Die Ausgestaltung der Kommunalwahlen ist die Angelegenheit der Länder. Das führt zu einer Vielzahl unterschiedlicher Wahlsysteme.
Zu den Kommunalwahlen zählt man die Wahlen der parlamentarischen Vertretungen der Gemeinden und Städte – unabhängig von ihrer Größe –, ferner Direktwahlen von (Ober-)Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie die Wahlen zu den Kreistagen und der (mit Ausnahme von Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein) Landrätinnen und Landräte. Mehrere Gemeinden bilden einen Landkreis (in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Kreis genannt), größere Städte eine kreisfreie Stadt (in Baden-Württemberg Stadtkreis genannt). In den Gemeinden und in den Städten sind die Vertretungskörperschaften die Gemeinde- bzw. die Stadträte, in den Landkreisen die Kreistage.
Einzelheiten regelt das Grundgesetz. Darin heißt es in Artikel 28, Absatz 1: "Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten."
Grundlagen
Auf kommunaler Ebene – in den Kreisen, Gemeinden und Städten – müssen demnach die Bürgerinnen und Bürger eine Vertretung haben, die aus Wahlen hervorgegangen ist. Die Wahlrechtsgrundsätze, die für die Bundestags- und die Landtagswahlen gelten, sind auch auf kommunaler Ebene anzuwenden. Ausnahmsweise kommt im letzten Satz von Absatz 1 der Gedanke der unmittelbaren, direkten Demokratie zum Zuge, der ansonsten im Grundgesetz mit seinem ausgeprägt repräsentativen Demokratieverständnis fehlt: In Gemeinden kann an die Stelle der Körperschaft die Gemeindeversammlung treten. Das hängt damit zusammen, dass in vielen Fällen die Versammlung aller erwachsenen Gemeindeeinwohner noch immer ein überschaubares Gremium darstellen kann.
Das Grundgesetz regelt außerdem das kommunale Wahlrecht für Staatsangehörige eines Mitgliedslandes der Europäischen Union. Danach hat jede Unionsbürgerin und jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, auch ohne im Besitz von dessen Staatsangehörigkeit zu sein, das aktive und das passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen. So hat es der Vertrag von Maastricht geregelt.
Zu den Grundlagen der Kommunalwahlen gehören auch die Bestimmungen, die sich aus dem Parteiengesetz ergeben. Dieses wendet den Begriff der politischen Partei ausschließlich auf solche Parteien an, die an den Wahlen im Bereich des Bundes oder eines Landes mitwirken. Neben den im Parteiengesetz beschriebenen Parteien gibt es jedoch auf die Gemeindeebene beschränkte Freie Wählergemeinschaften bzw. Rathausparteien. Obwohl sie keine Parteien sind, dürfen sie nicht durch rechtliche Maßnahmen von der gemeindlichen politischen Willensbildung ausgeschlossen werden. Rechtsgrundlage für die kommunale Selbstverwaltung ist die Konkurrenz zwischen den Parteien und den Wählergemeinschaften.
Obwohl für die Freien Wählergemeinschaften die Kommunalpolitik der Schwerpunkt bleiben wird, treten sie gelegentlich auch zu Landtagswahlen an wie beispielsweise 2008 in Bayern. Dort zogen die Freien Wähler mit 10,2 Prozent der Stimmen zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik in ein Landesparlament ein. Mittlerweile haben sich die Freien Wähler als feste parlamentarische Größe in Bayern etabliert und bilden dort sogar seit 2018 eine Regierungskoalition mit der CSU.
Kommunale Verfassungssysteme
Die Gemeindeordnungen in der Bundesrepublik Deutschland ließen sich nach vier verschiedenen Modellen ordnen, die sich historisch herausgebildet hatten. Sie unterschieden sich hinsichtlich der Konstruktion der Gemeindespitze und der unterschiedlichen Machtverteilungen zwischen dem Rat (als der Vertretung der Gemeindebürgerschaft) sowie der Verwaltungsspitze (als der Gemeindeexekutive). Heute dominiert bei den Kommunalwahlsystemen eindeutig die Süddeutsche Ratsverfassung. In nahezu allen Bundesländern ist die Direktwahl des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin bzw. des Landrates oder der Landrätin eingeführt worden. Lediglich in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein werden die Landrätinnen und Landräte von den Kreistagen gewählt (vgl. Infokasten, im Buch S. 96).
