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Kommentar: Eine "Friedensmission", die der Kapitulation den Weg ebnen soll. Die Ukraine-Politik von Viktor Orbáns Ungarn | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Eine "Friedensmission", die der Kapitulation den Weg ebnen soll. Die Ukraine-Politik von Viktor Orbáns Ungarn Ukraine-Analysen Nr. 306

András Rácz

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Herausgeber der Länderanalysen

Die Ukraine-Analysen werden von der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V., dem Deutschen Polen-Institut, dem Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, dem Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung und dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) gGmbH gemeinsam herausgegeben. Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb veröffentlicht die Analysen als Lizenzausgabe.

Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli begann, wurde durch den kurzen Überraschungsbesuch Viktor Orbáns in Kyjiw am 2. Juli mit einem Paukenschlag eröffnet. Dies war der erste bilaterale Besuch Orbáns in Kyjiw seit Beginn der großangelegten Invasion und das erste bilaterale Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Ein Treffen zwischen den beiden war seit Jahren geplant, daher waren die Erwartungen auf beiden Seiten hoch. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind schon seit Jahren angespannt, vor allem wegen der Rechte der ungarischen ethnischen Minderheit in der ukrainischen Oblast Transkarpatien.

Der Schutz der Minderheitenrechte erscheint zunehmend als Vorwand

Die Wahrung der Interessen der in den Nachbarländern lebenden ethnischen Ungar:innen war seit der demokratischen Wende im Jahr 1989 stets eine der wichtigsten Prioritäten der Budapester Außenpolitik. Vor allem die Minderheitenfrage sorgte bereits seit Ende der 2010er Jahre für angespannte ukrainisch-ungarische Beziehungen. Der Grund dafür war, dass die Ukraine Vorschriften im Bildungs- und Sprachbereich einführte, die die Rechte der in der ukrainischen Region Transkarpatien lebenden ethnischen Ungarn erheblich einschränkten. Die ungarische Regierung beabsichtigte, Druck auf die Ukraine auszuüben, indem sie die Angelegenheit auf die multilaterale Ebene hob. So blockierte Budapest die Beziehungen zwischen Kyjiw und der NATO und auch die EU-Annäherung der Ukraine. Im Gegenzug setzte Kyjiw eine Doppelstrategie ein, indem es Ungarn auf internationaler Ebene unter Druck setzte und eine Reihe offenkundig einschneidender Maßnahmen gegen einige Angehörige der ungarischen ethnischen Minderheit ergriff. Da keine der beiden Regierungen stark genug war, die andere zu einer Kursänderung zu zwingen, führte die Situation zu einem strategischen Patt.

Mit der Behinderung der EU-Annäherung der Ukraine handelte Budapest de facto gegen die Interessen der rund 130.000 ethnischen Ungar:innen, die vor der russischen großangelegten Invasion in der Ukraine lebten. Die Logik der EU-Integration besagt, dass Minderheitenrechte am besten im Rahmen desEU-Besitzstandes geschützt werden können; dennoch entschied sich Budapest dafür, die EU-Annäherung der Ukraine jahrelang zu behindern. Dennoch hat dieser inhärente Widerspruch der Budapester Ukraine-Politik die ungarische Minderheit nicht gegen Budapest aufgebracht, was vor allem auf ihre starke finanzielle, mediale und politische Abhängigkeit von Ungarn zurückzuführen ist.

Seit dem Beginn der groß angelegten Invasion sind die Kontroversen über die Minderheitenpolitik als Teil der ungarischen Diplomatie nur noch offenkundiger geworden. Erstens ist Kyjiw, nachdem der Ukraine 2022 eine EU-Beitrittsperspektive gegeben wurde und 2023 die Beitrittsverhandlungen begonnen haben, bestrebt, seine Rechtsvorschriften über Minderheitenrechte entsprechend den EU-Anforderungen zu ändern. Wichtige Änderungen sind bereits auf den Weg gebracht worden, zum Beispiel in Bezug auf Schulen für Angehörige von Minderheiten. Auf diese Weise fördert die EU genau die Minderheitenrechte, die Ungarn dazu benutzt hat, den Beitrittsprozess der Ukraine zu behindern.

