.2022) Analyse: Internationale Hilfen für die Ukraine: Der "Ukraine Support Tracker" zeigt Kluft zwischen Zusagen und Umsetzung auf Dokumentation: Militärische Unterstützungsleistungen für die Ukraine aus Deutschland Analyse: Ein "grüner" Marshall-Plan für die Ukraine? Dokumentation: German Marshall Fund: Designing Ukraine’s Recovery in the Spirit of the Marshall Plan: Principles, Architecture, Financing, Accountability: Recommendations for Donor Countries Dokumentation: Civil Society Manifesto 2022 (Lugano Declaration) Kommentar: Wie ein grüner Wiederaufbau aussehen kann Kommentar: Wiederaufbau und Neubau. Perspektiven für die Ukraine im und nach dem Krieg Kommentar: Korruption in der Ukraine: Wie wichtig ist das Problem? Dokumentation: The Cost of Reconstruction: Calculations of the National Recovery Council Chronik: 9. Juli bis 14. 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A digest of international humanitarian law violations Dokumentation: Amnesty International: Ukraine: Angriff auf Theater in Mariupol ist Kriegsverbrechen russischer Truppen Dokumentation: Human Rights Watch: Ukraine: Executions, Torture During Russian Occupation (Ausschnitt) Chronik: 16. Juni bis 8. 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Russlands Instrumentalisierung der Erinnerungskultur im Zuge des Angriffskrieges gegen die Ukraine Analyse: Das Asow-Regiment und die russische Invasion Analyse: Stepan Bandera: Geschichte, Erinnerung und Propaganda Kommentar: Erinnerungskultur in der "Zeitenwende". Die deutsche Weltkriegserinnerung und der Ukrainekrieg Kommentar: "Russland – das verstehe ich, Ukraine – das verstehe ich nicht" Chronik: 25. April bis 31. Mai 2022 Flucht vor dem Krieg / Zukunft der Ukraine-Forschung / Auswirkungen des Krieges auf die Bildung / Kriegsgeschehen in der Ukraine (30.05.2022) Analyse: Flucht in und aus der Ukraine Kommentar: Die Osteuropäische Geschichte und die Ukraine nach Russlands Angriff Kommentar: Ukraine-Studien in Deutschland. Beobachtungen eines Historikers Kommentar: Wir brauchen eine De-Kolonisierung und Aufwertung der Osteuropaforschung Kommentar: Fehler im Betriebssystem Kommentar: Wir brauchen dringend und schnell eine interdisziplinäre Ukrainistik an deutschsprachigen Universitäten Dokumentation: Bildung und Krieg Chronik: 10. bis 24. April 2022 Deutschland und der Krieg (04.05.2022) Kommentar: Abschied vom Wolkenkuckucksheim. Deutschlands langsamer Wiedereintritt in die Weltpolitik Kommentar: Es war nicht alles falsch! Oder doch? Kommentar: Deutschlands Selbstbild – ein Kollateralschaden des Krieges? 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(22.02.2022) Von der Redaktion: Die Russland-Ukraine-Krise im Kontext Kommentar: Drei Lehren und drei Hinweise zur Außenpolitik Putins gegenüber der Ukraine und dem Westen Kommentar: Kriegsoptimismus im Russland-Ukraine-Konflikt: Grund zum Pessimismus? Kommentar: Die Russland-Ukraine Krise: Wo steht Deutschland? Kommentar: Die Russland-Ukraine-Krise 2022 Ein Moment der Wahrheit für Deutschland Kommentar: Wir schulden der Ukraine Unterstützung – und eine klare Linie Kommentar: Russlands Passportisierung des Donbas: Von einer eingeschränkten zu einer vollwertigen Staatsbürgerschaft? Kommentar: Die OSZE-Sonderbeobachtermission in der Ukraine: Wunsch und Wirklichkeit Kommentar: Das Normandie-Format und die Minsker Abkommen: Können sie zu einer Deeskalation im Konflikt mit Russland beitragen? Umfragen: Meinungsumfragen zu den Spannungen zwischen Russland und der Ukraine Dokumentation: Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf der 58. Münchener Sicherheitskonferenz, 19.02.2022, München Chronik: 8. bis 17. Februar 2022 Bewaffneter Konflikt in der Ostukraine / Lage in den nicht von der Ukraine kontrollierten Gebieten (14.02.2022) Analyse: Leben im Schatten: Überlebensstrategien der Menschen in der "Volksrepublik Donezk" Analyse: Die Silowiki in den "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk: Entstehung der bewaffneten Einheiten Analyse: Der illegale Handel mit Kohle aus den Donezker und Luhansker "Volksrepubliken" Analyse: Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie und ihre sozio-ökonomischen Folgen in den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk Analyse: Die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen: Was ist möglich? Chronik: 24. Januar bis 7. 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Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Ukraine-Analyse Nr. 279

