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NATO-Einsatz in Afghanistan Internationaler Militäreinsatz der NATO von 2003 bis 2021

Markus Kaim

/ 5 Minuten zu lesen

18 Jahre lang führte die NATO den internationalen Militäreinsatz in Afghanistan an. Es war der bisher längste und größte Einsatz der NATO, endete jedoch in der erneuten Machtübernahme der Taliban.

Die NATO führte den internationalen Militäreinsatz in Afghanistan ab 2003 an. Die Kontingentgröße der Bundeswehr veränderte sich im Laufe der Jahre. (© picture-alliance/dpa, Maurizio Gambarini)

Ausgangspunkt der International Security Assistance Force (ISAF) war die US-amerikanisch geführte Invasion in Afghanistan als Reaktion auf die Interner Link: Terroranschläge vom 11. September 2001. Nachdem diese im Oktober 2001 mit dem Sturz des Taliban-Regimes erfolgreich abgeschlossen worden war, stellte die Bonner Afghanistan-Konferenz unter der Führung der Interner Link: Vereinten Nationen (UN) im Dezember 2001 die Weichen für einen politischen Neuanfang im Land. Die an der Konferenz teilnehmenden afghanischen Oppositionsführer verständigten sich auf eine Übergangsregierung für maximal zwei Jahre, an der alle bedeutenden Volks- und Interessengruppen beteiligt sein sollten.

In diesem Kontext wurde auch das Konzept einer internationalen Truppe unter UN-Mandat zur Unterstützung der neuen Übergangsregierung vorgeschlagen. Sie sollte ein sicheres Umfeld in und um die afghanische Hauptstadt Kabul schaffen und den Wiederaufbau Afghanistans unterstützen. Vom Dezember 2001 bis zum August 2003 übernahmen diese Aufgabe verschiedene Einzelstaaten, unter denen dieser militärische Auftrag alle sechs Monate rotierte. Erst im August 2003 ging das Kommando an die NATO über.

Der Auftrag der ISAF bestand darin, die Regierung Afghanistans bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit so zu unterstützen, dass sowohl sie selbst als auch das Personal der UN und anderes internationales Zivilpersonal in einem sicheren Umfeld arbeiten konnten. Konkret bestand das Hauptziel der ISAF darin, nationale Sicherheitsstrukturen aufzubauen und neue afghanische Sicherheitskräfte auszubilden und auszurüsten, so dass Afghanistan nicht wieder zu einem Rückzugs-, Rekrutierungs- und Vorbereitungsort für Interner Link: Terroristen würde. Solange die afghanische Regierung noch nicht selbstständig in der Lage sein würde, im Land Sicherheit zu gewährleisten, übernahm die NATO diese Aufgabe selbst und bekämpfte direkt die aufständischen Interner Link: Taliban.

Weitere Hintergründe zu Afghanistan

Operation Enduring Freedom (OEF)

Wenige Wochen nach den Interner Link: Terroranschlägen vom 11. September 2001 griff eine von den USA angeführte Anti-Terror-Koalition von Staaten Afghanistan an. Ziel der „Operation Enduring Freedom“ war die Bekämpfung der Terrororganisation Al-Qaida, das heißt konkret, die Führungs- und Ausbildungseinrichtungen dieser Gruppe zu zerschlagen, die Führungsfiguren vor Gericht zu bringen und weitere Rekrutierungen zu unterbinden. Grundlage der Militäroperation war die UN-Resolution 1368. Die Koalition unterstützte die den regierenden Taliban feindlich gesinnten Kräfte in Afghanistan, die sogenannte Nordallianz, durch Spezialkräfte und die US-amerikanische Luftwaffe. Auch wenn NATO-Mitgliedsstaaten – darunter auch Deutschland – an der OEF in Afghanistan beteiligt waren, trat die NATO selbst bei dieser Operation nicht als militärischer Akteur auf.

Dieser von den USA ausgerufene „Krieg gegen den Terrorismus“ schloss auch andere Einsatzorte mit ein. Die OEF umfasste neben der Operation in Afghanistan auch militärische Aktivitäten am Horn von Afrika, auf den Philippinen und auf dem afrikanischen Kontinent innerhalb und südlich der Sahara.

Aufgaben der NATO-Truppen

Das NATO-Engagement in Afghanistan ist in zwei verschiedene Phasen zu unterscheiden: Von 2003 bis 2014 konzentrierte sich die NATO mit der ISAF vor allem auf die Gewährleistung von Sicherheit in Afghanistan und die Terrorismusbekämpfung. Dafür arbeiteten um die 50 NATO- und Partnerstaaten zusammen. Ursprünglich wurde ISAF eingesetzt, um die Sicherheit nur in der Hauptstadt Kabul zu gewährleisten, doch bis Ende 2006 wurde ihre Präsenz schrittweise auf das gesamte Land ausgedehnt. Ab 2011 übertrug die ISAF die Verantwortung für die Sicherheit dann nach und nach auf die neu geschaffenen afghanischen Streitkräfte. Zum 31. Dezember 2014 schloss die NATO diesen Übergangsprozess offiziell ab und die afghanischen Streitkräfte übernahmen die vollständige Sicherheitsverantwortung für das Land.