Zweitens und noch strittiger ist die Frage der finanziellen und vor allem der militärischen Hilfe. Denn in diesem Bereich steht das Vorgehen Budapests in starkem Widerspruch zu seinen Ansprüchen auf den Schutz der ungarischen ethnischen Minderheit. Der Krieg betrifft die ungarische Minderheit in der Ukraine unmittelbar, auch wenn Transkarpatien bisher von den russischen Luftangriffen weitgehend verschont geblieben ist. Hunderte ethnischer Ungar:innen kämpfen in den ukrainischen Streitkräften, um ihre Heimat Ukraine zu schützen, und mindestens fünfzig von ihnen sind bereits im Krieg getötet worden. Dennoch weigert sich Budapest weiterhin, der Ukraine Waffen zu liefern, was auch die Chancen der ungarischen Soldaten auf ein Überleben schmälert, obwohl Ungarn über umfangreiche postsowjetische Lagerbestände verfügt, die in die Ukraine verbracht werden könnten. Ungarn blockiert sogar die Militärhilfe der EU für die Ukraine, indem es die Nutzung der Europäischen Friedensfazilität für den Erwerb von Waffen für Kyjiw verhindert. Im Vorfeld von Orbáns Besuch in Kyjiw im Juli 2024 gab es also noch viel Potenzial für eine Verbesserung der ungarisch-ukrainischen Beziehungen.

Eine "Friedensmission", die nicht friedlich begann…

Sowohl auf ungarischer als auch auf ukrainischer Seite war im Vorfeld erwartet worden, dass sich das erste bilaterale Treffen zwischen Orbán und Selenskyj vor allem auf bilaterale Themen konzentrieren würde, insbesondere auf die Minderheitenrechte. Es wurden jedoch nicht viele minderheitenbezogene Ergebnisse bekannt gegeben. Stattdessen stellte Orbán den Besuch unerwartet als Teil einer "Friedensmission" dar, die er unmittelbar nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft unternahm, um die rasche Beendigung des Krieges zu bewirken. Dies führte zu großer Verwunderung innerhalb der EU, da die Ratspräsidentschaft keine Sonderrechte auf dem Gebiet der Außenpolitik hat.

Die Lage wurde noch angespannter, als Orbán drei Tage später unerwartet Moskau besuchte und am 5. Juli mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentraf. Die Reise fand erneut im Kontext der gleichen "Friedensmission" statt. Entgegen der üblichen Praxis informierte Orbán die ungarischen EU- und NATO-Partner nicht im Voraus. Während des Besuchs stellte Putin Orbán mit seiner Friedensbotschaft bewusst als Vertreter der gesamten EU dar. Kein Wunder also, dass die russische Staatspropaganda die Reise massiv ausschlachtete.

Der Moskaubesuch führte zu einer beispiellos scharfen Kritik durch die Bündnispartner Ungarns in der EU und NATO, wodurch der Image-Gewinn durch die Kyjiw-Reise sofort wieder zunichte gemacht wurde. Viele EU-Mitgliedstaaten und auch die Europäische Kommission kündigten daraufhin einen Boykott der in Budapest stattfindenden Veranstaltungen des ungarischen Ratsvorsitzes an.

Trotz der anhaltenden Kritik setzte Orbán seine »Friedensmission« fort: Er flog nach Peking und wurde dort vom chinesischen Staatschef Xi Jinping empfangen. Die EU wiederum verwies erneut darauf, dass Orbán nicht die Europäische Union vertrete. Von Peking aus reiste der ungarische Ministerpräsident direkt zum 75. Jubiläumsgipfel des NATO-Bündnisses. Bei seinem Besuch in den Vereinigten Staaten traf er bilateral nur den ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Ein Treffen mit dem Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten fand jedoch nicht statt. Diese äußerst undiplomatische Geste rief in den USA weitere Kritik hervor.

