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Analyse: Modernisierung des ukrainischen Strafprozessrechts zum Umgang mit Kriegsverbrechen | Ukraine-Analysen | bpb.de

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(20.05.2025) Analyse: Hürden und Herausforderungen für Wahlen in der Ukraine Analyse: Warum Wahlen in der Ukraine den Russisch-Ukrainischen Krieg nicht beenden können Dokumentation: Statement of Ukrainian Non-Governmental Organizations on the Impossibility of Holding Democratic Elections without the Sustainable Peace Umfragen: Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu Wahlen im Krieg Chronik: Hinweis auf das Online-Angebot Arbeitsmarkt / Wirtschaftsentwicklung (11.04.2025) Analyse: Der ukrainische Arbeitsmarkt in Kriegszeiten Statistik: Kennzahlen für den Arbeitsmarkt Umfragen: Selbsteinschätzung der materiellen Lage Analyse: Wirtschaftsentwicklung weiterhin durch Krieg gebremst Statistik: Wirtschaftskennziffern Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Rüstungsindustrie (25.03.2025) Analyse: Wovon die ukrainische Rüstungsindustrie lebt und was ihr Wachstum behindert Interview: Die europäischen Staaten müssen die Ärmel hochkrempeln, mit dem Jammern aufhören und ihre Forderungen stellen Dokumentation: US-amerikanische Unterstützung der Ukraine mit Schwerpunkt auf Militärhilfe Kommentar: Europas Rüstungsindustrie im Stresstest: Warum die Unterstützung der Ukraine stockt Dokumentation: Rüstungsindustrie in Europa Dokumentation: Konflikt zwischen Verteidigungsministerium und Rüstungsbeschaffungsbehörde / Korruption in der Rüstungsbeschaffung Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Kriegsgeschehen / Friedensverhandlungen (24.02.2025) Analyse: Das Jahr 2024 aus militärischer Sicht: Von Awdijiwka über Pokrowsk bis Kursk Statistik: Militärische Entwicklung in Grafiken und Zahlen Analyse: Welche Strategie verfolgt der russische Luftkrieg gegen die Ukraine und wie kann man Städte und zivile Infrastruktur besser schützen? 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Über den Zustand der ukrainisch-slowakischen Beziehungen Statistik: Handel der Ukraine mit ihren Nachbarländern Statistik: Ukrainische Geflüchtete in den Nachbarstaaten der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu den Nachbarländern der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der polnischen Bevölkerung zu Geflüchteten aus der Ukraine Chronik: 21. bis 31. Mai 2024 Exekutiv-legislative Beziehungen und die Zentralisierung der Macht im Krieg (30.05.2024) Analyse: Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Zeiten des Krieges: Die Ukraine seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Wie schnell werden Gesetzentwürfe von der Werchowna Rada verabschiedet? Wie kann der Prozess effizienter gestaltet werden? 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Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Analyse: Modernisierung des ukrainischen Strafprozessrechts zum Umgang mit Kriegsverbrechen Ukraine-Analysen Nr. 320

Tetyana Vilchyk

/ 11 Minuten zu lesen

Der Beitrag untersucht Reformen des ukrainischen Strafprozessrechts im Kriegskontext, die nötig sind, um Völkerrechtsverbrechen wirksam zu verfolgen und internationale Standards zu erfüllen.

Kreuze markieren die Gräber von in Isjum getöteten Zivilist:innen. Nach der Befreiung der Stadt durch ukrainische Truppen im Herbst 2022 wurden dort Massengräber exhumiert. (© picture-aliance / Vyacheslav Madiyevskyy)

Zusammenfassung

Der Beitrag analysiert die Reformen des ukrainischen Strafprozessrechts im Kontext des Angriffskriegs der Russischen Föderation. Das Ausmaß von Taten, die Merkmale von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord aufweisen, erfordert dringliche Änderungen am Rechtssystem der Ukraine. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Notwendigkeit, einen gesonderten prozessualen Rechtsrahmen für Ermittlungen völkerrechtlicher Straftaten zu schaffen, um rechtliche Lücken zu schließen und das ukrainische Recht in Einklang mit den Bestimmungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zu bringen. Strukturelle Veränderungen sind vonnöten, unter anderem eine Reform der Entschädigungsmechanismen, die institutionelle Stärkung der Zusammenarbeit mit internationalen Gerichten und die Schaffung spezialisierter Ermittlungsteams. Die Modernisierung des Strafprozessrechts wird als zentrales Element betrachtet, um für Gerechtigkeit zu sorgen, den Rechtsstaat zu stärken und die Ukraine in das internationale Rechtssystem zu integrieren.