QuellentextTypen von Kommunalverfassungen
Kommunalverfassungen legen die rechtlichen Regelungen zur Organisation der Kommunen (kreisfreie Städte, Land-, Verbandsgemeinden) fest. Die äußere (allgemeine) Kommunalverfassung enthält Rechtsnormen über das Verhältnis der Kommune zum Gesamtstaat. Art. 28 Abs. 2 GG schreibt generell das kommunale Selbstverwaltungsrecht und damit einen dreistufigen Föderalismus (Bund, Länder und Gemeinden) fest. Die innere Kommunalverfassung, das heißt die Art, die Zusammensetzung und das Zustandekommen der Gemeindeorgane, und damit die unterschiedlichen Typen von Kommunalverfassungen ergeben sich aus den Regelungen der jeweiligen Landesverfassungen und Gemeindeordnungen.
Grundsätzlich lassen sich drei Modelle unterscheiden: die Norddeutsche Ratsverfassung, die Süddeutsche Bürgermeisterverfassung und die Magistratsverfassung. Die Norddeutsche Ratsverfassung hatte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bis in die 1990er-Jahre Bestand und wurde dann von der heute nahezu flächendeckend angewandten Süddeutschen Bürgermeisterverfassung abgelöst. Die Magistratsverfassung gilt lediglich in hessischen Kommunen sowie in der Stadt Bremerhaven. Im Folgenden werden die zentralen Merkmale der jeweiligen Verfassungen erläutert.
Die Norddeutsche Ratsverfassung ging auf Vorstellungen der britischen Besatzungsmacht nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zurück. Sie betonte die herausgehobene Stellung des Rats und sah eine Doppelspitze aus einem vom Rat gewählten, ehrenamtlichen Bürgermeister bzw. einer Bürgermeisterin einerseits sowie einem Gemeinde- bzw. Stadtdirektor / einer Stadtdirektorin andererseits vor. Dieses in Niedersachen und Nordrhein- Westfalen angewandte Prinzip der Zweigleisigkeit wurde in den 1990er-Jahren durch die Einführung der Süddeutschen Bürgermeisterverfassung abgelöst, die ein eingleisiges Modell vorsieht.
Das Modell der Süddeutschen Bürgermeisterverfassung räumt dem Bürgermeister bzw. der Bürgermeisterin eine starke Stellung ein. In der Grundform wird er / sie von der Bevölkerung direkt gewählt, er / sie führt den Vorsitz im Gemeinde- bzw. Stadtrat, ist sowohl oberster Verwaltungschef bzw. oberste Verwaltungschefin als auch oberster Repräsentant bzw. oberste Repräsentantin der Kommune (Prinzip der Eingleisigkeit). Im Rahmen eines außerordentlichen Anpassungsprozesses in den 1990er- Jahren, von dem insbesondere Nordrhein-Westfalen und Niedersachen betroffen waren, hat sich dieser kommunale Verfassungstypus nahezu flächendeckend durchgesetzt.
Die Magistratsverfassung gilt heute nur noch in Hessen und Bremerhaven. Sie trennt deutlich zwischen Bürgerschaft und Verwaltung. Die Bevölkerung wählt sowohl die Stadtverordnetenversammlung als auch den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin. Dieser / diese leitet nach dem Kollegialprinzip (als "Erster / Erste unter Gleichen") gemeinsam mit den vom Gemeinderat gewählten Beigeordneten die Verwaltung.