…und hat den Frieden auch nicht nähergebracht

Die so genannte "Friedensmission" des ungarischen Premierministers weist mehrere Besonderheiten auf. Erstens hat Ungarn weder von den Konfliktparteien noch von den Vereinten Nationen ein Mandat zur Vermittlung. Nicht einmal die EU-Ratspräsidentschaft verleiht Ungarn ausdrückliche Befugnisse im Bereich der Außenpolitik.

Zweitens genießt Budapest nicht das Vertrauen, das notwendig wäre, um als ehrlicher Vermittler aufzutreten. Die Beziehungen zur Ukraine sind seit langem angespannt, und der Besuch Orbáns in Moskau hat nicht gerade zu einem besseren Verhältnis beigetragen. Ungarn ist sowohl in der EU als auch in der NATO zunehmend isoliert, was zum einen auf Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit und zum anderen auf die ungewöhnlich engen Beziehungen zum Kreml zurückzuführen ist. Aus Moskauer Sicht ist Ungarn nach wie vor Mitglied in zwei Bündnissen, die Russland als feindlich ansieht. Außerdem sind NATO-Truppen und -Einheiten auf ungarischem Boden stationiert. Ungarn hat für alle gegen Russland verhängten EU-Sanktionen gestimmt, aber Budapest hat den Prozess häufig verzögert und erschwert und in einigen Fällen Ausnahmeregelungen in Anspruch genommen, so z. B. bei den Sanktionen zum Ölimportverbot im Juni 2022. Eine vollständige Blockade der Sanktionen wäre jedoch mit untragbaren politischen Kosten innerhalb der EU verbunden gewesen, so dass Budapest letztendlich immer nachgegeben hat. Daher gibt es nur wenig Anlass für Moskau, Budapest als unparteiischen, neutralen Akteur wahrzunehmen, der ein vertrauenswürdiger Vermittler sein könnte.

Drittens, und das ist vielleicht der wichtigste Punkt, hat Ungarn keinen eigenen Plan zur Beilegung des Konflikts. In den mehr als 2,5 Jahren des Krieges sind zahlreiche Pläne zur Konfliktbewältigung veröffentlicht worden. Die Ukraine legte bereits zwei solcher Pläne vor, wobei der jüngste "Siegesplan" den Verbündeten erst im Oktober 2024 vorgestellt wurde. Am ersten Jahrestag der groß angelegten Invasion präsentierte die Volksrepublik China ihre eigenen Vorstellungen zur Beilegung des Konflikts, und selbst Brasilien unterbreitete einen entsprechenden Vorschlag. Ungarn hingegen verzichtete darauf. Es überrascht daher nicht, dass die "Friedensmission" keinerlei Wirkung erzielt hat.

Der ungarischen "Friedensmission" ermangelt es zudem an Details, wie eine Beilegung des Konflikts aussehen könnte. Der ungarische Ministerpräsident und der diplomatische Dienst wiederholen lediglich, dass ein sofortiger, bedingungsloser Waffenstillstand notwendig sei und die Beendigung der Kampfhandlungen absolute Priorität haben müsse, um das Töten zu beenden. Diese Auffassung verkennt die Tatsache, dass ein solcher Schritt allein von der Ukraine und nicht von externen Akteuren beschlossen werden sollte. Noch wichtiger ist, dass die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen de facto die Kontrolle Russlands über die besetzten ukrainischen Gebiete weiter festigen würde. Außerdem besteht offensichtlich die Fehlannahme, dass in den besetzten Gebieten Frieden herrscht, obwohl es umfassende Berichte über den systematischen Terror gibt, den Moskau in den eroberten ukrainischen Gebieten gegen die Zivilbevölkerung ausübt. Außerdem würde eine Waffenruhe Moskau die Möglichkeit geben, seine stark dezimierten Streitkräfte wieder aufzustocken und neu aufzurüsten. Ein Waffenstillstand würde außerdem dazu führen, dass die militärische Unterstützung des Westens für die Ukraine drastisch zurückgeht, da viele Regierungen sie als nicht mehr notwendig erachten könnten.