Herausgeber der Länderanalysen

Die Ukraine-Analysen werden von der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V., dem Deutschen Polen-Institut, dem Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, dem Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung und dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) gGmbH gemeinsam herausgegeben. Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb veröffentlicht die Analysen als Lizenzausgabe.

Einführung

Die zahlreichen Gräueltaten, die von den russischen Streitkräften, ihren Alliierten und ihren Stellvertretertruppen an der Ukraine und deren Bevölkerung begangen wurden und weiterhin begangen werden, stellen eindeutig Kriegsverbrechen dar. Hierzu zählen schwerwiegende Verletzungen der Genfer Konventionen und des humanitären Völkerrechts wie auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wenn sie als Teil eines weitgefächerten und systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung begangen wurden.

Die Russische Föderation muss die rechtlichen Konsequenzen für sämtliche völkerrechtlichen Straftaten tragen, die in der und gegen die Ukraine begangen wurden. Das umfasst auch die vollständige Entschädigung für die Schäden, die der Ukraine und ihrer Bevölkerung zugefügt wurden. Das steht im Einklang mit den Prinzipien staatlicher Verantwortlichkeit und wurde zudem in der Resolution A/RES/ES-11/5 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. November 2022 festgehalten.

Anklagen wegen Kriegsverbrechen, die durch die Russische Föderation in der Ukraine begangen wurden

Das Vorgehen der Gerichte bleibt hier recht überschaubar: 148 Verurteilungen nach Art. 438 des Strafgesetzbuchs der Ukraine (im Weiteren: StGB UA) stehen über 165.000 registrierte Taten gegenüber (Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine 2025). Nur wenige Taten haben zu einer Verurteilung geführt; über 70 Prozent davon wurden in absentia verkündet.

Das Gerichtssystem der Ukraine war bereits vor Beginn der russischen Vollinvasion nicht perfekt. Andererseits wäre kein Justizsystem der Welt in der Lage, eine derart riesige Menge an Kriegsverbrechen effektiv aufzuarbeiten (Generalstaatsanwaltschaft 2025). Zudem dürfte die Zahl der tatsächlich begangenen Taten beträchtlich größer sein als die der bisher dokumentierten. Es gibt in einer Reihe von Ländern, die von Konflikten betroffen waren, Beispiele dafür, dass die Gerichte nicht in der Lage waren, eine riesige Anzahl Kriegsverbrechen und massenhafte Menschenrechtsverletzungen effektiv aufzuarbeiten. So hat beispielsweise der hybride Strafgerichtshof in Kambodscha („Rote-Khmer-Tribunal“) seit 2006 nur eine Handvoll Fälle verhandelt, ungeachtet der großen Anzahl potenzieller Angeklagter. In Serbien sind trotz einiger Anstrengungen viele Taten, die während der Kriege der 1990er Jahre begangen wurden, nicht untersucht wurden, sodass die Täter oft einer Strafe entgingen. Ähnliche Situationen sind unter anderem in Timor-Leste, Bosnien und Herzegowina sowie in Ruanda zu beobachten.

Bei den wechselseitigen Gefangenenaustauschen zwischen Russland und der Ukraine sind einige Personen, die wegen Kriegsverbrechen verteilt wurden, an Russland übergeben worden. In diesen Fällen wurde ein vereinfachtes Verfahren genutzt: Die russischen Soldat:innen erklärten sich zu einer Zusammenarbeit mit den Ermittlungsstellen bereit, gestanden ihre Taten, erhielten eine Freiheitsstrafe und wurden nach wenigen Wochen oder Monaten in ihr Land zurückgebracht. Da Schuldeingeständnisse jedoch als Möglichkeit bekannt waren, in einen Gefangenenaustausch zu gelangen, bestehen Zweifel an der Aufrichtigkeit der Beschuldigten und der Verlässlichkeit ihrer Aussagen. Das wirft zudem Fragen zur Effektivität und Glaubwürdigkeit dieser Gerichtsverfahren auf. Darüber hinaus haben die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden natürlich nur dann auf russische Soldat:innen Zugriff, wenn die Betreffenden in Gefangenschaft geraten sind.