Quellen: Karl-Rudolf Korte 2020; Everhard Holtmann / Christian Rademacher / Marion Reiser 2017; Andreas Kost 2010
Die genaue Ausgestaltung der Kommunalwahlen fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (Karl-Rudolf Korte 2015). Daher stellen die Kommunen streng verfassungsrechtlich keine eigene Ebene des politischen Systems dar, sondern müssen der Länderebene zugeordnet werden. So haben wir es in Deutschland mit einer Vielzahl von verschiedenen Kommunalwahlgesetzen zu tun. Die Variationsbreite reicht von reiner Verhältniswahl mit starren Listen wie im Saarland bis hin zur freien Zusammenstellung von Wahlvorschlägen wie in Bayern oder Baden-Württemberg durch das sogenannte System des Kumulierens und Panaschierens.
QuellentextKumulieren und Panaschieren
Kumulieren ("anhäufen")
Beim Kumulieren haben die Wahlberechtigten die Möglichkeit, mehrere Stimmen auf eine Bewerberin bzw. einen Bewerber anzuhäufen. Dabei verfügen die Wählerinnen und Wähler in einigen Bundesländern entweder über so viele Stimmen, wie Ratsmitglieder zu wählen sind, oder über insgesamt lediglich drei Stimmen. In beiden Fällen können sie einem Kandidaten oder einer Kandidatin bis zu drei Stimmen geben.
Panaschieren ("bunt verteilen")
Darunter versteht man die Möglichkeit, mehrere Stimmen auf die kandidierenden Personen verschiedener Parteien zu verteilen. Die Wählerinnen und Wähler können dadurch in einem Wahlvorgang einzelne Politikerinnen bzw. Politiker verschiedener Parteien unterstützen.
Beispiel: Jeder wahlberechtigte Bürger bzw. jede wahlberechtigte Bürgerin hat so viele Stimmen, wie es Gemeinderäte gibt. In Stuttgart sind das 60 Stimmen. Eine Möglichkeit: Er/sie kann auf dem riesigen Stimmzettel die Stimmen alle gleichmäßig auf die 60 Kandidaten und Kandidatinnen einer Partei verteilen (je eine Stimme).
Die Übrigen haben "kumuliert", also einer oder mehreren kandidierenden Personen zwei oder drei Stimmen gegeben, dafür anderen ihre Wählergunst versagt. Oder sie haben "panaschiert", also verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten auf Listen unterschiedlicher Parteien ihre Stimme gegeben.
Andere wiederum nutzten die Möglichkeit, beides zu tun. Ein erfundenes, aber realistisches Beispiel: Frau Adler hat 55 Stimmen auf die Liste der CDU verteilt. Zugleich gab sie ihrem geschätzten Nachbarn, der im Haus gegenüber wohnt und auf der SPD-Liste steht, zwei Stimmen. Die Freundin des Sohnes kandidierte auf der grünen Liste und bekam als Einzige ihrer Couleur von Frau Adler Stimmen, drei an der Zahl.
Bei den Ratswahlen haben mittlerweile fast alle Bundesländer Verhältniswahlsysteme mit freien Listen eingeführt. Die Bürgerinnen und Bürger können demnach ihre Stimmen auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin anhäufen ("kumulieren") oder auf Bewerberinnen oder Bewerber unterschiedlicher Listen verteilen ("panaschieren"). Diese Kommunalwahlsysteme unterscheiden sich so nur noch im Detail voneinander. So können die Wahlberechtigten in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nur drei Stimmen abgeben. In Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz haben sie hingegen so viele Stimmen, wie es Mandate zu vergeben gibt.
In Nordrhein-Westfalen, das weiterhin eine personalisierte Verhältniswahl anwendet, und im Saarland sind Kumulieren und Panaschieren nicht möglich. Hier haben die Wählerinnen und Wähler weiterhin nur eine Stimme, die sie einer starren Liste geben können. In Nordrhein-Westfalen wählen sie mit dieser Stimme sowohl eine direkt kandidierende Person im Wahlkreis als auch die Liste der Partei des Kandidaten oder der Kandidatin.
Eine Sperrklausel, die es in einigen Bundesländern lange Zeit gab, wurde mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008 für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben. Somit haben sich die Wahlchancen für kleinere bzw. regionale Parteien, kommunale Wählergemeinschaften sowie Einzelbewerberinnen und Einzelbewerber deutlich erhöht.
Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, das ein differenzierendes Kommunalwahlsystem besitzt: In kleinen Gemeinden wird in Mehrpersonenwahlkreisen gewählt, während Gemeinden ab 10.000 Einwohner/-innen Einpersonenwahlkreise besitzen. In Mehrpersonenwahlkreisen ziehen nicht nur einer, sondern gleich mehrere Direktkandidierende pro Wahlkreis in den Rat ein. Hier haben die Wählerinnen und Wähler so viele Stimmen, wie Direktkandidaten und Direktkandidatinnen zu wählen sind. Die in den Ländern am meisten verbreiteten Verfahren der Stimmenauszählung sind die nach Hare/Niemeyer und Sainte-Laguë, in zwei Ländern findet die Berechnung nach d'Hondt Anwendung (siehe Tabelle oben, im Buch S. 95).
Die zu wählenden Kandidatinnen und Kandidaten der Kommunalwahl müssen in allen Bundesländern die Volljährigkeit besitzen (passives Wahlrecht bei 18 Jahren). Zur Wahl gehen dürfen hingegen in einigen Bundesländern wie in Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen (siehe Tabelle Interner Link: Kommunales Wahlrecht in den Bundesländern) schon Jugendliche ab 16 Jahren (aktives Wahlrecht).
Neben den Bezirks-, Rats- und Landkreisvertretern werden in allen Bundesländern in der Regel zeitgleich auch die (Ober-)Bürgermeisterinnen und (Ober-)Bürgermeister sowie Landräte und Landrätinnen direkt gewählt. Hierbei gibt es kaum große Unterschiede: In allen Ländern ist im ersten Wahlgang gewählt, wer mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen auf sich vereint (absolute Mehrheitswahl).
Bürgermeisterwahlsysteme in den Ländern
Ausnahmen bestehen in Brandenburg, wo in beiden Wahlgängen zusätzlich ein Zustimmungsquorum angewandt wird: Hier müssen auch 15 Prozent der Wahlberechtigten den neuen Bürgermeister oder die neue Bürgermeisterin gewählt haben. Falls niemand die absolute Mehrheit der Stimmen im ersten Wahlgang erreicht hat, kommt es zu einer Stichwahl zwischen den zwei kandidierenden Personen mit den meisten Stimmen. Weitere Ausnahmen bestehen in Baden-Württemberg und Sachsen: Hier können am zweiten Wahlgang wieder alle kandidierenden Personen und sogar neue Bewerberinnen und Bewerber antreten. Bei dieser Wahl reicht nun die einfache Mehrheit zum Wahlsieg aus (relative Mehrheitswahl). Der zweite Wahlgang findet in der Regel zwei Wochen nach dem ersten Wahltermin statt.
In Baden-Württemberg, wo die Bürgermeisterwahl entkoppelt von den sonstigen Kommunalwahlen stattfindet, und in Sachsen-Anhalt werden nur Einzelbewerbungen zur Bürgermeisterwahl zugelassen. In Bayern können hingegen nur Parteien und Wählergruppen Kandidatinnen und Kandidaten nominieren. In Schleswig-Holstein treten nur Einzelbewerberinnen und Kandidaten der im Rat vertretenen Parteien und Wählergruppen an. In den restlichen Ländern sind alle Varianten möglich.
Die Amtsdauer der direkt gewählten Person für das Bürgermeisteramt beträgt in der Regel zwischen fünf und acht Jahren. In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wird die Länge der Amtszeit individuell in der Hauptsatzung der Kommune festgelegt. In Mecklenburg-Vorpommern beträgt sie zwischen sieben und neun und in Schleswig-Holstein zwischen sechs und acht Jahren.
