Die empirische Wahlforschung hat eine Reihe von Methoden entwickelt, um die Wahlabsicht sowie die tatsächliche Wahl am Wahltag kurzfristig ermitteln zu können. Zu unterscheiden sind hierbei erstens Umfragen vor dem Wahltermin, zweitens die Prognose am Wahlabend um 18 Uhr sowie drittens die Hochrechnungen des tatsächlichen Abstimmungsverhaltens (Karl-Rudolf Korte/Arno von Schuckmann, 2021).
Prognosen, Hochrechnungen, Umfragen
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Face to face, telefonisch oder schriftlich durch Anschreiben ermitteln Meinungsforschungsinstitute die Wahlabsicht im Vorfeld der Wahl sowie die tatsächliche Wahl am Wahltag.
Im Vorfeld überregionaler Wahlen geben bei den Meinungsforschungsinstituten insbesondere Parteien und Medien Umfragen in Auftrag, um aktuelle Stimmungsbilder von den Wahlabsichten zu erhalten. Umfrageergebnisse beruhen je nach Kostenrahmen auf 1.000 bis 2.000 repräsentativ ausgewählten Befragten. Deren Auswahl erfolgt nach der Zufalls- oder (seltener) nach der Quotenauswahl. Die Befragten werden entweder telefonisch, persönlich (face to face) oder schriftlich (durch Anschreiben) befragt. Für aktuelle Stimmungsbilder genügen etwa 800 bis 1.200 Personen, die telefonisch über ihre Wahlabsicht Auskunft geben.
Es ist wichtig, die methodischen Besonderheiten von Umfragen zu kennen. Sie messen immer nur aktuelle Verhaltensabsichten. Zudem unterliegen die Ergebnisse den statistischen Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Die Fehlertoleranz beträgt je nach Umfang und Methode der Erhebung etwa zwischen zwei und vier Prozent.
Die Wahlprognosen, die von den Meinungsforschungsinstituten mit der Schließung der Wahllokale um 18 Uhr im Fernsehen verkündet werden, beruhen auf sogenannten exit polls, das heißt auf Befragungen, die während des gesamten Wahltags direkt vor repräsentativ ausgesuchten Wahllokalen durchgeführt werden.
Die Meinungsforschungsinstitute betreiben einen hohen Aufwand, um ihre Leistungsfähigkeit immer wieder öffentlich unter Beweis zu stellen. Die das Wahllokal verlassenden Personen bzw. ein zufällig ausgewählter Teil davon werden beim Wahlprognoseverfahren gebeten, noch einmal ihre Stimme für die Urne des Meinungsforschungsinstituts abzugeben. Zudem werden sozialstatistische Merkmale wie zum Beispiel Bildung, Geschlecht, Alter, Beruf und Konfession erfasst. Die Vorteile dieser exit polls liegen auf der Hand: Zunächst werden hierbei – anders als bei Bevölkerungsumfragen – nur tatsächliche Wählerinnen und Wähler befragt. Weiterhin liegen die Zeitpunkte von Wahl und Befragung nur wenige Minuten auseinander, die Befragten können sich also mit hoher Sicherheit noch richtig erinnern. Darüber hinaus wird bei diesem Verfahren eine wesentlich größere Anzahl von Personen befragt (bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft 2020 befragte die Forschungsgruppe Wahlen am Wahltag 15.537 Wählerinnen und Wähler), was die Fehlertoleranz verkleinert.
Die Hochrechnungen des Wahlabends beruhen im Gegensatz zu den Meinungsbildern der vorangegangenen Tage und auch der Prognose um 18 Uhr auf dem tatsächlichen Wahlverhalten. Hierbei werden die Ergebnisse repräsentativ ausgewählter Stimmbezirke hochgerechnet. Die Stimmbezirke sind so ausgewählt, dass sie in ihrer Gesamtheit das Ergebnis der vorangegangenen Wahl exakt abbilden. Es bleiben allerdings auch nach den ersten Hochrechnungen noch Unsicherheiten, die aber bei zunehmender Verbreiterung der Basis abnehmen.
Wenn der Stimmenanteil einer Partei jedoch sehr nahe an der Fünfprozenthürde liegt (wie etwa bei der Bundestagswahl 2013 die Prognose für die FDP) oder zwei Parteien oder Lager sich ein Kopfan-Kopf-Rennen liefern (SPD und CDU bei der Bundestagswahl 2002 oder Rot-Grün und Schwarz-Gelb bei der Landtagswahl 2013 in Niedersachsen), muss trotz aller ausgefeilten Hochrechnungstechniken die vollständige Auszählung abgewartet werden. Ergebnisse können statistisch immer nur mit einer möglicherweise durchaus geringen Fehlertoleranz vorhergesagt werden. Wenn die politisch entscheidenden Unterschiede jedoch innerhalb dieser wahrscheinlichkeitstheoretischen Toleranzen liegen, hilft auch die Mathematik nicht weiter.
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Professor Dr. Karl-Rudolf Korte hat einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft inne und ist Direktor der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen. Er ist zudem geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für Politikwissenschaft.
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