Was die Dokumentation von Kriegsverbrechen angeht, so werden solche Vorfälle in der Regel durch die zuständigen Stellen der ukrainischen Streitkräfte, Zeug:innen, die Polizei oder auch Rettungsdienste erfasst. Aber auch internationale Organisationen und ukrainische NGOs sammeln Beweise für potenzielle Kriegsverbrechen (z. B. Truth Hounds, The Reckoning Project oder das Menschenrechtszentrum ZMINA) und übermitteln diese den Behörden. Es kann aber auch durch die Öffentlichkeit erfolgen, die online auf dem Portal https://warcrimes.gov.ua Hinweise platzieren kann.

In einigen Fällen wurden die Verbrechen mit Hilfe von FPV-Drohnen oder anderen Mitteln dokumentiert. Dadurch war es möglich, jene zu identifizieren, die für die Exekution ukrainischer Zivilist:innen und Soldat:innen verantwortlich sind. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft und eine Reihe von NGOs nutzen aktiv das Datenverarbeitungssystem I-DOC (Intermediate Document). Die Ukraine setzt auch verschiedene digitale Tools ein: EyeWitness to Atrocities (Externer Link: https://www.eyewitness.global), Clearview AI (Externer Link: https://www.clearview.ai), usw. Um Daten aus Videos zu extrahieren und zu prüfen, die offen zugänglich verbreitet werden, unternehmen Expert:innen weiterführende Analysen.

Strafverfolgung russischer Kriegsverbrechen außerhalb der Ukraine

In der überwiegenden Mehrheit der Fälle wegen Kriegsverbrechen wird gegen die Russische Föderation auf nationaler Ebene in der Ukraine ermittelt. Da diese Taten eine Bedrohung für die globale Sicherheit und den Frieden darstellen, sind aber auch internationale Institutionen involviert. Hierzu gehören insbesondere der IStGH und ausländische Gerichte, die nach dem Prinzip der universellen Jurisdiktion vorgehen. Diese Stellen arbeiten koordiniert zusammen, um für die Verbrechen, die während des Angriffskriegs gegen die Ukraine begangen wurden, Gerechtigkeit herzustellen.

Das Prinzip der universellen Jurisdiktion

Auf der Grundlage des Prinzips der universellen Jurisdiktion (Weltrechtsprinzip) sind in über 20 Ländern Ermittlungen zu Kriegsverbrechen eröffnet worden, die gemäß dem Völkerrecht auf dem Territorium der Ukraine begangen wurden. Die erste Verurteilung wegen eines Kriegsverbrechens, die es außerhalb der Ukraine gab, erfolgte am 14. März 2025 vor einem finnischen Gericht (dem Bezirksgericht Helsinki). Ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation wurde zu lebenslangem Freiheitsentzug verurteilt, weil er 2014 in der Ostukraine Kriegsverbrechen begangen hat (Reuters, 2025). Die Anklage bezog sich auf ein Feuergefecht in der Region Luhansk, das mit 22 toten und vier verletzten ukrainischen Soldaten endete. Das Verfahren ist ein wichtiger Präzedenzfall.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

Auch der EGMR hat begonnen, die Rolle eines zwischenstaatlichen Militärtribunals zu übernehmen, wie auch die eines Mechanismus zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen im Kontext eines bewaffneten Konflikts.

Am 25. Juni 2024 erließ der EGMR ein Urteil zur Staatenbeschwerde „Ukraine vs. Russia (RE Crimea)“ [Ukraine gegen Russland (Betr. Krym); d. Übers.]. Das Straßburger Gericht kam einhellig zu dem Schluss, dass die Russische Föderation auf der Krym verbreitet und systematisch Menschenrechtsverletzungen begangen hat, unter anderem Verstöße gegen Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH)

Am 21. August 2024 verabschiedete die Werchowna Rada der Ukraine das Gesetz Nr. 3909-IX und ratifizierte damit das Römische Statut des IStGH. Die Ukraine wurde am 1. Januar 2025 offiziell der 125. Vertragsstaat des Römischen Statuts (Coalition for the ICC 2025).

Der IStGH verfügt über die volle Zuständigkeit, wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Völkermord zu ermitteln, die von russischen Truppen, ihren Verbündeten und Stellvertretern auf dem Staatsgebiet der Ukraine begangen wurden, und dann Anklage zu erheben. Vertragsstaaten des Römischen Statuts sind bedingungslos verpflichtet, bei diesen Verfahren mit dem IStGH zusammenzuarbeiten. Unter anderem müssen sie jedweden Haftbefehl gegen Bürger:innen der Russischen Föderation oder andere Tatverdächtige vollziehen.