Die Wahlsysteme wirken sich auf kommunaler Ebene ebenso wie die ortsspezifischen Besonderheiten auf das Wahlergebnis aus. Auch der unterschiedliche Organisationsgrad der Parteien auf kommunaler Ebene entscheidet häufig über den Erfolg bzw. Misserfolg bei der Wahl. Je kleiner die Gemeinde ist, desto geringere Bedeutung haben sowohl die traditionellen Rollenorientierungen der Parteien als auch die der Wählerinnen und Wähler. Das Wahlverhalten ist wesentlich sach- und projektorientierter als auf Landes- oder Bundesebene. Kommunalwahlen sind zuallererst singuläre Wahlen: Meist nehmen sich die Wählerinnen und Wähler beim Urnengang in den Kommunen größere Freiheiten heraus und wählen verstärkt kleinere Parteien, Bürgerinitiativen oder sogar rechtsextreme Parteien. Gute Gemeinde- und Kreispolitik werden mit Stimmenzuwächsen belohnt, schlechte mit Stimmenentzug bestraft – unabhängig von der parteipolitischen Couleur.
Dennoch sind Kommunalwahlen nicht völlig frei von bundes- und landespolitischen Einflüssen. Als "Denkzettelwahl" für die Volksparteien CDU und SPD gilt beispielsweise die hessische Kommunalwahl vom 6. März 2016, bei der die AfD mit einem landesweiten Ergebnis von 11,9 Prozent und 223 gewonnenen Mandaten aus dem Stand heraus drittstärkste Kraft nach CDU und SPD wurde.
Bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen 2020 konnten insbesondere die Grünen dazugewinnen. Mit landesweit 20 Prozent der gültigen Stimmen etablierten sie sich neben den traditionell starken Parteien CDU und SPD als dritte starke Kraft in den Stadträten und Kreistagen. Die Grünen können somit ihre in verschiedenen Bundesländern erzielten Erfolge auf kommunaler Ebene fortsetzen. Insgesamt gilt also: Die kommunalpolitische Landschaft ist vielfarbiger geworden und steckt voller regionaler und lokaler Besonderheiten.
Der Einfluss der Landesverbände der Parteien auf ihre kommunalen Gliederungen ist eher gering. Wahlwerbung erfolgt häufig in völliger Eigenregie der Gemeinde-, der Stadt- und der Kreisverbände der Parteien. Die Werbung ist ausschließlich auf die Problemlösung an Ort und Stelle gerichtet. Denn die kommunalpolitischen Fragen greifen sichtbar in die unmittelbaren Lebensbereiche der Bürgerinnen und Bürger ein. Die Wählerinnen und Wähler können die Partei oder die Wählervereinigung wählen, die sich für die kommunalen Probleme wie Kindergarten-, Parkplatz- oder Straßenbau engagiert. Lokalkolorit dominiert. Die Lokalpolitik agiert an der Schnittstelle zwischen kommunalpolitischen und parteipolitischen Beziehungsfeldern. Die mittlerweile an vielen Orten eingeführte Direktwahl des Gemeindeoberhaupts verschiebt nicht nur die Gewichte im Institutionengefüge zugunsten der Bürgermeister. Dadurch kommt es zu einer Machtkonzentration auf dieser Position, aber auch zu einer höheren Transparenz durch die klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten.
Trotz dieses Zugewinns an Demokratie ist die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen im Durchschnitt deutlich niedriger als bei Landtags- oder Bundestagswahlen. Offenbar wird die Bedeutung der Kommunalwahl als geringer, als weniger wichtig im Vergleich zu den Wahlen auf anderen politischen Ebenen eingestuft. Kommunale Determinanten bestimmen dabei das Wahlverhalten: lokale Besonderheiten, spezifische Ausprägung des Parteiensystems am Ort, die Existenz lokaler Parteiimages, die Dominanz eines kandidatenorientierten Politikverständnisses in der Wählerschaft, nicht zuletzt auch die Eigenarten des lokalen Wahlsystems. Eindeutig fördert das flexible kommunale Wahlsystem vor allem im ländlichen Bereich eine stärkere Orientierung an den jeweiligen Kandidaten anstatt an den Parteien. Das reduziert den Parteienverdruss.
Professor Dr. Karl-Rudolf Korte hat einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft inne und ist Direktor der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen. Er ist zudem geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für Politikwissenschaft.
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