Nikolay Mitrokhin

/ 8 Minuten zu lesen

Aus den vier bisherigen Phasen des Krieges lässt sich für die Zukunft schließen, dass der Krieg gegen die Ukraine noch lange andauern und enorme Schäden mit sich bringen wird.

Mannschaftstransportwagen in der zurückeroberten Stadt Lyman. (© picture-alliance, EPA | OLEG PETRASYUK)

Zusammenfassung

Der bisherige Kriegsverlauf in der Ukraine lässt sich in vier Phasen unterteilen, die in diesem Beitrag nachgezeichnet werden: Invasion und Gegenwehr, Verteidigung und Frontbildung, Gegenoffensive und Frontfestigung und schließlich der Übergang in einen hochtechnisierten Krieg. Aus den bisherigen Phasen des Krieges lässt sich für die Zukunft schließen, dass der Krieg gegen die Ukraine noch lange andauern und enorme Schäden mit sich bringen wird.

Prognosen

Der russisch-ukrainische Krieg von 2022 und 2023 ist ein Krieg, der in jedweder Hinsicht überraschend ist. Und einer, der seine Richtung stetig ändert. Er stellt ein deutliches Beispiel dar, wie sämtliche Prognosen in sich zusammenfallen, die sich auf rationale Argumente stützen. Und wie der technische Fortschritt den Kriegsverlauf überraschend und schnell verändert. Dieser Fortschritt (in Bezug auf Mordmaschinerie und Kriegstechnologien) entwickelt sich besonders dann so schnell, wenn es einen echten und großangelegten Krieg gibt, der die Existenz von Staaten in Frage stellt.

Vor Beginn der Invasion gab es von verschiedenen Seiten eine Reihe von Prognosen darüber, welche Aussichten ein Angriff Russlands haben könnte. Allerdings waren die meisten – außer einer nicht sehr großen Zahl radikaler Vertreter der russischen Opposition (wie etwa Garri Kasparow), die von einer bevorstehenden umfassenden Konfrontation Russlands mit dem Westen sprachen, also von einem Großen Krieg – davon überzeugt, dass es um neue Kämpfe im Donbas gehen würde (oder allerhöchstens um den Versuch, die ukrainische Grenze im Nordwesten und Süden zu durchbrechen, um die Kräfte der Donezker Armeegruppe der ukrainischen Streitkräfte zu umzingeln). Es scheint, als sei die Regierung in Kyjiw vom Donbas-Szenario ausgegangen. Sie versuchte eifrig, dort Verteidigungsstellungen entlang der Kontaktlinie aufzubauen und hat nichts unternommen, um die übrigen Grenzen des Landes zu befestigen. Obgleich sie für den Fall eines russischen Durchbruchs einen Plan in Reserve hatte. Um ein Vorrücken aufzuhalten, wollte man mit halbwegs partisanenartigen Methoden in den Wäldern und auf den Feldern kämpfen, Brücken über die vielen ukrainischen Flüsse sprengen und dann Kolonnen, die durchkamen, in den Vororten von Städten wie Charkiw, Tschernihiw und Mariupol einen Kampf liefern. Diejenigen, die meinten, der Krieg könne nicht in Form einer massiven Invasion erfolgen, hatten ein rationales Argument. Die russische Armee, und auch die Verbände, die zum Februar 2022 hin an der ukrainischen Grenze zusammengezogen wurden, waren eigentlich zu klein für einen Überfall auf das gesamte Land. Viele waren auch überzeugt, dass in der Ukraine nach einer Besatzung die Partisanenbewegung so stark sein würde, dass die russischen Behörden nicht in der Lage wären, das Hinterland zu kontrollieren.