Dank des Umstands, dass 42 Vertragsstaaten des Römischen Statuts eine „Situation übermittelt“ haben (so die Sprachregelung im Römischen Statut), war der Ankläger Karim Khan befugt, unabhängig eine vollumfängliche Ermittlung einzuleiten (Khan 2022). Diese Ermittlungen erfolgen in aktiver Zusammenarbeit mit der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine, den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden, der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe (engl.: Joint Investigation Team – JIT) und der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust).

Am 17. März 2023 erließ die Vorverfahrenskammer des IStGH Haftbefehle gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die Beauftragte für Kinderrechte beim russischen Präsidenten, Maria Lwowa-Belowa. 2024 erließ der IStGH dann weitere Haftbefehle gegen folgende Vertreter des russischen Staates: Sergej Kobylasch, Wiktor Sokolow, Sergej Schoigu und Walerij Gerassimow. Sobald diese Personen das Staatsgebiet eines der Vertragsstaaten des Römischen Statuts betreten, sind sie zu verhaften. Das ist ein äußerst wichtiger Schritt, da der IStGH nicht befugt ist, Fälle in absentia zu verhandeln.

Reform der Strafprozessgesetzgebung der Ukraine

Parallel zu diesen Entwicklungen wird die Strafprozessgesetzgebung der Ukraine stetig an die Bedingungen des Kriegs angepasst. So wurde beispielsweise am 3. März 2022 das Gesetz Nr. 2111-IX verabschiedet, das beträchtliche Änderungen in Abschnitt IX-1 der Strafprozessordnung vorsieht. Dieser Abschnitt regelt die Details der Vorverfahrensermittlungen und des Gerichtsverfahrens unter Kriegsrecht. Insbesondere wurde Art. 615 erweitert, sodass Abweichungen von bestimmten Verfahrensnormen während der Ermittlungen und anderer Verfahrenshandlungen erlaubt werden. Auch ist ein Staatsanwalt jetzt berechtigt, als vorbeugende Maßnahme Haft anzuordnen, wenn die Hinzuziehung eines Ermittlungsrichters nicht möglich ist. Diese gesetzgeberischen Änderungen haben eine Umsetzung dieser Maßnahmen in Gebieten ermöglicht, in denen die Wahrnehmung der Rechtspflege objektiv nicht möglich ist.

Das Gesetz Nr. 2236-IX vom 3. Mai 2022 ergänzte die Strafprozessordnung um den neuen Abschnitt IX-2, der die Details der Zusammenarbeit mit dem IStGH regelt.

Ungeachtet aller Fortschritte bei der Schaffung interner Entschädigungsmechanismen steht das ukrainische Rechtssystem gleichwohl weiterhin vor einer Reihe konzeptueller und praktischer Herausforderungen:

  • Die ukrainische Gesetzgebung verfügt über keine klaren verfahrenstechnischen Mechanismen, die den Besonderheiten von Ermittlungen zu Straftaten Rechnung tragen, die während eines bewaffneten Konflikts begangen wurden – umso mehr während eines besonders großen Kriegs und eines Angriffskriegs. Daher wird vorgeschlagen, einen gesonderten Abschnitt in die Strafprozessordnung einzuführen, der sich mit Ermittlungen zu Kriegsverbrechen und dem Verbrechen eines Angriffskriegs befasst und die internationalen Standards (z. B. das Römische Statut) berücksichtigt.

  • Es gibt zwar derzeit einzelne Gesetze (z. B. das Gesetz über die Entschädigung für zerstörtes oder beschädigtes Eigentum), doch ist noch kein umfassender und koordinierter Rechtsrahmen für Entschädigungen geschaffen worden. Die bestehenden Gesetze sehen Entschädigungen nur für zerstörten Wohnraum vor, während andere Formen von Verlust, z. B. von Geschäftsverlusten, durch den Tod oder die Verletzung von Personen oder durch psychische Traumatisierung unberücksichtigt bleiben. Es ist eine Ausweitung der Entschädigungsprogramme vonnöten, um natürliche und juristische Personen, die von anderen Schäden betroffen sind, zu erfassen und ihnen finanzielle und nicht-monetäre Entschädigung zukommen zu lassen, z. B. eine prioritäre Zuweisung von Wohnraum.

  • Die ukrainische Gesetzgebung ist darüber hinaus derzeit nicht in voller Übereinstimmung mit den internationalen Mechanismen zur Feststellung von Schäden, zur Bereitstellung von Entschädigungen und zur Durchsetzung von Entscheidungen eines potenziellen speziellen internationalen Militärtribunals, das sich mit den Straftaten befasst, die während des Angriffskriegs der Russischen Föderation begangen wurden und werden.