Der ISAF-Einsatz wurde 2015 von der kleineren Resolute Support Mission (RSM) abgelöst, die nicht länger selbst gegen Aufständische vorging, sondern die afghanischen Sicherheitskräfte und -institutionen lediglich weiter ausbilden, beraten und unterstützen sollte. Afghanische Sicherheitskräfte sollten durch die NATO-Mission befähigt werden, ihrer Sicherheitsverantwortung selbst nachzukommen und gegen Terroristen und Aufständische vorzugehen.

Die afghanische Regierung scheiterte in der Folge daran, das Land militärisch und politisch zu stabilisieren. Den wiedererstarkten Taliban gelang es hingegen, Teile des Landes wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Im Februar 2020 vereinbarten die USA mit den Taliban den schrittweisen Rückzug ihrer und der internationalen Truppen aus Afghanistan. Im April 2021 entschieden sich die NATO-Staaten, die Interner Link: RSM bis September 2021 zu beenden. Fast zeitgleich begannen die Taliban ihre Sommer-Offensive und eroberten weitere Distrikte in Afghanistan. Mit der Einnahme Kabuls und der Übernahme der Regierung, dem Zusammenbruch der afghanischen Sicherheitskräfte und der chaotischen Evakuierung des internationalen Personals sowie afghanischer Ortskräfte vom Kabuler Flughafen endete dieser Einsatz im August 2021.

Die ISAF war laut Angaben der NATO die bisher anspruchsvollste Mission des Bündnisses. Auf ihrem Höhepunkt war die Truppe mehr als 130.000 Soldatinnen und Soldaten stark, mit Kontingenten aus 51 NATO- und Partnernationen, was die breite internationale Unterstützung für die ISAF-Mission unterstreicht. Aufgrund des folgenschweren Endes ihres Afghanistan-Engagements im Sommer 2021 ist in der NATO zurzeit keine Bereitschaft erkennbar, vergleichbare Operationen zu übernehmen. Damit scheint auch die Ära der Auslandseinsätze grundsätzlich an ein Ende gekommen zu sein.

Mandatsgrundlage

Die ISAF wurde zum ersten Mal am 20. Dezember 2001 mit der Resolution 1386 vom UN-Sicherheitsrat für sechs Monate als internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan beauftragt. Grundlage war Interner Link: Kapitel VII der UN-Charta – „Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“. In den Folgejahren erfolgte die Mandatierung anfangs halbjährlich, dann jährlich und das Mandat wurde in der Sache mehrfach modifiziert, vor allem durch die Ausweitung des ISAF-Operationsgebietes auf das gesamte afghanische Territorium bis Ende 2006 und die unterstützende Rolle der NATO ab 2015.

Deutsche Beteiligung

Basierend auf den UN-Interner Link: Mandaten hat der Bundestag die Interner Link: Bundeswehrpräsenz in Afghanistan regelmäßig mandatiert, wobei sich die Kontingentgrößen im Laufe der Jahre verändert haben. Der Höhepunkt war mit rund 5.300 Soldatinnen und Soldaten im Jahr 2011 erreicht. Am 25. März 2021 hat der Bundestag letztmalig die Verlängerung des entsprechenden Mandats bis zum 31. Januar 2022 beschlossen. Der Auftrag sollte zunächst unverändert weiterlaufen, bis die Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung erfolgreich abgeschlossen würden. Der deutsche Einsatz wurde vor Ablauf des Mandats Ende Juni 2021 beendet. Die Obergrenze lag mit dem letzten Mandat bei 1.300 Soldatinnen und Soldaten. Aufgrund seiner Dauer ist der Einsatz in Afghanistan prägend für eine Generation von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und bestimmte knapp zwanzig Jahre die Beschaffungs-, Streitkräfte- und Finanzplanungen der deutschen Verteidigungspolitik.

Bilanz

Die NATO-Operation in Afghanistan endete zwar nicht mit einer militärischen Niederlage der Allianz. Der rasante Zerfall der afghanischen Streitkräfte und die Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 haben jedoch gezeigt, dass die Annahme der NATO, die afghanischen Sicherheitskräfte seien ausreichend fähig und willig, für Sicherheit im Land zu sorgen, eine Fehleinschätzung war. In Deutschland soll der Einsatz deshalb aufgearbeitet werden: Sowohl ein Interner Link: Untersuchungsausschuss als auch eine Interner Link: Enquete-Kommission sind im Bundestag eingerichtet worden, um die Gründe dieses Scheiterns zu untersuchen und Lehren für zukünftige Einsätze dieser Art zu ziehen.

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Dr. Markus Kaim ist Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte. Als Senior Fellow in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin verfasste er mehrere Textbeiträge für das Dossier NATO auf bpb.de. Seit Mai 2024 leitet er das Referat „Geoökonomie und Sicherheitspolitik“ im Bundesministerium der Finanzen (BMF).