Phase 1 – Klassische Invasion und Gegenwehr

Im Kreml dachte man allerdings anders, und es wurde aus rund 20 verschiedenen Richtungen mit zerstreuten Kräften gegen die Ukraine losgeschlagen. Zu den 150.000 Mann der russischen Armeegruppe kamen noch mindestens 50.000 (womöglich bis zu 150.000) Mann starke Truppen der "Volksrepubliken" (die bereits im Dienst standen oder einen Monat vor dem Überfall mobilisiert wurden), Kämpfer privater Militärfirmen sowie zahlreiche Kräfte der Nationalgarde (russ.: "Rosgwardija") und des FSB hinzu, die aus ganz Russland zusammengerufen wurden. Wladimir Putin, Sergej Schojgu, Nikolaj Patruschew, Dmitri Medwedew und die anderen Mitglieder jenes engen Kreises, in dem die Entscheidung für den großangelegten Krieg gefällt wurde, gingen davon aus, dass das Überraschungsmoment der massiven Invasion funktionieren würde. Sie dachten, dass sie in den ersten Stunden und Tagen des Krieges die politische und militärische Führung der Ukraine würden vernichten, neutralisieren oder einschüchtern können. Und während sich die ukrainische Führung in den Westen retten würde, könne man mit "Dolchstößen" und "Panzerkeilen" das Land zerteilen und auf wenigstens zwei Dritteln des ukrainischen Territoriums die größten Städte erobern. Das ist ungefähr das Szenario, das zu Beginn der Invasion im Süden der Ukraine funktionierte, wo die von der Krim vorstoßenden russischen Verbände, ohne auf besonderen Widerstand zu stoßen, den Dnipro überquerten, Cherson eroberten und beinahe in Saporischschja und Mykolajiw einzogen. In zwei Tagen wurde ein riesiges Territorium in vier ukrainischen Gebieten (Oblasten) erobert, praktisch der gesamte Südosten des Landes. Proteste der Bevölkerung dort wurden schnell unterdrückt; sie mündeten nicht in eine massenhafte Partisanenbewegung. Es gab lediglich vereinzelte Anschläge des bewaffneten Untergrunds. Auch in den neu eroberten Gebieten im Osten des Landes entstand keine Partisanenbewegung.

Gleichwohl ging der Plan des Kreml nicht auf. Der Reserveplan der ukrainischen Regierung, mit dem die Invasion "in den Wäldern" und in den Vorstädten gestoppt werden sollte, hat im Großen und Ganzen funktioniert. Bei acht der neun wichtigsten Vorstoßrichtungen wurden die russischen "Panzerkeile" schließlich in den Vororten zum Stehen gebracht. Und sie wurden an den Flanken angegriffen, wobei Regierungs- und Sabotageeinheiten zum Einsatz kamen, wie auch Verbände der Territorialverteidigung, die vor dem Krieg aufgestellt worden waren. Nahezu überall waren die Aggressoren bereits anderthalb Monate nach Beginn der Invasion gezwungen, sich zurückzuziehen. Sie verloren viel Gerät, hatten heftige Probleme mit dem Nachschub von Munition, Nahrungsmitteln und Treibstoff. Damit endete die erste Phase des Krieges.