Das bezieht sich insbesondere auf die Schaffung eines „Registers der Schäden, die durch den Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine verursacht wurden“, das mit Unterstützung des Europarates eingerichtet wurde. Die Ukraine muss ihre nationale Gesetzgebung an die technischen und rechtlichen Standards dieses Registers anpassen, um ein korrektes Funktionieren dieser Verfahren und Entschädigungsmechanismen zu gewährleisten.

Darüber hinaus ist es erforderlich, den gesetzgeberischen Rahmen für die internationale Zusammenarbeit zu verbessern. Hierzu gehören eine Überprüfung und Aktualisierung der bestehenden internationalen Abkommen zur justiziellen Zusammenarbeit, einschließlich des Abschlusses bilateraler und multilateraler Verträge – insbesondere mit Ländern, in denen russisches Kapital oder russische Personen, die Kriegsverbrechen verdächtig sind, vermutet werden –, sowie der Schaffung von Mechanismen für deren Auslieferung. Das betrifft auch Bestimmungen, die die ukrainischen und internationalen Behörden dazu befähigen, umgehend auf Haft- und Überstellungsgesuche zu reagieren. Auch Regelungen zum Informationsaustausch sind erforderlich, insbesondere zwischen den Staatsanwaltschaften, den Sicherheitsdiensten und den internationalen Organisationen (z. B. Eurojust oder IStGH).

Besondere Aufmerksamkeit sollte dem gesetzgeberischen Rahmen für die Beschlagnahmung und Konfiszierung russischer Vermögenswerte in der Ukraine wie im Ausland gewidmet werden, um die Mittel für eine Entschädigung der Opfer des russischen Angriffskriegs einzusetzen. Konfiszierungen dieser Art müssen im Rahmen des Völkerrechts und aufgrund von Gerichtsentscheidungen erfolgen, was Änderungen im Strafgesetzbuch und im Zivilgesetzbuch der Ukraine erfordert, wie auch in Gesetzen, die die internationale Rechtshilfe regeln (Parliamentary Assembly of the Council of Europe, 2024).

Falls ein spezielles internationales Tribunal eingerichtet wird, müssen dessen Entscheidungen in der Ukraine anerkannt und vollstreckt werden. Um dies voranzutreiben, sind im ukrainischen Rechtssystem Mechanismen zur Umsetzung internationaler Gerichtsentscheidungen zu schaffen.

In diesem Kontext ist es entscheidend, eine zwischenbehördliche Arbeitsgruppe einzurichten, die aus Vertreter:innen des ukrainischen Justizministeriums, des Außenministeriums, des Obersten Gerichts, der Generalstaatsanwaltschaft, aus Abgeordneten der Werchowna Rada und internationalen Expert:innen besteht. Diese Arbeitsgruppe sollte sich darauf konzentrieren, Lücken in der ukrainischen Gesetzgebung zu analysieren und spezielle Änderungsvorschläge auszuarbeiten.

  • Angesichts der anhaltenden Kampfhandlungen und der vorübergehenden Besetzung von Teilen des ukrainischen Staatsgebiets bestehen beträchtliche Schwierigkeiten bei der Sammlung von Beweisen, der Befragung von Zeug:innen und Opfern und der Untersuchung der Tatorte, insbesondere, wenn man den mangelnden Zugang zu den besetzten Gebieten berücksichtigt.

Unter diesen Umständen ist es ratsam, eine Vermutung der Glaubwürdigkeit von Beweisen zu schaffen, die von staatlichen Behörden der Ukraine (Sicherheitsdienst, Nationale Polizei und Generalstaatsanwaltschaft), von internationalen Beobachtermissionen (Beobachtermission der VN zur Lage der Menschenrechte in der Ukraine – engl.: HRMMU, OSZE) und internationalen und nationalen Menschenrechtsorganisationen (Human Rights Watch, Amnesty International u. a.) vorgelegt werden.

Eine Vermutung der Glaubwürdigkeit bedeutet dabei, dass gesammelte Beweise als glaubhaft und für die Verwertung in einem Strafverfahren (auf nationaler wie internationaler Ebene) als zulässig angenommen werden, bis die Verteidigung das Gegenteil belegen kann. Das schließt eine nachträgliche Überprüfung nicht aus, erleichtert aber unter Bedingungen, bei denen standardmäßige Ermittlungsverfahren nicht umsetzbar sind, die Beweislast.