Fazit: Ungarns "Friedensmission" dient nur den Interessen Russlands

Die Erfahrungen aus den zweieinhalb Jahren des Krieges lassen den Rückschluss zu, dass Ungarns außenpolitische Linie kaum den Interessen der in der Ukraine lebenden ethnischen Ungar:innen dient, auch wenn Budapest dies behauptet.

Die ungarische "Friedensmission" dient weder den Interessen der EU noch denen der NATO, da sie den Standpunkten der beiden Bündnisse im Hinblick auf die Ukraine in erheblichem Maße widerspricht. Außerdem schwächt Budapest mit diesem eigenbrötlerischen diplomatischen Vorgehen, zu dem insbesondere der Besuch in Moskau gehört, die innere Geschlossenheit der beiden Organisationen.

Schließlich dient die Friedensmission auch nicht den Interessen der Ukraine. Erstens ist sie eindeutig gegen die erklärte Politik der ukrainischen Regierung gerichtet. Zweitens würde die von Budapest angepriesene Lösung dazu führen, dass die Ukraine ihre besetzten Gebiete de facto endgültig verliert und der Unterwerfung ihrer in den besetzten Gebieten lebenden Bevölkerung unter die Herrschaft Russlands zustimmt.

Die einzige Kriegspartei, die von einem von der ungarischen "Friedensmission" vorgeschlagenen unverzüglichen Waffenstillstand profitieren würde, ist Russland. Die Beweggründe der ungarischen Regierung für eine derart einseitige und durch ihr unilaterales Vorgehen ausgefallenen Außenpolitikstil sind unklar. Die ungarische Regierung profitiert finanziell eindeutig von den bemerkenswert guten Beziehungen zu Russland durch Öl- und Gasimporte. Sollte Russland seine Energielieferungen einstellen, könnte dies Budapest in ernste wirtschaftliche und industriepolitische Schwierigkeiten bringen. Gleichzeitig hat Ungarn in den letzten zweieinhalb Jahren so gut wie nichts unternommen, um seine gefährliche Abhängigkeit von russischen Rohstoffen zu verringern. Außerdem profitieren regierungsnahe Oligarchen massiv vom Bau des Kernkraftwerks Paks, das von dem russischen Staatskonzern Rosatom gebaut wird. Ob Russland auch weitere Druckmittel gegen die ungarische Regierung in der Hand hat, wie etwa aufgrund von Korruption oder kompromittierende Informationen, lässt sich aus offenen Quellen nicht ermitteln. Sicher ist nur, dass Viktor Orbáns "Friedensmission" nicht nur zu keinen konkreten Ergebnissen geführt und dem Ansehen Ungarns geschadet hat, sondern auch der durch breiten Konsens getragenen Politik von EU und NATO zuwiderlief. Sollten in naher Zukunft echte Verhandlungen zur Beendigung des Krieges beginnen, werden sie nicht nach dem Muster der ungarischen "Friedensmission" geführt werden, und Budapest wird dabei auch keine bedeutende Rolle spielen. Stattdessen wird die ungarische Regierung wahrscheinlich ein isolierter Akteur bleiben, dem sowohl seine EU- und NATO-Verbündeten als auch Kyjiw und Moskau misstrauen.

Weitere Inhalte

Dr. András Rácz ist Senior Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und Dozent an der Corvinus Universität Budapest. Die Forschung für diesen Artikel wurde im Rahmen des Projekts "Tradition und Flexibilität in Russlands Sicherheits- und Verteidigungspolitik" durchgeführt, das vom ungarischen Amt für Forschung, Entwicklung und Innovation gefördert wurde (Nr. 129243).