Phase 2 – Verteidigung und Stellungsaufbau

Damals hofften vor allem viele in der Ukraine, dass ein vollständiger Sieg der ukrainischen Streitkräfte nicht weit sei. Der Feind zog sich aus fast allen größeren Städten zurück und blieb in den im Frühling aufgeweichten Wegen irgendwo in den Wäldern und auf den Feldern der östlichen und südlichen Ukraine stecken. In Russland wurde das allerdings anders gesehen. Nachdem sich die russische Führung von der Idee verabschiedet hatte, alles auf einmal einzunehmen, beschloss man, in erster Linie um den Donbas zu kämpfen. Im Laufe des April stellte sich die russische Armee nicht mehr in Kolonnen auf, sondern bildete regelrechte Fronten. Sie kontrollierte jetzt weite Geländeabschnitte und nicht mehr nur wichtige Straßendämme, wie das zu Beginn der Invasion der Fall war. Dort gab es schon keinen Raum mehr für ukrainische Sabotagegruppen. Die russischen Verbände organisierten sich eine systematische Versorgung, vor allem mit Munition und Nahrungsmitteln. Und sie rückten vor, wobei sie auf ihrem Weg jeden Widerstand unter Einsatz mächtiger Artillerie- und Granatwerfersysteme vernichteten. Am 20. Mai 2022 war der Widerstand der ukrainischen Garnison in Mariupol, der beträchtliche Kräfte des Gegners gebunden hatte, gebrochen. Auf die gleiche Weise vollzogen die Streitkräfte der Russischen Föderation und andere russische Einheiten die Eroberung der nördlichen Hälfte des Gebietes Luhansk, einschließlich der wohlbefestigten Positionen im Siedlungsraum Sjewjerodonezk/Lyssytschansk. Nachdem sie diesen und die dichten Wälder im Osten des Gebiets Charkiw erobert hatten, rückten sie unter schweren Kämpfen auf die nördliche Vorderseite des "Donezker Bogens" vor, der von Slowjansk nach Osten bis Lyssytschansk, dann weiter nach Siwersk und nach Süden bis Donezk und weiter nach Westen bis Wuhledar verläuft. Dort wurden sie am linken bewaldeten Ufer des Flusses Siwerskij Donez von den Streitkräften der Ukraine aufgehalten.

Diese Kämpfe waren, das hat die ukrainische Regierung eingeräumt, die (bislang) schwersten im Verlauf des Krieges. An einigen Tagen betrugen die ukrainischen Verluste durch russischen Beschuss bis zu 300 Menschen am Tag. Allerdings änderte sich im Juli 2022 die Lage erneut drastisch und unerwartet, wodurch die dritte Phase eingeläutet wurde.

Phase 3 – Gegenoffensive und Patt

Das amerikanische Raketensystem HIMARS, das seit Anfang Juli 2022 eingesetzt wurde, erlaubte es den ukrainischen Streitkräften, die mit Raketenabwehrsystemen gespickten russischen Verteidigungsstellungen zu überwinden und die Waffenlager sowie die Einsatzstäbe der russischen Armee aus großer Entfernung punktgenau zu treffen. Bevor die russischen Einheiten auf die neue Gefahr reagieren konnten, zerstörten die HIMARS-Systeme im Donbas und im Süden der Ukraine mindestens zwei Dutzend große Militärlager und große Kommandostellen auf Armee- oder Divisionsebene. Das führte zu einem starken Rückgang der Artillerieunterstützung für die russischen Einheiten an der Kontaktlinie; und sie konnten auch nicht mehr so gut kommandiert werden. Zu jenem Zeitpunkt, nach einem halben Jahr intensiver Kämpfe, waren in vielen vorderen Infanterie-Einheiten der Besatzer nicht mehr als 30 Prozent des Personals übriggeblieben. Und die Frontlinie bestand auf russischer Seite aus einem Netz von "Stützpunkten", die mit recht großen Abständen verstreut lagen und nur über schwache mobile Reserven in der "zweiten Linie" verfügten. Das erlaubte es den Streitkräften der Ukraine Ende August 2022, zu einer erfolgreichen Gegenoffensive überzugehen, durch die in zwei Schritten das riesige Waldgebiet befreit wurde, in dem sich die Grenzen der Gebiete Charkiw, Donezk und Luhansk treffen, einschließlich der strategisch wichtigen Städte Isjum, Lyman und Kupjansk. Darüber hinaus wurde der Norden des rechtsufrigen Teils des Gebiets Cherson befreit, was die Möglichkeit eröffnete, die gesamte Gruppierung der russischen Armee am Ufer des Dnipro unter Druck zu setzen. Im Oktober 2022 war die russische Armee gezwungen, auch aus Cherson abzuziehen. Dadurch konnte sie nicht mehr darauf hoffen, von einem in den rechtsufrigen Gegenden eroberten Aufmarschgebiet aus auf Odessa oder die zentralen Gebiete der Ukraine vorzurücken.