Dieser Ansatz gründet auf der Praxis internationaler Gerichte – unter anderem des IStGH und des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien – und steht im Einklang mit den Normen des humanitären Völkerrechts. Diesen Normen zufolge ist es zulässig, Daten von zuständigen und von dritter Seite autorisierten Stellen zu verwenden, wenn vollumfängliche Ermittlungen vor Ort nicht möglich sind.

  • Die Frage der Zuständigkeit für Straftaten gegen den Frieden, die Sicherheit der Menschheit und die internationale Ordnung (Abschnitt XX des ukrainischen Strafgesetzbuchs) ist umstritten, da sie ausschließlich dem Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) zugeschrieben wird (Art. 216 Abs. 2 Strafprozessordnung). In der Praxis jedoch werden die Vorverfahrensermittlungen zu völkerrechtlichen Straftaten nicht allein von Ermittler:innen des Sicherheitsdiensts vorgenommen, sondern auch von der Nationalen Polizei und dem Staatlichen Ermittlungsbüro.

Es muss sichergestellt werden, dass eine klarere Koordinierung der Strafverfolgungsbehörden besteht, die für die Verfahrensleitung bei der vorgerichtlichen Ermittlung verantwortlich sind. Mangelnde Koordination kann zu Problemen führen, etwa zum Verlust von Materialien eines Strafverfahrens durch häufige Verweisung zwischen Stellen auf unterschiedlicher Ebene oder in unterschiedlichen Behörden. Das würde sich natürlich negativ auf die Effizienz der Strafverfolgung auswirken. Darüber hinaus führen wiederholte Ermittlungen durch Stellen auf unterschiedlicher Ebene zu einer Doppelung des Aufwands und in einigen Fällen zu einer zusätzlichen Traumatisierung der Opfer.

Bei der sensiblen Kategorie sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten empfehlen internationale Standards, dass das Opfer nur einmal befragt wird, da jede wiederholte Schilderung des Erlebten zu psychischem Leid und womöglich einer erneuten Opfererfahrung führen kann. In der Praxis jedoch hat es Fälle gegeben, bei denen das Opfer mehr als fünf Mal befragt wurde und dadurch psychisch zu leiden hatte.

  • Schließlich mangelt es vielen Ermittler:innen an der nötigen Erfahrung mit humanitärem Völkerrecht und bei der Ermittlung von Kriegsverbrechen, worunter die Qualität der Ermittlungen leidet. Spezialisierte Ermittlergruppen müssen gebildet und Trainingsprogramme zu Kriegsverbrechen und Völkerstrafrecht ausgebaut werden. Es wurden zwar in der Ukraine bereits Maßnahmen ergriffen, um diese Probleme anzugehen – etwa durch eine Anpassung der Strafprozessgesetzgebung an die Kriegsbedingungen (Gesetze Nr. 2111-IX und 2236-IX), durch die Verabschiedung von Gesetzen über eine Entschädigung für zerstörten Wohnraum, durch die Einrichtung eines Registers der Schäden durch den russischen Angriffskrieg (mit Unterstützung des Europarates), durch eine Vereinfachung der Verfahren zur Anerkennung von Beweisen unter Kriegsbedingungen und durch die Schaffung von zwischenbehördlichen Arbeitsgruppen zur Analyse der Gesetzgebung und der Ausarbeitung von Änderungsvorschlägen – doch bleiben die empfohlenen Initiativen für zukünftige Verbesserungen wichtig.

Fazit

Die Ukraine hat hinreichend rechtliche Gründe, strafrechtliche Ansprüche auf nationaler und internationaler Ebene gegen die Russische Föderation geltend zu machen. Die Wirksamkeit des Entschädigungsprozesses hängt weitgehend von der Arbeit von Menschenrechtsorganisationen und Anwälten sowie der politischen Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft ab.

Die Reform der Strafprozessgesetzgebung ist im Kontext des bewaffneten Konflikts eine notwendige Voraussetzung für den Aufbau eines effizienten Justizsystems. Die Einführung spezieller Verfahren, die Weiterentwicklung der internationalen Zusammenarbeit und die Schaffung von Mechanismen zum Schutz der Opferrechte sind auf die Herstellung von Gerechtigkeit und die Stärkung des Rechtsstaates gerichtet.

Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder

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Prof. Dr. Tetyana Vilchyk ist Professorin an der Nationalen Jaroslaw-Mudryj-Universität in Charkiw. Sie ist darüber hinaus Research Fellow an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und Anwältin.