Allerdings stellten sich Hoffnungen, dass jetzt eine Niederlage Russlands unausweichlich sei und die Streitkräfte der Ukraine die richtige Kriegsstrategie gefunden hätten, als vergeblich heraus. Die ukrainischen Streitkräfte verfügten nicht über ausreichend Kräfte, um im September 2022 die nicht sehr große Stadt Lyman schnell einzunehmen (die Belagerung dauerte drei Wochen) und "auf den Schultern des Gegners" in das Gebiet Luhansk durchzubrechen. Ende Oktober erstarrte die Front an der Grenze der Gebiete Luhansk und Charkiw und bewegt sich seither kaum. Die dritte Phase des Krieges war abgeschlossen. In Russland wurde erfolgreich eine Mobilmachung unternommen, durch die die Zahlenstärke der Truppen im Feld wiederhergestellt wurde. Sie hat die Armee darüber hinaus mit einer beträchtlichen Reserve ausgestattet. Russland greift erneut im Donbas an und erobert (wenn auch mit riesiger Mühe) Städte.

Phase 4 und Ausblick – Züge eines modernen Krieges

In der vierten Phase des Krieges richtete sich die Konzentration auf den Kampf mit modernen Hightech-Waffen. Russland versucht seit September 2022 mit Raketenangriffen und Angriffsdrohnen das ukrainische System der Energieversorgung zu zerstören. Die Ukraine versuchte, mit ihren Drohnen (fliegende Drohnen und "Unterwasser-Drohnen") Russland erheblichen und medienwirksamen Schaden zuzufügen, wie z. B. durch die zwei Drohnenangriffe auf den Stab der Schwarzmeerflotte in Sewastopol. Oder die Angriffe mit Unterwasser-Drohnen auf Kriegsschiffe in der Bucht von Sewastopol. Die symbolträchtige Explosion auf der Krimbrücke am 8. Oktober 2022 war das Ergebnis einer erfolgreichen Sabotageaktion mit Hilfe eines verminten Lastkraftwagens. All diese Versuche erzielten ungeachtet einiger Teilerfolge keine aus militärischer Sicht relevanten Ergebnisse. Allerdings konnten dadurch neue militärische Technologien trainiert werden.

Nach Einschätzungen sowohl aus Kyjiw, wie auch aus Moskau, stehen wir vor einer neuen Phase des Krieges, in der neueste technische Mittel eingesetzt werden. In Moskau werden Angriffe Tausender fliegender Drohnen und Dutzender Unterwasser-Drohnen erwartet. In der Ukraine werden Angriffe mächtiger iranischer Raketen erwartet, und neue Vorstöße russischer Panzer. Dass Moskau für das Frühjahr oder den Sommer einen Vormarsch vorbereitet, wird nicht verhohlen. Das verschleiert womöglich einen Schlag, der am Ende des Winters erfolgen könnte.

Beide Seiten wollen kämpfen, auch wenn sie in diesem Krieg unterschiedliche Ziele verfolgen. Beide Seiten wollen dem Feind Überraschungen bereiten. Und wir, die wir an der Seite stehen, können nur der Ukraine helfen, die für uns das Opfer einer Aggression darstellt. Und wir können versuchen, Prognosen und Erwartungen à la "Wann wird das alles enden?" zu vermeiden. Was in dieser Situation klar ist: Dieser Krieg wird lange dauern. Und wir sollten unsere Prognosen und Handlungen realistisch und langfristig und nicht auf optimistische Aussichten ausrichten.

Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder

Fussnoten

Weitere Inhalte

ist assoziierter Forscher der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen (z. B. in den Zeitschriften "Osteuropa" und "Nowoje literaturnoje obosrenije", NLO) sowie mehrerer Bücher, u. a.: Mitrokhin, N.: Die russische Partei: Die Bewegung der russischen Nationalisten [Soviet and Post-Soviet Politics and Society, Bd. 120], Hannover: Ibidem Verlag 2014.